Tauler, Johannes - An dem Sonntag Quasimodogeniti.

Tauler, Johannes - An dem Sonntag Quasimodogeniti.

Vom rechten innigen und fruchtbaren Gebet, das da heißt: wahre Vereinigung mit Gott, und über alle Worte und Uebung des auswendigen Gebets ist. Von dreyen Weisen, durch die man in die unterste Wahrheit kommt.
Clarifica me Pater. Joh. XVII. v. 1-5 Vater, Verkläre mich.

Der Sohn Gottes, da er seine Augen in den Himmel aufhob, sprach: Vater, verkläre deinen Sohn.

Dieß Werk lehrt uns, daß wir unsere Sinne, Hände, Kräfte und Gemüth in die Höhe aufheben, und in ihm beten sollen, mit ihm und durch ihn. Dieß ist das allerhochwürdigste Gebet und Werk, das Gottes Sohn hier that, da er seinen Vater anbetete. Dieß ist aller Menschen Vernunft überschwenglich, und es kann Niemand hiezu kommen, noch es verstehen, es sey denn von dem heiligen Geist. Von dem Gebet spricht Anselmus und St. Augustinus, daß es ein Aufgang des Gemüths in Gott sey.

Die reichen Menschen kommen zu euch armen, verzehrten, kranken Kindern, und geben euch 4 oder 6 Heller, und heißen euch viele Gebete machen, oder hundert pater noster sprechen. Von diesem Kauf, und sonst von andern Weisen, hält Gott in seiner Ewigkeit so viel, als er will; aber ich sage dir ein Ding, kehre dich in der Wahrheit von dir selber, und von allen geschaffenen Dingen, und richte dein Gemüth ganz in Gott auf, über alle Creatur, in den tiefen Abgrund, darin versenke deinen Geist in Gottes Geist, in wahrer Gelassenheit, in allen deinen obersten und niedersten Kräften über alle Sinne und Verständniß, in einer wahren Vereinigung mit Gott, innerlich in dem Grund; mit diesem überkommst du alle Worte und Weise und Uebungen. Darin bitte für alles, dafür du schuldig bist zu bitten, und was die Menschen von dir begehren, und für alles, darum Gott will gebeten werden; und wisse, so klein ein Heller gegen hundert tausend Mark Goldes ist, so klein ist alles auswendige Gebet gegen dieses inwendige Gebet, das da ist und heißt: wahre Einigung mit Gott, des geschaffenen Geistes Versinken und Verschmelzen in den ungeschaffenen Geist Gottes. Kinder, will diese Einigung das Gebet des Mundes leiden, und ungehindert davon bleiben, so thue es kühnlich; denn zwey sind besser, denn eins, und das, darum du gebeten bist, ist gut, daß du das nach der Weise auswendig thuest, wie du geheißen bist und gelobet, hast. Und mit dem, und in dem treibe dein Gemüth ans in die Höhe und in die innerliche Wüste, damit treibe alles dein Vieh mit Moses, hindert dich aber einerley Weise oder Gebet, oder auswendige Werke, das lasse kühnlich auf mich, auf meine Verantwortung fahren, ausgenommen die, die zu ihrer Zeit verbunden sind. Denn alles Gebet des Mundes ist recht wie Spreu und Stroh gegen edlen Weitzen. Christus sprach: Die wahren Anbeter bitten in dem Geist und in der Wahrheit. In diesem werden alle Uebungen vollbracht, Worte, Werke und Weisen, die von Adams Zeit gewesen sind, und noch seyn werden, bis an den jüngsten Tag, das vollbringen diese in einem Augenblick, mit diesem wahren, wesentlichen Einkehren. Ihr sehet diese Kirche, und das Mannigfaltige, was dazu gehöret, als, das Fundament, die Mauer, die Steine die dazu dienen, die, welche das alles herzu tragen, dieß ist alles um das Gebet geschehen, und wird in diesem alles wesentlich zu wahrer Frucht und in Gott getragen, weshalb es alles geworden ist; ja, es wird in einem Augenblick in den Grund eingetragen, da es ausgeflossen und wo es ewiglich in Gegenwärtigkeit gewesen ist. Davon sprach unser lieber Herr: Ich habe alle Dinge wohl gethan, die du mir zu thun gabst. Hätte er das nach der Zeit genommen, so wäre es nicht also gewesen, denn es war noch vieles ungethan; er sollte noch leiden und auferstehen, er meinte es aber nach der Weise der Ewigkeit, da sind alle Dinge, wie sie ewiglich gewesen sind, und ewiglich seyn sollen, also sind sie sehr in diesem Nu. Also diese Menschen, die darin recht gerathen, die wirken alle ihre Werke auswendig und über der Zeit, in Ewigkeit, sie beten in Gottes Geist, und leben und wirken in ihm, sie sind sich selber gestorben. Niemand mag ein anderes werden, er muß zuvor entwerden, was er ist. Da beten diese und wirken in dem Geist, da der Vater seinen Sohn gebiert, da werden sie wieder eingeboren. In den Grund wird der Geist wieder eingetragen, über alle Bilder und Form, und sie werden ihrer selbst entbildet und entformet, und sind über alle Weisen. Diese Menschen in diesem Gebet erwerben alle Dinge, und bitten hier den Vater für seinen Sohn, wie bisher der Sohn für sie gebeten hat. Nun wie bitten sie für den Sohn? Unser Herr lehrt uns beten, daß sein Name geheiliget werde, das bitten sie alle hier, daß sein Name geheiliget und verbreitet, bekannt und geliebt, und also gefunden werde, als er es ewiglich angesehen und gemeinet, und gewollt hat in Ewigkeit, und daß sein theueres Verdienen und sein bitteres Leiden vergolten, wiederlohnt und fruchtbar werde. Diese Menschen bitten auch für die heilige Christenheit, und ihr Gebet wird allewege erhört. Sie nehmen alle Dinge von Gott gleich, Haben und Mangeln, Liebe und Leid, gleich willig und folgsam, daran liegt großes Verdienst. Unser Herr sprach: Ich bitte dich, daß sie eins werden, wie wir eins sind. Diese Einung geschieht in zweyerley Weise, inwendig und auswendig, mit Mittel und ohne Mittel, im Geist und in Natur. Dieß wird oft fälschlich verstanden, denn göttliche Natur empfängt keinen Zufall mit der göttlichen Natur kann nichts Aeußeres verbunden werden. Diese Einigung mag die Vernunft nicht begreifen, und das ist kein Wunder, denn der Mensch kann nicht begreifen, wie die Seele mit dem Leib vereinet ist, und wie sie wirkt und sich beweget in der Hand, in den Füßen und in den andern Gliedern, wie sollte der Mensch denn göttliche Einigung verstehen? Die hierzu kommen, wirken auswendig der Zeit in Ewigkeit, aus Geschaffenem . in Ungeschaffenes, aus Mannigfaltigkeit in Einfältigkeit; sie bleiben im Frieden in Unfriedsamkeit, und sinken mit einer Begehrung in den Grund, und tragen Gott alle Dinge wieder auf, wie sie ewiglich in ihm gewesen, und er sie geliebet und gemeinet hat. Dieß ist naher, denn das Gebet, ja viel näher. Darin mögen die nicht kommen, die in ihrer natürlichen Vernunft aufgewachsen sind, und in eigene Thorheit gezogen, und in ihrem Sinn gelebt haben, die kommen dazu gar nicht.

1) Nun möchte man fragen, welches die Weisen und die Wege sind, die da zu der lautersten, zu der höchsten und vollkommensten Wahrheit gehört? Unser Herr Jesus hat St, Johannem in dreyerley Weise gezogen, also zieht er noch alle Menschen, die dann zu der nächsten Wahrheit kommen sollen. Nun zog unser Herr St. Johannem zuerst, da er ihn von der Welt berief, und ihn zu einem Apostel machte. Zu dem andernmal ließ ihn unser Herr auf seinem minniglichen Herzen ruhen. Zu dem dritten, was das vollkommenste ist, das war auf den Pfingsttag, da ihm der heilige Geist gegeben ward, und er ward also eingenommen.

Nun zu dem ersten, der Mensch wird mit St. Johannes von der Welt gerufen, das ist, daß der Mensch alle seine niedersten Kräfte regiere und ordne aus der obersten Bescheidenheit, also daß du dich selbst erkennen lernest, und bey dir selbst bleiben, daß du deiner Worte wahrnehmen lernest, daß du Niemand thuest, denn was du wolltest, daß man dir thäte; deiner Bewegung, ob sie von Gott komme, und wieder zu Gott falle; deiner Gedanken, daß du keinen bösen, unnützen Gedanken mit Willen besitzest (was dir darüber einfällt, das ist nichts mehr, denn eine Bereitung und eine Läuterung zu einer Besserung deiner Werke); daß du in allen deinen Worten und deinen Werken nichts meinest, denn die Ehre Gottes, und deine und aller Menschen Seligkeit und Friede. Also nimmt dich unser lieber Herr von der Welt, und macht dich zu einem Apostel Gottes; und also lernest du den äußern Menschen zu einem innern machen, dieß ist noch ein anfangender Mensch.

Zu dem andern mal willst du auf dem Herzen unsers Herrn Jesu Christi ruhen, so mußt du darauf haben ein fleißiges Sehen, und sehen auf seine Milde und Demuth, und an seine sanfte, anfeuernde Liebe, die er zu seinen Freunden und Feinden hat, und an die große, gehorsame Gelassenheit, die er hatte in alle Weise, in alle Stätte, da ihn der Vater hinrief. Nun nimm seine tiefe Milde, die er allen Menschen beweiset, und seine gebenedeyte Armuth; Himmelreich und Erdreich war sein, und er besaß es nie mit Eigenschaft. Alles, was er sprach, und alles, was er wirkte, damit meinte er seines Vaters Ehre, und aller Menschen Seligkeit. Nun siehe in das minnigliche Bild unseres Herrn Jesu Christi viel näher und tiefe?, denn ich dich lehren kann. Siehe dich mit Fleiß an, wie ungleich du diesem Bilde seyest, und siehe deine Ungerechtigkeit und deine Kleinheit an, da lässet dich unser Herr wohl ruhen. Hierzu ist dir in der Zeit nichts besser, noch nützer, denn das Sakrament des zarten Frohnleichnams unseres Herrn Jesu Christi; denn in dieser Speise findest du allen Reichthum und Süßigkeit und Kraft, mit denen du wahrlich allem Trost und Süßigkeit dieser Welt widersagest.

Diese zwey Weisen stehen oft in vielen Menschen, die gar wohl daran zu seyn wähnen, mit Eigenschaft in einem geschwinden Gemüth, und sich doch von dem nächsten Wege entfernen. St. Johannes hat allein an dem Herzen unseres Herrn geruhet, dennoch ließ er den Mantel fallen, und floh, da man Christum fing. Also seyest du wie heilig du seyest, in diesen zweyen Weisen, wenn du angegriffen wirst, daß du den Mantel nicht fallen lassest; aber ich meine Eigenschaft und Geschwindigkeit deines Gemüths. Daß du dich in diesen zweyen Weisen übest, das ist gut und heilig, und lassest dir diese Uebung dieser Weisen durch keine Creatur nehmen, Gott ziehe dich denn selber naher.

Die dritte Weise: zieht dich dann Christus ohne Form, ohne Bild und ohne Wirken, so sey sein Werkzeug; das ist ihm viel löblicher und dir nützlicher, daß du dich darin lasest, eines pater noster lang, denn ob du dich hundert Jahre in den andern zwey Weisen übest. Nun sprechen etliche Menschen: Bist du nicht darüber gekommen? Ich spreche: Nein! denn über das Bild unseres Herrn mag Niemand kommen, sondern du solltest sprechen: Bist du über die Wege und Weise gekommen, die du mit Eigenschaft besessen hast? Nun siehe mit Fleiß an, und nimm der Ordnung Gottes von innen wahr, und nimm deine Weise nach der andern. Hier wird die Thüre aufgethan und geöffnet, etlichen mit einem Zug, etlichen mit einer Gelassenheit. Hier wird St. Pauli Wort vollbracht: Das nie kein Auge sah, noch nie kein Ohr gehört, noch in keines Menschen Herz kam, das Gott hier offenbaret. Nimmer soll sich der Mensch dessen versehen, daß er immer vollkommen werde (so fern als es hier möglich ist), der äußere Mensch werde denn in den innern gebracht, da wird der Mensch eingenommen; da wird ein solches Wunder, ein solcher Reichthum geoffenbaret, und der viel darin gaffen wollte, der müßte oft zu Bette liegen, die Natur könnte es nicht tragen. Nun wisset, ehe das vollbracht werde (davon wir hier geredet haben), so muß. auf die Natur mancher Tod fallen, auswendig und inwendig, demselben Tod antwortet ewiges Leben. Und dieß will nicht eines Tages, noch eines Jahres zugehen, es nimmt Zeit. Dazu gehöret Einfalt, Lauterkeit und Gelassenheit, und dieß ist der allervollkommenste Weg, der seyn mag, und wird erfolget mit einem steten, fleißigen Zukehren zu sich selber, und mit emsigem Bettachten der empfangenen Gaben von Gott. Zu welchem Weg uns Gott Vater, Sohn und heiliger Geist helfe. Amen.

1)
Von hier an bis ans Ende fehlt dieser Theil in der Cölner Ausg. von 1543 und 1621; auch weichen die Lesarten der Ausgabe von 1498 und 1508 ab.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/t/tauler/tauler-quasimodogeniti.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain