Tauler, Johannes - Auf Donnerstag in den Osterfeyertagen.

Tauler, Johannes - Auf Donnerstag in den Osterfeyertagen.

Wie man Gott soll lieb haben, und wie Christus ist ein Meister des ewigen Guts, darum man ihn über alle Dinge lieb habe; ein Meister der obersten Wahrheit, darum man ihn beschauen, und ein Meister der obersten Vollkommenheit, darum man ihm ohne alles Hinderniß nachfolgen soll.

Da unser Herr von dem Tode erstanden war, begehrte Maria Magdalena unsern lieben Herrn zu sehen, mit ganzem Ernst, da offenbarte unser Herr sich ihr, in Gestalt eines Gärtners, und Maria kannte ihn nicht. Da sprach unser Herr zu ihr: Maria, und in dem Worte erkannte sie ihn, und sprach: Rabbuni, das ist, Meister.

Nun merket, so lange als Maria bey dem Grabe stand, und die Engel ansahe, da stand Christus hinter ihr, sich vor ihr verbergend. Denn Gott der Herr verbirget sich vor den Menschen, die mit den Creaturen bekümmert sind, und die sich um den Verlust irdischer Dinge und Creaturen betrüben; so aber der Mensch sich von den Creaturen kehrt, um Gott zu finden, so offenbaret sich Gott selbst dem Menschen. Darum, als sich Maria zu dem Grabe Christi kehrte, ward ihr zugesprochen: Maria; dieß bedeutet so viel als ein Stern des Meeres, eine Frau Königin der Welt, und die von dem heiligen Geist erleuchtet ist.

Wer Gott zu sehen begehrt, soll ein auferhabener Stern seyn, scheuen und meiden alle zeitlichen Dinge, und soll erleuchtet seyn, alle himmlischen Dinge zu sehen. Als sie das Wort hörte, das Christus zu ihr sprach: Maria, da erkannte sie unsern Herrn, und sprach: Rabbani, das ist so viel gesprochen, als Meister, denn sie und seine andern Jünger und seine Nachfolger sprechen dieses Wort gewöhnlich zu ihm, wie er sagt: Ihr nennet mich Meister und Herr, und saget recht, denn ich bin es; denn er ist wahrlich ein Meister des obersten Guts, und darum soll man ihn über alle Dinge lieb haben. Er ist ein Meister der Wahrheit, und darum soll man ihn beschauen. Er ist ein Meister der obersten Vollkommenheit, und hierum soll man ihm, ohne alles hinter sich sehen, nachfolgen.

Er ist (sprach ich zuerst) ein Meister des obersten Gutes, und darum soll man ihn über alle Dinge lieb haben. Nun möchtest du sagen: Gott ist ungemessen, ein allerhöchstes Gut ohne Ende, und die Seele ist gemessen, und alle Creaturen, wie kann denn die Seele Gott lieb haben und erkennen? Eya höre, Gott ist ungemessen und ohne Ende, und der Seele Begehrung ist ein Abgrund, der da nicht erfüllt werden kann, denn mit einem Gut, das ungemessen ist, und je wehr die Seele Gottes begehrt, je mehr sie dessen begehren will, und je mehr die Seele Gott lieb hat, je mehr sie ihn lieb haben will, denn Gott ist ein Gut ohne alle Gebrechen, und ist ein Brunnen des lebendigen Wassers ohne Grund, und die Seele ist nach Gott gebildet, und hierum ist die Seele erschaffen, Gott zu erkennen und lieb zu haben, Dieweil denn Christus ein Meister des obersten Guts ist, so soll die Seele ihn über alle Dinge lieb haben, denn er ist die Liebe, und aus ihm fließt die Liebe in uns, wie aus einem Brunnen des Lebens. Der Brunnen des Lebens ist die Liebe, und wer in der Liebe nicht ist, der ist todt. St. Johannes spricht in seiner Epistel: Sintemal nun Christus ein Brunnen und ein Meister des obersten Guts ist, darum soll ihn die Seele ohne alles Widerstreben lieb haben. Denn es ist der Seele Eigenschaft, daß sie das lieb haben soll, was Gott ist, und darum soll sie das lieb haben, was das oberste Gut ist, ohne Maß, ohne Gesellen, ohne Schweigen.

Ohne Maaß soll die Seele Gott lieb haben, hievon spricht St. Bernhard also: Die Ursache, warum die Seel Gott lieb haben soll, ist Gott, aber das Maaß dieser Liebe ist ohne Maaß, denn Gott ist ein ungemessenes Gut, weil seine Güte keine Zahl, noch Ende hat, hierum soll die Seele Gott ohne Maaß lieb haben. Darum sprach Paulus: Ich bitte Gott, daß euere Liebe allezeit wachse, und gemehrt werde. Und St. Bernhard spricht: In der Liebe zu Gott ist anders keine Weise, noch Unterschied zu halten, als daß wir Gott lieb haben, wie er uns geliebt hat. Er hat uns bis an das Ende geliebt, daß wir ihn ohne Ende lieb haben sollen. Darum soll hier in dieser Zeit unsere Begehrung stets inwendig zunehmen; und wiewohl das inwendige Werk unserer Liebe zu Gott allewege wachsen soll, so soll doch das auswendige Werk der Liebe mit rechter Bescheidenheit gemessen seyn, daß er also auswendige Uebung thue, daß er die Natur nicht verderbe, sondern dem Geiste unterwerfe.

Zum andern soll die Seele ohne Gesellen Gott lieb haben, das ist in dem Grade der Liebe, in welchem die Seele Gott liebet, soll keine Creatur stehen, und alles, was die Seele liebet, soll sie lieben zu Gott, und in Gott, ferner soll sie die Creaturen um Gottes willen lieb haben, zu Gott, und in Gott. Um Gottes willen hat die Seele die Creaturen lieb, wenn sie solche um die Ursache lieb hat, welche Gott ist; zu Gott liebet sie die Creaturen, wenn sie solche lieb hat, zu dem Gut, das Gott ist; in Gott liebet sie die Creaturen, wenn sie-die also lieb hat, daß sie keine andere Lust, noch kein anderes Ziel darin sucht, denn Gott, und also hat sie die Creaturen in Gott lieb, und Gott in den Creaturen. Darum spricht Christus: Du sollst Gott deinen Herrn lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, und von allen deinen Gedanken. Diese Worte legt St. Augustinus aus, und spricht: Darum sagt unser Herr, du sollst Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele :e. also, daß der Mensch keinerley Kraft in sich behalte in der Seele, die eitel oder leer von der Liebe Gottes sey, das ist ohne die Liebe Gottes. Und alles, was der Seele in den Sinn zu lieben kommt, daß sie das alles um Gottes willen lieb habe, und in göttlicher Liebe gebrauche, denn der Herr hat die Seele lieb, also soll die Seele mich Gott ohne die Gesellen lieb haben.

Zum dritten soll die Seele Gott ohne Schweigen lieb haben, denn wer in Liebe ist, der kann nicht schweigen, sondern muß rufen und schreyen. St. Gregorius sagt von zweyerley Rufen, das eine ist des Mundes, und das andere der Werke. Von dem Rufen der Werke sagt er, daß es kräftiger sey, denn das Rufen des Mundes. Von dem Rufen des Mundes spricht David: Ich habe rufend gearbeitet. Chrysostomus sagt: Es ist eine Gewohnheit und Sitte der Liebenden, daß sie ihre Liebe nicht verbergen können, noch verschweigen, sondern sie sagens ihren heimlichen Freunden, und melden die inwendigen Flammen der Liebe, und ihr Gebrechen, womit sie wider Gott gethan haben, das sagen sie denen, die sie lieb haben, und sie können das nicht verschweigen, sondern sie sprechen oft davon, damit sie eine Fröhlichkeit und Erquickung ergreifen. Ein anderes Rufen ist das der Werke, wie der Mensch die inwendige Liebe mit auswendigen Werken beweiset. St. Gregorius spricht: Die Bewährung der Liebe ist ein Beweis der Werke, denn sie wirket große Dinge, wo sie ist; will sie aber nicht wirken, so ist es ein Wahrzeichen, daß sie da nicht ist. Darum sprach billig Maria Magdalena: Meister, denn Christus ist ein Meister alles Guten. Hierum soll man ihn über alle Dinge lieb haben, und mit Recht ist Christus ein Meister der Liebe, wegen dreyer Ursachen, denn er lohnet mit nichts, denn mit Liebe, er lohnet nicht, denn in der Liebe, er lohnet auch nicht, denn aus der Liebe.

Zuerst spreche ich, daß er nichts belohnet, denn die Liebe. Mit drey Dingen kann der Mensch verdienen, das ist, die auswendigen Werke, das inwendige Beschauen, und die inwendige Begierde und Liebe. Das auswendige Werk ist nicht verdienstlich, es sey denn, daß es in der Liebe gewirket werde, denn das auswendige Werk ist vergänglich, und darum verdient der Mensch damit nicht, was ewig ist. Denn Paulus sagt: Die Liebe hört nimmer auf, und darum kann der Mensch durch die Werke, die gewirket werden, ausserhalb der Liebe das ewige Leben nicht verdienen, und hierum, wer Gott recht lieb hat, scheidet sich von allem dem, was Gott nicht ist, denn wer da das ungeschaffene Gut lieb hat, verschmähet alles geschaffene Gut.

Zum andern spreche ich, daß Gott nicht lohnet, denn aus Liebe, womit er den Menschen liebt, giebt er sich selbst; er giebt sich auch selbst zu einem Lohn. Er giebt sich selbst gänzlich, und nicht in einem Theil, denn Gott hat den Menschen in einer ewigen Liebe, und er giebt dem Menschen nichts minder, denn sich selbst. Er sprach zu Abraham: Fürchte dich nicht, ich bin dein Beschirmer, und dein sehr großer Lohn.

Zum dritten lohnet Gott dem Menschen mit der Liebe, denn dieser Lohn besteht darin, daß man Gott klärlich ohne Mittel beschauen, und in Liebe gebrauchen, und ewiglich besitzen kann. Hierum sprach nicht unbillig Maria Magdalena: Meister. Auch du, Mensch, sprich zu ihm in Andacht, aus Grund deines Herzens: Meister des obersten Guts, und mein Gott, durch die Liebe, die du bist, ziehe mich zu dir, ich begehre deiner Güte, und daß ich über alle Dinge dich lieb haben möge.

Nun sprach ich im Anfange vor den andern Punkten, die ich anführte, wie Christus auch ein Meister der obersten Wahrheit ist, und hierum soll man ihn beschauen. Hier merke, daß du Gott in den Creaturen beschauen kannst, die von nichts gemacht sind, hierin kannst du spüren, daß er allmächtig ist. So du aber ansiehest und betrachtest, wie die Creaturen wohl gemacht oder gesetzt sind, und wohl geordnet, so kannst du die Weisheit Gottes erkennen und spüren, die dem Sohn zugeschrieben wird. So du die Milde der Creaturen weiter vernimmst, und daß alle Creaturen immer etwas Milde an sich haben, so erkennst du die Güte des heiligen Geistes. Also spricht der heilige Apostel Paulus zu den Römern, daß man die unsichtbare Güte Gottes durch die Dinge beschauen kann, die man sehen kann, das sind die Creaturen. Man kann auch Gott im Lichte der Gnade erkennen, wie der Prophet spricht: Herr, in deinem Licht werden wir das Licht sehen, das Gott selber ist, denn Gott ist ein Licht, darin überall keine Finsterniß ist. Auch werden wir zuletzt Gott in dem Licht der Glorie beschauen, und da werden wir ihn ohne Mittel kennen, klar wie er ist, denn er ist ein Meister der Wahrheit, der uns alle Wahrheit zu erkennen giebt.

Er ist zum dritten ein Meister der Vollkommenheit, und hierum soll der Mensch alle Dinge lassen, und soll ihm nachfolgen, denn in Gott findet er alle vollkommene Vereinigung, die in die Creaturen vertheilet ist. Darum, o Mensch, willst du vollkommen seyn, so folge Gott nach. Christus sagt: Wer nicht verlässet Vater und Mutter, Schwester und Bruder, und alle Creaturen, der kann nicht mein Jünger seyn, denn Vater und Mutter, Schwester und Bruder, und alle dem Herzen unsers Herrn Jesu Christi geruhet hatte, ließ er dock den Mantel fallen, und floh, da man Christus fing! Also, wie heilig du in diesen zweyen Weisen seyest, ob du angetastet werdest, sehe zu, daß du den Mantel nicht fallen lassest, durch deine Eigenschaft und die Geschwindigkeit deines Gemüthes. Daß du dich in diesen zweyen Weisen übest, das ist gut und heilig, und laß dir diese Uebung keine Creatur nehmen, Gott ziehe dich denn selber naher. Zieht dich Christus, so laß dich sonder Form und sonder Bild, und laß ihn wirken, wie mit seinem Instrument; es ist ihm löblicher und dir nützlicher, daß du dich ihm hierin ein Pater noster lang lässest, denn daß du dich hundert Jahre in den andern Weisen übtest. Nun sprechen etliche, bist du noch nicht hierüber gekommen? Ich spreche: Nein, über das Bild unsers Herrn Jesu Christi mag Niemand kommen. Du solltest sprechen: Bist du über die Weisen und Werke nicht gekommen, die du mit Eigenschaft besessen hast? Nun sehet zu mit Fleiß, und nehmet wahr die Anordnungen Gottes, und nehmet eine Weise nach der andern.

Zum dritten, da ihm der heilige Geist gegeben ward, da ward die Thüre geöffnet. Dieses geschieht etlichen Leuten mit einem Zuck, etlichen mit einer Gelassenheit. Hier wird St. Paulus Wort vollbracht: Was nie ein Auge sah, noch ein Ohr hörte, noch je in ein Herz kam, das offenbart hier Gott. Nimmer soll sich der Mensch vermessen, daß er immer vollkommener werde, so viel es hier möglich ist, der äussere Mensch werde denn in den inneren gebracht, da wird der Mensch eingenommen, da wird solches Wunder und Reichthum offenbart. Traun, Kinder, wer hierin viel gaffen wollte, der müßte oft zu Bette liegen, die Natur könnte das nicht vertragen. Nun wisset, ehe das vollbracht werde, davon hier gesprochen ist, muß ans die Natur mancher Tod fallen, auswendig und inwendig. Dem Tod antwortet ewiges Leben. Kinder, dieß will nicht in einem Tage oder einem Jahre zugehen. Erschrecket nicht; es nimmt Zeit, und hierzu gehört Einfalt, Lauterkeit und Gelassenheit, und dieß ist der vollkommenste Weg.

Mit diesen zuvor geschriebenen Uebungen überkommt der Mensch wahre Reinigkeit des Herzens und Leibes, die St. Johannes in besonderer, hoher Weise besessen hat, wovon unser Herr sprach: Selig sind die Reinen von Herzen, denn sie sollen Gott schauen. Ein reines Herz ist Gott werther, denn alles, was auf Erden ist. Ein reines Herz ist eine edle, wohlgezierte Stätte, Wohnung des heiligen Geistes, ein goldener Tempel der Gottheit, ein heiliges Bethaus des eingebornen Sohnes, darin er seinen himmlischen Vater anbetet, ein Altar des hohen göttlichen Opfers, auf dem der Sohn dem himmlischen Vater täglich geopfert wird. Ein reines Herz ist ein Stuhl des obersten Richters, eine Rast und Kammer der heiligen Dreyfaltigkeit, eine Leuchte des ewigen Lichts, ein heimliches Rathhaus der göttlichen Personen, eine Kammer aller göttlichen Schätze, ein Vorrath der göttlichen Süßigkeit, ein Schild der ewigen Weisheit, eine Zelle der göttlichen Heimlichkeit, eine Wiedervergeltung alles Lebens und Leidens Christi, ein Zelt des himmlischen Vaters, eine Braut Christi, ein Freund des heiligen Geistes, eine wonnigliche Augenweide aller Heiligen, eine Schwester der Engel, ein begierliches Erwarten des himmlischen Heers, ein Bruder aller guten Menschen, ein Gräuel der Feinde, eine Victoria und Ueberwindung aller Bekorungen, eine Waffe gegen allen Angriff, eine Sammlung alles göttlichen Guts, ein Schatz aller Tugend, ein Exempel aller Menschen, eine Verbesserung alles, was je verloren ward. Was ist nun ein reines Herz? Das ist, wie vorgeschrieben steht, dem gänzlich und lauter an Gott genügt, dem nichts schmeckt, noch gelüstet, denn Gott, der seine Gedanken und Gemüth allezeit ganz in Gott gestellt hat, dem fremd und fern alles ist, was Gott nicht ist, oder wessen Gott nicht eine Ursache ist, der sich ledig halt von fremden Bilden, Liebs und Leides, und aller äußerlichen Bekümmernisse und Sorgen, so viel er vermag, und alle Dinge zum Besten kehrt, denn dem Reinen sind alle Dinge rein, und dem Sanftmüthigen ist kein Ding bitter. Amen.

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