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Suso, Heinrich - Zitate

Suso, Heinrich - Zitate

Schau über dich und um dich in die vier Enden der Welt, wie weit, wie hoch der schöne Himmel ist in seinem schnellen Lauf, und wie prächtig ihn sein Meister geziert hat mit den Planeten, deren ein jeglicher viel größer ist, denn alles Erdreich; und wie er verherrlicht wird von der unzähligen Menge lichter Sterne. Ach, wenn die schöne Sonne unumwölkt und heiter heraufbricht in der Frühlingszeit, wie da das Erdreich so fruchtbar wird, wie Laub und Gras hervordringen, wie die Blumen lachen, und Wald und Haide und Auen von der Nachtigall und anderer kleiner Vögel süßem Gesange widerhallen; wie alle Thiere, die in dem argen Winter gebannt waren, sich hervormachen und sich freuen und zweien; wie unter den Menschen jung und alt so fröhlich wird! Ach, lieber Gott, bist Du in Deiner Kreatur so lieblich, wie wonnevoll mußt Du in Dir selber sein! Schaue hin auf die vier Elemente, Erde, Wasser, Luft und Feuer und alle die Wunder, die darinnen sind, an Menschen und Thieren, Alles ruft und jubelt: Lob und Ehre dem grundlosen Wesen, das in Gott ist! Herr, wer erhält dieß Alles? Wer speiset es? Du sorgest für Alles, für ein jegliches in seiner Weise, für groß und klein, arm und reich; Du Gott, thust es! Du bist wahrlich Gott!


O Gott, wer giebt, daß sich mein Herz ganz in Deinem Lobe sättige! O könnte ich Dich doch mit alle dem Saitenspiel loben, das je erklungen ist, könnte ich doch alles Land und Gras zu deinem Preise vor Dir in Deinem himmlischen Hose aufsprießen lassen! Ach, lieber Herr, bin ich gleich Deines Lobes nicht würdig, so begehrt doch meine Seele Dich zu loben, wie der Himmel, wann er in herrlichster Schönheit mit der Sonne Glanz und mit der lichten Sterne unzähliger Menge niederleuchtet; wie die schöne Haide, wann sie von Frühlingsblumen glänzet und wie alle die süßen Gedanken, die ein reines, liebendes Herz beim Hinausblick in die Heiterkeit der Natur je empfunden hat. Herr, wenn ich an Dein hohes Lob gedenke, so möchte mir mein Herz zerfließen; es vergehen mir die Gedanken, es gebricht mir das Wort. Blicke ich hin auf Deine lebendigen Bilder und wunderbaren Kreaturen, so sprechen sie zu meinem Herzen: Siehe, wie recht liebenswürdig der ist, von dem alle Schönheit gekommen ist! Ich durchgehe Himmel und Erde, die Welt und den Abgrund, Wald und Haide, Berg und Thal: Alles ruft in meine Ohren einen vollen Ton Deines grundlosen Lobes. Darauf werde ich stumm und wortlos und merke: wer Dich wähnt nach Würdigkeit zu loben, der jaget dem Winde nach und will den Schatten ergreifen.


Herr, mein Herz schließt sich auf, Dich zu empfangen, wie die zarte Rose vor dem klaren Sonnenlicht; meine Seele streckt weit ihre Arme aus zu Dir in grundloser Begierde. O lieber Herr, ich umfasse Dich heute mit Dank und Lob, bitte Dich, Du wollest die Stunde Deines Sterbens an mir nicht lassen verloren werden, und begehre, daß weder Leben noch Tod, weder Lieb noch Leid Dich von mir scheide. Meine Augen schauen hinein in Dein verblichenes Antlitz, meine Seele erfrischt sich an Deinen blutigen Wunden, alle meine Sinne werden gespeiset von dieser süßen Frucht unter diesem lebendigen Baume des Kreuzes. Da tröstet sich wohl einer seines unschuldigen Lebens, der andere seiner Uebungen und Strenge, der eine durch dieß, der andere durch jenes, aber all mein Trost und meine Zuversicht liegt ganz in Deinem Leiden, in Deiner Genugthuung und Deinem Verdienste. O wonniger Glanz des ewigen Lichtes, lösche ans in mir alle unlautere Lust! O klarer Spiegel der göttlichen Majestät, reinige die großen Flecken meiner Missethat! O schönes Bild der väterlichen Güte, stelle das verblichene Bild meiner Seele wieder her! O unschuldiges Lamm, büße für mein schuldiges Leben! O du König aller Könige und Herr aller Herrn, gieb, daß Dich meine Seele mit Klagen umfange in Deiner Niedrigkeit, damit sie von Dir mit Freuden empfangen werde in Deiner ewigen Herrlichkeit!


Der Herr spricht zu dir: Du sollst nicht verzweifeln, bin ich doch um dich und alle Sünder in diese Welt gekommen. Ich stehe vor dir bleich und blutig, wie ich am hohen Pfahl des Kreuzes hing, zwischen dem strengen Gericht meines Vaters und dir. Ich bin dein Bruder, ich habe Alles vergessen, was du je wider mich thatest, wenn du dich nun gänzlich zu mir kehrest. Wasche dich in meinem Blute, erhebe dein Haupt, thue auf deine Augen und gewinne guten Muth. Siehe, ich habe dich so recht sauer erworben. Wäre alles Erdreich ein helles Feuer und läge mitten drinnen eine Hand voll Flachses, so wäre dieser nicht so empfänglich für die Flammen, als der Abgrund meiner Barmherzigkeit einem wiederkehrenden Sünder.


Ach, ihr lebendigen Felsen, ihr wilden Thiere, ihr lichten Auen! Wer giebt mir Feuer in mein Herz und heißes Thränenwasser, euch zu wecken, daß ihr mir beklagen helfet das grundlose Herzeleid, das mein armes Herz so verborgen trägt? O mich hatte der himmlische Vater über alle leibliche Kreatur geziert und mit sich vermählt; nun bin ich ihm entronnen. O ich habe meine einige Liebe verlassen. O über mein elendes Herz, was hab ich gethan, was hab ich verloren! Ich bin mir selber, und alles himmlische Heer, und Alles, was Freude und Wonne könnte geben, das ist mir entronnen; ich sitze bloß, denn meine falschen Liebhaber waren Betrüger. O Ehre, o Freude, o aller Trost, wie bin ich dein so gar beraubt! Ach und Weh soll mein Trost immer sein. Wo soll ich mich hinkehren? Mich hat doch alle Welt gelassen, weil ich meine einige Liebe gelassen habe. O ihr rothen Rosen und weißen Lilien, sehet mich den Schlehdorn an! nehmet wahr, wie bald verbleichet, verdorrt und verdirbt die Blume, die diese Welt bricht! Denn ich muß nun lebend sterben, blühend dorren, jung veralten und gesund siechen. Aber Alles ist noch klein zu wägen gegen das, o Herr, daß ich Dein väterliches Antlitz erzürnet habe; denn das ist mir eine Hölle und ein Leid über alles Leiden. Ach daß Du mir so freundlich bist zuvorgekommen und daß ich das Alles so verachtet habe! Menschliches Herz, wie bist du so stahlhart, daß du nicht ganz von Leid zerspringst. Ach ich getraue mir meine Augen vor bitterer Schaam nicht mehr aufzuheben. Wie ist mir in dieser weiten Welt so eng! Wäre ich doch in einem wilden Wald, da mich Niemand sähe, noch hörte, daß ich schreien könnte nach meines Herzens Begierde und mir Linderung verschaffen. O Sünde, wozu hast du mich gebracht? Wer giebt mir des Himmels Breite zu Pergament, des Meeres Tiefe zu Tinte, Laub und Gras zu Federn, daß ich voll ausschreibe mein Herzeleid?


Sehet an der Welt Spiel! Ich hatte einen Schatten umfangen, ich hatte mich einem Traume vermählt, ich hatte den Wahn erkoren. Ach, wo ist nun des Wahnes Bild, des Traumes Gelübde, des Schattens Gestalt? Hatte ich dich, o Welt, tausend Jahre besessen, wie wäre es nun als ein Augenblick dahin. Deine Natur ist ein Dahinscheiden: ich wähnte, ich hätte dich umfangen - ach wie bist du mir nun verschwunden! Wer dich nicht zuvor läßt, den läßest du, o Mörderin. So lebe nun wohl! Im Herrn habe ich Reichthum genug; Gewalt, so viel ich will. Hätte ein Mensch tausend Leben, sollte er sie daran wagen, um Gottes Liebe zu erwerben, der unser Herz haben will. Nie hat ein durstiger Mund sich so heiß nach einem kühlen Brunnen, noch ein sterbender Mensch sich nach den fröhlichen Lebenstagen gesehnt, als Er sich sehnt, den Sündern zu helfen. Eher mag man die vergangenen Tage wiederbringen, eher alle verdorrten Blumen wieder grün machen, und alle Regentröpflein wieder sammeln, ehe man seine Liebe zu allen Menschen ermessen mag.


Thäte Leiden nicht weh, so hieße es nicht Leiden. Es ist nichts Peinlicheres, als Leiden, und nichts Fröhlicheres, als gelitten haben. Leiden ist ein kurzes Leid und eine lange Liebe. Hättest du alle Kunst der Sternseher, könntest du so hoch von Gott sprechen, als aller Menschen- und Engelzungen, es würde dich nicht so viel zu einem guten Leben fördern, als wenn du dich in deinen Leiden Gott kannst geben und lassen. Siehe, die edle Seele grünet von Leiden als die schöne Rose von dem Maienthau. Leiden ist eine Liebesruthe, ein väterlicher Schlag der Auserwählten. Geduld im Leiden ist ein lebendiges Opfer, ist größer denn Todte erwecken oder andere Zeichen thun. Leiden kleidet die Seele mit rosigem Kleide, schmückt sie mit einem grünen Palmenscepter; in Ewigkeit singt sie mit süßer Stimme und freiem Muthe ein neues Lied, das aller Engel Schaar nicht singen kann, weil sie das Leiden nie empfunden haben.


O Herr, da ich nicht war, gabest Du mir Wesen, da ich mich von Dir geschieden hatte, da wolltest Du nicht von mir scheiden, da ich Dir entrinnen wollte, da hieltest Du mich so süßiglich gefangen. O ewige Weisheit, möchte Dich mein Herz umfassen und mit steter Liebe und ganzem Lobe alle meine Tage mit Dir verleben; das wäre meines Herzens Begierde. Denn wahrlich, der Mensch ist selig, dem Du so liebevoll zuvorkommst, daß Du ihn nirgend recht ruhen lässest, bis daß er seine Ruhe in Dir allein suche. Ach, da ich nun an Dir gefunden habe, den meine Seele liebt, so verschmähe nicht Deine arme Kreatur. Siehe an, wie mein Herz verstummt ist gegen alle Welt in Lieb und Leid z soll es auch gegen Dich immer stumm sein? Vergönne, lieber Herr, meiner elenden Seele, ein Wort zu Dir zu sprechen; denn sie hat in dieser weiten Welt Niemand, an dem sie sich erquicken könnte, als Dich, auserwählter Herr, Vater und Bruder.


O mein gnädiger Herr, ich bin mit herzlichem Geiste zu Dir erwacht und bitte Dich, daß Deine treue Gegenwart von mir alles Nebel an Leib und Seele vertreiben, und daß sie die trüben Winkel meines Herzens mit Deiner Gnade erfüllen und mit Deiner göttlichen Liebe entzünden möge. Ach, allerliebster Jesu Christe, kehre Dein Antlitz freundlich her zu mir, so kehrt sich auch meine Seele an diesem Morgen mit allen ihren Kräften hin zu Dir. Lieber Herr und himmlischer Vater, ich bitte Dich durch Deinen eingebornen Sohn, daß Du der heiligen Christenheit in allen Leiden und aller Widerwärtigkeit zu Hülfe kommen und ihr vollen Frieden geben mögest. Amen!


O ihr Thoren, was hilft euch nun alle Freude, die ihr je gewannet? Ihr möget wohl mit jammernder Stimme rufen: Wehe, wehe, daß wir je in diese Welt geboren wurden! Wie hat uns die kurze Zeit betrogen! wie hat uns der Tod beschlichen! O wie ist der so selig, der nie Freude wider Gott suchte! Wie ist alle unsre Lust so gar verschwunden! Ach Jammer und Noth, es muß nun immer so währen! O Immer und Immer, was bist du? O Ende ohne alles Ende, o Sterben über alles Sterben: alle Stunden sterben und doch nimmer ersterben können! O Vater und Mutter, wir müssen nun immer von euch geschieden sein! O Scheiden, o immerwährendes Scheiden, wie thust du so weh! O Händeringen, o Gram, o Seufzen, o Weinen! O alle Herzen, laßt euch das klägliche Immer und Immer erbarmen! O Leiden jener Welt und Leiden dieser Welt, wie bist du so ungleich! O Gegenwart, wie blendest du, wie trügest du, daß wir daran in unserer blühenden Jugend, in unsern schonen Tagen nicht gedachten! O daß wir nun von aller Liebe ohne Trost und Zuversicht geschieden sein müssen! Wäre ein Mühlstein so breit wie die Erde und so groß, daß er den Himmel allenthalben berührte, und käme ein klein Vöglein aller hunderttausend Jahre und bisse den zehnten Theil eines Hirsekorns davon ob, wir wollten nichts Anderes, denn daß unsre Marter aufhörte, wenn solcher Stein aufhörte. Quelle: Galle, Friedrich - Geistliche Stimmen aus dem Mittelalter

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