Stockmayer, Otto - Krankheit und Evangelium - 9. Pauli Pfahl im Fleisch; seine besondere Stellung

Stockmayer, Otto - Krankheit und Evangelium - 9. Pauli Pfahl im Fleisch; seine besondere Stellung

Wir haben den Pfahl im Fleisch des Apostels Paulus (2 Kor. 12,7-9) erwähnt. Wir müssen noch einmal darauf zurückkommen. Vor Allem ist zu bemerken, dass dieser Pfahl den Apostel nicht hinderte, seine Kräfte im unmittelbaren Dienst des Evangeliums zu verzehren und in einer an Fruchtbarkeit einzig dastehenden Laufbahn auszuführen und durchzumachen, was er selbst im vorhergehenden Kapitel (V. 23-33) erzählt. Es war somit nicht eine Krankheit, die ihn zu Hause oder gar auf einem Lager zurückgehalten hätte. Weiter ist hervorzuheben, wie befremdend und geheimnisvoll es ist, dass ein Apostel sich von einem Satansengel Faustschläge gefallen lassen musste. Paulus selbst konnte dies nicht über sich bringen und ergab sich erst auf die ausdrückliche Erklärung des HErrn: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Endlich dürfen wir auch nicht aus dem Auge lassen, dass dieser Pfahl mit den außerordentlichen Offenbarungen in Verbindung stand, deren der Apostel gewürdigt war. „Auf dass ich mich nicht der hohen Offenbarungen überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch; ein Satansengel, der mich mit Fäusten schlage, auf dass ich mich nicht überhebe.“

Auch noch in anderer Hinsicht nahm Paulus eine Ausnahmestellung ein. In dem Riesenkampf, den er gegen die Macht der Finsternis aufgenommen hatte, sei es durch die Verkündigung des Evangeliums, sei es dadurch, dass er innerhalb der Gemeinden in den Riss trat, um das da und dort einreißende Verderben aufzuhalten, - stand er verhältnismäßig allein. Es ist deshalb nicht zu verwundern, wenn es dem Apostel nicht gelang, die hereinbrechende Flut des Verderbens zurückzudrängen und den Stand des Glaubenslebens in den Gemeinden in einer Weise zu heben, dass dieselben, Eines Sinnes mit ihrem Apostel, den Kampf mit dem letzten Feind, dem Tode, hätten aufnehmen und siegreich durchführen können. Wir dürfen uns auch nicht wundern, wenn für den Apostel und die Gemeinden, unter denen er wirkte, Satan noch kein völlig und in jeder Hinsicht „unter die Füße getretener1) Feind“ war; wenn er Paulus wenigstens an seinem Leib antasten konnte. Endlich ist es unter solchen Verhältnissen auch nicht mehr befremdend, wenn Fälle auftauchen, wie die eines Trophimus, den Paulus krank in Milet lässt (2 Tim. 4,20). Ist die zunächst Israel gegebene und auf das tausendjährige Reich bezügliche Verheißung in Jes. 33,24 einmal im Leben der Gemeinde 2) erfüllt, ist einmal Krankheit gänzlich und für immer aus ihrer Mitte verschwunden, dann denken wir, ist sie bereit, von ihrem Bräutigam heimgeholt zu werden; dann kann sie den Tod überwinden.

Ganz anders, als Paulus, waren die zwölf Apostel in Jerusalem in den ersten Tagen nach Pfingsten gestellt. Sie ergänzten und stützten sich gegenseitig, bewahrten und deckten sich in dem Kampf, in den sie gestellt, in dem Zeugnis, das ihnen anvertraut war. Das Leben der Gemeinde bildete einen Feuerherd, unter dessen Wirkung das Leben des Einzelnen sich mächtig entwickelte, durch dessen Einfluss es zu gleicher Zeit gedeckt war3). Der Heilige Geist wehte in dieser ersten Gemeinde mit einer solchen Gewalt (Apg. 5,12-16) und übte in derselben eine solche Zucht, dass alle Versuche des Feindes, Unkraut zu säen, scheiterten. Aus der Mitte der Gemeinde wurde Unlauterkeit, bei ihrem ersten Auftauchen, durch ein niederschmetterndes Gericht hinweggetan (V. 1-10). Von außen wagte Niemand, sich zu ihnen zu tun (V. 13). Erst mit dem Beginn des 6. Kapitels sehen wir, dass es irdischem Sinn gelingt, sich in die Gemeinde einzuschleichen. Damit dass diese dem himmlischen Wesen, in das sie mit Christo versetzt worden war, nicht unverbrüchlich treu geblieben ist, hat sie einen Fall getan, von dem sie sich vielleicht nie wieder völlig erholt hat4).

1)
„Der Gott des Friedens wird Satan zertreten unter eure Füße in Kurzem“ (Röm. 16,20). Siehe auch die Stelle 1 Thess. 2,18: „Darum haben wir wollen zu euch kommen (ich Paulus) ein- und zweimal, und Satan hat uns verhindert.“ Es gibt Siege, die auch ein Apostel nicht zu erfechten vermag, ohne dass ihm seine Brüder zur Seite stehen. Er bleibt dem Gesetze der Liebe unterworfen, das dem Bau des Leibes Christi zu Grunde liegt, und ist bis zu einem gewissen Grad genötigt, seinen Schritt nach dem seiner Brüder zu messen.
2)
Unter „Gemeinde“ verstehen wir hier überall die Gesamtheit derer, die des Lebens Christi leben.
3)
Wo es dem heiligen Geist gelingt, mit seinen Gnadenwirkungen eine ganze Gemeinde zu erfassen und zu durch dringen, da kommt Herz und Leben jedes einzelnen Gliedes unter eine Zucht zu stehen, die auch ein „Pfahl“ kaum ersetzen kann.
4)
Setzt es nicht einen schweren Fall voraus, wenn in einer Gemeinde, wie die im 1-5. Kap. der Apostelgeschichte beschriebene, sich ein ganzes Lager von Unzufriedenen bilden kann und zwar wegen Brotfragen.
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