Stockmayer, Otto - Die Braut des Lammes - I. Einleitende Bemerkungen.
(Offb. 5 verlesen.)
In dem Maß, als wir fähig sind, der Leitung des HErrn zu folgen, werden wir in diesen Tagen wenigstens etwas von dem fünften Kapitel der Offenbarung verstehen lernen, und durch den Heiligen Geist, wie nie zuvor, dem Sohne Gottes im Geist und in der Wahrheit zu Füßen liegen, Ihm, dessen Zukunft wir erwarten, um Seine Heerde, Seine Braut, in Seines Vaters Haus heimzuführen. ´ Ein großer, ernster Gegenstand steht mir vor der Seele, nämlich das zweite Kommen unseres HErrn und, soweit ich es jetzt verstehe, wird dies unser großes Thema sein. Ich hoffe und vertraue, dass die Versammlungen dieser Woche Versammlungen der Bibel-Lehre und des Bibel-Lesens sein werden, aber darüber hinaus ist ein großes Verlangen in meinem und vieler anderer Herzen, dass unser lieber, herrlicher, teurer HErr Sich uns offenbaren möge, wie ER Sich den Jüngern auf dem Wege nach
Emmaus offenbarte; dass ER alles aus unserer eigenen. Hand nehmen und Selbst aus der Schrift mit uns reden wolle, wie nie zuvor. Da wir so in der Einheit des Geistes versammelt sind, erwarte ich, dass ER uns die Schrift bezüglich Seines zweiten Kommens aufschließen werde, wie ER sie jenen zwei Jüngern aufschloss, als sie erkannten, wie jetzt alles, was geschrieben stand, erfüllt sei. Einen Augenblick vorher waren ihre kostbarsten Hoffnungen, soweit sie sehen konnten, zerstört: „Wir hofften ER werde Israel erlösen.“ Und doch hatten sie vor dem auferstandenen HErrn gestanden und waren mit Ihm gegangen und hatten es nicht gewusst.
In Gemeinschaft mit meinen Brüdern und Schwestern erwarte ich - und der HErr weiß um diese Erwartung und wird darauf Acht haben, - dass ER unser Verständnis öffnen werde, etwas von der Braut und von unserem HErrn und Seinem Kommen zu begreifen. O, es gibt so wenige, welche wirklich dermaßen in der Erwartung des Kommens des HErrn leben, dass alles Irdische in ihrem Sinn in den Hintergrund tritt vor dem großen Hauptpunkt, der in dem letzten Kapitel der Offenbarung ausgesprochen ist: „Der Geist und die Braut sprechen: Komm!“ und die Antwort des auferstandenen, herrlichen HErrn: „Ja, ich komme bald.“ Und lasst mich euch meine Überzeugung, welche immer bestimmter wird, sagen, so weit ich die Schrift verstehe, ist jetzt nur noch eines, welches das Kommen unseres HErrn aufhält: Sein Volk ist nicht bereit.
Man schaut umher, ist mit köstlicher Arbeit beschäftigt, wie Martha, als sie das Haus für unsern HErrn bereitete. Man ist mit seinen mannigfachen Arbeitsfeldern beschäftigt; man hat noch nicht die tiefe Bedeutung jener Worte gelernt: „Dienen und warten“ (1. Thess. 1,10). Fruchtbare Arbeit führt zum Warten. Wirklicher Dienst mit Ihm, durch Ihn und nicht nur für Ihn, stärkt das Einssein, die Verwandtschaft, die Gemeinschaft mit Ihm; und je mehr wir Ihn kennen, desto weniger können wir uns des Rufes erwehren: „Komm, HErr Jesu“. Keine Erfahrung in ihrem Leben daheim, weder Freude noch Schmerz, kann die Braut von dem einen Gedanken abbringen: „Mein HErr kommt!“ Es gibt eine Tochter, welche ihres Volkes und ihres Vaters Haus vergessen hat. Aber ihr König kommt zu ihr, und ER wird Lust an ihr haben und „wird sie führen in Seine Kammer“ (Ps. 45,10.11; Hohel. 1,4).
Am Anfang des Jahres (1892) waren die letzten Sendschreiben an die Gemeinen in der Offenbarung, Kap. 1 und 2, der Gegenstand unserer Betrachtung während einiger spezieller Versammlungen im Kanton Bern in der Schweiz. Als einer der theologischen Professoren der Stadt Bern an den 20. Vers kam: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an,“ sagte er: „Man muss diese Stelle nicht auf die Arbeit und Strafe des Heiligen Geistes in den Herzen der Christen beziehen, sie hat sicherlich Bezug auf das Kommen des HErrn Jesu.“
Ein anderer Professor der Theologie, welcher zugegen war bestätigte dies.
Jedenfalls ging der Gedanke tief in mein Herz hinein. Mehr als je erkannte ich, dass hier ein Höhepunkt erreicht sei. In dem sechsten Sendschreiben lesen wir: „Siehe, Ich komme bald“ (Offb. 3,11) und im siebenten: „Siehe, Ich stehe vor der Tür und klopfe an“ (Offb. 3,20). Es kann sein, dass der Geist hier der Gemeine - soll ich sagen einen letzten Grad, ein letztes Teil der Zubereitung vorzuhalten sucht? denn ER setzt nicht hinzu: „Ich will Ihn aufnehmen;“ sondern vielmehr: „Ich will zu Ihm eingehen und das Abendmahl mit Ihm halten und ER mit mir.“ Eine innigere Verbindung denn je mit Seiner Braut zur Vollendung ihrer Zubereitung 2. Petri 1,19 steht geschrieben: „Wir haben ein noch festeres prophetisches Wort, und ihr tut wohl, dass ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da leuchtet an einem dunkeln Ort, bis dass der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.“ ER wird Seine Braut nicht wegnehmen, bis der Tag anbreche. Es gibt bereits Anzeichen von dem in dem Herzen der erwartenden Braut aufgehenden Morgenstern, von einer heiligeren Gemeinschaft mit dem
Bräutigam; der letzte Grad der Einheit, das letzte Stück der Zubereitung, ehe der Bräutigam das letzte Wort, das wir Ihn auf Erden reden hören werden? „Komm herauf!“ sagen wird. Wenn wir einen werten Freund erwarten und haben sein Klopfen an der Tür gehört, so ist nur noch Zeit einen letzten Handgriff bei der Bereitung des Gastzimmers oder an unserer eigenen Toilette zu tun. Wir können ihn nicht an der Tür stehen lassen; es ist der Moment da, wo wir alles andere lassen müssen, was getan werden sollte, damit ein solcher Gast eintreten könne.
Nun frage ich euch, ist es, oder ist es nicht der Mühe wert, zu dieser Zubereitung Zeit zu nehmen? Wie lang hat nicht schon unser Bräutigam Zeit gegeben, dass wir uns fertig machen! Soll ER sie nicht auf Sein Klopfen aufmerksam finden? Und ist das Zimmer, ist das Herz nicht ganz bereit ist noch das Geringste von irdischem Sinn darinnen, oder von irdischer Knechtschaft, sollte sie dann nicht bei der Hand sein, Alles eine Zeitlang im Stich zu lassen um in Sonderheit auf Ihn zu harren, damit ER endlich Seinen Zweck erreiche. Dies ist nicht so wohl eine Botschaft an die Gemeinen, als an die einzelne Seele: „So Jemand Meine Stimme hören wird.“ In jeder der Episteln an die Gemeinen findet sich die Wiederholung gewisser Worte an den Einzelnen gerichtet. „Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt;“ abermals: „Wer überwindet rc.“ Hier aber, nachdem ER den Engel der Gemeine zu Laodicea angeredet hat, bricht ER in Seiner Botschaft an die Gemeine ab, bevor ER die Ermahnung an die einzelne Seele wiederholt und sagt: „Siehe, Ich stehe vor der Tür und klopfe an. So Jemand Meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem will Ich eingehen“, „der Lebendige“, „der treue und wahrhaftige Zeuge.“
Jetzt, Brüder, seid ihr bereit? Seid ihr bereit den HErrn über alles zu empfangen? Wenn nicht, so lasst alles gehen, sondert diese Tage ab, um mit uns vor Ihm in Wahrheit und Einfalt zu harren, damit ER mit uns rede - und ER weigert Sich niemals zu reden damit ER Seine Verheißung erfülle. Viele fanden es der Mühe wert, vom Festland herüber zu kommen; etliche haben es in England für der Mühe wert erachtet, bei Seite zu gehen und diese Woche in besonderer Weise zu weihen. Sind wir mit dem HErrn übereingekommen, diese Tage abzusondern, so lasst sie uns auch beobachten, nicht nur während der Versammlungen, sondern auch in der Zwischenzeit; und seien wir behutsam, dass wir nicht andere hindern, welche der Absonderung und Stille bedürfen, damit sie Alles hören können, was der HErr ihnen zu sagen haben mag.