Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Betten, die zu kurz sind
(Jesaias 28.20)
Was Lord Byron sagt.
Was diese Welt anbelangt, so hat sie gar viele Betten, die ihre eigene Erfindung bereitet. Der eine macht sich sein Lager von Gold, auf silbernem Gestell, legt die weichsten Daunenkissen, die es gibt, darin, und nimmt zu den Decken das Purpurgewebe von Tyrus. Die goldbestickten Gardinen werden mit Elfenbeinringen kunstvoll gezogen, und was der Luxus an Pracht und Bequemlichkeit nur erdenken kann, das hat dieser Mann an seine Ruhestätte gewendet. Er besitzt ja auch so viele Äcker und Ländereien; er erbaute ein Haus nach dem andern, erwarb Güter und Landschaften, arbeitete, handelte und wird ein prächtiges Erbe zusammenbringen. Alle Unternehmungen glückten, das Geld wurde mit Vorteil von einer Bank in die andre gelegt, bis das Gold sich zu Millionen häufte, und so muss das Bett zum süßen Ruhen doch auch gar wohl bereitet sein. „Liebe Seele, habe nun Ruhe, iss, trink' und habe guten Mut.“ Du hast deine Scheunen gefüllt für viele Jahre! Beneidet ihr diesen Mann nicht um sein Ruhebett? Sind nicht manche Seelen hier unter uns, welche es für den einzigsten Lebenszweck ansehen, sich solche Ruhestätten zu bereiten, und welche den reichen Mann loben, weil er es verstand, sich ein so weiches Nest herzustellen? Aber habt ihr es denn noch niemals bedacht, dass solch ein Bett immerhin so kurz ist, dass sich der Eigentümer nicht einmal darauf ausstrecken kann? Wenn ihr euch einmal für einen Augenblick darauf legt, so scheint es ganz bequem, aber für den Besitzer reicht es darum doch nicht aus. Oft habe ich gedacht, dass die Reichtümer dieses oder jenes Mannes für mich wohl ganz genug sein würden, während ich mir sagen musste, dass sie für den Eigentümer selbst doch keineswegs hinreichend seien; denn wenn ein Mensch den Besitz zu seinem Gott macht und wenn er sein Glück darin sucht, so werdet ihr niemals von ihm hören, dass er genug habe, vielmehr wird er euch immer sagen, seine Länder müssten sich noch etwas weiter erstrecken und seinen Gütern fehle noch etwas an Umfang. Sobald er sich auf seinem Bett streckt, so empfindet er stets, dass demselben noch etwas in der Länge und in der Breite mangelt, und er denkt, wenn dieser Mangel ersetzt werden könnte, so würde er Ruhe finden; und wird dann ein Stück an das Bett gesetzt, so findet der arme Mann nachher wieder, dass er selbst ein Stück gewachsen ist, und dass die Sache darum noch immer nicht in Ordnung kommt. Ob sein Reichtum auch so groß würde wie der Reichtum des Königs Og zu Basan, so würde er doch noch nicht sanft liegen können. Wir lasen von einem Mann, der seine Hand nach der ganzen Welt ausstreckte, um sie zu erobern, und der dann weinte, weil es nicht noch eine Welt gäbe, die er auch erobern könne. Man sollte sagen, eine kleine Provinz würde genügt haben, um einen Ruheplatz für ihn darzustellen.
Doch nein, o nein, wenn der Mensch sich ausstreckt, dann wird er so groß, dass ihm die ganze Welt doch noch zu klein bleibt. Wollte Gott, der Herr, dem Geizigen auch alle Minen von Peru, alle glitzernden Diamanten von Golkonda, allen Reichtum dieser Erde zuwenden, und wollte Er dann noch die Sterne in Silber und Gold verwandeln, um den Menschen zum Herrscher des Universums zu machen, so dass er von Welten reden könnte, wie wir von einigen Hunderten reden, so würde dennoch und dennoch das Bett immer wieder zu kurz bleiben, weil sich die stets wachsenden Wünsche und Begierden immer wieder zu lang und zu breit darauf streckten. Die Seele ist weiter als die Schöpfung, größer als jeder Raum; biete ihr alles, was du willst, sie wird doch unbefriedigt bleiben, und der Mensch findet hier keine Ruhe.
Du sprichst: „Das ist seltsam; hätte ich nur ein wenig mehr, so würde ich schon zufrieden sein!“ Aber du irrst dich, mein Lieber, denn wenn du mit dem nicht zufrieden bist, was du hast, so wirst du auch nicht zufrieden werden, wenn es sich verdoppelt. „Dem ist nicht so,“ ruft da ein andrer, „ich würde zufrieden sein!“ Allein ich entgegne dem lieben Freund: „Du kennst dich selber nicht, denn wenn du deine Neigung und dein Verlangen an die Dinge dieser Welt gekettet hast, so gleichst du dem Blutegel, der niemals satt wird.“ Das Bett, von dem ich rede, ist in der Tat zu kurz, als dass sich ein Mensch darauf recht strecken könnte.
Doch lasst uns nun die Sache von einer andren Seite betrachten, und da werden wir Menschen begegnen, die uns sagen, sie fragten nichts nach Silber und Gold, und die Gott danken, dass sie vom Geiz befreit blieben. Dem mag so sein, aber sie sind ehrsüchtig, und so sprechen sie: „Ich wollte, ich wäre ein Held, oder ich könnte sonst irgend etwas vollbringen, wodurch mein Name der Nachwelt überliefert würde! Gelänge mir das, so würde ich glücklich sein, und so müht sich der Mensch denn ab, sich ein Lager zu bereiten auf Ruhm und Ehre. Er wird in der Tat zum Helden, dessen Name in allen Zeitungen zu lesen ist, der in der Hütte und im Palast genannt wird, und den die Nationen preisen. Er ist ein Mann, den alle Welt kennt als: „Den Großen.“ Und nun beschaut sein Ruhelager, wie herrlich es bereitet ist! Was würdet ihr wohl darum geben, wenn ihr darauf ruhen dürftet! Da fächelt der Ruhm mit seinen schönsten Hymnen und das Räuchwerk des Beifalles erfüllt das Zimmer; die Welt besinnt sich immer wieder auf neue Schmeichelreden, und ich frage dich nochmals: Würdest du nicht gar vieles darum geben, wenn solches Ruhmeslager das deine sein könnte? Aber ich frage dich auch, ob du dir etwa schon einmal von solchem Helden im geheimen die ganze Geschichte hast erzählen lassen? Das Haupt, das die Krone trägt, liegt unbequem, selbst wenn die Krone aus dem Lorbeer des Ruhmes 'geflochten ist. Wenn der Name des Mannes bekannt geworden ist, so genügt ihm dieses nicht, denn seine Anerkennung soll in weitere Kreise dringen.
In der ersten Zeit genügte ihm die Zustimmung einiger alten Frauen, aber heute ist er nicht zufrieden, wenn ihn Zehntausende loben; er spricht von Menschen, als wenn sie nur Herden wilder Esel wären, und was ihn einst eine hohe Zinne deuchte, das hat er heute längst unter den Füßen. Er muss höher steigen, immer höher, ob ihm auch der Kopf sanft und sein Gehirn sich verwirrt, und ob seine Füße zittern: er muss noch höher klimmen. Hat er doch eine große Tat vollbracht, und muss er doch streben, noch mehr zu vollbringen, wie sollte er da ruhen können! Die Welt hält eigentlich niemals einen Mann für einen Helden, der sich nicht ganz zu Tode müht, und so genügt es auch unsrem Helden nicht, dass er gestern eine Tat vollbrachte; er muss morgen noch etwas Größeres vollbringen, und seine Taten müssen sich so aufhäufen, dass er zuletzt als Halbgott darauf thronen kann. Und wenn er dann auf diesem Berg angelangt ist, was werdet ihr dann von ihm vernehmen? Seufzend wird er sprechen: „Ach, wäre ich wieder in meiner kleinen Hütte, wo mich niemand kannte, und wo ich mit meiner Familie wieder ruhig leben könnte! Popularität ist eine Last, die mir bis dahin unbekannt blieb, eine Beschwerde, deren Unbequemlichkeit ich niemals ahnte. Wäre ich nur von allem los! Könnte ich nur wieder zurück!“ Der Mensch ist krank von alledem, was er sich erwarb, und es bleibt ewig wahr, dass das Herz nimmer ruhen kann, bis dass es ruhet in Gott. Wenn die Zustimmung und der Beifall des Himmels fehlt, so bleibt das Bett zu kurz, ob es auch durch das Lob von Prinzen und Senatoren errichtet wäre.
Aber es gibt noch mehr solcher Ruhestätten, die sich die Menschen erdenken. Da kommt eine Hexe, ein angemaltes Weib der Sünde, die kostbare Gemmen in ihren Ohren trägt und Perlenschnüre um ihren Nacken geschlungen hat; sie ist eine alte Betrügerin. In den Tagen Bunyans war sie alt und eingeschrumpft; sie malte sich damals an, wie sie es noch heute tut, und wie sie es tun wird, so lange die Welt noch steht, sie schlendert umher in ihrem Flitterstaat, und die Menschen halten sie für eine junge, schöne, liebliche Dame, die begehrenswert ist; ihr Name heißt: „Madame Üppigkeit.“ In ihrem Hause gibt sie große Feste, bei denen sie die Menschen mit dem Wein des Vergnügens betrunken macht, der dem Munde wie Honigseim schmeckt, der aber für die Seele nur vernichtendes Gift ist. Diese Here sucht die Menschen zu ihrem Ruhelager zu zerren und lügt ihnen vor, wie sanft es bereitet sei. Die Säulen, auf denen es ruht, heißen Freude und Wollust. Purpurn leuchtet die lockende Verführung des Luxus und des Genusses. Doch wehe, wehe allen denen, die sich verlocken lassen! Salomo streckte sich einst auf diesem Lager nieder, und viele, viele sind ihm seitdem gefolgt. Sie sprachen leichtfertig: Was fragen wir nach Gold und Silber, lasst es uns dahin werfen, damit wir fröhlich essen und trinken, denn morgen sind wir tot! Wir ziehen die Freuden des Augenblicks dem eitlen Ruhme vor. Bacchus gibt uns mehr als alle Lorbeeren, und wir berauschen. uns mit der Lust dieser Welt! In dem funkelnden Burgunder der Freude wollen wir ertränkt sein!“ Habt ihr jemals solche Menschen gesehen? Ich, für meine Person, habe ihrer viele gesehen und habe über sie geweint, und heute kenne ich noch solche; sie strecken sich auf ihrem Bett und suchen glücklich darauf zu sein, und unser großer Byron ist ein rechtes Bild von ihnen, wiewohl er die andren noch alle überholt. Welch ein Bett hatte er sich bereitet! Konnte das Laster jemals freier und schändlicher zu Tage treten, als bei ihm? War ein Sünder jemals wilder in seiner Gotteslästerung? War ein Dichter jemals frecher in seinen hochfliegenden Gedanken? Beleidigte jemals ein Mann seine Nebenmenschen schändlicher, als er es tat? Und bei alledem, was wagte Byron noch zu sagen? Das folgende Verslein lässt uns in sein Herz blicken, es bildet das Geständnis desjenigen Mannes, der alle Freuden dieser sündigen Welt genoss:
„Ich suche die Heimat, und finde sie nicht,
Wie ein Vogel meine Seele stets rastlos fliegt,
O, hätt' ich Balsam für nagende Pein,
Ach, kehrte mir Frieden ins Herze ein!“
Er fand ihn nicht. Er hatte keine Ruhe in Gott, denn er lebte den Weltfreuden, bis seine Augen rot waren und bis sein Körper vom Laster zernagt war. Frühzeitig sank er ins Grab, und hättet ihr ihn gefragt, so würde er euch gestanden haben, dass ihm sein Bett zu kurz sei. Junger Mann, du magst alle Lustbarkeiten, alle Genüsse des Lasters, welche ich hier nicht nennen darf und die nur in dieser Weltstadt sich auftreiben laffen, alle Herrlichkeiten derselben genießen, so weiß ich doch, dass deine Erwartungen sich nicht erfüllen und dass deine Wünsche trotz allem unbefriedigt bleiben, und ob dir Satan jetzt auch einen ganz besonderen Trank bietet, so wird dir derselbe morgen doch noch nicht apart genug sein. Dann mischt er dir den Trank wohl noch feuriger, aber auch das genügt dir noch nicht, und ob er dir den Becher auch so heiß mischt wie die höllische Verdammnis selbst, so wird er dir doch nur schal und geschmacklos sein. Das einzige, was du noch her ausschmecken magst, ist Galle und bittere Wermut und verzehrendes Feuer. Die Lust dieser Welt bringt ewigen Durst; genießest du sie, so geht es dir alsbald wie dem Opiumesser, der etwas von dem Gift zu sich nimmt und alsbald solch wunderherrliche Dinge träumt, dass, er beim Erwachen voll Erstaunen in das traurige Nichts blickt. Solche Träumer sehen in wachem Zustande aus wie tot, tierisch bewegen sie sich umher, und wissen nicht von der Stelle zu kommen. Um dann wieder in ihr Elysium zu gelangen, müssen sie das nächste Mal mehr Opium nehmen als bisher, und nach und nach bringen sich diese armen Menschen selbst ins Grab, sowie alle andren Vergnügungen der Welt, die Selbstzerstörungen mit sich führen. Selbst in dem kurzen Augenblick ihrer Gegenwart sind sie zu flüchtig, um unsre Erwartungen erfüllen zu können, und es bleibt dabei, das Bett ist zu kurz, als dass sich ein Mensch darauf ausruhen könnte.
Lieber Christ, nun sinne einen Augenblick nach, und dann wirf einen Blick auf die andre Seite des Gemäldes. Vorausgesetzt, wir sähen den Christen in den unglücklichsten Verhältnissen, so arm wie er nur sein könnte, so dass er keine Handbreit Land sein eigen nennen könnte und er nur von der Hand in den Mund leben müsste. Nun wohl, so würden wir doch von ihm noch sagen können, dass es ihm wohl ergehe, denn sein Herr und Meister ist sein Versorger, der ihm alles gewährt, was er zur Notdurft bedarf. Hier in dieser Welt besitzt er allerdings nichts andres, als die Verheißung seines Gottes für die Zukunft, und der Weltling spottet über diese Verheißung. Das ist Unsinn,“ ruft er, das bedeutet nichts,“ aber hört, was der Christ euch selber sagt und was ganz anders lautet:
„Herrlichkeit der Erden,
Dich mag und will ich nicht;
Mein Geist soll himmlisch werden,
Darauf ist er gericht't.
Wo Jesus wird geschauet,
Da ziehe ich mit ein;
Wo Jesus Hütten bauet,
Da will auch ich nur sein.“
Wie, du armer Mann, bist du denn wirklich so zufrieden? „Jawohl,“ spricht er „,es ist meines Vaters Wille, dass ich in Armut leben sollte, und darum bin ich zufrieden. „Aber, hast du denn sonst keine Wünsche?“ „Nein, ich lebe in der Gegenwart Gottes; ich freue mich in der Gemeinschaft meines Heilandes; ich weiß, dass mir die Krone des ewigen Lebens bewahrt wird, und mehr verlange ich nicht, ich bin vollkommen befriedigt; meine Seele genießt der Ruhe!“