Spurgeon, Charles Haddon - Was die Arbeiter thun und was sie nicht thun können.
„Und er sprach: Das Reich Gottes hat sich also, als wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft, und schläft, und stehet auf Nacht und Tag, und der Same gehet auf und wächset, daß er es nicht weiß; denn die Erde bringet von ihr selbst zum ersten das Gras, darnach die Aehren, darnach den vollen Weizen in den Aehren. Wenn sie aber Frucht gebracht hat, so schickt er bald die Sichel hin, denn die Ernte ist da.“ Mark. 4, 26-29.
Hier ist eine Lehre für Gottes Mitarbeiter. Für Diejenigen, welche im Reiche der Finsterniß wandeln, ist dieselbe von keinem Nutzen; aber wohl für Die, welche überall den guten Samen der Wahrheit auszustreuen suchen. Wir wollen denn sehen:
1.
Was wir tun und was wir nicht thun können. „Und er sprach: Das Reich Gottes hat sich also, als wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft.“ Dies kann der Arbeiter thun. „Und der Same gehet auf und wächst.“ Dies kann der Arbeiter nicht thun. Wenn der Same einmal gesäet ist, so kann ihn der Mensch weder keimen, noch wachsen machen. Aber bald kommt der Arbeiter wieder an die Reihe: „Wenn sie aber Frucht gebracht hat, so schickt er bald die Sichel hin.“ Wir können schneiden, wenn es Zeit ist, und es ist beides unsere Pflicht und unser Vorrecht, dies zu thun.
Also wir können säen. Irgend Jemand, der die Erkenntniß der Gnade in seinem Herzen hat, kann Andere lehren. Wir können nicht alle gleich lehren, denn wir haben verschiedene Gaben: der eine hat ein, der andere hat zehn Talente empfangen. Wir haben auch nicht alle die gleichen Gelegenheiten, denn der eine lebt im Verborgenen, der andere hat einen weitreichenden Einfluß; dennoch kann auch die kleinste Hand in der Familie Gottes ihren Samen aufs Land werfen. Es ist Niemand unter uns, der am Markt müßig zu stehen braucht, indem er passende Arbeit finden kann. Eine jede bekehrte Frau hat ihre heilige Aufgabe; laß sie dieselbe erfüllen, damit der Herr befriedigt von ihr sagt: „Sie hat gethan, was sie konnte.“
Wir brauchen deshalb nicht zu klagen, daß wir nicht Alles thun können, denn das Säen des Samens ist eine Arbeit, welche alle unsere Weisheit, unsere Kraft, Liebe und Vorsicht in Anspruch nimmt. Das Säen des heiligen Samens sollte unsere höchste Aufgabe sein, und auch für die höchste Stellung im Leben ist diese Aufgabe nicht zu gering. Es bedarf himmlische Weisheit, um den guten Weizen auszuwählen und denselben von allem Irrthum frei zu halten. Wir brauchen Belehrung, daß wir unsere Ansichten und Gedanken wohl untersuchen, ob sie auch mit Gottes Wort übereinstimmen. Nicht durch unser Wort, sondern durch Gottes Wort werden Seelen gerettet. Wir bedürfen Gnade, um das Evangelium richtig zu erkennen und den ganzen Rath Gottes zu verkündigen. Den verschiedenen Personen müssen wir den für sie passendsten Theil des Wortes anbequemen, denn es kommt viel auf „das Wort seiner Zeit“ an.
Haben wir den Samen ausgewählt, so wird es uns nicht an Arbeit fehlen, denselben zu säen, denn jeder Tag bringt uns dazu neue Gelegenheit. „Des Morgens säe deinen Samen, und des Abends ziehe deine Hand nicht ab.“ Aber ein weiser Säemann beobachtet und benutzt die passendste Gelegenheit. Es gibt Zeiten, in welchen das Säen verlorne Mühe wäre, denn der Boden ist nicht in entsprechendem Zustande. Vor oder nach einem Regenguß muß man flink bei der Arbeit sein. Obwohl wir allezeit an der Arbeit des Reiches Gottes beschäftigt sind, so gibt es doch Zeiten, wenn es die Perlen vor die Säue geworfen hieße, wollte man von heiligen Dingen reden; und wieder gibt es Zeiten, zu welchen das Schweigen eine große Sünde wäre. Wenn es euch um die Rettung der Seelen zu thun ist und ihr nehmt die Zeit recht wahr, so werdet ihr hinreichend Gelegenheit zum Säen finden.
Und wenn nun auch das Lehren des Wortes Gottes höchst einfach erscheint, so ist es doch von der größten Bedeutung, denn wie sollen die Menschen hören ohne Prediger? Ihr Diener Gottes, der Same des Wortes ist nicht wie der Distelsame, den jeder Wind dahinträgt, sondern der Weizen des Reichs bedarf einer menschlichen Hand, um ihn zu säen, und ohne dieselbe dringt er nicht in die Herzen und bringt keine Frucht zur Verherrlichung Gottes. Die Predigt des Evangeliums ist nöthig für jedes Geschlecht, und gebe Gott, daß sie uns erhalten bleibe. Wenn uns der Herr auch eine leibliche Hungersnoth sendet, so möge er es uns doch an dem Brode des Lebens nie fehlen lassen. Der Glaube kommt aus der Predigt, wie sollen sie aber glauben ohne Prediger? Darum säet den guten Samen, es ist nöthig um eine Ernte in Ausficht zu stellen.
Dieses Säen sollte öfters geschehen, denn es sind der Feinde viel, welche den guten Samen zu zerstören suchen; auch sollte überall gesäet werden, denn es gibt keinen bevorzugten Theil der Erde, wo man hoffen könnte, es werde eine Ernte kommen, ohne daß man vorher gesäet hat. Ihr dürft bei den Reichen und Vornehmen nicht vorüber gehen in der Voraussetzung, daß die Erkenntniß Gottes da zu finden sei, denn dies ist nicht der Fall. Der Hochmuth leitet sie hinweg von Gott. Auch die Armen und Ungelehrten darf man nicht vergessen in dem Gedanken, daß sie schon von selbst daß Bedürfniß eines Heilandes fühlten. Nein, nein, sie sinken in Erniedrigung, es sei denn sie werden durch das Evangelium emporgehoben. Niemand ist ausgeschlossen; überall muß der Same ausgestreut werden. Ich habe gehört, daß Kapitän Cook, der Weltumsegler, den Gebrauch hatte, in allen Ländern, wohin er kam, an passenden Plätzen englischen Samen auszusäen. Er sagte nichts, sondern verließ still das Boot, ging ans Land und warf den Samen auf dasselbe. Die Folgen waren, daß er die Welt mit einem Gürtel der Blumen und Pflanzen seines Heimathlandes umzog. Folgt ihm hierinnen; säet geistlichen Samen überall, wo eure Füße weilen mögen.
Laßt uns nun über das Nachdenken, was wir nicht thun können. Wir können den Samen, nachdem er unsere Hand verlassen hat, nicht zum Leben bringen. Ich bin versichert, Niemand kann ihn wachsen machen, denn Niemand weiß, wie der Same wächst. Unser Text sagt: „Der Same gehet auf und wächst, daß er nicht weiß.“ Dasjenige was außer dem Bereich unserer Erkenntniß liegt, liegt auch außer dem Bereich unserer Kraft. Könnt ihr den Samen zum Keimen und Wachsen veranlassen? Wie geschieht es? Wir wissen es nicht. Rönnt ihr es herbeiführen, daß der Halm und die Aehre und endlich die Frucht sich entwickelt? Nein. Ihr möget den Samen in solche Verhältnisse bringen, daß er wächst und zur Frucht reift, aber das ist Alles. Das Leben ist ein Geheimniß, Wachsthum ist ein Geheimniß und das Reifen der Frucht ebenfalls, und in diese Geheimnisse können wir nicht hineinschauen. Wie kommt's, daß in einem reifen Saatkorn die Vorrichtung für eine neue Saat und neuen Wachsthum ist? Was weißt du davon? Der Philosoph mag mit gelehrten Phrasen Vergleiche und Auslegungen machen, es bleibt trotzdem ein Geheimniß. Der „Same wächset, daß er es nicht weiß.“ So ist es mit dem Worte Gottes. Es bringt ins Herz und wurzelt sich da fest, ohne daß wir wissen, wie es geschieht. Die ganze Natur wird verändert, und statt daß es früher nur Sünde zum Vorschein brachte, trägt es nun die Früchte der Buße, des Glaubens und der Liebe; aber wir wissen nicht wie. Von Natur haßt der Mensch Gottes Wort, nun aber liebt er dasselbe. Wie der Geist Gottes im Menschen wirkt, wie er das Herz erneuert, wie wir wiedergeboren werden zu einer lebendigen Hoffnung, können wir nicht sagen. Der heilige Geist kehrt bei uns ein; wir hören weder seine Stimme, noch sehen wir sein Licht oder fühlen seine Hand, und doch schafft er eine gründliche Erneuerung, die Jedermann anerkennen muß. Wir wissen nicht, wie er die Wunder seiner Gnade wirkt, viel weniger könnten wir es selber thun. Wir können keinen Menschen erneuern, wir können Niemand selig machen.
Nachdem aber die Frucht herangewachsen ist, was dann? Wir können die reifen Aehren schneiden. Nachdem der lebendige Same zuerst den Keim des Nachdenkens und dann die grüne Lehre der Ueberzeugung und dann den Glauben, als volle Frucht in den Aehren erzeugt hat, dann kommt der Arbeiter wieder an die Reihe, denn er kann schneiden. „Wenn sie aber Frucht gebracht hat, so schickt er bald die Sichel hin.“ Dies ist nicht die Ernte des letzten großen Tages, denn darauf bezieht sich unser Gleichniß nicht, sondern auf einen menschlichen Säemann und Schnitter. Die Art der Ernte, worauf hier hingewiesen wird, ist die, worauf der Herr seine Jünger aufmerksam machte: „Hebet eure Augen auf, und sehet in das Feld, denn es ist schon weiß zur Ernte.“ Nachdem er den Samen in die Herzen der Samariter gesäet hatte, und der Glaube anfing, seine Frucht zu zeigen, ruft der Herr: „Das Feld ist weiß zur Ernte.“ Der Apostel sagt: „Dieser säet, der Andere schneidet.“
Die christlichen Arbeiter fangen ihre Erntearbeit damit an, daß sie hoffnungsvoll nach Früchten des Glaubens an Christum schauen. Sie wissen, daß der junge Christ in die Scheune der kirchlichen Gemeinschaft eingeheimst werden muß. Kein vorsichtiger Farmer läßt sein Getreide draußen auf dem Felde, wo es dem Sturm und Hagel ausgesetzt ist, welcher die Körner endlich ausschlägt, oder wo es vom Ungeziefer gefressen wird. So sollte auch jeder Gläubige in die Gemeinschaft der sichtbaren Kirche eingeführt werden, wo er die Vorrechte genießen und die Kirche über die eingebrachten Garben sich freuen kann. Darauf achtet der Arbeiter im Weinberge, und wenn er die günstige Zeit merkt, so führt er die neugebornen Geschwister in die Gemeinde, damit sie unter den Flügeln der allgemeinen Brüderschaft gepflegt und getröstet werden. Er säumt dabei nicht, denn es heißt im Text: „Wenn sie aber Frucht gebracht hat, so schickt er bald die Sichel hin.“ Er wartet nicht noch Monate lang, aus Furcht, er möge zu früh trösten, wenn er wirkliche Früchte des Glaubens wahrnimmt. Wir müssen jetzt aufmuntern, trösten, belehren, stärken und unterstützen in Schwierigkeiten und Prüfungen.
Somit sehen wir die Sphäre und Grenze unserer Wirksamkeit. Wir können die Wahrheit mittheilen, aber Gott muß sie segnen. Leben und Wachsthum kommt von dem Herrn Christus; die Hoffnung der Herrlichkeit, zu wohnen in unseren Herzen ist Gottes Werk. Aber wenn wir das Wohnen Jesu im Herzen wahrnehmen, so ist es unsere Sache, zu dem gläubig Gewordenen zu sagen: „Komm herein, du Gesegneter des Herrn, warum stehest du draußen.“
2.
Unsere zweite Abtheilung ist der ersten ähnlich und heißt: Was wir wissen und was wir nicht wissen können.
Also: Was können wir wissen? Wir können wissen daß der gute Same wächst, wenn wir denselben gesäet haben, denn Gott hat es verheißen. Nicht aller Same wächst, denn manches wird von den Vögeln gefressen, anderes von der Sonne verbrannt oder von den Dornen erstickt; aber als eine allgemeine Regel kommt Gottes Wort nicht leer zurück. Es richtet aus, wozu es gesandt ist. Das wissen wir. Wir wissen weiter, daß wenn der Same einmal keimt, dann wächst er auch fort und entwickelt sich und bringt Früchte. Es ist keine Einbildung, kein Gesicht, das wieder verschwindet, sondern es ist Kraft und Leben darin. Wenn Gott unsere Arbeit segnet, so führt sie nicht nur die Menschen zur Ueberzeugung, sondern zur Wiedergeburt und zum ewigen Leben.
Wir wissen auch, denn das wird uns gesagt, daß die Ursache des Wachsthums einzig darin besteht, daß dieses ein lebendiges Wort ist. Es heißt: „Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig.“ Es ist der unvergängliche Same des ewigen Lebens. Es ist die Natur eines lebenskräftigen Samenkorns zu wachsen, und daß das Wort Gottes in den Herzen der Menschen wächst, kommt daher, weil es das lebendige Wort des lebendigen Gottes ist. Wir wissen dies, weil es die Schrift und lehret. Stehet nicht geschrieben: „Er hat uns gezeuget nach seinem Willen, durch das Wort der Wahrheit“?
Die Erde, welche hier das Bild des Menschen ist, „bringt von ihr selbst Frucht.“ Das menschliche Herz bringt nun von sich selbst keine Frucht; es ist hart, wie ein Stein. Aber wie die Erde durch Thau und Regen fruchtbar gemacht den Samen durch Gottes Wirkung zum Wachsen bringt, so wird auch durch Gottes Wirkung das Herz zubereitet, daß Gottes Wort in demselben aufgeht und Früchte bringt. Das erweckte Herz verlangt gerade nach Dem, was das Wort Gottes ihm bietet. Getrieben durch die Gnade Gottes ergreift das Herz die Wahrheit und wird davon ergriffen, und so lebt die Wahrheit im Herzen. Die Liebe des Menschen ergreift die Liebe Gottes; der durch den heiligen Geist gewirkte Glaube glaubt die Wahrheit; die durch den Geist gewirkte Hoffnung ergreift die geoffenbarte Wahrheit, und so wächst der Same im Grunde des Herzens. Das Leben kommt nicht von Dem, der das Wort verkündigt, sondern wird von dem heiligen Geist in das gepredigte Wort gelegt. Die Seligkeit kommt nicht aus der Autorität des Predigers, sondern durch den lebendigen Glauben an Christo. So viel können wir wissen, und das ist für uns hinreichend.
Doch gibt es auch Etwas, das wir nicht wissen können. Ich wiederhole, was ich vorhin gesagt habe: Man kann nicht in das Herz des Menschen schauen und die Entwickelung des göttlichen Samens beobachten. Im Werke Gottes ist mehr Gelegenheit zum Glauben als zum Schauen. Der himmlische Same wächst im Verborgenen. Ihr müßt ihn vergraben, sonst gibt's keine Ernte. Und selbst wenn man den Samen außerhalb der Erde zum Keimen bringt, so kann man doch die innere, treibende Kraft nicht wahrnehmen. Du weißt nicht den Weg des Geistes. Sein Werk ist im Verborgenen. „Erkläre uns die Wiedergeburt,“ sagt Jemand. „Erfahre die Wiedergeburt, und du weißt, was es ist.“ Es gibt Geheimnisse, in welche wir nicht dringen können, ihr Licht ist zu helle für sterbliche Augen. Bitte deshalb den Herrn, daß er das thue, was du nicht thun kannst, und wenn Seelen gerettet werden, so gib Gott alle Ehre.
3.
Sagt uns unser Text, was wir erwarten mögen, wenn wir im Dienste Gottes arbeiten, und was wir nicht erwarten mögen. Nach der Lehre dieses Gleichnisses dürfen wir Frucht erwarten. Der Ackermann wirft seinen Samen aufs Land, derselbe geht auf und wächst, und so kann man nach dem natürlichen Laufe der Dinge eine Ernte erwarten. Und nun wünschte ich, daß ich im Stande wäre, die Erwartungen der christlichen Arbeiter zu heben, denn ich befürchte, daß manche ohne Glauben arbeiten. Wenn ihr einen Garten habt und in denselben Samen säet, so würdet ihr sehr erstaunt und unzufrieden sein, wenn derselbe nicht aufginge; aber manche Christen scheinen zufrieden zu sein, fortzuarbeiten, wenn sie auch keine Erfolge sehen. Das ist eine traurige Arbeit, beständig leere Eimer aus dem Brunnen heraufzuziehen. Wahrlich, ich muß entweder die Folgen meiner Arbeit sehen und mich freuen, wenn ich ein treuer Diener des großen Meisters bin, oder es bricht mir das Herz, wenn mein Wirken erfolglos bleibt. Wenn wir größere Erwartungen gehegt hätten, so hätten wir größere Erfolge erzielt; aber ein Mangel an gläubiger Erwartung hat viel mit den Fehlschlägen der Diener Gottes zu thun.
Aber wir werden nicht allen Samen sogleich nach der Aussaat aufgehen sehen. Manchmal brauchen wir - Gott sei Dank - nur das Wort zu verkündigen, und es bekehren sich Sünder; der Schnitter folgt in solchen Fällen dem Säemann auf dem Fuße nach; aber es ist dies nicht immer der Fall. Manche Säeleute haben seit Jahren auf ihrem Acker fleißig gesäet, aber scheinbar ohne Erfolg; zuletzt aber kommt die Ernte und zwar eine Ernte, welche nach menschlichem Ermessen niemals erfolgt wäre, hätte der Säeman nicht treulich ausgehalten. Ich glaube, daß diese Welt einmal zu Gott bekehrt wird, aber nicht heute, noch morgen, möglicherweise erst nach Jahrhunderten; aber das Säen ist nicht umsonst, es hilft das schließliche herrliche Ende zu beschleunigen. Ein Pilz wächst über Nacht in die Höhe, aber ein Eichenwald braucht Jahrhunderte, bis er sich völlig entwickelt hat. Es ist unsere Sache zu säen und den Erfolg im Glauben abzuwarten. Kommt er nicht so bald, als wir es erwartet haben, so sollen wir uns dadurch nicht entmuthigen lassen.
So sollen wir auch erwarten, daß der gute Same wächst, aber nicht nach unseren Plänen. Gewöhnlich sind wir ungeduldig, wie die Kinder. Dein Kind streuete erst gestern Samen in sein Gärtchen; heute schon untersucht es, ob derselbe auch bereits am Aufgehen sei. Es ist nicht zu erwarten, daß etwas aus dem Gesäeten wird, denn es läßt demselben keine Ruhe, um keimen und wachsen zu können. So geht's mit ungeduldigen Arbeitern in der Kirche; sie wollen augenblickliche Erfolge sehen, oder sie zweifeln an der Wahrheit des gesegneten Wortes. Manche Prediger sind in solcher Eile, daß sie keine Zeit zum Ueberlegen, zum Ueberschlagen der Kosten, keine Gelegenheit zur Umkehr zu dem Herrn gestatten. Aller andere Same braucht Zeit zur Entwicklung, aber der Same des Worts soll wie von Zauber getrieben vor ihren Augen emporschießen. Diese Brüder sind so ungeduldig, daß sie in Gefahr stehen, den Samen im Feuer des Fanatismus zu rösten. Sie überreden die Leute, sie seien bekehrt, und hindern sie auf diese Weise zu dem Herrn zu kommen, anstatt ihnen zu helfen. Manche Leute kommen am Ende nicht zur Bekehrung, weil ihnen gesagt wird, sie seien schon bekehrt, und daß ihnen eine Art von Heiligkeit angedichtet wird, welche sie gar nicht besitzen. Sie wachsen schnell empor und geben ebenso schnell wieder zu Grunde.
Wir mögen ebenfalls erwarten, unsere Saat reifen zu sehen. Durch Gottes Gnade wird in Denen, welche durch unser Wort zur Ueberzeugung gekommen sind, der lebendige Glaube gewirkt werden; aber wir dürfen im Anfang keine Vollkommenheit erwarten. Darin wird es vielfach verfehlt. Hier ist ein junger Anfänger im Christenthum. Ein guter, ernster Bruder tritt zu dem zitternden Jüngling hin und macht tiefe Fragen. Er schüttelt seinen erfahrenen Kopf und runzelt die Stirn. Er steht im Felde, um nach den Früchten zu sehen, und ob es wohl noch frühe ist im Jahr, so klagt er doch, daß noch keine Aehren zu sehen sind - nichts als Gras. „Ich sehe keine Spur von Frucht,“ spricht er. Nein, gewiß nicht, Bruder, denn du bist nicht zufrieden mit den grünen Halmen als Lebenszeichen, du willst gleich die reifen Aehren sehen. Hättest du nach der aufgehenden Saat gesucht, so hättest du sie gefunden und dich darüber freuen können. Was mich angeht, so freue ich mich über das geringste Sehnen, das leiseste Verlangen nach Gnade. Wäre es nicht auch für dich gerathen, die Dinge am Anfang anfangen zu lassen? Beobachte zuerst das leise Verlangen, dann die guten Entschlüsse, darauf den Anfang des Glaubens, klein wie ein Senfkorn; verachte nicht die kleinen Dinge. Sprich nicht zu dem Neubekehrten von tiefen Lehren, oder du wirst ihn entmuthigen. Rede ihm aber davon, daß er ein Sünder und Jesus ein Seelenretter ist, das wird er verstehen und wird ihn stärken. Wenn du aber die jungen Halme zerstörst, wo soll der Weizen herkommen?
4.
Zuletzt betrachten wir, wann die Arbeiter schlafen dürfen, und wann sie nicht schlafen dürfen; denn es heißt vom Säemann: „Und schläft und stehet auf Nacht und Tag, und der Same gehet auf und wächst, daß er es nicht weiß.“ Man sagt, dem Landmann wächst sein Getreide, während er schläft; und so ist es auch bei uns, wenn wir guten Samen für den Herrn säen, denn er wächst, während wir schlafen.
Aber wie mag ein Arbeiter des Herrn schlafen? Ich antworte zunächst den Schlaf der Ruhe und des Vertrauens auf Gott. Ihr seid bange, das Reich Gottes möge nicht kommen? Wer hat euch geboten zu zittern für die Lade des Herrn? Besorgt sein, daß die Absichten des ewigen Jehovah nicht zutreffen? Eure Besorgniß entehrt Gott. Soll die Allmacht unterliegen? Nur ruhig; Gottes Zwecke werden ausgeführt, sein Reich wird kommen, sein Volk wird errettet. Schlafet den Schlaf des völligen Gottvertrauens in Ruhe, so wie Jesus im Schiffe schlief, da es von den Wellen hin- und hergeworfen wurde. Die Sache des Herrn war nie in Gefahr und wird es nicht sein; der Same, welcher gesäet wurde, ist durch die Allmacht geschützt und wird seine Frucht bringen. Fasset eure Seelen in Geduld und wartet bis die Ernte kommt, denn des Herrn Vorhaben wird durch Jesu Hand fortgehen.
So schlafet auch den Schlaf süßer Hoffnung einem freudigen Wachen entgegen. Stehet am Morgen auf und fühlt, daß der Herr am Ruder steht und Alles zum höchsten Nutzen Derer, die ihr Vertrauen auf ihn setzen, ausführen wird. Erwartet seine Segnungen heute und hofft auf noch größere Segnungen, wenn ihr am Morgen erfrischt aufsteht. Stehet nicht geschrieben: „Den Seinen gibt er es schlafend“? Ruhet getrost, weil ihr eure Sache dem Herrn anheimgestellt habt. Nachdem ihr das Wort verkündigt habt, nehmt eure Zuflucht zum Gebet und befehlt eure Sache dem Herrn und seid unbesorgt. Es kann keinen besseren Händen anvertraut werden: überlasset es Dem, der alle Dinge wirket.
Aber schlafet nicht den Schlaf der Gleichgültigkeit, indem ihr zu wachen vergesset. Der Landmann säet seinen Samen, vergißt ihn aber nicht. Er hat seinen Zaun auszubessern, die Vögel zu verscheuchen, Unkraut auszugäten und Schaden zu verhüten. Er bewacht nicht das Wachsen des Samens, aber hat sonst genug zu thun. Er schläft aber nur zur Zeit und nicht am Tage mit den Faulen. Er ist nicht gleichgültig oder träge, denn jede Stunde des Tages macht ihre Ansprüche. Ein Feld hat er besäet, aber das andere muß auch besäet werden. Er hat gesäet, aber er muß auch schneiden, dann dreschen und dann den Weizen reinigen. Die Arbeit des Landmannes ist nie fertig, denn irgendwo gibt es immer Etwas zu thun. So lehrt uns das Gleichniß, daß wir unsere Sache treulich und redlich thun und das Uebrige in gläubigen Vertrauen dem Herrn ruhig überlassen sollen. Er wird Alles Herrlich hinausführen.