Spurgeon, Charles Haddon - Schulden

Spurgeon, Charles Haddon - Schulden

Ich war noch ein kleines Bürschchen, trug eine Schürze und ging in die unterste Klasse. Ich hatte meinen Griffel verloren und hatte kein Geld, mir einen zu kaufen. Daheim mochte ich es nicht sagen; ich fürchtete Schelte, denn ich war ein unordentlicher Schlingel, der immer seine Griffel verlor. Was sollte ich armes Hänschen tun? Im Dorf war ein gemischtes Warengeschäft, in dem eine alte Frau Nüsse und Kreisel, Backwerk und Bälle verkaufte, und ich hatte gesehen, wie die Alte den Kindern manchmal etwas auf Borg gab. Ich überlegte mir, dass Weihnachten nahe sei und dass da wahrscheinlich ein Zehner oder gar eine halbe Mark in meine Sparbüchse kommen werde. Ich wagte es also, und obwohl mir es nur halb wohl dabei war, ließ ich mir von der Alten einen Griffel auf Borg geben. Ich wurde aber meines Einkaufs nicht froh; denn ich hatte das drückende Gefühl, dass ich mich in Schulden gestürzt habe. Ich weiß nicht, welches Vöglein meinem Vater etwas davon ins Ohr gepfiffen hat. Kurz, er erfuhr meine Tat und hielt mir eine große Strafpredigt übers Schuldenmachen und wohin es führe, und wie einer, der klein anfange, später wahrscheinlich große Schulden mache und die Seinen ins Unglück stürze. Es war eine recht gründliche Lektion, und sie klingt mir noch in den Ohren. Dann führte mich mein Vater in den Laden. Ich weinte auf dem ganzen Weg und meinte, jedermann sehe mir an, dass ich Schulden habe. Die zwei Pfennige wurden bezahlt unter ernster Ermahnung an mich, nicht wieder Schulden zu machen; dann wurde der arme Schuldner freigelassen, und es war mir wie einem, dem eine große Last abgenommen ist. Seither hasse ich die Schulden wie Luther den Papst, und es ist mir auch gelungen, sie durch Fleiß und Ehrlichkeit von meinem Hause fern zu halten. Schulden haben etwas Erniedrigendes; wenn ich jemanden nur zehn Pfennig schuldete, würde ich lieber ein paar Stunden mitten im Winter gehen und meine Schuld abtragen, als sie länger auf mir liegen lassen. Ich möchte ebenso gerne Erbsen in den Schuhen haben oder einen Igel in meinem Bett, wie unbezahlte Bäcker- oder Schneiderrechnungen in meiner Schublade. Armut ist schlimm, aber Schulden sind noch viel schlimmer. Man kann arm sein und doch achtungswert, aber ein Mensch, der Schulden hat, kann nicht einmal sich selber achten. Manchen Leuten ist es ganz wohl, wenn sie Schulden haben; aber ein ehrlicher Mann will lieber einen leeren Beutel als einen, der mit anderer Leute Geld gefüllt ist. Man merkt es bald, wenn einer sich mit fremden Federn schmückt.

Leider ist es jetzt Mode, dass die Leute mehr brauchen als sie haben, dass sie sich über ihre Verhältnisse kleiden und dass ihnen die einfache Kost unserer Väter nicht mehr schmeckt. Hunderte hätten niemals den Mangel kennengelernt, wenn sie keine Verschwender gewesen wären. Brot und Butter war ihnen nicht gut genug, darum kam es so weit, dass sie ihren Hunger mit ein paar gestohlenen Rüben stillen mussten.

Schuldenmacher sind meistens auch Lügner, denn sie versprechen zu bezahlen, während sie doch wissen, dass sie das nicht können; dann machen sie einen Haufen schlechter ausreden und versprechen wieder zu bezahlen, halten aber das zweite Versprechen so wenig wie das erste. Wenn das Schuldenmachen zum Lügen verleitet, so kann doch niemand bestreiten, dass es eine schlimme Sache ist. Es gibt natürlich Ausnahmen von der Regel; es kann z.B. ein ehrlicher Mann durch Krankheit oder Unglücksfälle in solche Verlegenheit kommen, dass er sich nur durch ein Darlehen zu helfen weiß; aber die Regel bleibt deswegen doch bestehen. Die Schulden sind wie ein Sumpf oder ein Schmutzloch. Glücklich der, der, nachdem er hineingefallen ist, wieder herauskommt; aber am glücklichsten der, den Gottes Güte vor dem Hineinfallen bewahrt. Gib dem Teufel einen Finger und er nimmt die ganze Hand, mach einmal Schulden und du gerätst bald tiefer hinein. Wer A sagt, muss auch B sagen. Entlehne eine Mark, und du wirst bald zwanzig entlehnen müssen; aber bleibe nie einen Pfennig schuldig, dann schuldest du auch nie eine Mark.

Wenn du gut schlafen willst, so kaufe dir das Bett eines Schuldenmachers. Es muss sehr weich sein, sonst könnte er gewiss nicht ruhig darauf schlafen. Borgen macht Sorgen; ohne Schulden, ohne Sorgen; frei von Schuld, frei von Gefahr.

Mein Wahlspruch ist: Alles gleich bezahlen. Eine kurze Rechnung ist bald bereinigt. Zahle, was du schuldest, und du weißt, wieviel du hast. Lieber hungrig zu Bett gehen, als mit Schulden aufwachen. Sünden und Schulden sind immer größer, als wir glauben. Kleine unnötige ausgaben machen den Beutel leer. Der Verschwender kauft etwas Billiges, das er nicht braucht, und denkt, er habe einen Schnitt gemacht; aber ehe er sich es versieht, muss er verkaufen, was er braucht, und dann freut er sich nicht über den Schnitt. Er kann nicht nein sagen, wenn sein Freund ihn bittet, Bürge zu sein; er gibt große Schmausereien und macht oft blauen Montag, und dann wundert er sich, dass das Vierteljahr schon wieder herum ist, und dass er Miete und Kostgeld zahlen muss. Er hofft immer, es werde sich etwas zeigen, dass ihm aus der Klemme hilft; aber „mit Hoffen und Harren wird mancher zum Narren.“. Er geht mit leeren Taschen zum Markt und muss kaufen, wo man ihm borgt, aber das Doppelte vom gewöhnlichen Preis fordert. Dann fängt er an, Pläne zu machen, und verlegt sich auf allerlei Kniffe und unredliche Künste; aber du kannst ebensogut deine Schuhe mit Packpapier oder eine zerbrochene Scheibe mit einem Stück Eis flicken, wie ein Geschäft oder Vermögen, mit dem es den Krebsgang geht, durch windige Pläne und Kniffe wieder emporbringen. Wenn du frei werden willst, musst du die Ausgaben einschränken und die Einnahmen zurücklegen. Spare dir es am Munde ab, wenn der Beutel leer ist. Glaube nicht, dass du die Schulden anders als durch bares Geld tilgen kannst. Mit Versprechungen zahlt man keine Schulden; denn Versprechen und Halten ist zweierlei. Ein guter Mann sollte sich durch sein Wort allerdings so gebunden fühlen wie durch einen Eid.

Vielleicht habe ich in den Wind geredet. Bei den Leuten, die schon gewöhnt sind, anderer Leute Geld zu verbrauchen, werden meine Worte zu einem Ohr hinein- und zum anderen hinausgehen. Nun, wer nicht hören will, muss fühlen, und wer keinen billigen Rat haben will, wird bald die Reue teuer kaufen müssen; aber für junge Leute, die erst ins Leben hinaustreten, kann ein gutes Wort Geld wert sein. Sie befolgen vielleicht meinen Rat, der sich in die kurzen Worte zusammenfasst: „Verbrauche immer etwas weniger Geld, als du einnimmst, und mache niemals Schulden.“

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1929

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