Spurgeon, Charles Haddon - Ein Krieg vorüber und ein andrer begonnen.

Spurgeon, Charles Haddon - Ein Krieg vorüber und ein andrer begonnen.

„Da nun Gideon sähe, dass es ein Engel des Herrn war, sprach er: O Herr, Herr, habe ich also einen Engel des Herrn von Angesicht gesehen? Aber der Herr sprach zu ihm: Friede sei mit dir! Fürchte dich nicht; du wirst nicht sterben. Da baute Gideon daselbst dem Herrn einen Altar und hieß ihn: Der Herr des Friedens.„
Richt. 6. 22—24.

Diese Midianiter waren wandernde Beduinen aus Arabien und aus dem Lande im Osten von Palästina. Gleich denen, welche jetzt ihre Stelle einnehmen, waren sie Meister in der Kunst des Plünderns und kannten kein Erbarmen. Sie führten gewöhnlich selbst ein hartes Leben, und wenn sie eine Gelegenheit hatten, von dem Raube andrer zu schwelgen, so taten sie es ohne Maß und ließen Hungersnot hinter sich zurück. Sehr passend vergleicht die Schrift sie mit Heuschrecken, denn sowohl an Zahl als an Zerstörungskraft glichen sie diesen schrecklichen Vertilgern. Gott hatte sie über Israel gebracht, um dies Volk zu züchtigen, weil es so töricht und undankbar gewesen, den Göttern der Heiden zu dienen und den einen mächtigen Gott zu vergessen, der so besonders und so gnädig sein Beschützer und sein Verteidiger war. Es war bis aufs äußerste ausgesogen und arm gemacht durch diese Plünderer, die ihm keine Speise für Menschen oder Vieh gelassen hatten. Die armen Israeliten krochen aus ihren Gruben und Höhlen hervor und versuchten den Landbau fortzusetzen, sie besäten das Land; aber wenn die Zeit zur Ernte kam, so kamen diese Marodeure, nahmen das Korn hinweg und machten ihre Weiden wiederum kahl. Dann schrie Israel wie gewöhnlich zum Herrn, und sein Ohr war ihrem Seufzen offen. Ihre Trübsale machten sie ihrer Götzen müde und brachten sie dahin, zu sprechen: „Ich will wiederum zu meinem vorigen Manne gehen, da nur besser war, denn mir jetzt ist.“ Gott erweckte ihnen in seiner großen Gnade einen Befreier, Gideon, einen mächtigen, tapferen Mann, der sich in mehreren Gefechten mit dem Feind auszeichnete! Sein Name war schon ein Schrecken für Midian, denn zu dem, welcher von dem gerösteten Gerstenbrot träumte, das die Gezelte schlug und sie niederwarf, sagte sein Kamerad: „Das ist nichts andres, denn das Schwert Gideons, des Sohnes Joas.„ Sein Charakter ist nie genügend bewundert worden: biblische Namen, weit weniger glänzend als der seinige, sind ihm allgemein in der Predigt vorgezogen; doch verdient er weit bessere Behandlung. Er war ein Mann, sanft und doch stark, vorsichtig und doch waghalsig; ein forschend Fragender und doch ein mächtig Glaubender. Er war eine Art Vorbild von David und zu gleicher Zeit ein Nachglanz Josuas. Er war ein wahrhaft großer Mann, obgleich seine späteren Tage durch einen schweren religiösen Irrtum und einen traurigen sittlichen Fehler getrübt wurden. Trotz seiner Fehler war er einer der größten Glaubenshelden. Dieser Mann ging an sein Werk mit den Beduinen ziemlich in derselben Weise, die sich in der letzten Woche so erfolgreich in Ägypten bewiesen hat. Er hatte es nicht eilig damit, eine regelmäßige Schlacht zu wagen, sondern wartete seine Zeit ab und brachte dann durch einen plötzlichen und unerwarteten Angriff das ganze Heer in einen panischen Schrecken, so dass es sogleich floh und Midian wie ein Mann geschlagen wurde. Es ist sehr eigen, wie die Geschichte sich wiederholt und wie alle Ereignisse dahinführen, die große Wahrhaftigkeit des biblischen Berichtes darzustellen. Diese wilden Araber können augenscheinlich durch einen einzigen Schlag überwunden werden, welcher sie trifft zu einer Zeit, da sie sich sicher fühlen. Furchtbar, wie sie als Plünderer, und groß, wie sie im Prahlen sind, können sie vor einem Angriff Mann gegen Mann nicht stehen; wahre Tapferkeit treibt sie vor sich her wie Schneeflocken vor dem Wirbelwind und zerstreut sie wie Spreu vor dem Sturm. Die Führer fliehen: zwei von den Unteranführern, Oreb und Zeb, der Rabe und der Wolf, werden zuerst gefangen, und später werden die größeren Generale, die zuerst geflohen waren, von der siegreichen Hand gefangen genommen. Die Führer waren allen voraus in der Flucht, wie sie es auch beim letzten Feldzug gewesen sind. In späteren Tagen wurde die Vernichtung ihrer Mächtigen ein sprichwörtlicher Fluch: „Mache ihre Fürsten wie Oreb und Zeb, alle ihre Obersten wie Seba und Zalmuna.“ Es sind viele Vergleichungspunkte zwischen den beiden Feldzügen, aber dies ist nicht unser Thema heute.

Lasst uns eine Weile an Gideon gedenken, damit wir sehen, dass wir selber ihm in einigen Dingen gleich sind oder sein können. Wir mögen nicht die Beduinen zu schlagen haben, wie er es hatte, aber zu einem geistlichen Krieg hat Gott viele von uns berufen: und obgleich Er beabsichtigt, uns zu gebrauchen, und einen Sieg für seine Sache durch uns zu gewinnen, so mögen wir doch in diesem Augenblick in Furcht sein. Wir gehen nun durch dieselben geistigen Erfahrungen hindurch, wie die, durch welche Gideon herangebildet ward, und wir werden für zukünftigen Kampf und Sieg dadurch bereitet.

I.

Ich werde damit beginnen, dass ich euch bitte, einen Augenblick bei Gideons Seufzer nach Frieden zu verweilen, denn er liebte nicht den Krieg, sondern schmachtete nach Ruhe. Er nannte den Namen des Altars: „Jehovah Schalom„ was auch übersetzt wird: „Der Herr sende Frieden.“ Ihr seht deshalb, dass in seiner Seele tiefer als irgend ein Wunsch nach kriegerischer Ehre das Verlangen nach Frieden war. Er wollte nicht die Beute der Fürsten; er wünschte nur zu pflügen, zu säen und in Frieden zu ernten.

Und wundert ihr euch dessen, wenn die Übel des Krieges rings umher waren? Er hatte lange Zeit bei seinen Freunden und Nachbarn die zerstörenden Wirkungen des Krieges gesehen: ihr Eigentum war ihnen genommen, ihr Brot war ihnen aus dem Munde gestohlen, ihre Kinder waren erschlagen und sie selber hatten sich auf den Gipfeln der Berge oder in den Höhlen unter den Hügeln verbergen müssen. Das Leben wurde unerträglich unter solchen Entbehrungen und Gefahren. Dem Gideon muss das Herz vor Kummer und Unwillen geschwollen sein, als er auf die Übriggebliebenen von Israel sah, die wie Rebhühner auf den Bergen gejagt waren, obgleich sie einst sicher gewohnt hatten, ein jeglicher unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum. Die Beduinen nannten das Tal Israel „die Wiesen Gottes„ : wie traurig, diese fetten Weiden von den Füßen der Eindringlinge zertreten zu sehen! Ach, wenig können ihr und ich uns die Schrecken des Krieges vorstellen. Wir lesen davon, und unser Mitgefühl ist erregt, aber wir kennen nicht die vielfältigen Mordtaten, die schmerzhaften Wunden, den verheerenden Raub und die wilden Verbrechen, welche den Zug der Heere begleiten. Wenn wir eine Schlacht mit eignen Augen sähen, so würden wir mit heißer Inbrunst schreien: „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsren Zeiten.“

Überdies, er hatte nicht nur den Krieg gesehen, sondern er seufzte nach Frieden, weil er selber das Übel des Krieges fühlte. Der Schrecken des Kampfes war bis zu seinem eignen Besitz in Abi-Eser gedrungen. Er selber drosch Weizen bei der Kelter, einem ungewöhnlichen Platz, einem unbequemen Platz, um ein wenig Korn zur Nahrung im Winter vor den Midianitern zu verbergen, die begierig waren, es zu verzehren. Ja, wenn das Blutvergießen vor eurer eignen Tür dampft und die Minderung vor eurer eignen Pforte ist, wenn ihr selbst bewegt seid und euch vor Furcht verbergt, dann kommt aus der tiefsten Tiefe der Seele der Schrei: „O, dass Gott uns Frieden senden wollte, denn dies ist eine harte Bedrückung; diese Raben und Wölfe verzehren uns gänzlich.„

Der Weg zum Frieden war Gideon genügend bekannt: der Prophet des Herrn hatte dem Volk gesagt, der einzige Weg zum Frieden sei für Israel der, zu Jehovah, seinem Herrn, zurückzukehren. Die große Sünde des Abweichens von dem herrlichen lebendigen Gott war ihnen vorgestellt, und sie konnten leicht den Schluss ziehen, dass sie nie Frieden vor ihren Feinden haben würden, bis sie zu allererst ihren Frieden mit Gott gemacht hätten. Sie müssten sich ihrem Herrn unterwerfen und zum Gehorsam zurückkehren, und dann wollte Er den Feind aus ihrem Lande treiben. Dann sollte die alte Verheißung erfüllt werden: „Einer wird jausend jagen und zwei werden zehntausend flüchtig machen.“ Gideon wusste dies wahrscheinlich, ehe der Prophet kam; es war seinem nachdenkenden Geiste tief eingeprägt, und da er ein Mann des Glaubens war, so zweifelte er nicht, dass, wenn Israel zu seinem Gott zurückkehrte, der Friede folgen würde. Viel ist gewonnen, wenn wir dies wissen, falls unsre Kenntnis zum Handeln führt.

Während Gideon nachdenkt und arbeitet, erscheint ihm ein Engel und gibt ihm die Versicherung, dass mit ihm wenigstens Gott in Frieden sei. Der Bundesengel sprach zu ihm: „Der Herr mit dir, du streitbarer Held.„ Mich deucht, seine Seele sollte sich sehr bei diesem Worte gefreut haben, und vielleicht tat sie es; denn was Besseres kann einem Menschen widerfahren als ein solches Zeichen? Wenn Gott für uns ist, wer mag wider uns sein? Wir wissen, wie süß die Versicherung ist, dass wir, nachdem wir gerechtfertigt sind, Frieden mit Gott haben. Es steht gut mit uns, wenn wir versichert sind, dass der Herr mit uns ist, unser Helfer, unser Schild, unser Teil auf ewig.

Aber eine schwere Angst erhob sich in seinem Herzen. Er hatte ein sehr sorgsames, nachdenkendes Gemüt, denn er war ein Mann voll Vorsicht, großherzig, weitsehend, gewohnt, die Dinge kühl und fest ins Auge zu fassen; und in seiner Seele kam eine ernste und gewichtige Frage auf: „Ist dies die Stimme Gottes an mich oder täusche ich mich? Ist Gott in Frieden mit mir oder bin ich, wie die übrigen, in einem furchtbaren Krieg gegen den lebendigen Gott begriffen?“ Deshalb tut er eine Frage und bittet um ein Zeichen, damit er dessen gewiss sei, was er tue. Brüder, in geistlichen Dingen sollten ihr und ich gewiss sein. Wenn wir Frieden im Innern haben, so lasst uns gewiss sein, dass es der Friede Gottes ist: denn es gibt immer noch Stimmen, die rufen: „Friede, Friede,„ wo kein Friede ist. Immer noch locken Sirenengesänge die Menschen mit ihren süßen Tönen ins Verderben; immer noch fließt der gefährliche Strom am ruhigsten, wenn er sich dem furchtbaren Wasserfall nähert. Hütet euch vor jenem Wort des Herrn: „Wenn sie werden sagen: Es ist Friede, es hat keine Gefahr; so wird sie das Verderben schnell überfallen, gleichwie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen.“ Niemand ist ruhiger als die Gottlosen, wenn sie sich einer starken Täuschung hingegeben haben. Der Psalmist sagt von ihnen: „Sie sind in keiner Gefahr des Todes, sondern stehen fest wie ein Palast. Sie sind nicht im Unglück wie andre Leute, und werden nicht wie andre Menschen geplagt.„ Wie ein Getränk, das auf seinen Hefen stille liegt, scheint des Gottlosen fleischliches Vertrauen klar und hell: der Niederschlag bewusster Sünde und des daraus folgenden Zweifels liegt bei ihm ungestört auf dem Boden. Es war nicht so mit Gideon: seine Angst wurde sichtbar. Er war nicht der Mann, der nach einem Schatten haschte: er suchte das Wesen. Wenn er Frieden haben sollte, so musste er ihn von Gott haben: wenn er befreit werden sollte, so wünschte er klaren und dauernden Sieg. Die Gunst, um die er bat, ward erbeten, weil Angst ihn beunruhigte, und er wünschte, die Gewissheit doppelt gewiss zu machen. Er wollte von Gott selber es erfahren, dass seine Sendung echt und sein Erfolg sicher sei. „Fest binden, fest finden,“ sagt das Sprichwort, und dieser tapfere Mann wollte es so.

Ich glaube, viele von uns sind in Gideons Lage gewesen oder sind vielleicht jetzt darin. Natürlich haben wir nicht seine Aufgabe, aber wir haben unsre eigne, und sind beunruhigt, weil wir nicht persönlich unsres Friedens sicher sind. Wir sind bekümmert über unsre vergangenen Sünden und ihre Folgen. Dies ist das Los vieler Menschen. Die Vögel, die sie aufgefüttert haben, sind nun wieder zu ihnen heimgekehrt: sie haben in früherer Zeit Schuld auf sich geladen, und ihre Sünden sind zu ihnen zurückgekommen, so dass sie schwer bedrückt sind. Sie haben zum Herrn geschrien in ihrer Not und Ihn gefleht, sie aus ihrem Elend zu befreien, und nun liegt das Bewusstsein ihrer Sünde auf ihnen und sie fürchten, dass ihr Gebet verworfen werde. Unter den Schlägen der Rute Gottes seufzen sie, fühlen ihre Schuld mehr und mehr und sind voller Furcht. „Das Gewissen macht Feiglinge aus uns allen,„ und wenn der mächtige Geist Gottes uns von der Sünde überführt, dann wird die Sünde ein zweiter Schmerz; nein, schlimmer als das, denn wenn der Schmerz uns mit Peitschen züchtigt, so geißelt die Sünde uns mit Skorpionen. Sein Zorn macht, dass wir so vergehen, und sein Grimm, dass wir so plötzlich dahin müssen. Seine Wellen gehen über uns und seine Wogen verschlingen uns. Doch fährt das Herz fort, nach Gott zu schreien, wenn der Heilige Geist auf dasselbe wirkt. Die Seele wird hin- und hergeworfen und ist verwirrt, aber selbst in ihrer Verwirrung sucht sie die wahre Ruhe und verlangt nach dem Frieden in Gott. Gleich der Nadel im Kompass ist sie unruhig und gestört, doch kennt sie ihren Pol und zittert zu ihm hin. Sie wird nie stille sein, bis sie ihren Ruhepunkt erreicht. Seid ihr je in dieser Lage gewesen? Ich weiß, ihr seid es, wenn der Herr euch geliebt und zu seinem Werke verordnet hat. Hat der Herr euch zu solcher Zeit eine Gnadenbotschaft gesandt? Habt ihr in der Schrift geforscht und eine köstliche Verheißung gefunden? Habt ihr einen treuen Diener Gottes, von seinem Herrn gesalbt, predigen hören und seid dadurch getröstet worden? Selbst dann würde ich mich nicht wundern, wenn der dunkle Gedanke wie eine Wolke aufstiege: „Ist dies der rechte Trost für mich? Darf ich mich wirklich desselben erfreuen? Wird es Vermessenheit oder Zuversicht sein?“ Es ist oft eine schmale Linie, dünn wie die Schneide eines Messers, zwischen den beiden, und wehe dem, der sich darin irrt. O Gott, rette uns von fleischlicher Sicherheit. Verhüte, dass wir rufen: „Friede, Friede,„ wo kein Friede ist. Besser, dass wir bittere Dinge von uns selber sagen, wenn sie wahr sind, als dass wir sanft sprechen und uns ins Verderben schmeicheln. Deshalb wundere ich mich nicht, wenn ihr den Herrn bittet, euch ein Zeichen zu geben. Ihr betet zu Ihm und sprecht: „Ich will nicht getröstet werden, wenn Du mich nicht tröstest: deine Taube soll keine Ruhe für die Sohle ihres Fußes finden, es sei denn in der Arche bei dem wahren Noah, in dem Ruhe ist.“ Was mich betrifft, ich will keinen Becher des Trostes nehmen außer dem, den Jesus darbietet, wenn Er ihn nur mit seinen durchbohrten Händen gibt. Wenn gewaschen, so soll es in Jesu Blut sein: wenn gekleidet, soll es in seine Gerechtigkeit sein. Ich will hungrig sein und lieber sterben, als etwas andres denn das Brot vom Himmel essen. Ich will dürsten, bis ich ermatte und verschmachte, aber keiner soll nur zu trinken geben außer von dem Brunnen zu Bethlehem. Brüder, wir müssen uns sicher stellen für die Ewigkeit: wir können in dieser Sache keinen Zweifel dulden. Ein Ton der Frage hier wird ein Ton des Schreckens. Es wird ein Dorn in unserer Seite sein.

Ich bin gewiss, dass wir in Gideon uns selber sehen können, wenn die Sache so geistlich gedeutet und ins Licht des Evangeliums gestellt wird. Wie wenn wir in einen Spiegel sähen, können wir sagen: „Dies ist mein eigenes Bild.„

II.

Von Gideons sehnlichem, schmachtendem Verlangen, Friede mit Gott zu erhalten und dann Friede für sein Land, wenden wir uns etwas näher zu der Furcht Gideons, die ihn auf dem Wege zum Frieden befiel.

„Ein Engel“ kam — so heißt es in unserer Übersetzung; aber in Wahrheit war es der Engel des Herrn, und dies hätte ihn trösten sollen, wie es uns getröstet hat. Man hätte gedacht, Gideon wäre vor Freuden aufgesprungen, als er seinen Gott in Engelgestalt verhüllt sah, aber statt dessen fiel der Schatten des Todes auf ihn. Hier war ein Mann, der nach Frieden verlangte und mit festem Fuß den Weg des Friedens wandelte, und doch von Todesfurcht erfüllt war. Friede kann nicht erlangt werden anders als dadurch, dass wir uns Gott nahen, und dass Er sich uns nahet; aber sobald diese Annäherung beginnt, so schauert unsre arme Menschheit vor der Begegnung zurück und schmilzt vor Furcht. „Da nun Gideon sahe, dass es ein Engel des Herrn war, sprach er: O Herr, Herr, habe ich also einen Engel des Herrn von Angesicht gesehen?„ Es geschieht gewöhnlich, dass, wenn Gott die Menschen zum Frieden bringt, ein Grad von Zittern in der Seele ist, während das Werk gründlich und richtig zustandegebracht wird. Mir ist die Bekehrung verdächtig, in der kein Zittern ist: beachtet den Ruf des verlornen Sohnes: „Ich bin nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.“ Beachtet das bittere Weinen des Petrus und die drei Tage Dunkelheit Sauls von Tarsus. Selbst für Gläubige sind die Erscheinungen Gottes nicht ohne überwältigende Ehrfurcht: Jakob ruft: „Wie heilig ist diese Stätte!„ Hiob entschuldigt sich, Mose ist erschrocken und zittert, und Jesaias ruft: „Wehe mir.“

Weshalb fürchtete Gideon sich? Nicht, weil er ein Feigling war — ihr trefft in der ganzen Heiligen Schrift kaum einen tapferem Mann an, als diesen Sohn des Jons — sondern weil selbst tapfere Männer vor dem Übernatürlichen erschrecken. Er sah etwas, was er nie vorher gesehen, eine himmlische, geheimnisvolle Erscheinung, über das hinaus, was gewöhnlich von sterblichen Menschen gesehen wird, deshalb war Gideon, da er Gott fürchtete, bange. Wenn der lebende Gott einer Seele sehr nahe kommt, selbst, wenn es in der Person Christi Jesu ist, so wird diese Seele von Ehrfurcht ergriffen und zittert vor dem Herrn. Es kann nicht gut anders sein. Denkt daran, wie es bei Johannes war. „Als ich Ihn sahe,„ sagte er — das heißt, seinen eignen teuren Meister, an dessen Brust er sein Haupt gelehnt hatte — „als ich,“ der Jünger, den Jesus lieb hatte, „Ihn sahe, fiel ich zu seinen Füßen als ein Toter.„ Ihr wundert euch deshalb nicht, wenn eine arme Seele, voll Zweifel und Angst, betrübt durch ein Gefühl der Sünde und sehr bedrängt von Leiden, voller Furcht ist, wenn Jesus sich naht. Obwohl Er mit keinem Gefühl als dem der Liebe kommt, keinem Gedanken als dem des Erbarmens, keinem Spruch als dem der freien Vergebung, so wird das Herz doch von Ehrfurcht ergriffen bei dem wunderbaren Anblick. Ach, einige von euch wissen nicht, was es heißt, wenn der Herr sich eurem Geiste naht. Wenn ihr es tätet, so würdet ihr es nicht sonderbar finden, dass einzelne Erweckte in seltsamer Weise handelten und vergaßen Brot zu essen für eine Weile.

Daniel sagt: „Ich blieb allein, und sähe dies große Gesicht. Es blieb aber keine Kraft in mir, und ich ward sehr ungestaltet, und hatte keine Kraft mehr.“ Mit jenem großen Herrn, der alle Dinge regiert, des Stimme die Feuerflammen teilt, die Hinden erreget und die Wälder entblößet, kann man nicht wie mit einem gewöhnlichen Wesen reden; seine Gegenwart überwältigt den endlichen Geist. Er schauet die Erde an, so bebet sie, Er rühret die Berge an, so rauchen sie, die Stimme seines Donners ist in den Himmeln, seine Blitze erleuchten die Welt. Wenn dieser glorreiche Gott der Seele nahe kommt, so ist es eine ernste Heimsuchung und der Geist beugt sich darunter. Mit Recht sagte Habakuk: „Weil ich solches höre, ist mein Bauch betrübt, meine Lippen zittern vor dem Geschrei; Eiter geht in meine Gebeine, ich bin bei mir betrübt. O, dass ich ruhen möchte zur Zeit der Trübsal.„ Ich staune nicht, dass dieser streitbare Held schwer beunruhigt war. Wer unter uns wäre anders gewesen?

Überdies, Gideon war durch die Überlieferung schlecht belehrt worden. Es ging eine Sage, die von Wahrheit abgeleitet und doch falsch war, nämlich, dass niemand ein himmlisches Wesen sehen und leben könne. Es ist wahr, dass der Herr ausdrücklich seinem Knecht Mose sagte, dass er nicht sein Angesicht sehen und leben könne; aber Er sagte nicht: „Du kannst nicht einen Engel sehen und leben;“ auch hatte Er nicht gesagt: „Du kannst nicht meine verhüllte Gegenwart sehen und leben.„ Die Überlieferung war ein Zusatz zur Wahrheit und eine Verdrehung derselben. Wir können nicht das Angesicht Gottes sehen, aber wir können Jesum sehen; in der Tat, wir leben, weil wir Ihn sehen. Hütet euch vor dem Moos, das auf einer Wahrheit wächst. Manches Herz blutet, weil es durch seine eignen unvollkommenen Vorstellungen von Gott verwundet ist; so fühlt es oft, wenn Gott sich naht, wenn der große Allmächtige es überschattet, eine sklavische Furcht, die unnötig ist. „Ich werde sterben,“ sagt der Mann, „ich werde sterben.„ Er sieht seine Sünde, und deshalb meint er, dass Gott im Zorn gekommen ist, um ihn zu strafen: er fühlt seine Schwäche, und darunter zusammensinkend, seufzt er: „Ich werde sterben.“ Nein, Seele, wenn Gott dich hätte töten wollen, so hätte Er dich in Ruhe gelassen. Wen Gott ins Verderben stürzt, den überlässt Er zuerst dem Wahnsinn seines eignen Dünkels. Er nimmt sich nicht die Mühe, einem Menschen seine Sünde zu zeigen und ihm seine Übertretung zu offenbaren, wenn Er nicht beabsichtigt, ihm zu vergeben und ihn zu retten. Er lässt den stolzen Pharisäer so schön bleiben, wie er es zu sein wähnt und gestattet ihm, sich seiner eignen Gerechtigkeit zu rühmen und in seinem stolzen Eigendünkel dahin zu gehen: aber bei den Erwählten des Herrn fährt der Geist Gottes über ihre Schönheit dahin und sie verdorret wie die Blume des Feldes. Wenn der Herr anfängt, euch zu entkleiden, so wird Er euch auch bekleiden; wenn Er eure Gerechtigkeit verwelken lässt wie die Blätter des Herbstes, so ist das, weil Er ein herrliches Gewand hat, das Er euch antun will: deshalb fürchtet euch nicht. Doch ist es kein Wunder, wenn ihr niedergeschlagen seid: wir sind Geschöpfe, so abhängig vom Sehen und Fühlen, dass wir vor der Herrlichkeit des Herrn von Furcht ergriffen und krank vor Schrecken werden.

Außerdem war Gideon in einer Gemütsverfassung, in der er leicht niedergeschlagen werden konnte. Er war ein tapferer Mann, aber langes Leiden hatte einen Anflug von Traurigkeit über ihn geworfen. Sein gewöhnliches Verhalten ist gut durch die zwei Zeichen abgebildet, die Gott ihm gab. Wenn alle um ihn her vor Aufregung erhitzt und trocken wie eine Dreschtenne waren, so war er gleich dem Fell, kühl und gefasst; und dann wiederum, wenn auf allen um ihn her Entmutigung gleich der Feuchtigkeit auf der nassen Tenne lag, so war er allein in seinem gewöhnlichen Zustande, ohne dass ein Tropfen Feigheit in ihm war. Von dieser Art war der Mann: gelassen, ruhig, entschlossen, tapfer. Aber in dem Augenblick, von dem unser Text redet, litt er unter grausamer Bedrückung, war sich bewusst, dass Gott über Israels Sünde zürne, und ward von der Gegenwart Gottes überschattet, und deshalb war seine Seele bereit, von einer Furcht in die andre zu fallen. Nur seht, wie schön dies ist, dass er immer seine Furcht Gott klagt, immer zu Ihm geht, um Trost zu empfangen, und deshalb immer Hilfe erlangt. Eiu tapferer Mann ist nicht der, welcher keinen Grund zur Furcht sieht, sondern der, welcher die Gefahr sieht, und sich über sie erhebt. Die Männer, die im wirklichen Kampf am kühnsten sind, finden sich gewöhnlich unter denen, die ernst auf die kommende Schlacht blicken und nicht mit leichtem Herzen in den Krieg gehen. Diese Männer überschlagen die Kosten und wissen deshalb, was sie tun, wenn sie einen Kampf beginnen. So war dieser Mann, hin- und hergeschleudert von einer Furcht zur andren, aber niemals von seinem Gott hinweggeschleudert, und deshalb gewiss, immer wieder in den rechten Stand zu kommen. Und du, liebe Seele, wenn du Frieden mit Gott suchst, so würde es mich nicht wundern, falls Furcht auf Furcht folgt, und doch keine Furcht dich davon wegtreibt, auf den Herrn zu blicken. Es ist nur natürlich, dass du von Ehrfurcht überwältigt bist, aber o, verzweifle nicht, denn es ist der sicherste Grund zur Hoffnung da. Fahre fort, auf Jesum zu blicken, und Er wird dir sicher zu seiner Zeit eine selige Befreiung senden.

Eins ist bemerkenswert, nämlich, dass Gideons größte Furcht aus einem Zeichen entstand, um das er selbst gebeten hatte. Er sprach: „Mache mir ein Zeichen,„ und als er dies Zeichen hatte, nämlich Gottes Kommen zu ihm, da fürchtete er sich. Seid sehr behutsam, wenn ihr um Zeichen bittet; denn sie mögen euch vielleicht mehr entmutigen als trösten. Ich habe einige gekannt, die sagten: „Ich will nicht glauben, dass ich ein Kind Gottes bin, wenn ich nicht ein tiefes Gefühl der Sünde habe;“ und wenn dies Gefühl über sie kam, riefen sie aus: „Ich will niemals wieder darum bitten.„ Ich habe von andren gehört, die meinten, dass sie zu Christo kommen könnten, wenn sie sanft gezogen würden; der Herr zog sie sanft und dann wünschten sie, dass sie unruhiger und unglücklicher wären. Sie bildeten sich ein, sie hätten leichter glauben können, wäre ihre Verzweiflung größer gewesen — eine sonderbare Vorstellung in der Tat. Die Sache ist, wir sind zum Unglauben geneigt: dies schädliche Unkraut wächst ohne Säen, und nur die sanfte Liebe Jesu kann uns lehren zu glauben. Wir sind stets geschäftig, neue Zweifel zu fabrizieren, und zum rohen Material dazu benutzen wir dieselben Zeichen, um die wir den Herrn so ernstlich gebeten. Wir rufen laut: „Tue ein Zeichen an mir,“ und wenn das Zeichen gegeben wird, so sind wir bestürzt, dass wir erhört wurden, und geraten noch tiefer in Furcht als zuvor. Deshalb betet um solche Güter mit verhaltenem Atem und sprecht zweimal in solchen Sachen: „Doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst.„ Diese ganze Zeit über, geliebte Freunde, hatte Gideon eine Wahrheit vor sich, die all seine Furcht verhindert haben sollte: denn der Herr hatte zu ihm gesprochen und gesagt: „Gehe hin in dieser deiner Kraft, du sollst Israel erlösen aus der Midianiter Händen. Sieh, ich habe dich gesandt.“ Seht, er geht heim in der Furcht, dass er sterben wird, und doch kann dies nicht sein. Wie konnte er sterben, wenn er Israel erlösen sollte? Er musste ein lebendiger Mann sein, um das zu tun, und doch, wie ihr seht, vergisst er die Gründe für seinen Trost, aber trägt Sorge, Beweise für seine Furcht zu finden. Habe ich nie meine Hörer dies tun sehen? Ich habe mich selber oft dabei ertappt, — dass ich meine Logik nicht zur Stärkung meines Glaubens gebraucht, sondern meine Vernunft verkehrt, um meinem Unglauben beizustehen. Ist dies nicht töricht und gottlos? Wir schärfen die Messer, womit wir uns selber schneiden; wir wärmen an unsrem Busen die Natter, die uns beißen wird; wir stopfen unser Kissen voll Dornen und füllen unsren Becher mit Wermut, und das alles zu keinem andren Zweck, als zur Mehrung der Verzagtheit. Zu oft sind wir fleißig im Bereiten der Unruhe und gänzlich träge im Suchen nach Freude. Dies ist Narrheit, und doch sind bessere Männer als wir in diesen Fehler geraten. Der Herr befreie uns davon. Unser Friede ist darin, dass wir uns Gott nahen, und wenn dabei ein Gefühl der Gegenwart Gottes uns niederwirft und uns eine schärfere Empfindung des Schmerzes erzeugt, als wir zuerst hatten, lasst uns darum nicht zurückschrecken, sondern mit all unserer Macht vorwärts streben. Da unsre Sicherheit darin liegt, dass wir zu Gott kommen, müssen wir Ihm auf jede Gefahr hin nahen. Wenn Er vor uns zu stehen scheint mit dem gezogenen Schwert in der Hand, lasst uns auf die Spitze desselben zulaufen. Selbst wenn unser Gott ein verzehrendes Feuer ist, lasst uns Ihm doch nahen, denn dies ist in Wahrheit das hohe Vorrecht der Heiligen. „Unser Gott,„ das heißt unser Gott in Christo, „ist ein verzehrendes Feuer.“ „Wer ist unter uns, der bei einem verzehrenden Feuer wohnen möge? Wer ist unter uns, der bei der ewigen Glut wohne?„ Wenn diese Frage angeführt wird, so bezieht man sie gewöhnlich auf die Glut der Hölle. Der Irrtum ist in die Augen fallend. Denn die biblische Antwort auf die Frage zeigt, dass es nicht so ist: „Wer in Gerechtigkeit wandelt und redet, was recht ist“ — der ist es, der in der Höhe wohnen wird bei Gott dem Herrn. Der ist der Mann, der im Feuer leben kann, denn er ist ein echtes Metall. Er hat das reine Herz und soll Gott schauen und lieben.

„Man sagt, in jeder Flamme Mitte sei
Ein sichrer Ort der Kühle und der Ruh',
Wo unverletzt und unversehrt das Leben wohnen kann,
Wie in der Muschel leuchtendem Gehäus‘,
Von Feuermauern rings umschlossen,
Gleich lichten Schranken, die kein Feind
Durchbrechen kann.
Es ist ein Punkt der Ruh'
Inmitten jedes Sturms Gewalt.
Ein Schweigen an der verborgnen Quelle seiner Kraft;
Ein Kindlein mag dort schlummern ungestört,
Die blonden Locken rühret ihm kein Hauch
In dieser Still' im mächt'gen Wirbelwind.

So. wenn zu Gott sich die Gedanken schwingen,
Wirbel der Macht, verzehrend Feuerglut, —
Da überwältigt wir von Ehrfurcht fallen
Auf unser Angesicht, und höher seine Huld
Uns hebt und näher noch uns trägt,
Als unerlöste Engel, bis wir steh'n
Wie in der Höhlung seiner Hand.
Nein, mehr! wir lehnen uns an seine Brust —
Dort, dort ist unser Punkt vollkommner Ruh',
Glorreicher Sicherheit.“

So wohnen wir in dem Herzen Gottes, der eine feurige Mauer um uns her ist und die Herrlichkeit in unserer Mitte. Der, in dessen Innern alles verbrannt ist, was verbrennen kann, soll in der Gegenwart Gottes das Element seines Lebens finden. O, die Herrlichkeit des Glaubenslebens! Gott bringe uns völlig hinein. So habe ich von Gideons Furcht gesprochen, während er auf dem Pfade des Friedens war.

III.

Nun lasst uns einige Minuten lang betrachten, wie Gott seinen Knecht tröstet. „Aber der Herr sprach zu ihm: „Gideon, — Friede sei mit dir! Fürchte dich nicht; du wirst nicht sterben!“ Der Herr will seine Gideone nicht beunruhigt im Gemüt sehen. Wenn wir den Feind bedrängen sollen, so dürfen wir nicht selbst bedrängt sein. „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, denn ihre Sünde ist vergeben.„ So will Gott, dass seine Propheten sprechen sollen, und so spricht Er selber. Er will seine Arbeiter voll Trostes haben, während sie arbeiten.

Beachtet, Brüder, die große Macht Gottes, wenn Er die Wahrheit in die Seele spricht. Gesetzt, ich grüßte euch: „Brüder, Friede sei mit euch.“ Das wäre ein liebliches Wort; aber wenn der Herr es spricht, so fühlt ihr den Frieden selbst. Gesetzt, Petrus wäre aufgestanden in jener Barke, die auf dem Galiläischen Meer hin- und hergeworfen ward, und hätte zu den Wellen gesprochen: „Seid stille,„ die Wellen hätten nicht viel Notiz von ihm genommen, und der pfeifende Wind würde ihm getrotzt haben; aber als Jesus sprach: „Friede, seid stille,“ da schmiegten sich die steigenden Löwen des Meeres zu seinen Füßen, und es ward eine große Stille. O, dass des großen Meisters Stimme das Requiem der Unruhe in jenes sturmbewegte Herz tönen lassen wollte, indem Er spräche: „Friede sei mit dir,„ so dass ihr vollkommene Ruhe in eurem Gott finden möget.

„Friede!“ das Wort ist Schalom, das Wort, das Gideon borgte und dem Altar beilegte, den er in Gehorsam gegen des Herrn Befehl errichtete. Es bedeutet nicht nur Ruhe, sondern Gedeihen, Erfolg, „gutes Glück,„ wie man sagt. Als Gott dies Wort in die Seele seines Knechts hinein sprach, ward eine große Freude in ihm geboren, die ihn für seinen großen Krieg vorbereitete. Der Herr erheiterte ihn auch mit: „Fürchte dich nicht.“ O, das köstliche Wort, ebenso voll, wie es Kurz ist: „Fürchte dich nicht.„ Es ist die Totenglocke der Furcht, das Leben der Hoffnung. Wenn wir es als Gottes Tat in unserer Seele hören, so können wir „Kriegsvolk zerschmeißen und über die Mauer springen.“ Zweifel und Furcht fliehen wie die Nachtgespenster, wenn die Sonne aufgeht. „Fürchte dich nicht.„ Was ist da zu fürchten? Wenn Gott mit euch ist, vor wem könnt ihr dann bange sein? Gideon fürchtete sich selber, fürchtete seine eigne Ungeschicklichkeit und Unwürdigkeit, fürchtete sich in der majestätischen Gegenwart Gottes; aber der Herr sprach: „Fürchte dich nicht,“ und Gideons Herz ward ruhig.

Dann fügte der Herr hinzu: „Du sollst nicht sterben,„ und trat so der besonderen Form seiner Furcht entgegen. Dies ist es, was der Herr zu jedem armen Zitternden sagt, der Ihn mit dem verzweifelten Griff des Glaubens hält: „Du sollst nicht sterben. Du sollst den zweiten Tod nicht sterben: du hast keine Sünde, für die du sterben musst, denn ich habe deine Übertretungen auf meinen eingeborenen Sohn gelegt. Du sollst nicht sterben, denn Jesus starb. Dein geistliches Leben kann nicht erlöschen, denn dein Leben ist verborgen mit Christo in Gott, und weil Jesus lebt, sollst du auch leben.“ Wenn Jehovah seinen Kindern Trost zuspricht, so sind sie in der Tat getröstet, und ich bitte Ihn, heute morgen so zu jedem von euch zu sprechen, der vollkommenen Frieden wünscht. Der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu. Möget ihr jene Gänge hinabgehen und sprechen: „Ja, ich habe Frieden mit Gott: ich habe keine Furcht nun; ich werde nie sterben, denn Jesus spricht: Wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben.„ Was für ein Morgen ohne Wolken wird dies für eure Seelen sein!

IV.

Lasst uns jetzt auf Gideons Denkzeichen sehen. Nachdem seine Furcht verbannt und er in vollkommenem Frieden ist, geht Gideon ans Werk. Sind einige von euch in Zweifel, ob sie errettet seien oder nicht? Geht noch nicht aus zu predigen, denn ihr könntet vielleicht andre in Knechtschaft bringen. Sind einige von euch halb bange, dass sie nicht in Frieden mit Gott seien? Nehmt euch in acht, was ihr tut! Strebt nach Frieden, damit ihr nicht euer Zeugnis schwächt. Ich erinnere mich der Lektion, die ich von meiner Sonntagsschulklasse erhielt. Ich lernte etwas, wenn die andren Knaben es auch vielleicht nicht taten. Obgleich noch ein Jüngling, lehrte ich Knaben das Evangelium und sagte: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird errettet werden.“ Einer von ihnen fragte recht ernst: „Lehrer, sind Sie errettet?„ Ich antwortete: „Ich hoffe es.“ Der Knabe erwiderte: „Lehrer, wissen Sie das nicht?„ Als wenn er gesandt wäre, mir die Sache ins Herz zu treiben, fragte er weiter: „Lehrer, haben Sie geglaubt?“ Ich sagte: „Ja.„ „Sind Sie getauft worden?“ Ich sagte: „Ja.“ „Nun dann,„ schloss er, „sind Sie errettet.“ Ich war froh, zu antworten! „Ja, ich bin es;„ aber ich hatte vorher kaum gewagt, das zu sagen. Ich fand, dass, wenn ich andre Leute die Wahrheit zu lehren hätte, ich ihre lieblichen Wirkungen auf mich selber kennen und glauben müsse. Ich bin der Meinung, lieben Freunde, dass ihr selten andre trösten werdet, ausgenommen mit dem Trost, mit dem ihr selbst von Gott getröstet worden seid. Seht auf gewisse unserer Brüder, die predigen und keine Bekehrungen haben. Was ist die Ursache in einigen Fällen? Ist es nicht, dass sie die ganze Woche nach Fröschen fangen, um die Leute damit zu speisen, und die Leute nicht viel um diese Nahrung geben? Ich meine dies. Wenn irgend ein neuer Zweifel ausgeheckt ist, wenn irgend ein Philosoph glaubt, einen Fehler im Evangelium gefunden zu haben, so predigen diese würdigen Leute am nächsten Sonntag darüber, weil sie meinen, dass jede neu aufgeworfene Frage beantwortet werden müsse. Ich für meinen Teil kümmere mich keinen Deut um das, was alle Philosophen ausfindig machen, denn sie können nicht die Tatsachen meiner Erfahrung widerlegen. Wenn mir irgend ein neues Stück Unglauben aufstößt, so beeile ich mich nicht, es euch zu verkünden und so das Annonzieren des Teufels umsonst zu besorgen. Mögen andre ihrem Geschäft folgen, wenn es ihr Geschäft ist; mein Geschäft ist, die Wahrheit Gottes zu predigen, die ich von seinem unfehlbaren Wort durch die Unterweisung seines Geistes gelernt habe. Gott will, dass sein Volk im Frieden mit Ihm sein und wissen soll, dass es dies ist, denn wenn es innerlich unruhig und geängstigt betreffs seiner Stellung zu Gott ist, wie kann es die Kämpfe des Lebens dann bestehen?

Als Gideon völlig im Frieden ist, was beginnt er für Gott zu tun? Wenn Gott euch liebt, so wird Er euch gebrauchen, entweder zum Leiden oder zum Dienst; und wenn Er euch Frieden gegeben hat, müsst ihr euch zum Kriege vorbereiten. Werdet ihr mich für seltsam halten, wenn ich sage, dass unser Herr kam, uns Frieden zu geben, damit Er uns zum Kriege aussenden könne? Gideons erstes Werk war es, hinzugehen und seines Vaters heiligen Hain umzuhauen, der auf der Höhe des Hügels stand und einen Altar Baals umschloss. Er konnte dieses Geschäft nicht bei Tage vollziehen, weil die törichten Verehrer sich zur Verteidigung ihres stummen Götzen zusammengeschart und den Reformator überwältigt hätten; deshalb tat er mit seinen zehn Männern das Werk bei Nacht. Ich meine, ich sehe ihn und seine Leute in der trüben Dunkelheit mit ihren Äxten und Sägen die Arbeit so stille verrichten, wie sie nur können und alle jene Bäume fällen. Eine treffliche Lichtung ward in dieser Nacht gemacht. „Nun,“ ruft er, „nieder mit diesem abscheulichen Altar Baals.„ Manche Leute hätten gesagt: „Schone ihn als eine wertvolle Antiquität.“ Ja, und lasse ihn, damit er wieder gebraucht wird! Ich sage, nieder damit, denn je älter er ist, desto mehr Sünde hat er verursacht und umso wahrscheinlicher es ist, dass er wieder verehrt werden wird. Ich wünsche oft, die Reformatoren wären gründlicher gewesen in ihrer Zerstörung abgöttischer Bilder und papistischen Plunders. In mancher Gemeinde dieses Landes ist alles bereit zur Wiederherstellung des römischen Götzendienstes. Die Nester wurden nicht halb niedergerissen und die Krähen kommen wahrscheinlich wieder. Manches Fenster voll Heiliger, welche die Bibel nie kannte, wartet nur auf die Märtyrer-Verbrenner, um wieder zurück zu kommen. Gideon warf jeden Stein danieder, und das war tapfer gehandelt.

Aber seht, auf des Herrn Geheiß baut er einen neuen Altar von Erde oder unbehauenen Steinen; und als das getan ist, holt er seines Vaters Farren und schlachtet ihn als Opfer. Wie sicher gehen sie zu Werke bei der Wiedereinführung des reinen Glaubens! Seht, sie brauchen das Holz des Hains, um das Opfer zu verbrennen, und der Himmel ist rot vom Widerschein des Feuers. Ich meine, ich höre den tapferen Führer sagen: „Lasst sie nun aufwachen; sie können uns nicht hindern, den Höchsten zu verehren und können den Hain nicht wieder wachsen lassen. Bei jenem Feuerzeichen soll Israel sich versammeln, um gegen Midian zu streiten, und der Sieg soll unser sein.„ Geliebte, wenn Gott euch Frieden gegeben hat, so geht heim und beginnt eure Reformation. Ich möchte den Umsturz jeder Sünde predigen. Nieder mit jedem Götzen. Habt ihr noch einen übrig gelassen? Weg damit und bringt Gott ein Opfer. Jeder wahre Christ sollte ein Reformgesetz in seinem Hause erlassen und es ausführen.

„Willst du verborgenen Bann noch halten,
Wird, was du liebst, nicht abgetan.
Willst du so manches noch verschweigen,
So wird dies lauter Unruh' zeugen.“

Aber niederreißen ist nicht genug. Viele Leute können das tun. Gideon baut, wie wir gesehen, einen Altar für Jehovah. Wenn ihr vollkommenen Frieden mit Gott habt, denkt nach, was ihr für Ihn tun könnt: denkt an einen neuen Plan zur Arbeit oder überlegt, wie ihr das Werk besser tun könnt; fördert jeden Teil der göttlichen Wahrheit, der vergessen, jede Verordnung, die vernachlässigt, jede Tugend, die verachtet worden ist. Besonders lasst Christum Jesum überall hervortreten, den Altar und das Opfer, das Gott so teuer ist. Nun da ihr den Kampf angefangen habt, indem ihr Baals Hain abhautet, vervollständigt ihn dadurch, dass ihr einen Altar für den Herrn baut. Statt einer Feste und eines hohen Turmes verkündet das Versöhnungsopfer des Herrn Jesu und haltet diese Feste, bis Er kommt.

Als er diesen Altar gebaut hatte, nannte er ihn „Jehovah-Schalom,„ in Dankbarkeit für den erhaltenen Frieden. Die Inschrift erklärt, dass Jehovah unser Friede ist. Gelobt sei sein Name heute. Wir haben die Schlachten des Friedens begonnen, denn der Herr Gott ist mit uns, und mit seinem Volk will Er ausziehen, den Frieden zu gewinnen, den Er verheißen hat. Es war ein Psalm in zwei Worten; es war ein Gesang von einer Zeile, unendlich süß. „Jehovah-Schalom“: der Herr unser Friede.

Überdies war es ein Gebet, nach einer andren Übersetzung bedeutet es: „Jehovah, sende Frieden.„ Wenn ihr Frieden mit Gott habt, so lasst euer nächstes Gebet sein: „Herr, gib all Deinem Volk Frieden.“ „Betet für den Frieden Jerusalems.„ Wirke ihn, o Heiliger Geist des Friedens! Dann bittet um Frieden durch die Eroberung einer ungöttlichen Welt für Jesum, bis das erste Weihnachtslied wiederum gesungen wird: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.“

Seht, Brüder, und damit schließe ich, hier mag heute morgen ein junger Mann sitzen, der nicht weiß, was Gott aus ihm machen will. Die Fähigkeiten zum Dienste, die Gott einer einzigen Persönlichkeit verleihen kann, sind wunderbar. Jetzt bist du verstört im Gemüt, traurig im Herzen, ohne Ruhe; du hast vollkommenen Frieden nötig, aber du hast ihn noch nicht gefunden. Ruhe nicht, bis du ihn hast. An Gottes Altar, wo Jesus starb, wirst du ihn finden, und nur da. Wo Jesu Blut Frieden mit Gott macht, da ist dein Friede. Ruhe nicht, bis du des Friedens mit dem Herrn über alles versichert bist, so dass deine Seele sich auf grünen Auen niederlegt und zu frischen Wassern geführt wird. Ich wünsche, dass drunten in den tiefsten Tiefen eurer Natur eine völlige Stille herrschen möchte, die nichts stören kann. Dann möge der Geist Gottes auf euch kommen, und ihr könnt die Posaune blasen zu den Schlachten des Herrn. O, dass wir die Tapferkeit hätten, die alles daniederschlägt, was sündig ist, und alles ausrottet, was irrig ist. „Hier Schwert des Herrn und Gideon„ sei unser Losungswort. Wie unser Meister gesandt war, die Werke des Teufels zu zerstören, so haben auch wir denselben Auftrag, und brauchen nur seine Waffen: Liebe, Wahrheit und Selbstaufopferung. Amen.

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autoren/s/spurgeon/k/spurgeon-ein_krieg_vorueber.txt · Zuletzt geändert: von aj
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