Spurgeon, Charles Haddon - Der große Befreier.

Spurgeon, Charles Haddon - Der große Befreier.

Und du sollst zu Pharao sagen: So sagt der Herr: Israel ist mein erstgeborner Sohn; und ich gebiete dir, dass du meinen Sohn ziehen lässt, dass er mir diene.“
2 Mose 4, 22. 23.

Der Herr sprach zu Mose: Nun sollst du sehen, was ich Pharao tun werde.“
2 Mose 6. 1.

Gott hatte ein Volk in Ägypten. Es war sein eigen, das Volk seiner Wahl. Obgleich es schwer unterdrückt und in schimpfliche Sklaverei gesunken war, so war Gottes Teilnahme an seinem Wohlergehen in keinem Maße verringert. Des Herrn Absicht, als Er Mose hinab nach Ägypten sandte, war, das Volk aus den andren Völkern heraus zu führen, so dass es ein für Ihn abgesondertes sei, damit Er ihm ein Erbe geben könne, das Land, darin Milch und Honig fließt und es darinnen wohnen möchte als Zeuge seines Bundes und seine Gebote halten. Nun tut Gott genau das, was Er an seinem Volk Israel in dem Lande Hams tat, an seinen Erwählten überall in der ganzen Welt. Von seinem Gesichtspunkte aus ist der Zweck des Evangeliums, aus den Völkern heraus ein Volk zu sammeln, das Er zuvor versehen, das Er verordnet, das Er sich erlöst hat, sein besonderes Erbe zu sein. Dieses soll aus den andren heraus geführt, zu einem besonderen Volk gemacht, in eine bestimmte Stellung gebracht werden und eine bestimmte Erfahrung haben. „Das Volk wird besonders wohnen und nicht unter die Heiden gerechnet werden;“ und es soll schließlich an einen bereiteten Ort gebracht werden, für den es besonders zubereitet werden muss, so dass es da wohnen könne und der Herr das wahr mache, was Er vorhergesagt hat: „Sie sollen mein sein an dem Tage, wo ich meine Kleinodien zusammen bringen will.“ (Mal. 3, 7.) Das Werk, dem Tod verfallene Sünder aus dieser jetzigen bösen Welt zu erretten, ist ebensosehr Gottes würdig, als das Werk, Israel aus Ägypten zu befreien. Dieselbe rechte Hand Jehovahs, herrlich an Macht, welche die Söhne Jakobs aus der Knechtschaft Pharaos erlöste, ist nun ausgestreckt, uns von der Herrschaft Satans zu befreien. Der Lobgesang auf Jesus Christus, unsren Erlöser, soll noch frohlockender sein, als das Loblied, das Mirjam und die Töchter Israels beim Roten Meer erhoben, als sie sprachen: „Lasset uns dem Herrn singen, denn Er hat eine herrliche Tat getan.“ In der Tat, wir sollen am letzten Ende das Lied Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes singen, was klar andeutet, dass die Erlösung aus Ägypten immer bestimmt war, eins der Hauptvorbilder der Erlösung des Volkes Gottes aus der Mitte der Welt zu sein; denn Christus hat ein Volk, das Er aus den Menschen erlöst hat, und es ist eine Gemeinde, von der geschrieben steht: „Christus liebte seine Gemeinde und hat sich selbst für sie dahingegeben.“

Nun, zum Herausbringen dieses Volkes Gottes aus der Masse der Menschheit braucht Gott zuweilen Werkzeuge, gerade wie Er es in dem früheren Falle tat. Er mag ein Werkzeug anwenden, das scheinbar ebenso wenig für das Werk geeignet ist, wie Mose nach seinem Werk es war. Doch wird das Werk getan, und Gott gebührt die Ehre, es vollendet zu haben. Was uns betrifft, die Er gebraucht, so sind wir mehr als zufrieden, Ihm die Ehre zu überlassen. Wir freuen uns seiner Herrlichkeit, während wir fühlen, dass wir uns selber durchaus gar kein Verdienst beimessen können, denn wir sind weniger als nichts vor seinen Augen, und selbst in unsren eignen Augen sind wir schwach und wertlos, so dass zu Gottes Ehre allein der Preis ertönen soll, wenn das Erlösungswerk beendet und vollständig ist.

Ich fordere euch auf, zuerst an die Stimme Gottes zu denken. In unsrem Text heißt es: „So sagt der Herr, Israel ist mein erstgeborner Sohn, und ich gebiete dir, dass du meinen Sohn ziehen lässt, dass er mir diene.“ Wenn wir uns hierüber ein wenig ausgelassen haben, wollen wir ein paar Worte über die Stimme des Menschen sagen. Dies sollte die Stimme des Menschen sein. „Du sollst zu Pharao sagen: So sagt der Herr.“ Was Gott gesprochen hatte, sollte von seinem Knecht Mose wiederholt werden. Dann wollen wir schließen, indem wir drittens betrachten die Macht Gottes, die mit dieser Stimme des Menschen gehen sollte. „Ich will mit deinem Munde sein, und du sollst sehen, was ich Pharao tun werde.“

I.

Lasst uns zum Anfang versuchen, unsre Gedanken auf die Stimme Gottes zu heften, die eine wirkliche Macht war, sein Volk aus Ägypten herauf zu bringen.

Diese Stimme war dreifach; Er behauptete sein Eigentumsrecht an sie, verlangte ihre Freiheit und setzte ihre Bestimmung fest. Mit königlicher Autorität beansprucht Er das Volk als sein eigenes. „So sagt der Herr, Israel ist mein erstgeborner Sohn.“ Der Herr kennt die Seinen, und der Herr nimmt sie als die Seinen in Anspruch, mit Eifersucht auf sein unveräußerliches Recht an ihren Gehorsam und der Versicherung seiner nie fehlenden Fürsorge für ihr Wohl. Die Kinder Israels waren zu der Zeit in einem sehr niedrigen Zustande. Sie waren bis an den Hals in Thon beim Ziegelbrennen. Sie waren eine Schar Sklaven, herabgewürdigt, zum niedrigsten Zustand hinuntergebracht. Sie waren so entmutigt, dass sie sich jeder Forderung des Tyrannen unterwarfen, und als der Tag der Erlösung für sie anbrach, konnten sie sich die Befreiung nicht möglich denken und den frohen Wechsel in ihren Aussichten nicht willkommen heißen. Sie hatten als Volk sogar den Gedanken an Freiheit verloren. Er war aus ihnen herausgetrampelt. Das Volk schien seine Nationalität verlieren zu müssen oder sie nur als eine Nation von Sklaven zu behalten. Doch so mit Schmutz überzogen und so zu Sklaven gemacht, wie sie es waren, liebte Gott sie doch noch. Der Herr erkannte sie an. Er sagte: „Israel ist mein erstgeborner Sohn.“ Gewiss, Pharao hätte in seinem Herzen sagen können: „Dies ist ein schöner Sohn!“ Was muss es für ein Gott sein, der von diesen Ziegelbrennern, dieser verworfenen Rasse, sagt: „Dies ist mein Sohn?“ Ja, und diese verwahrlosten, diese rohen Knechte, diese herabgekommenen Männer und Frauen, von ihnen sagt Er: „mein erstgeborner Sohn und mein Erbe.“ Ein Mann ist von Natur stolz auf seinen Sohn und Erben, doch hier ist der mächtige Gott, der nach menschlicher Weise redet und dieses Niedergeschlagene, verzagte, verachtete und mutlose Volk anerkennt und sagt: „Israel ist mein erstgeborner Sohn;“ sie noch dazu vor den Augen des stolzen Pharao anerkennt, dessen Erstgeborner als ein Prinz von königlichem Blut begrüßt ward, wenn er durch das Land fuhr, vor dem jedes Knie sich beugte und dem, als dem Sohn des großen Königs, beständig Ehre erwiesen ward. „Israel ist mein Sohn,“ sagt Gott, „mein erstgeborner Sohn.“ Er schämt sich nicht seines Volkes. Er bekennt die große Liebe, womit Er uns liebte, selbst als wir tot in Übertretungen und Sünden waren, gerade wie Er sein Volk Israel liebte, als es in Knechtschaft und Erniedrigung war. „Er liebte meine Seele aus dem Abgrund heraus,“ sagte Hiskias (Jes. 38, 17) vor alters. Er liebte uns, als wir in unsrem Bette lagen, wie ein Kind, das weggeworfen und weder gewaschen noch in Windeln gewickelt ist. Als niemand sich unserer erbarmte am Tage unserer Geburt und wir auf das Feld geworfen wurden, ging Er an uns vorüber, und es war eine Zeit der Liebe, und Er sprach zu uns: „Du sollst leben.“ O, wunderbare Gnade Gottes, dass Er seinen Sohn anerkennt, wenn dieser Sohn noch ein ägyptischer Sklave ist.

Überdies, Gott erkannte sein Volk an, als dies Ihn nicht allerkannte, denn sein Name „Jehovah“ war ihnen kaum bekannt. Obgleich Mose sich ihnen mit augenscheinlicher Beglaubigung darstellte, waren sie bereit genug, ihn zu verwerfen. Sie waren abgewichen zu den falschen Göttern, wird uns in andren Teilen der Schrift gesagt. Während ihres Aufenthaltes in Ägypten gerieten die Israeliten in den herrschenden Aberglauben des Landes hinein und verließen den Herrn. Ein wenig Licht war noch unter ihnen übrig. Einige Überlieferungen waren aufbewahrt und gingen vom Vater auf Sohn als heiliges, anvertrautes Gut über. Ohne Zweifel waren noch fromme Seelen übrig geblieben, die dem Gute Abrahams treu waren. Die Gebeine Josephs, die in Gosen als ein Andenken an den Eid, den er von den Stämmen nahm, aufbewahrt, später bei all ihren mannigfachen Wanderungen in der Wüste mitgetragen und zuletzt in Sichem begraben wurden, wie wir im letzten Kapitel des Buchs Josua lesen, bürgen für eine Treue, die wir nicht leichtfertig vergessen dürfen. Aber die große Masse des Volkes war in die Schlingen gefallen, die sie umgaben, und bequemte sich den Sitten derjenigen an, unter die ihr Los gefallen war, deren viele Götter und viele Herren abergläubisch im geheimen verehrt wurden. Sie waren ein Volk, das keinen Maulwurfshaufen von Verdienst hätte zusammenscharren können, wenn sie es versucht hätten. Sie waren ein eitles und lasterhaftes Volk, geneigt zum Übervorteilen, obwohl jetzt selbst ganz übervorteilt; besonders sündig, weil ihre ausgeprägten Fähigkeiten, die nach der Seite der Tugend hin hätten entwickelt werden können, in Flecken und Brandmale an ihrem Rufe verkehrt worden waren. Doch spricht Jehovah: „Israel ist mein erstgeborner Sohn.“ Und erkennt der Herr sein Volk an, wenn dies Ihn nicht kennt? Ah, gelobt sei sein Name, Er tut es, sonst würden wir nie dahin kommen, Ihn zu kennen. Wir lieben Ihn jetzt, weil Er uns zuerst geliebt hat; und wenn nicht diese vorhergehende Kenntnis von uns und Liebe für uns gewesen, so wären wir jetzt nicht, was wir sind. O, die Freiwilligkeit und Freigebigkeit der Gnade Gottes, dass Er sein Volk kennt und es sein eigen heißt, auch wenn es Ihn noch nicht kennt.

Er erkennt sein Volk an, dadurch, dass Er seinen Bund anerkennt. „Israel ist mein Sohn.“ Er wies auf den Bund hin, den Er vor alters mit Abraham, Isaak und Jakob gemacht hatte. Und der Herr kennt die Seinen und erzeigt ihnen Gunst, nicht um irgend etwas willen, das sie persönlich Ihm zu empfehlen vermöchte, denn es ist keine Überlegenheit in ihrer Natur, kein Glanz in ihrem Verstande, keine Schönheit in ihrem Gemüt, die seinen Augen gefallen könnte. Das einzige Anrecht an Gnade ist vor Ihm jener alte Bund, der „ewig und alles wohl geordnet“ ist, den Er, nicht mit Abraham, sondern mit dem Herrn Jesus, der unser Bundeshaupt ist, gemacht hat. Wir denken nicht genug an jenen Bund, als an die große Tiefe, die unter der Quelle vieler Wasser liegt, aus denen die Brunnen des Heils fortwährend mit dem lebendigen Wasser der Gnade gefüllt werden.

„Nie hättest du der Sünde Fluch
Gefühlt, und nie des Heilands Lieben,
Wär' dein unwürd'ger Nam' im Buch
Des Lebens nicht geschrieben.“

Wenn du nicht einen Anteil an jenem Bunde hattest, der in dem ewigen Ratschluss gemacht ward, lange, ehe die Erde war, so hättest du sicherlich in freudloser, hoffnungsvoller Dunkelheit leben und sterben müssen. Dies war der Grund, weshalb Gott Israel seinen Sohn nannte. Einem alten Bunde gemäß, wurde Israel so angesehen. Wie tröstlich ist es, dass Er von dem Volk nicht nur als seinem Volk spricht, sondern sagt: „Israel ist mein Sohn.“ Es ist eine Liebe zwischen Vater und Sohn, die nicht anderswo gefunden werden kann. Blut ist dicker als Wasser. Verwandtschaft hat Bande, die nicht gelockert werden können. „Ja, aber“, sagt einer, „nennt Gott je in einer Stelle sein Volk seine Söhne, ehe sie wiedergeboren sind?“ Wohl, es ist ein Spruch da, der sagt: „Weil ihr denn Söhne seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: „Abba, lieber Vater.“ Weil in dem Ratschluss Gottes die Seinen wirklich seine Söhne sind, ehe sie irgend etwas davon wissen, so sendet Er ihnen zur bestimmten Zeit den Geist seines Sohnes, um ihnen die Natur der Kinder zu geben, damit sie sich der Kindschaft erfreuen und sagen können: „Abba, lieber Vater.“ O Geliebte, es ist Wonne, zu denken, dass der Herr, ehe wir geboren sind — ehe wir wiedergeboren sind — uns mit einer Liebe anblickt, die nicht gemessen und nicht vernichtet werden kann.

Der Kern dieser Anerkennung war: „Israel ist mein Sohn. Du, Pharao, magst ihn deinen Sklaven nennen, aber er ist mein Kind. Er war mein, ehe er dein war. Israel ist mein Sohn. Du sagst: Er ist mein Leibeigner! Ich sage, ob er auch unter dein Joch geraten ist, will ich mein Recht an ihn als meinen Erstgeborenen behaupten. Er ist ein Fürst, und zu diesem Stand soll er emporgehoben werden.“ Der Herr hat Anspruch an die Seinen — einen Anspruch, den alle Ansprüche des Gesetzes und alles Geschrei der Sünde, des Todes und der Hölle niemals im Stande sein sollen, zu bestreiten; und obwohl sie niedrigerweise den Ansprüchen des Bösen sich fügten und einen Bund mit dem Tode und ein Einverständnis mit der Hölle geschlossen haben, so soll doch Jehovahs Anspruch an sie feststehen, denn so spricht der Herr: „Euer Bund mit dem Tode ist gebrochen und euer Einverständnis mit der Hölle ist aufgehoben.“ (Jes. 28, 18.) Der Herr Jesus wird nicht dulden, dass die, welche Er zu seinem Volk gemacht und durch den blutigen Kauf am Kreuze erlöst hat, die Sklaven der Sünde und des Satans bleiben. Sie sind sein. Sein Vater hat sie Ihm gegeben. Sie sind sein: Er kaufte sie. Sie sind sein; ihre Namen sind in seine Hände geschrieben und in seine Hände gegraben. Sie sind sein; Er wird nicht zugeben, dass auch nur ein einziger in der Knechtschaft des Feindes bleibt. Indem Er so sein Volk anerkennt, erhebt Er einen bestimmten Anspruch, der alle andren Ansprüche beiseite schiebt. Mit der offenen Behauptung des absoluten Rechtes verlangt Er ihre unbedingte Freiheit. So sagt der Herr: „Israel ist mein erstgeborner Sohn; und ich gebiete dir, lass meinen Sohn ziehen.“ Was für ein erhabener Vers ist dies! Was für einen königlichen Befehl enthält er! Wie in der Erzählung von Kosmos Gott sprach: „Es werde Licht,“ und es ward Licht, so werden in der Geschichte des Auszugs kurze Worte mit unumschränkter Macht ausgesprochen: „Lass meinen Sohn ziehen!“

Wohl hätte das stolze Herz Pharaos vor dem Allmächtigen erbeben können, dessen Lippen ein Recht beanspruchten, das sein Arm augenblicklich geltend machen konnte. Wie sehr passen diese Worte auf unsre Befreiung von der Herrschaft des Gesetzes. Das Gesetz beschließt die ganze Menschheit unter seinen Fluch, der Gott dieser Welt beansprucht das ganze menschliche Geschlecht als seine Untertanen. Als die Zeit erfüllet ist, erscheint unser Erlöser. Der Herr Jesus kommt, macht sich den Geknechteten gleich, trägt den Fluch, erfüllt das Gesetz und verlangt dann auf Grund einfacher Gerechtigkeit völlige und vollkommene Freiheit für sie, da Er für sie das Gebot erfüllt und für sie die Strafe getragen hat. „Lass meinen Sohn ziehen.“ Unter welchem Vorwand könnte das Gesetz, außer wenn es gesetzlos und ungerecht wäre, einen Anspruch erheben, dem Genüge geschehen, oder ein Recht geltend machen, das schon befriedigt ist? Nein, von der Herrschaft des Gesetzes ist Gottes Volk frei gemacht, und seine Freude ist es, dass es hinfort nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade ist. Und wie herrlich klingen diese Töne, wenn sie mit Macht und Kraft erschallen, um uns von der Tyrannei der Sünde und des Satans frei zu machen.

Der Fürst, der in der Luft herrscht, hält die Menschen in Unterwürfigkeit, er bringt ihnen Vorurteile bei und verstopft so ihre Ohren gegen das Evangelium, er versiegelt ihre Augen vor dem ewigen Licht, aber so spricht der Herr: „Lass meinen Sohn ziehen,“ und augenblicklich schwindet das Vorurteil, das Ohr wird geöffnet, ewige Wahrheit leuchtet in das Herz, die Schuppen fallen von den Augen, die Seele sieht das himmlische Licht und beginnt zu frohlocken. Satan bindet zuweilen die Seele mit schweren Banden. Mir sind Fälle bekannt, wo er eine Seele mit eisernen Ketten der Verzweiflung niederhielt, die nicht zerbrochen werden konnten. Der Mann sagte: „Es ist keine Hoffnung,“ und gab alle Gedanken an Vergebung und ewiges Leben auf, aber so sagt der Herr: „Lass meinen Sohn ziehen.“ Die eiserne Bande wurde in einem Augenblick zerbrochen, und der Mann erhob sich zu Hoffnung und Freiheit, denn des Herrn Stimme bricht die Fesseln. Fest gebündelt durch furchtbare Gewohnheiten, die, wie es schien, unmöglich aufgegeben werden konnten, in eine Sünde nach der andren gefallen, war hinter dem Mann eine eiserne Pforte geschlossen und dann eine andre und noch eine andre, so dass er in dem innersten Raum des Gefängnisses eingekerkert war. Aber um Mitternacht ward er an die Seite geschlagen, als er in seiner sinnlosen Sorglosigkeit schlief. Ein großes Licht schien um ihn: der Bundesengel war gekommen und führte ihn durch Pforte auf Pforte, die eisernen Türen taten sich von selbst auf, und der Mann fand sich frei und konnte kaum sagen, ob es wahr sei oder nicht. Er wusste nicht, dass ihm wahrhaftig solches geschähe, sondern es deuchte ihn, er sähe ein Gesicht. Kaum war es geschehen, so fand er sich lebendig, befreit von den Banden der Sünden, voll Erstaunen über sich selbst und sprach: „Wie kann dies sein?“ Seine Zunge war voll Singens und sein Mund voll Lachens, und er sagte: „Der Herr hat Großes an mir getan, des bin ich fröhlich.“

Wohl, Geliebte, die Töne jener erhabenen Stimme, die sprach: „Lass meinen Sohn ziehen,“ werden fortwährend erklingen, so lange wir hienieden sind. Wir sollen immer weiter ziehen. Diese herrliche Freiheit soll uns täglich klarer werden. Sind wir nicht als Geschöpfe der Eitelkeit unterworfen und mit Schwachheit umgeben? Bald sollen wir von der Knechtschaft des Fleisches befreit werden; unsre Leiber sollen hinab in die Gruft gehen und dort eine Zeitlang im Gefängnis des Grabes liegen, aber jene Stimme, die uns zum geistlichen Leben wach rief, wird unsre Leiber auferwecken und sie in das Auferstehungsleben Christi eingehen lassen. Durch die dunklen, traurigen Grüfte wird die laute, freudige Stimme tönen: „Lass meinen Sohn ziehen,“ und es soll kein Knochen eines Gläubigen dahinten bleiben. Wie es vor alters gesagt ward: „Nicht eine Klaue soll dahinten bleiben,“ so soll nichts, was dem erlösten Menschen gehört, im Hades oder im Grabe bleiben. „Die Du mir gegeben hast, die habe ich bewahret, und ist keiner von ihnen verloren,“ sagt Christus, und wahrlich, von Personen und Dingen — von allen Menschen und von allem, was zu ihnen gehört und ihre Menschheit ausmacht — soll nichts verloren gehen, sondern der Herr wird die Seinen haben und seine Gnade soll triumphieren.

Diese Stimme Gottes ist eine Anerkennung seines Volkes und eine Forderung ihrer Freilassung; aber nicht weniger ist sie ein Festsetzen ihrer Bestimmung. „Lass meinen Sohn ziehen, dass er mir diene.“ O ja, Geliebte, sobald wir frei vom Dienste Pharaos sind, beginnen wir Jehovah zu dienen.

Und in welcher Eigenschaft diente Israel Gott? Es war in der erhabensten Eigenschaft, die nur möglich ist. Israel ward hinfort Gottes Priester. Israel war es, wo das Opfer dargebracht ward. In Israel ward der Weihrauch gebrannt. Aus Israel stieg der heilige Psalm empor. Israel stand vor dem Herrn in jener hohen Stellung heiligen Vorrechtes. Gleicherweise ist es mit einem Menschen, der aus der Knechtschaft der Sünde herausgeführt wird, er bringt sofort dem Herrn das Opfer Christi im Glauben und geht dann weiter und bringt sich selbst als ein lebendiges Opfer dar. So sind seine Danksagung und sein gebrochenes und zerknirschtes Herz beständige Darbringungen und Opfer von süßem Geruch, der von Gott durch Jesum Christum angenommen wird.

Israel wurde der Diener Gottes durch Aufbewahren des Zeugnisses. Sein waren die Weissagungen, Israel bewahrte die Erkenntnis des einen Gottes. Israel bewahrte die Offenbarungen des Höchsten. Während die ganze Welt draußen finster war, bewahrte Israel das Licht. Zu diesem Zwecke, Brüder, sind wir in gleicher Weise von Gott berufen. Wenn Er uns aus dem Ägypten der Sünde herausgeführt hat, so sollen wir täglich Opfer darbringen, täglich Zeugnis für die Wahrheit ablegen. Und o, wenn wir das nicht tun, wenn wir durch Unglauben zu wanken beginnen, oder mit verhaltenem Atem von der Wahrheit sprechen, die uns so deutlich kund getan ist; wenn die Menschenfurcht oder die Mode der Zeit unsre Herzen verführen, unsre Augen verdunkeln, unser gutes Bekenntnis verleumden und unsren gesunden Verstand so gänzlich betören sollte, dass wir erröteten, unser Zeugnis abzulegen — welche Scham müsste uns bedecken, welche Verwirrung müsste uns ergreifen! Aber gelobt sei sein Name, Er wird die Seinigen seinem Worte treu bewahren. Wenn es möglich wäre, so würden die Freidenker und die falschen Lehrer unserer Tage auch die Auserwählten verführen, aber das ist außer Frage; es ist außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. „Alle deine Kinder sollen vom Herrn gelehrt sein;“ und sie sollen seine Wahrheit halten und Zeugnis davon ablegen bis ans Ende der Welt.

Israel sollte hinfort Gottes Diener sein und Ihm durch einen Wandel im Glauben dienen. Was für ein wundervoller, vierzigjähriger Wandel war jener in der Wüste! Sie kamen ihrer hohen Bestimmung nicht nach, dennoch war der Geist jenes geheimnisreichen Zuges äußerst wundervoll. Ohne Säen und Ernten wurden sie gespeist; mit Wasser versorgt ohne Quelle, Wasserbehälter oder Strom; geführt über Flugsand ohne Kompass und ohne eine Spur eines betretenen Pfades. Dennoch hatten sie stets gute Speise, gute Wohnung, und, was noch wunderbarer war, ihr Lager war gut beschattet am Tage und gut erleuchtet in der Nacht. Sie hatten eine auserlesene Erfahrung von dem Nichts-Haben und doch Alles-besitzen. Ohne fruchttragende Felder oder fruchttragende Bäume lebte Israel doch von dem Fett der Nieren des Weizens (5 Mose 32, 14) und fuhr hoch her auf Erden. Es hatte alles und es hatte Überfluss. Der Herr war sein Hirte und ihm mangelte nichts.

Wir werden oft berufen, Gott zu dienen, und das in sehr ersichtlicher Weise, obgleich wir uns dessen wenig bewusst sein mögen, wenn von uns verlangt wird, im Glauben zu wandeln. Dies ist das Werk Gottes, das großartigste Werk, das ein Mensch tun kann, — an Den glauben, den Er gesandt hat. Das gottähnliche Werk, das Werk der Werke ist dies, im Glauben zu wandeln, aus dem unsichtbaren Gott sein Leben zu schöpfen.

Israel sollte Gottes Diener sein, indem es beständig in glücklicher Gemeinschaft mit Ihm lebte und Ihm heilige Verehrung darbrachte. Nirgend anders in der ganzen Welt ward ein Passah oder ein Laubhüttenfest gehalten, um Ihn zu ehren, und nirgend anders ward der Sabbat geheiligt und beobachtet. Bei ihm allein wohnte Jehovah und unter ihm erschien seine Herrlichkeit. Und so, Geliebte, wenn ihr und ich aus der Knechtschaft heraus berufen werdet, so ist es, damit wir dem Herrn dienen. Leben wir alle unserer Verpflichtung gemäß? Sind wir unsrem hohen Berufe treu? Thun wir die uns auferlegte, heilige Pflicht? Wenn jemand hier heute abend aus der Hand des Verderbers erlöst, von der Knechtschaft dieser argen Welt befreit, aus der verdammenden Macht der Sünde errettet ist, so wisse der, dass er, wenn er ein Korps verlässt, in ein andres eintreten muss; er kommt frisch aus des Feindes Lager herüber, nicht um als Gefangener, sondern um als Rekrut behandelt zu werden. Du musst in die Reihen eintreten, um die Mächte und Begierden zu bekämpfen, die du einst verteidigtest. Gott will dich zu seinem Diener haben, damit du Ihm dein Leben lang mit Freude und Fröhlichkeit dienen mögest.

So habe ich euch die Stimme Gottes erklärt, so weit meine Zeit und Kraft und Kenntnis es gestattet hat.

II.

Nun, zweitens war hier die Stimme des Menschen. Was für ein Herunterkommen scheint das zu sein! Du sollst zu Pharao sagen: So sagt der Herr: „Lass meinen Sohn ziehen.“ Warum sagte der Herr dies nicht selber? Warum musste Er sich einen Mose erlesen und den senden, dies zu sagen? Wohl, lieben Freunde, hätte der Herr selbst es zu Pharao gesagt, so wäre es sehr erschreckend gewesen und Pharao müsste zuletzt dem göttlichen Rat nachgegeben haben: aber seht ihr nicht das tiefere Wunder in dem milderen Verfahren, wenn Jehovah, sozusagen, seine Macht verbirgt und sie in Schwachheit kleidet? Anstatt zu Pharao mit jener Stimme zu reden, welche die Zedern des Libanon zerbricht und die Hinden erregt (Psalm 29), spricht Er zu ihm durch einen, der eine schwere Sprache und eine schwere Zunge hat.

Nun, wenn Gottes Stimme Pharao besiegen kann, wenn sie sich hinter der Schwäche eines stotternden, stammelnden Mose verhüllt, so ist sie herrlicher, als wenn sie sich gar keines Werkzeugs bedient hätte. Warum spricht der Herr nicht zu jedem Sünder direkt und führt ihn heraus und errettet ihn? Wohl: Er könnte dies tun. Er könnte es tun, wenn Er wollte; aber wenn Er sich statt dessen herablässt, uns arme Sterbliche zu nehmen, die seine Liebe geschmeckt haben, und zu uns zu sprechen: „Nun geht hin und seid meine Stimme, geht hin und sprecht für mich,“ o, dann sind seine Gnade und Macht nicht weniger sichtbar, aber sie sind weit bewundernswürdiger! Indem Er so ungeeignete Werkzeuge zur Ausführung seiner großen Absichten braucht, zeigt Er seine eigne erhabene Macht. Jener berühmte Brunnendeckel zu Antwerpen, gerade gegenüber der Kathedrale — eines der schönsten Stücke bearbeiteten Eisens, die man kennt — soll von Quintyn Matsys gearbeitet worden sein mit nichts als einem Hammer und einer Feile, da seine Mitarbeiter ihm seine Werkzeuge genommen hatten. Wenn es sich so verhält, so gebührt seiner vollendeten Geschicklichkeit umso mehr Lob. Alle Werke Gottes gereichen zu seiner Ehre: aber wenn die Werkzeuge, die Er gebraucht, den Resultaten, die Er hervorbringt, ganz unangemessen erscheinen, so wird unsre Ehrfurcht erhöht, während unsre Vernunft gedemütigt wird und wir über eine Macht staunen, die wir nicht verstehen können. Dies trifft unserer einige sehr. Lasst es uns auf uns selbst anwenden. Nimmt der Herr dich, mein Bruder, oder hat Er mich genommen; und spricht Er Worte ewiger Macht durch unsre armselige kleine Zunge: dieses unlenksame Glied, das so geneigt ist, Übels zu tun? Wenn Er wirklich Seelen durch sie gewinnt oder den Stolz Pharaos durch sie herunterbringt, dann soll es durch die Ewigkeit hindurch tönen, dass der Herr wunderbare Dinge getan hat. Er hat das Würmlein genommen und und es zum „scharfen, neuen Dreschwagen gemacht, der Zähne hat“ und ihn Berge zerdreschen lassen. Er hat erwählt, was schwach ist vor der Welt, dass Er zu Schanden mache, was stark ist. Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hat Er eine Macht zugerichtet, um seiner Feinde willen, dass Er vertilge den Feind und den Rachgierigen. Seinem Namen sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Die Schwachheit der menschlichen Stimme erscheint nie deutlicher, als wenn sie versucht, die Worte zu wiederholen, die von dem Munde des Herrn gesprochen sind. Mose scheint zu glauben, dass irgend ein Missverständnis da sein muss. Kann es sein, dass Gott beabsichtigt, Israel durch ihn aus Ägypten zu führen? Wenn immer Gott beschließt, seine Diener außerordentlich nützlich zu machen, so lässt er sie ihre Gebrechlichkeit fühlen. Je mehr Schätze in dem Gefäß sind, desto weniger wird seine Schönheit gerühmt werden. Es ist bloß gemeine Ware, ein irdenes Gefäß; auf dass die überschwängliche Kraft sei Gottes und nicht unser. Aber, als Mose fand, dass er wirklich von Gott beauftragt war, wie wenig fürchtete er da den Spott! Er ging hinein zu Pharao und richtete seines Herrn Botschaft aus. Die Zusammenkunft mit Mose und Aaron muss dem Pharao ungemein lächerlich erschienen sein. Sie versetzte ihn in große Wut. Diese zwei Israeliten, elende Sklaven, kommen, dem großen König Ägyptens zu sagen, dass er Israel ziehen lassen müsse. Wie abgeschmackt! Selbst den Israeliten muss es widersinnig vorgekommen sein, dass zwei solche Leute wie diese zu dem König hineingingen. Wie, mit einem Wort hätte er sagen können: „Schlagt den Hunden die Köpfe ab,“ und so die ganze Sache mit einem Mal beendigt haben. Doch gingen sie und boten ihm in seinem königlichen Palast Trotz und überbrachten ihm, was er für eine eitle Drohung halten mochte, wovon sie aber wussten, dass es eine wahre Botschaft Gottes sei.

Unbedeutend, wie wir in uns selber sein mögen, so mag doch die bloße Tatsache, dass Gott uns lehrt, was wir sprechen sollen, hinreichen, unsre Furcht zu verscheuchen. Wir müssen gehen und des Herrn Botschaft ausrichten und nicht bange davor sein, für töricht gehalten zu werden. Wenn ich zuweilen einen Sünder geheißen habe, zu leben und an Christum zu glauben, habe ich ein Murmeln gehört: „Was nützt es, einem Toten zu sagen, dass er leben solle?“ Irgend ein weiser Bruder hat gesagt: „Sie könnten ebensogut ein Taschentuch über einem Grabe schwingen.“ Ja, Armer, das ist wahr — ganz wahr. Mose könnte auch ganz ebensogut ein Taschentuch draußen vor Pharaos Palast geschwungen haben; aber als Gott ihm befahl, hinzugehen und Pharao zu sagen, dass er sein Volk ziehen lasse, da ging er hin und tat es. Und wenn der Herr einem von uns befiehlt, zu einem Sünder zu gehen und zu sagen: „Glaube,“ so können wir keinen Glauben in dem Sünder wirken, und er selbst kann es auch nicht; aber der von Gott gesandte Prediger ist ein Echo der Stimme Gottes; Gott spricht durch ihn; er ist beauftragt, mit Autorität den Sündern zu sagen: „Kehrt um, kehrt um, warum wollt ihr sterben? Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen.“ Es ist uns geheißen, in bestimmter Weise zu sprechen, als Gesandte des Königs; nicht in irgend einem Vorrechte, das wir uns beilegen, sondern darin, dass wir uns an das Gewissen eines jeglichen wenden (2 Kor. 4, 2) liegt die Kraft unserer Botschaft. Die Stimme, die durch den stotternden Mose spricht, ist göttlich, ungeachtet des Spottes, mit dem sie überhäuft werden mag.

Mose darf sich, da er einen solchen Befehl zum Hingehen und Reden hat, nicht durch Weigerung abschrecken lassen. „Ich weiß nichts von dem Herrn,“ sagte Pharao, „will auch Israel nicht lassen ziehen.“ Nun, lieber Bruder, du kannst nicht Seelen gewinnen, wenn du nicht vorbereitet bist, sehr starke Abweisungen zu erhalten. Ach, aber manchen bricht das Herz, wenn sie irgend welchen Widerstand finden. Ihr könnt das erwarten. Die alte menschliche Natur weiß nichts von dem Herrn. Ihr erinnert euch, wie Melanchthon dachte, eine große Anzahl Leute zu bekehren, als er zu predigen begann, aber als er seinen Irrtum einsah, sagt er: „Der alte Adam ist zu stark für den jungen Melanchthon.“ Das ist er. Ihr werdet stets dann und wann auf etwas Kies stoßen und euer Messer wird brechen. Seid nicht verzagt, der Herr wird euch schärfen und stärker und immer stärker machen; denn sogar jener Pharao, der sagte: „ich will das Volk nicht ziehen lassen,“ wird bald auf seinen Knien liegen und das Volk bitten, wegzuziehen. Wir müssen auf Widerstand gefasst sein und weder weichen noch beben, sondern uns zum Kampfe stählen.

Der Mann, den Gott aussendet, sollte auch des Erfolges gewiss sein. Ich bin überzeugt, dass Mose, nachdem er über die ersten kleinen Schwierigkeiten mit dem Volk hinweg war und seine eigne Schüchternheit besiegt hatte, nicht mit Zweifel seine Botschaft ausrichtete, sondern stark im Glauben war. Da stand er mit seinem wunderbaren Stabe, verwandelte das Wasser in Blut und tötete all ihre Fische, bedeckte die Himmel mit Finsternis, wandelte den Staub in lebendige Geschöpfe, brachte Hagel und schwere Viehseuche, und tat dies alles so gelassen und ruhig, wie der es tun sollte, der fühlt, dass er die Stimme Gottes ist. Wie standhaft beharrte er in seinem Werke! Mit welchem Fleiße setzte er es fort, bis zuletzt die zehnte Plage ihn unbewegt fand, bereit, das Volk ans Rote Meer zu führen und es in die Wüste zu bringen! O, Diener Gottes, seid ruhig und vertrauensvoll. Fahrt fort, das Evangelium zu predigen. Fahrt fort, in der Sonntagsschule zu lehren. Fahrt fort, Traktate wegzugeben. Fahrt fort, mit steter Beharrlichkeit. Seid dessen gewiss, ihr sollt nicht vergeblich arbeiten, noch eure Kraft unnütz zubringen. Stottert ihr immer noch? Habt ihr immer noch eine schwere Sprache? Desungeachtet fahrt fort. Seid ihr getadelt und zurückgewiesen worden? Habt ihr wenig andres als Niederlagen? Dies ist der Weg zum Erfolg. Ihr werdet die Straße chaussieren mit den rauen Kieselsteinen eures Misslingens. Arbeitet weiter und glaubt weiter. Seid beständig in eurem Vertrauen, denn mit hoher Hand und ausgerecktem Arm wird der Herr seine Erwählten ausführen, und Er wird einige durch euch ausführen. Vertraut nur auf den Herrn und beharrt in dem ruhigen Gange eures Weges.

III.

Unser letztes Wort ist über die Macht Gottes. Ohne die Macht Gottes würde die Stimme des Menschen ganz erfolglos gewesen sein.

Welche Wirkung wurde durch die Stimme des Mose hervorgebracht? Ging nicht mit ihr zugleich eine Macht aus, die Ägypten plagte? Sie füllte das sündige Land Ägypten mit Plagen. So füllen Männer, die Gottes Evangelium mit Gottes Macht predigen, die Welt mit Plagen. „Ich weiß das,“ sagt jemand, „ich wünschte, ich hätte nie diesen Menschen gehört. Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen.“ Nein, die Frösche waren in seine Schlafkammer gekommen. Der wahre Prediger findet seinen Hörer zuweilen sagen: „Ich will niemals wieder hingehen. Wo ich auch bin, scheine ich von der Wahrheit verfolgt und gequält zu werden, welche jener Mann so kahl und kühn sprach. Die Gebote, die er einschärft, sind den Vorurteilen entgegen, die mir teuer sind, sie beunruhigen mein Gewissen und plagen mich unaufhörlich.“ Ja, Gott hat eine einfache Predigt alle Arten von Ungeziefer hervorbringen lassen — Gedanken, die einen Menschen stechen, wohin er auch geht, und er kann ihnen nicht entfliehen. Er sperrt und sträubt sich gegen das Evangelium — empört sich dagegen, will es nicht haben — wird zornig, geht den einen Abend zum Theater, nimmt den andren an einem Gelage teil, aber vergebens, er hat an nichts Freude, er weiß kaum, warum? Zuweilen kommt eine dichte Finsternis über das ganze Leben, wie die Finsternis über das ganze Land Ägypten kam. Alles, was schön und glänzend war, ist nun verdunkelt. Alles, was angenehm und freudig war, ist nun getrübt. Der Mann findet, dass er sich nicht einmal der gewöhnlichen Annehmlichkeiten des Lebens mehr erfreuen kann. Er weiß nicht warum. Er beabsichtigt nicht, dem Evangelium nachzugeben, doch sogar sein Brot scheint sauer und das Wasser, das er aus dem Brunnen schöpft, ist salzig und bitter. Seine Leiden mehren sich und kommen in schneller Reihenfolge eins nach dem andren. Nun ein Hagelwetter, das Zerstörung zurücklässt, dann eine schwere Seuche unter dem Vieh. Die Hand des Herrn ist nicht auf das Landwesen beschränkt. Sie wird dein Haus heimsuchen. Sein furchtbares Gericht erreicht deine Familie, deine zärtlichste Liebe, deinen erstgeborenen Sohn. Wie vor alters, so geht ein Geschrei auf von Ägyptenland, so dass es unerträglich ist, dort zu bleiben, und dann reckt Gott seinen Arm aus in den großen Plagen, die sein furchtbares Gesetz über den Menschen bringt. Wenn Er ihn herausführen und zu sich selber bringen will, so werden Gottes Diener die Vorboten der Plagen. Jesus selbst sagte: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.“ Dieses Schwert wird aus der Scheide gezogen und Familien werden geteilt, eins wider das andre, mit der großen Absicht, dass Israel herausgeführt und Friede gestiftet werden soll durch die Erlösung, die Jehovah verordnet hat.

Was wird alsdann geschehen? Nun, der Unterdrücker wird froh sein, wenn seine Knechte gehen. Es geschieht zuweilen, dass die Ungöttlichen selber froh sind, Gottes Erwählte los zu werden. „Ihr Trübsinn passt schlecht zu unserer Lebhaftigkeit“, sagen sie. Sie taten alles, was sie konnten, sie in ihre Gesellschaft einzuladen und sie wieder zu ihren Leichtfertigkeiten zurückzuführen; sie legten ihnen Fallen, um sie vom Hören des Evangeliums abzuhalten; aber nun der Herr begonnen hat, an ihnen zu wirken, da sagten ihre alten Gefährten: „Nun müssen wir sie aufgeben.“ „Ich habe alles versucht, was ich konnte, unsren alten Kameraden zu unsren alten Gelagen zurückzubringen,“ sagte der eine, „aber wirklich, er sagte solche Dinge, dass er all unser Vergnügen vergiftete. Wir konnten nicht froh sein, darum sage ich, wir wollen ihn los werden! Lasst ihn nicht mehr in unserer Gesellschaft sein.“ Ja, es ist ein Großes, wenn das Predigen des Evangeliums bewirkt, dass die Gottlosen wünschen, die Bekehrten von ihren Kreisen fern zu halten. „O, geh weg nach dem Tabernakel: wir wollen dich hier nicht; du hast uns genug mit deiner Religion gequält und mit deinen Gebeten und deinem Schreien und Weinen und deinen Reden davon, dass du verloren seiest und einen Heiland finden wolltest. Du bist schlechte Gesellschaft und es ist besser, du gehst.“ Eine Dame, die vor einigen Jahren in diese Gemeinde eintrat und die sich in den höheren Kreisen der Gesellschaft bewegte, sagte zu mir: „Ich war ganz willig, den Umgang mit meinen Freunden fortzusetzen, aber ich fand, dass sie mich kalt behandelten und mich nicht wollten.“ Geradeso. Es ist ein sehr Gutes, wenn die Ägypter sagen: „Ziehet aus,“ und wenn sie bereit sind, euch ihre silbernen und goldenen Geräte zu geben, um euch nur los zu werden. Der Herr will, dass sein Volk ganz herauskommt und abgesondert ist; Er weiß durch das einfache Aussprechen des Evangelium eine solche Scheidung zwischen seinem Volk und denen, die nicht sein Volk sind, zu setzen, dass selbst die Gottlosen anfangen zu sagen: „Ziehet aus, wir wollen nichts weiter mit euch zu tun haben.“ Ehre sei Gott, wenn so etwas geschieht.

Und der Herr weiß allen Widerstand aufhören zu lassen, denn es steht geschrieben, dass, als Israel aus Ägypten zog, nicht ein Hund gegen die Kinder Israels muckte. Früher waren sie solche Sklaven, dass sie, wenn ein Hund sie anbellte, nicht wagten, sich gegen ihn zu wenden, aus Furcht, dass es der Hund eines Ägypters sein könne, der es sie sicher entgelten ließe, wenn sie seinem Hunde etwas antäten. Wie darf ein Sklave das wagen? Jeder war gegen sie. Aber als der Herr sie herausführte, war kein Hund, der in dieser Nacht zu bellen wagte. Die Ägypter wünschten alle, dass sie gehen sollten und trieben sie dazu; und auch Pharao muss seine Untertanen in Staunen gesetzt haben durch seinen plötzlichen Eifer, dies sonderbare Volk ziehen zu sehen.

Wisst ihr, was das bedeutet? O, was für Gefechte und Streite, was für Kriege und Kämpfe waren in meiner Seele, als ich versuchte, Christum zu finden! Meine alten Sünden kamen herauf gegen mich, mein Gedächtnis holte begrabene Übertretungen wieder aus der Erde hervor; Fehler und Fehltritte häuften sich an wie eine Flut und drohten mich zu überwältigen. Alles in meinem beständigen Forschen und in meinen täglichen Erfahrungen schien mich von Christo hinweg zu treiben. Aber an jenem denkwürdigen Sabbatmorgen, als ich das Wort hörte: „Blicket auf mich und seid errettet, alle Enden der Erde,“ da blickte ich, und siehe, kein Hund rührte seine Zunge gegen mich. Meine Sünden klagten nicht. Sie waren ertränkt in dem Roten Meer des Blutes Jesu. Meine alten, verderbten. Neigungen — ich wusste zu der Zeit nicht, dass ich welche hatte, so ruhig waren sie. Versuchungen hatten aufgehört, mich zu quälen. Für diese kleine Weile wenigstens schien der Krieger sein Schwert in die Scheide zu stecken und der Ziegelbrenner legte seinen Thon hin, um aus Ägypten zu gehen mit silbernem und goldenem Geräte. Ich konnte dem Herrn singen, denn Er hatte herrlich triumphiert. Ich bin einigen dieser alten Ägypter später wieder begegnet, einer guten Anzahl derselben, und ich habe harte Kämpfe mit ihnen gehabt; aber zu jener Zeit war alles still und ruhig, glücklich und selig.

Mit dem Passahlamm in unsrem Munde wagt niemand, uns herauszufordern. Das Blut an der Tür ist eine unwiderlegliche Antwort für jeden Ankläger, Tadler oder Gegner.

Ehre sei Gott, der so die Seinen herausführen und sie von ihren Sünden, ihren Lüsten, ihren Gewohnheiten, ihren Leidenschaften befreien kann, — sie vom Tode befreien kann — sie davon befreien kann, in den Abgrund hinabzugehen, und sie so befreien, dass niemand sie anklagen kann, da Gott sie gerechtfertigt und Christus sie freigesprochen hat. Möge der Herr uns Gnade geben, als seine Werkzeuge gebraucht zu werden, wie Mose es ward, und möge jeder von uns zum Herrn schreien, wenn wir in Knechtschaft sind, so wie Israel in Ägypten schrie. Der Herr sende in seiner Gnade in betreff jeden armen Sünders hier gerade solche Botschaft, wie Er sie in betreff seines Volkes im Hause der Knechtschaft sandte. So sagt der Herr: „Lass meinen Sohn ziehen, dass er mir diene.“ Wenn Er so unter uns wirken will, wie in den alten Zeiten, so soll sein die Ehre jetzt, ja, und in Ewigkeit. Amen.

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