Spurgeon, Charles Haddon - Eiserne Wagen.
„Und der Herr war mit Juda, daß er das Gebirge einnahm; denn er konnte die Einwohner im Grunde nicht einnehmen, darum, daß sie eiserne Wagen hatten. Und sie gaben dem Kaleb Hebron, wie Mose gesagt hatte, und er vertrieb daraus die drei Söhne Enaks.“
Richt. 1, 19. 20.
Wir brauchen oft Kanaan als ein Vorbild des Himmels, und den Jordan, durch den Israel ging, als ein Sinnbild des Todes. Dies ist sehr poetisch und mag ungemein lehrreich sein; aber es ist nicht eben genau, wenn wir die ganze Sache einer sorgfältigen Erwägung unterziehen. Wenn das Neue Testament das Alte auslegen soll, dann ist noch eine andre Lehre von dem Lande, in dem Milch und Honig floß, zu lernen. „Wir, die wir glauben, gehen in die Ruhe;” das heißt, alle, die an Christum glauben, sind schon über den Jordan gegangen und in die verheißene Ruhe gekommen. Der Bund ist für sie in großem Maße schon erfüllt; sie leben unter der Herrschaft des Messias innerhalb der Grenzen seines Reiches, und alles Köstliche, was Gott ihnen verheißen hat, gehört ihnen. Sie leben in dem Lande, an das „der Herr gedenket“: „Dein Land, o Immanuel” Das Vorbild mag deshalb am besten den unterrichteten und geförderten Gläubigen darstellen, der durch den ersten oder Wüsten-Abschnitt seines Lebens hindurchgegangen ist und nun einen höheren Stand erreicht hat, sich geistlicher Vorrechte wirklich erfreut und mit Christo in das himmlische Wesen versetzt ist. Für ihn ist indessen dieser Stand hoher Vorrechte kein Stand ungestörter Ruhe: im Gegenteil, er führt einen beständigen Krieg, indem er kämpft mit geistlich Bösem. (Eph. 6, 12, engl. Üb.) Der Kananite ist im Besitz, und der Kananite muß vertrieben werden, unsre natürlichen Neigungen und Verdorbenheiten, unsre sündigen Gewohnheiten und Lüste, der Hang und Trieb unsres Geistes zum Bösen — all dieses muß überwunden werden; und wir werden das Land nicht so besitzen, daß wir ununterbrochener Ruhe genießen, bis die Sünde gänzlich ausgerottet ist. Was Josua nicht thun konnte, wird unser Herr Jesus vollständig ausführen; der Feind im Innern soll ausgetrieben werden, und dann wird der Tag der Freude und des Friedens anbrechen, wo ein jeglicher unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen und niemand ihn erschrecken soll. Dieser vollkommene Sieg soll unser sein; aber noch nicht.
Da wir diese Wahrheit durch unsren Text veranschaulichen wollen, beachten wir zuerst, daß die Aufgabe Israels die war, jene verurteilten Völker, die im Besitze Kanaans waren, auszutreiben und vollständig auszurotten. Ein Stamm war erwählt, in dem grimmen Feldzug die Führerschaft zu übernehmen. Josua, der heldenmutige Anführer, war dahin; wer sollte die Leitung haben? Die Macht der Kananiter wurde zu seiner Zeit gebrochen, aber nun er tot war, begannen die alten Völker wieder aufzuschauen, eben wie wir oft finden, daß unsre Sünden, die wir schon alle tot glaubten, plötzlich neuen Mut fassen und versuchen, ihre Herrschaft wieder aufzurichten. Da ging Israel zu Gott und fragte: „Wer soll unter uns den Krieg führen wider die Kananiter?“ Und der Herr sprach: „Juda soll ihn führen, siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben.”
Der Stamm Juda also war beauftragt, anzuführen, und wir sehen dreierlei in der Leitung des Unternehmens. Zuerst, Vertrauen auf die Macht des Herrn und Verherrlichung derselben, denn „der Herr war mit Juda und vertrieb die Einwohner des Gebirges.“ Zweitens, dieser selbe Stamm mißtraute der Macht des Herrn, und sie ward deshalb zurückgehalten; denn „Juda konnte die Einwohner im Thale nicht vertreiben, darum, daß sie eiserne Wagen hatten.” Doch, wie zu ihrer Rüge, hatten sie ein besonderes Ereignis vor sich zur Rechtfertigung der göttlichen Macht, und davon lesen wir im zwanzigsten Verse. Kaleb, jener große, alte Mann, der noch am Leben war, der einzige von allen, die aus Ägypten kamen, hatte Hebron als sein Teil erhalten, und er zog hinauf in seinem Greisenalter, da seine Knochen schwer und steif waren, und schlug die drei Söhne Enaks, drei mächtige Riesen, und nahm ihre Stadt in Besitz. Auf diese Weise ward der Macht des Herrn vertraut, und sie ward gerechtfertigt von dem Tadel, den Juda auf sie gebracht hatte.
I.
Laßt uns an unsren ersten Teil denken, daß der Stamm Juda der Macht des Herrn vertraute und diese sich verherrlichte. „Der Herr war mit Juda.“ O, daß der Heilige Geist mit uns sein möchte!
Das Volk hatte weislich seinen Gott gefragt, und es ward durch göttliche Bestimmung Judas Los, die Führung zu übernehmen. Er hatte guten Erfolg bei diesem Werke. Leset das Kapitel, wenn ihr zu Hause seid, so werdet ihr eine Reihenfolge großer Siege beobachten. „Da nun Juda hinaufzog, gab ihm der Herr die Kananiter und Pheresiter in ihre Hände, und schlugen zu Besek zehntausend Mann. Und fanden den Adoni-Besek zu Besek und stritten wider ihn und schlugen die Kananiter und Pheresiter. Aber Adoni-Besek floh, und sie jagten ihm nach; und da sie ihn ergriffen, verhieben sie ihm die Daumen an seinen Händen und Füßen. Da sprach Adoni-Besek: Siebzig Könige mit verhauenen Daumen ihrer Hände und Füße lasen auf unter meinem Tisch. Wie ich nun gethan habe, so hat mir Gott wieder vergolten.” So besiegten sie den Monarchen, der despotisch im Lande geherrscht hatte und all den kleinen Königen ein Schrecken gewesen war. Darauf griff Juda Jerusalem und Hebron und Debir und Harma an. Bald darauf überfiel er die Philister, die kriegerische Männer waren, und nahm Gaza und Asklon und Ekron mit ihren Küsten. Gott der Herr hatte so Juda und dem ganzen Israel bewiesen, was Er thun könne, und es wäre weise gewesen, wenn sie ihrerseits unbegrenztes Vertrauen auf Ihn gesetzt hätten; dann wären sie vorwärts gegangen „siegend und zu siegen.“ Hat nicht der Herr dasselbe gethan bei denen von uns, die an Ihn geglaubt haben? Was für eine Erfahrung hast du gemacht, mein Bruder? Ich spreche nicht zu Weltmenschen, noch zu denen, die eben erst das göttliche Leben angefangen haben; sondern ich spreche zu denjenigen von euch, die in den göttlichen Dingen Erfahrung gehabt und jahrelang ein Leben des Glaubens geführt haben. Hat Gott nicht seine Macht an euch geoffenbart? Besitzt ihr nicht unfehlbare Beweise davon, die ihr kaum erzählen möchtet, denn sie sind so heimlich wie sie heilig sind? Obwohl ihr sie nie vor einer gemischten Hörerschaft nennen würdet aus Furcht, eure Perlen hinzuwerfen, wo sie nicht gewürdigt werden, so sind sie doch in eurem Gedächtnis aufbewahrt in der Form merkwürdiger Errettungen, besonderer Tröstungen und spezieller Gnaden, für die ihr bis auf diesen Tag keine andre Erklärung finden könnt, als die, daß Gott, der allmächtige Herr, seine Hand ausstreckte und euch in der Stunde der Not auf besondere Weise half. Vergeßt diese Dinge nicht. Wenn des Herrn Macht eurer eignen Seele durch Ihn selber bewiesen ist, dann ist sie in der That bewiesen. Ich gebe sehr wenig um jene Beweise für das Dasein Gottes, die gelehrte Männer für uns formen — den Beweis a priori, den Beweis aus der Analogie und alle übrigen. Ich habe ihr Ende gesehen in meinen eignen Zweifeln und Befürchtungen. Der überzeugendste Beweis findet sich in einer andren Art von Schlußfolgerung, einer, die allen Zweifel durch wirkliche Erfahrung überwindet. Wenn Gott zu unsrer Seele kam und uns in der Stunde unsrer äußersten Not nahte, dann brauchten wir keinen andren Beweis. Wenn Er „Friede” zu unsrer beunruhigten Seele sprach und ihr Toben stillte, dann erhielten wir einen entscheidenden Beweis seiner Macht. Wenn Er uns in Entzückung hinaufhob und uns mit unaussprechlicher Freude und Herrlichkeit erfüllte so haben wir diese Beweise in unsren Chroniken aufbewahrt, und unsre Zuversicht ist doppelt fest geworden. Wenn wir Nicht ein rotes Band um diese Berichte gebunden und sie in unsren Schreibfächern verborgen, so haben wir noch bessere Sorge für sie getragen; denn wir haben sie in den innersten Kammern unsres Herzens verschlossen. Maria bewegte alle diese Dinge in ihrem Herzen, und wir haben das gleiche gethan. Gottes Güte war so dem Stamme Juda bewiesen, eben wie sie vielen von uns in unsrem Maße bewiesen ist: so klar bewiesen, als wenn sie mathematisch dargethan wäre, wie ein Problem im Euklides.
Aber der Herr hatte Juda auch seine Macht durch zahlreiche Siege bewiesen. Die Siege, welche Er ihm gab, waren sonderbar und merkwürdig, selbst wenn sie nicht wunderbar waren; und es waren ihrer sehr viele. Sie waren von Stadt zu Stadt gegangen, und hatten alle ihre Feinde geschlagen. Es schien, als hätte Gott zu Juda gesprochen, wie zu Josua: „Es soll dir niemand widerstehen dein lebenlang.“ Wiederholte Thatsachen helfen den Schluß verstärken, der aus einer früheren Thatsache gezogen ist. Nach der besten praktischen Philosophie, der induktiven, beobachtet man eine Thatsache, und dann ist der Schluß daraus wahrscheinlich: man bemerkt eine zweite Thatsache, und der Schluß ist dann noch wahrscheinlicher. Man erhält sechs, sieben, acht, zehn, zwanzig ähnliche Thatsachen, und die Schlußfolgerung kommt der Gewißheit immer näher. Aber wenn diese Thatsachen so dicht wie Hagelkörner werden, wenn ihrer so viele, wie Tropfen des Taus oder Strahlen des Lichts werden, dann mag man den Schluß als absolut gewiß betrachten. Wenn dein Leben voll Bezeugungen der Macht Gottes ist, an dir, für dich und in dir, dann kann diese Macht nicht bezweifelt werden. Es ist unmöglich, einen Christen durch Beweise von dem Grunde seines Glaubens abzubringen, wenn er lange Zeit mit Gott Umgang gehabt hat. Ihr Tadler mögt prahlen, daß ihr eine Lehre widerlegen könnt. Ich kümmere mich nicht um eure Sophismen. Ihr könnt sie mir nicht widerlegen, ihr mögt das Alte Testament bekritteln oder das Neue, wenn ihr wollt. Es thut mir leid um euch, denn mir ist alles klar genug; aber ich werde nicht eben in große Hitze geraten, um euch zu bekämpfen. Es ist nicht so sehr wichtig, was ihr in betreff dieser Bücher beweist oder nicht beweist, weil die Thatsachen stets noch unberührt bleiben. Diejenigen von uns, die im Lichte des Angesichtes Gottes gelebt und mit Ihm geredet haben, wie ein Mann mit seinem Freunde redet, und Antworten von Ihm gehabt haben, nicht einmal oder zweimal, oder nur in vergangenen Jahren, sondern täglich und beständig, wir, sage ich, sind nicht aus unsrem Glauben herauszubringen. Wir haben ein andres Leben, in das ein Fremder nicht eindringen kann, und einen Umgang mit Gott, der nur denen lächerlich erscheint, die ihn nie kannten, denn er ist erhaben, wie die Erhabenheit selbst für die, welche ihn jeden Tag genießen; da wir ein solches Leben haben, so liefert uns dies Beweise, über die man nicht streiten kann: wir glauben und sind gewiß. Beweist, daß wir nicht bei Verstand sind, dann habt ihr etwas gethan; nur laßt mich euch sagen, daß uns selbst dann noch Verstand genug bleiben wird, um an dem festzuhalten, was wir fest halten, und daß wir nicht so wahnsinnig sein werden, in die Reihen der Ungläubigen einzutreten. Wir sind es zufrieden, Narren zu sein, wenn Narren sein soviel heißt, als Gott sehen. Wir sind es zufrieden, nichts zu wissen von der „Bildung” und dem „Denken“ dieses großen Jahrhunderts, wenn damit verbunden ist, daß wir uns weit von dem ewigen Herrn entfernen und aufhören müssen, seine Hand in der Natur, der Weltregierung und dem Reich der Gnade zu sehen. Wir sind zufrieden, wenn wir Ihn nur kennen, den zu kennen das ewige Leben ist.
Geliebte Brüder, ich kann von vielen hier Gegenwärtigen sagen, daß Gott ihnen seine Macht und Güte durch solche überwältigenden Proben bewiesen hat, daß der Zweifel für euch ein trauriges Stück Thorheit und Sünde sein würde. Gott hatte Juda noch besonders bemerkenswerten Beistand bei dem zu teil werden lassen, was wir „brüderliche Handlungsweise” nennen können. „Da sprach Juda zu seinem Bruder Simeon: Ziehe mit mir hinauf in meinem Los, und laß uns wider die Kananiter streiten, so will ich wieder mit dir ziehen in deinem Los. Also zog Simeon mit ihm.“ (V. 3.) In Gemeinschaft miteinander hatten diese Stämme weitere Beweise der Macht Gottes, denn Er gab ihnen ihre Feinde in die Hand. Auch wir können von wundervollen Bezeugungen der Macht und Gnade Gottes erzählen, wenn wir miteinander in heiligem Dienst Gemeinschaft gehabt haben. Unsrer köstlichsten Erfahrungen haben wir uns in christlicher Gesellschaft erfreut. Als die Jünger versammelt und die Thüren verschlossen waren, da trat Jesus in ihre Mitte und sprach: „Friede sei mit euch.” Der Herr ist uns gnädig, wenn wir Mitgefühl für seine armen und kämpfenden Kinder haben und einen gegenseitigen Bund eingehen, daß wir zusammen stehen und einander helfen wollen inmitten einer ungöttlichen Welt. Der Herr hat Gefallen an der brüderlichen Liebe und gebietet dem Segen, darauf zu ruhen wie der Tau auf dem Hermon. Wenn ich den größten Teil meiner persönlichen Erfahrung daheim vergessen könnte, so könnte ich dennoch nie die himmlischen Zeiten vergessen, die ich im Tabernakel mit meinen Lieben gehabt habe. In den Gebetsstunden, brannten nicht unsre Herzen in uns? An dem Festtische der himmlischen Liebe, beim Abendmahl, zu dem wir so gern jeden Sonntag kommen, haben wir da nicht einen Himmel hienieden erreicht? Traten wir nicht in die Vorhalle von Gottes Hause in der Herrlichkeit ein und fühlten, daß kaum das Zerreißen eines dünnen Gewebes nötig wäre, so ständen wir in der unverhüllten Gegenwart Gottes? Ja, Gott ist mit uns gewesen, und dann haben wir Beweise genug von seiner Macht und Liebe gehabt. Wenn wir zusammen zum Kampfe ausgezogen sind, um gegen die Sünden der Zeit zu streiten, ein Zeugnis für vernachlässigte Wahrheit abzulegen, unsre irrenden Brüder zurückzubringen oder gefallene Schwestern zum Glauben an Jesum zu führen, haben wir nicht in diesem brüderlichen Thun große Beweise von des Herrn Macht zum Segnen und zum Erretten gehabt? Ich weiß, daß wir es haben. Laßt es stehen und wider uns zeugen, wenn wir in der Zukunft dem Unglauben Raum geben.
Doch ferner, Brüder, geschah es, daß Gott Juda große Beweise seiner Gegenwart und Macht gab, indem Er hier und da einen Mann in ihrer Mitte erweckte, der Heldenthaten verrichtete. Ich will nicht von Kaleb sprechen, denn ihr werdet sagen: „Ah, er war ein alter, greiser Mann und gehörte einem andren Geschlechte an. Er war gerade im Begriff, vom Schauplatz abzutreten, wir wundern uns nicht, daß er Großes that.“ Ja, aber er hatte einen Neffen, Athniel, einen jungen, noch unverheirateten Mann, und als Kaleb sprach: „Wer Kiriath-Sepher schlägt und gewinnt, dem will ich meine Tochter Achsa zum Weibe geben,” da war Athniel der Mann für die Stadt und für die Braut. Der junge Held trat hervor, ging zur Festung hinauf und gewann die Stadt, übergab sie in die Hände seines Oheims und erhielt die versprochene Belohnung. O ja, und auch wir haben junge Helden gesehen — und werden es mehr und mehr sehen — die selbstverleugnend, sich selbst mißtrauend, selbstvergessen und bereit waren, um Christi willen alles zu tragen, und Gott war mit ihnen und die Kraft des Höchsten ruhte auf ihnen.
Ward nicht der Unglaube gerügt, wenn wir gezwungen waren, zu sprechen: „Anstatt der Väter sollen die Kinder sein, die wirst du zu Fürsten setzen in aller Welt?“ Dies ist ein gesegnetes Zeichen von Gottes Gegenwart und Macht gewesen. Ich weiß, wie es mit denen ist, die lange in der Gemeinde gewesen sind: sie fragen, was daraus werden soll, wenn die Alten sterben. „Wenn der Pastor dahingeht, was sollen wir dann thun?” Wartet, bis es geschieht, Brüder, wartet, bis es geschieht; und dann werdet ihr sehen, daß der, der einen Diener finden konnte, auch einen andren finden kann. Dem Herrn hat es noch nie an Werkzeugen gefehlt, und das wird es auch nie. Ihr und ich, wenn wir ein altes Werkzeug abgenutzt haben, müssen, wie ihr wißt, warten, bis wir ein neues aus dem Laden holen lassen; aber der Herr läßt neue Werkzeuge aus den alten hervorwachsen. Neue Frühlinge werden uns geboren aus den welken Herbsten des alten Jahres. Ich habe einen jungen Baum aus den Wurzeln des alten wachsen sehen und neue Blätter sich entfalten, wo die des letzten Jahres einst gewesen waren. In unsren vorgerückteren Jahren werden wir bessere rekrutierende Sergeanten und werben so unsre eignen Nachfolger an. Ihr, die ihr jetzt grau werdet, fragtet einst, was aus der Sache Gottes werden würde, wenn der Führer eurer Jugend in Jesu entschliefe; aber die unsterbliche Sache hat den Tod des Bannerträgers überlebt. Wir hören jetzt niemals mehr von diesem frommen Mann: in der That, er scheint nicht so wichtig gewesen zu sein, als ihr meintet. Gott wird Boten finden, so lange Er Botschaften hat. Wenn einige von uns gegangen sind, so werdet ihr jungen Leute an unsrer Statt die Führerschaft übernehmen und ihr werdet sagen: „Ich erinnere mich des alten Herrn. Wir schätzten seine Predigt und wir konnten uns nicht denken, was wir ohne ihn thun sollten; aber wir haben ein gut Teil mehr ohne ihn gethan, als wir je mit ihm ausgerichtet haben, denn Gott hat ihm einen würdigen Nachfolger erweckt.“ Deshalb seid guten Muts und laßt das, was ihr in der Vergangenheit gesehen, euch eine Weissagung von Gottes Güte in der Zukunft sein. Kaleb wird zu seinen Vätern versammelt werden, aber Athniel soll ihm folgen, der ebenso tapfer sein wird, wie er.
Der Grund, weshalb die Männer Judas siegreich waren, war der, daß sie volles Vertrauen auf Gott hatten. Bis zu einem gewissen Punkte verließen sie sich auf Gott. Jehovah hatte ihnen befohlen, anzuführen, und sie führten an. Er hatte sie von Stadt zu Stadt geführt, und sie gingen und zweifelten nicht daran, daß Gott mit ihnen sein würde; und alles gelang ihnen, denn sie stützten sich auf den Herrn. So wird es mit uns sein, denn es steht geschrieben: „Euch geschehe nach eurem Glauben.” Der Herr wird bei diesem Maßstab nicht zu kurz kommen: laßt uns den Maßstab nicht kurz machen. Aber hierbei ist es, wo wir zu oft fehlen; denn unser Glaube ist ein so erbärmliches Ding. Wir vertrauen Gott kaum so viel, wie wir einem großmütigen Menschen vertrauen; und wenn Gott etwas Großes für sein Volk thut, dann sagt der eine zum andren: „Ist es nicht überraschend? Ist es nicht wunderbar?“ Viele sind erstaunt, daß Gott sein Wort hält; so daß sie, wenn Er Gebet erhört, ausrufen: „Was für ein wunderbares Ding!” Ist es denn ein Wunder, daß Gott wahrhaftig ist? daß Gott seine Verheißung hält? Ich gebe zu, daß es von einer Seite betrachtet etwas ist, was auf immer wunderbar bleiben muß; aber doch fürchte ich, daß mit dieser zufälligen Verwunderung oft ein solcher Grad von Unglauben gemischt ist, daß das Verwundern weniger bewundernde Dankbarkeit als erstaunter Unglaube ist. Daß Gott Gebet erhört, ist ebenso natürlich, als daß eine Ursache eine Wirkung hervorbringt. Es ist eine ebenso große, ebenso gewisse und ebenso unfehlbare Verbindung zwischen dem Gebet, das der Heilige Geist in uns wirkt, und dem Resultat dieses Gebetes, wie zwischen der Kraft in der Lokomotive und der Bewegung des Zuges. Die Macht des Gebetes, statt bloße Erdichtung zu sein, ist die praktischste und sicherste aller Kräfte, die diesseit des ewigen Thrones vorhanden sind. Gott wirkt mehr durch Gebet als durch irgend etwas andres, und wenn wir nur den Kanal weiter machen wollten, durch den seine mächtige Kraft fließt, dadurch, daß wir mehr Glauben und mehr Zuversicht auf das Gebet hätten, so würden wir größere Dinge sehen, denn diese.
II.
Nun komme ich zu der schmerzlichen, aber wichtigen Thatsache, daß des Herrn Macht zurückgehalten ward, weil man ihr mißtraute.
Die Männer Judas konnten die Einwohner des Gebirges austreiben, aber sie konnten nicht die Einwohner des Thales austreiben, weil sie eiserne Wagen hatten. Manche von unsren leichtfertigeren Ungläubigen haben behauptet, daß dieser Vers sage, der Herr konnte nicht die Einwohner des Thales austreiben; doch ist das vorhergehende Wort keineswegs „Gott,“ sondern „Juda.” Juda ist es, der sie nicht austreiben konnte. „Wohl,“ sagen sie, „aber Gott war mit Juda, und sie trieben die Einwohner des Gebirges aus: warum konnten sie nicht die Einwohner der Ebene durch dieselbe Macht austreiben?” Dies ist der Hauptpunkt bei der Sache. Sie überwanden die Männer mit den eisernen Wagen nicht, weil Gott in dieser Angelegenheit nicht mit ihnen war. Soweit ihr Glaube ging, soweit ging Gott mit ihnen, und sie konnten alles und jedes thun; aber als sie verzagt dachten, sie könnten die Einwohner der weiten Thäler nicht austreiben, da schlug es ihnen gänzlich fehl. Sie waren bange vor diesen Wagen, die zwischen den Pferden Stangen hatten, an denen Lanzen befestigt waren, die sich ihren Weg durch die Krieger hindurchschnitten, und bei denen die Achsen der Räder mit großen Sicheln versehen waren. Diese Erfindungen waren neu und verursachten einen panischen Schrecken, und deshalb verloren die Männer Judas ihren Glauben an Gott und wurden schwach und feige. Sie sprachen: „Es nützt nichts; wir können diese schrecklichen Maschinen nicht bezwingen;“ und deshalb beteten sie nicht und machten keinen Versuch, dem Feind entgegenzutreten. Sie konnten die Völker nicht austreiben. Natürlich konnten sie das nicht. Wenn sie betreffs der eisernen Wagen denselben Glauben gezeigt hätten wie betreffs der Gebirgsmänner, so wären die eisernen Wagen nicht besser gewesen als stroherne, denn der Herr „zerbricht Bogen, zerschlägt Spieße und verbrennt Wagen mit Feuer.” Wenn sie an Gott geglaubt hätten, und in seinem Namen vorwärts gegangen wären, so würden die Rosse bald geflohen sein, wie sie es wirklich thaten, als Gott seinem Volke Glauben gab. Als Barak mit Debora den Weg führte, da schlugen sie Jabin, der neunhundert eiserne Wagen hatte. Sie flohen; sie flohen; sie eilten von dannen, denn der Herr war mit Barak und gab sie ihm dahin wie Spreu vor dem Wirbelwind. Gott würde mit Juda gewesen sein, wenn Juda Glauben bewiesen hätte; aber da sie keinen Glauben hatten, konnten sie die eisernen Wagen nicht in die Flucht schlagen.
Ihr Glaube war unvollkommen. Sie behielten zu viel Vertrauen auf sich selbst. Beachtet dies; denn wenn ihr Vertrauen auf Gott allein gestanden, so wären diese eisernen Wagen bloße Nullen in der Berechnung gewesen. Wenn Gott den Sieg zu geben hat, dann sind eiserne Wagen oder feurige Wagen durchaus nichts gegen einen allmächtigen Gott. Sie dachten augenscheinlich, daß in ihnen selbst etwas sei; ihre Macht ging so weit, daß sie die Männer des Gebirges schlagen konnten, aber nicht so weit, die Kavallerie in der offenen Ebene anzugreifen, wo Raum war, sich hierhin und dahin zu wenden. Nun, dies ist eure Schwachheit und die meinige. Wir nehmen stillschweigend an, daß Gott uns bis zu einem gewissen Punkte helfen könne. Heißt das nicht, daß wir uns selber bis zu diesem Punkte helfen können? Wenn dieser Glaube näher erklärt wird, so birgt er ein Maß von Selbstvertrauen in sich; und dem Selbstvertrauen am nächsten verwandt ist das Mißtrauen. Wenn ihr aus dem Selbst herausgekommen seid, wo seid ihr denn hineingetreten? In das Unendliche. Der, welcher das Unendliche erreicht hat, braucht nicht länger zu rechnen. Es nützte Noah nichts, ein Log seines Schiffes zu behalten, als kein Ufer mehr da war: als alles Meer war, machte es ihm nichts aus, wohin er trieb. Und so gibt es auch keine Grenzen, wenn ihr einmal ganz aus euch selber herausgeht. Gott ist schrankenlos; deshalb vertraut Ihm unbeschränkt. Handelt wie Simson, der starke, weil kindliche, Held. Wenn ein Philister zu bekämpfen ist, so ist er bereit. Es sind zwei da: er ist ebenso bereit für beide. Es sind ihrer zwanzig, das macht keinen Unterschied. Tausend sind vor ihm: Gut, es sind nur um so mehr für den Helden zu töten, denn er wird jeder Mutter Sohn unter ihnen erschlagen und ihre Leichen Haufen auf Haufen aufstapeln. Zahlen machen ihm nichts aus. „Aber, Simson, wenn du diese That ausführen sollst, dann mußt du eine gute Damaszenerklinge haben.“ „Ja,” sagt er, „wenn ich es thun soll, so muß ich es natürlich; aber wenn der Herr es thun soll, so wird der Kinnbacken eines Esels genügen.“ Es machte für ihn keinen Unterschied, wenn er sich einfach und bloß auf Gott geworfen hatte, ob der Feinde viel oder wenige waren, ob die Waffen stark oder schwach waren. Hierin geht unser Glaube fehl, daß er sich nicht auf Gottes bloßen Arm verläßt. Seht diese Erdkugel, wie beständig sie sich dreht! wie ebenmäßig läuft sie ihre vorherbestimmte Bahn dahin! Warum? Weil Gott sie „an nichts gehängt” hat, und Gottes Wille sie leitet. Gesetzt, sie hinge an einer Kette: würde sie darum sicherer sein? Die Stärke der Kette würde von Gott kommen, und es ist besser, die Macht zu haben ohne die Kette, obgleich ein Heiliger durch nichts gehalten wird als durch die Kraft Gottes, so können doch alle Teufel der Hölle ihn nicht bewegen. Der bloße Arm Gottes ist die Quelle aller Macht.
Ferner, die Unvollkommenheit ihres Glaubens lag darin, wie es auch bei eurem, meine Brüder, der Fall sein mag, — daß sie eine Verheißung Gottes glaubten und die andre nicht. Es gibt eine Art Glauben, die nach einer Richtung hin stark ist, aber gänzliche Schwachheit, wenn sie in andrer Weise geprüft wird. Es ist sonderbar, daß die Leute sich gewöhnlich die leichtesten Verheißungen auszusuchen glauben, während sie die, welche größer sind und deshalb um so mehr Gott gleich, nicht glauben können. Juda glaubte, daß er die Gebirgsleute schlagen würde, weil er diesen Krieg für leicht hielt; aber das Besiegen der Kavallerie mit ihren eisernen Wagen, das war schwierig, und bis zu diesem Punkte reichte sein Glaube nicht. Hütet euch, aus Gottes Verheißungen heraus zu picken und zu wählen. Ihr, die ihr Kaufleute seid, wißt, daß die Kunden zuweilen all eure Vorräte umkehren und an einem Paket nach dem andren herum mäkeln und am Ende gar nichts kaufen. Gefällt euch dies? Wenn die Leute an den Verheißungen herum mäkeln, sagen sie: „Diese? Nein, die kann ich nicht annehmen.“ Wenn sie eine Verheißung glauben, so ist es die kleinste in dem ganzen Buch. O, daß wir einen Glauben hätten, der alle Verheißungen annimmt und nichts von Wählen oder Zurückweisen weiß. Was immer Gott verheißt, ist Er fähig zu erfüllen; und wenn die Verheißung sich nur für meinen Fall eignet, so muß ich sie ergreifen und erwarten, sie erfüllt zu sehen. Manche glauben Gott zu einer Zeit und zu einer andren nicht. Findet ihr nicht, daß ihr recht viel Glauben an Gott habet am Donnerstag-Abend nach einer Predigt? Wie aber am Freitagabend? Ah! da ist es etwas andres. Ich habe Freunde gekannt, die wundervoll gläubig am Sonntag sind. Sie gehen zu Hause und singen:
„Eine feste Burg ist unser Gott,
Eine gute Wehr und Waffen;
Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.”
Am Montag wird euch eine Rechnung nicht bezahlt: wie fühlt ihr dabei? Nicht ganz wie in einer festen Burg, möchte ich glauben, eher wie die Distelwolle, die vom Winde getrieben wird. Viel Glaube ist zeitweilig. Er ist dem Glauben nicht ungleich, der in Äsops Fabel erwähnt wird, als der Hirsch in das Wasser blickte, dort sein viel verzweigtes Geweih sah und seinen Kopf trotzig hin und her warf. „Warum,“ sprach er, „bin ich vor der Meute bange? Ein Hund mir nahe kommen! Unmöglich! Wenn er nur meine Hörner sieht, so wird er den Tod fürchten. Ich werde ihm den Leib aufreißen, oder ihn in Stücke schmettern. Ich will der Meute zeigen, wovon ich gemacht bin.” Gerade da ließ sich ein Bellen hören, und davon sprang der Hirsch, so erschreckt wie immer. Wie gleicht das uns! Wir scheinen so großartig stark, so ruhig im Glauben; doch die erste Not, die kommt, vernichtet unsren Mut. Dies ist die Ursache, weshalb Juda nicht die Einwohner der Ebene austreiben konnte: er hörte das Rasseln dieser eisernen Wagen und seine Herzhaftigkeit schwand.
Es war noch eine weitere Ursache des Mißlingens, die aus dieser Unvollkommenheit des Glaubens entstand: er konnte die eisernen Wagen nicht besiegen, zuerst, weil er es nicht versuchte. Im Hebräischen heißt es nicht, daß er sie nicht austreiben konnte. Was im Hebräischen steht, ist, daß er sie nicht austrieb. Einige Dinge können wir nicht thun, weil wir nie den Versuch machen. Ich wollte, wir hätten unter den Arbeitern im Reiche Christi den Geist des Knaben, der vor Gericht gestellt und von einem übermütigen Richter verhört ward. Dieser sagte rauh zu ihm: „Kannst du Griechisch lesen?“ „Ich weiß nicht, mein Herr,” antwortete er. „Wohl, holt ein griechisches Buch,“ sagte der Richter, und indem er dem Knaben eine Stelle zeigte, sagte er zu ihm: „Kannst du das lesen?” „Nein.“ „Warum sagtest du denn nicht gleich, daß du es nicht könntest?” „Weil ich niemals sage, daß ich etwas nicht thun kann, bis ich es versucht habe.“ Wenn dieser Geist in den Christen wäre, so würden wir große Dinge vollbringen; aber wir bezeichnen dies und das als offenbar über unsre Kräfte hinaus, im Stillen flüstern wir uns zu, „deshalb über Gottes Kraft hinaus,” und deshalb gehen wir nicht daran. Keine eisernen Wagen werden ausgetrieben werden, wenn wir nicht den Versuch wagen.
Ferner vermute ich, daß sie dieselben nicht austrieben, weil sie träge waren. Wenn sie es mit Kavallerie zu thun hatten, so mußte Juda sich aufraffen. Wenn eiserne Wagen in die Flucht zu schlagen waren, so mußten sie einen heißen Kampf beginnen; und deshalb sagten sie, indem sie sich mit ihrer Furcht und ihrer Trägheit berieten: „Laßt uns den Streit nicht wagen.“ Es gibt viele Dinge, die Christi Gemeinde nicht thun kann, weil sie zu träge ist. „Was,” sagt ihr, „nennst du uns träge?“ Nein, Brüder, ich will nichts derart thun. Wenn einige von euch sich zufällig so nennen sollten, so würde es mir die Mühe sparen. Ich fürchte, daß ich gewisse Prediger tadeln müßte, weil sie zu nachlässig in Gottes Werk sind, und mir ist bange, daß viele andre Knechte Gottes nicht allzu fleißig sind. Trägheit weigert sich, die Schlachttrompete zu blasen, und der Kampf beginnt nie, und deshalb wird der Feind nicht ausgetrieben.
Dann ferner waren sie durchaus nicht begierig, mit den Kriegern, welche diese Wagen bemannten, zusammenzutreffen, denn sie waren bange. Diese Männer von Juda waren Feiglinge, wenn eiserne Wagen ihnen gegenüber standen, und was kann ein Feigling thun? Er ist groß im Davonlaufen. Man sagt: „er mag leben, um an einem andren Tag zu fechten.” Er nicht: er wird leben, aber er wird nicht leben und fechten, verlaßt euch darauf, an einem andren Tage ebensowenig wie an dem heutigen. Sein Herz ist in seinen Nacken, und er wird seinem Feind den Rücken zeigen, sobald der Streit heiß ist. Wir müssen mächtig zu Gott rufen, daß Er uns von Feigheit befreie, dann werden wir vollbringen, was wir jetzt für unmöglich halten.
Lieben Freunde, von seiten Judas war keine Entschuldigung hierfür, wie es in Wahrheit keine Entschuldigung für uns gibt, wenn wir irgend einen Teil von dem Werke Gottes für zu schwer halten, — denn erinnert euch, es war eine spezielle Verheißung gerade für diesen Fall gegeben. Sehet nur freundlichst den ersten Vers im zwanzigsten Kapitel des fünften Buches Mose an, und ihr werdet finden, wie der Herr spricht: „Wenn du in einen Krieg ziehest wider deine Feinde, und siehest Rosse und Wagen des Volks, das größer sei, denn du, so fürchte dich nicht vor ihnen, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir.“ Wenn eine spezielle Verheißung für einen Fall der Not gegeben ist, wer sind wir, daß wir uns durch eine Schwierigkeit niederschlagen lassen? Außerdem empfingen sie einen speziellen Auftrag. Leset den zweiten Vers des Kapitels, aus dem unser Text genommen ist: „Der Herr sprach: Juda soll anführen. Siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben.” Eiserne Wagen oder nicht, Gott hatte das Land in ihre Hände gegeben. Überdies hatte ihr Gott größere Dinge gethan, als diese: Er hatte das Rote Meer geteilt und die Reiterei Ägyptens ertränkt; Er hatte den Jordan in zwei Hälften geteilt und sein Volk trocknen Fußes hindurch geführt, und Er hatte die Mauern Jerichos umfallen lassen. Warum ward Ihm denn mißtraut wegen dieser elenden eisernen Wagen?
Kommt dann, Brüder und Schwestern, seid ihr bei persönlichen Angelegenheiten in die Enge getrieben, und sagt ihr heute abend: „Ich kann nicht darum beten, ich kann Gott nicht darin vertrauen?“ Ist das recht? Forscht in eurer Bibel und seht, ob nicht eine Verheißung da ist, die genau auf eure besondere Lage paßt? Seht zurück auf eure eigne Erfahrung, ob Gott nicht schon für euch und andre seiner Kinder etwas Größeres gethan hat, als eure gegenwärtige Not erfordert? Warum wollt ihr sagen, daß ihr nicht die eisernen Wagen austreiben könnt? Seid guten Muts und geht vorwärts. Gott ist im stande, euch zu befreien, darum fürchtet euch nicht. Er wird euch geben, was euch not thut; seid unverzagt. Vielleicht liegt eure Schwierigkeit in einem heiligen Werke für Gott. Ihr habt schon etwas gethan, wofür ihr Gott preiset, und nun wird euch ein neues Werk vor die Thür gelegt, von dem ihr sagt: „Nein, ich kann es nicht unternehmen: ich fühle mich dem nicht gewachsen.” Was! Nicht, wenn der allmächtige Herr gesagt hat: „Ich will mit dir sein?“ Antwortest du: „Ich könnte fast alles thun, nur nicht dies?” Bist du gewiß, mein Bruder, daß du fast alles thun könntest? Meinst du nicht, daß, wenn dir eine andre Aufgabe gestellt wäre, diese dir ebenso schwer sein würde? Wenn Gott befiehlt, ist es da recht, zu forschen, warum? oder auch nur eine Frage zu thun? Laßt uns ans Werk gehen, meine Brüder; und je größer die Gefahr, je größer die Arbeit, je größer die Schwierigkeit, um so völliger wollen wir uns auf unsren Gott werfen und Ihm die Ehre geben, wenn das Werk vollbracht ist. Ihr wißt nicht, was ihr thun könnt, ihr seid allmächtig, wenn ihr mit Gottes Allmacht umgürtet seid; ihr seid weise, wenn Gott euch lehrt, stark, wenn Gott euch aufrecht hält. Die Fähigkeiten, die in einem Menschen liegen, sind größer, als er weiß, und die Fähigkeiten, die Gott einem Menschen verleihen kann, sind größer, als er träumt. Deshalb vorwärts im Namen des Höchsten!
Ein Unbekehrter ist hier, der daran gedacht hat, zu Christo zu kommen, aber er sagt: „Ich kann nicht all meine Sünden aufgeben, eine von ihnen muß ich behalten: von allen übrigen kann ich lassen, aber diese eine ist unbezwinglich, denn sie hat eiserne Wagen. Ich kann sie nicht austreiben.“ Diese Sünde muß sterben oder du wirst durch sie umkommen. Verlaß dich darauf, die Sünde, die du vom Tode retten willst, wird dich töten. „Aber ich bin in einem so sonderbaren Verhältnis, und es sind so viele eigentümliche Umstände bei meinem Fall.” Ja, ich weiß, eigentümliche Umstände finden sich bei allen Menschen, die zur Hölle fahren, aber sie löschen das Feuer nicht für sie. „Aber wir müssen leben.“ Müßt ihr? Ich sehe keine Notwendigkeit dafür in meinem eignen Falle. Ich weiß, daß ich Gott dienen muß; aber ob ich lebe oder nicht, das ist eine Sache von untergeordneter Bedeutung. Es ist unendlich viel besser, zu sterben, als Unrecht zu thun. Diese Notwendigkeit zu leben, ist nicht ganz so klar, wie manche Leute annehmen. Warum müßt ihr leben? Die Märtyrer thaten es nicht. Sie fühlten, daß sie für Christum und seine Wahrheit zeugen müßten, und sie fanden ihren Ruhm darin, lieber zu sterben, als etwas Unrechtes zu thun. Ihr werdet vielleicht dazu nicht gebracht werden, aber ihr solltet bereit dazu sein. Seid nicht in solchem Fieber wegen dieses armen Lebens. Ist nicht die Seele mehr als der Leib? „Ja, aber ich kann die Schwierigkeit, die ich habe, nicht erklären.” Nein; und ich versuche es nicht. Werfe die Sünde hinaus. Das ist das einzige, was damit zu thun ist; und je mehr du sie liebst, desto schneller solltest du sie austreiben, denn sie liegt augenscheinlich deinem Herzen nahe, wo sie großen Schaden thun kann. „Wohl, es ist keine der gröberen Sünden.“ Nein, es ist eine von den respektabeln Sünden, die so schwer los zu werden sind. Du mußt sie austreiben. Ich habe bemerkt, daß, wenn jemand meine Tasche bestiehlt, es immer ein respektabel aussehender Mann ist. Wenn jemand ein Spitzbube ist, so sieht er sicher wie ein ehrlicher Mann aus, um den Leuten Vertrauen zu erwecken. Die Sünde muß ausgetrieben werden, auch wenn sie einen eisernen Wagen hat. Gewisse Christen beschließen in ihrem Herzen, daß gewisse Sünden bei ihnen geduldet werden müssen. Ich kenne einen, der von Natur ein hitziges Temperament hat und jedesmal, wenn er in heftige Leidenschaft gerät, ausruft: „Ich kann's nicht ändern, es ist meine Natur so.” Statt vor Gott zu weinen und zu geloben: „Ich will diese Leidenschaftlichkeit bemeistern, Gott ist allmächtig, und Er kann mein Temperament zu einem gemäßigten machen“ — statt dessen sagt er, daß alles andre in ihm überwunden werden kann, aber nicht diese Sünde, weil sie in seiner Natur liegt. So habe ich Personen gekannt, die geizig und filzig waren. Die Gnade Gottes hat alles für sie gethan, nur nicht sie dahin gebracht, eine Mark wegzugeben, und sie setzen voraus, daß sie mit ihrer geizigen Natur in den Himmel kommen werden, als wenn der Herr solche Leute da hinein ließe. Die Selbstsucht wird von ihnen als eine der Sünden bezeichnet, die eiserne Wagen haben, und die sie nicht besiegen können. „Ihr wißt, wir haben alle Sünden, die uns überfallen,” sagt der eine. Was meinst du damit? Eine Sünde, in die du oft fällst? Wenn ich heute abend über einen einsamen Platz ginge und ein halb Dutzend Männer mich anhielten, so würde ich sagen, daß ich überfallen sei; aber wenn an einem bestimmten Platz mir regelmäßig ein solcher Trupp begegnete, so würde ich nicht sagen, daß ich überfallen sei. Ebenso ist die Sünde, die ein Mensch sich oft verstattet, keine, die ihn überfällt (Hebr. 12, 1. engl. Üb.): es ist seine Lieblingssünde, eine Sünde, die sein Verderben sein wird. Eine „überfallende“ Sünde ist eine, die sich einem Menschen aufzwingt, und ehe er's sich versieht, ihn bei der Gurgel ergreift und ihn niederwirft. Wir müssen wachsam sein, so daß wir das nächste Mal, wenn die Versuchung kommt, ihr entfliehen mögen. Laßt uns dem Bösen den Krieg erklären und sagen: „Es nützt nichts, daß du mich angreifst: ich will dich angreifen und besiegen durch den Glauben an Jesum Christum.” Die Sache ist, Brüder und Schwestern, wir müssen keine Sünde in uns dulden; wenn wir sie in unsren Brüdern entschuldigen, gut und recht daß aber laßt uns für uns selbst niemals eine Entschuldigung machen oder annehmen. Sünde in uns ist zehnmal schlimmer als Sünde in andren. Wenn ein Unbekehrter sündigt, so ist das schlimm genug; aber wenn einer das Wort der Gnade gefühlt und sein Haupt an Christi Brust gelehnt hat und dann in Sünde fällt, welche Entschuldigung kann für ihn dargebracht werden? Keine. Laßt uns blutige Thränen weinen, weil wir so sündigen. Wir werden noch die eisernen Wagen besiegen. Wir wollen heute abend den Handschuh hinwerfen und im Namen Gottes wollen wir sie überwinden.
III.
Zum Schlüsse: Laßt uns des Herrn Macht gerechtfertigt sehen.
Gerade zu der Zeit ging der tapfere, alte Kaleb, auf seinen Stab gelehnt, nach Hebron. Als er ein jüngerer Mann war, sandte Mose ihn als einen Kundschafter aus, und bei dieser Gelegenheit kam er in die Nähe von Hebron und sah dort drei furchtbare Männer aus dem Geschlecht der Riesen; ich nehme an, sie waren acht bis zehn oder zwölf Fuß hoch. Er sah sie, und die mit ihm waren, wurden bange. Sie sprachen: „Wir waren vor ihren Augen als die Heuschrecken.“ Aber Kaleb war nicht im geringsten bange. Er sprach: „Gott ist nicht mit ihnen, und sie werden leicht überwunden werden.” Als sie vierzig Jahre später in das Land kamen, bat Kaleb nicht um seine Stadt, sondern als selbstloser Mann stritt er, um andren Städte zu gewinnen. Als das gethan war, sagte er: „Hebron ward mir gegeben. Ich muß ausgehen und es erobern; die Riesen, die ich vor Jahren dort sahe, werden wohl nicht kürzer geworden sein; ich muß sie niederhauen.“ Fort ging er, und es erwies sich so, wie er gesagt; in seinem Greisenalter war er fähig, jene drei Söhne Enaks zu schlagen und ihre Stadt in Besitz zu nehmen.
Ich könnte euch von heiligen Frauen erzählen, die schwach und krank, kaum fähig, ihr Bett zu verlassen, doch Werke thun, die manchem starken Christen zu schwer zu unternehmen scheinen. Habe ich nicht alte Männer in ihrer Schwachheit das für den Herrn thun sehen, dessen jüngere Männer sich geweigert? Könnte ich euch nicht einige nennen mit nur einem Pfunde — sicherlich nicht mehr — die herrliche Zinsen des Ruhmes ihrem Herrn und Meister bringen, während ihr feinen jungen Herren mit zehn Pfunden sie alle ins Schweißtuch gewickelt und in die Erde vergraben habt? Ich wünsche, ich könnte mich selbst und jeden Arbeiter hier in Werke hineinschämen, die Ungläubige in Staunen setzten. Gott helfe uns, das zu thun, was unmöglich scheint. Mögen die Menschen dazu gereizt werden, uns Fanatismus und Schuld zu geben. Gott segne den Fanatismus, der, wenn er übersetzt wird, nichts bedeutet als einen wahren Glauben an den lebendigen Gott.
Möge Gott uns helfen. Ihm zu vertrauen, wie man Ihm vertrauen soll, und vorwärts zu gehen, bis wir alle seine Feinde austreiben trotz ihrer eisernen Wagen, so daß dem Herrn die Ehre in Ewigkeit sei. Amen.