Spurgeon, Charles Haddon - Der ermattete Held

Spurgeon, Charles Haddon - Der ermattete Held

„Da ihn aber sehr dürstete, rief er den Herrn an und sprach: Du hast solches große Heil gegeben durch die Hand deines Knechtes; nun aber muss ich Durstes sterben und in der Unbeschnittenen Hände fallen.“
Richter 15,18.

Ihr werdet euch der Gelegenheit erinnern, bei welcher diese Worte gesprochen wurden. Simson war vom Fels herabgeführt worden, von seinen eignen Brüdern mit Stricken gebunden und als ein Gefangener in der Philister Hände gegeben. Aber nicht sobald erreichte er die Philister, als die übernatürliche Kraft des Geistes Gottes über ihn geriet und er die Stricke zerriss, als wären sie nur Werg; und da er den Kinnbacken eines kürzlich geschlachteten Esels liegen sah, ergriff er diese sonderbare Waffe und fiel mit all seiner Macht über die Heere der Philister her und obgleich sie ohne Zweifel schnell davon flohen, dennoch ließ der Eine Mann, „der sie hart schlug, beides an Schultern und Lenden“ (V. 8) nicht weniger als 1000 Mann tot auf dem Felde zurück, und als er die Erschlagenen aufeinander häufte, blickte er mit grimmiger Genugtuung auf das Blutbad, das er angerichtet und rief: „Da liegen sei bei Haufen: Durch eines Esels Kinnbacken habe ich tausend Mann geschlagen!“ Es war vielleicht ein wenig Prahlerei und Ruhmredigkeit in seinem Benehmen; aber in einem Augenblick kam eine plötzliche Ermattung über ihn. Er hatte sich aufs wunderbarste angestrengt, jeden Nerv und jede Muskel angespannt und nun, da ihn sehr dürstete, blickte er um sich nach einem Quell Wassers, aber es war keiner da; er fühlte, als wenn er aus Mangel an Wasser sterben müsste und dann würden die Philister über ihn triumphieren. Mit jenem einfachen Glauben, so charakteristisch bei Simson, der nichts war, als ein großes Kind, wandte er sein Auge zu seinem himmlischen Vater und rief: - „O Jehova, du hast mir solches große Heil gegeben und soll ich nun vor Durst sterben? Nach allem, was du für mich getan hast, sollen da die Unbeschnittenen sich über mich freuen, weil ich aus Mangel an einem Trunk Wassers sterbe?“ Solches Vertrauen hatte er, dass Gott zu seinen Gunsten einschreiten werde.

Meine Absicht ist heut, Gottes Heiligen Trost zu bringen, besonders, indem sie zum Tische ihres Herrn kommen. Ich habe gedacht, es möchten Manche unter euch sein, die sich in einer unglücklichen und elenden Stimmung befinden und dass ich sie dahin führen könnte, ihren gegenwärtigen Kummer geringer anzuschlagen, wenn ich sie auf das hinwiese, was Gott schon für sie getan hat und sie zu dem Schluss brächte, dass der, welcher ihnen in der Vergangenheit so großes Heil gegeben, sie nicht in der Zukunft Mangel leiden lassen wird.

I.

Ihr habt schon, meine Brüder und Schwestern, großes Heil erfahren.

Gut ist es für euch, dass ihr nicht tausend Mann zu erschlagen hattet, aber da sind „Haufen bei Haufen“ (engl. Übers.) einer andern Art, auf die ihr mit ebenso viel Genugtuung blicken könne, als Simson und vielleicht mit weniger gemischten Empfindungen als die seinen waren, wenn er auf die getöteten Philister schaute. Seht hier, Geliebte, die großen Haufen eurer Sünden, jede von ihnen ein Riese und jede von ihnen genügend, euch in die unterste Hölle zu ziehen. Aber sie sind alle erschlagen, keine einzige Sünde ist da, die ein Wort gegen euch spricht. „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?“ Ein andrer Arm als der eurige hat es getan, aber der Sieg ist ebenso vollständig, als wenn ihr ihn selbst erfochten. Christus kommt mit rötlichen Kleidern von Bazra; er hat die Kelter des Zornes Gottes getreten und ich möchte beinahe sagen: das Blut, welches sein Gewand bespritzt, ist das Blut unserer Sünden, welche er auf immer und gänzlich zerstört hat. Blickt auf ihre Zahl. Nehmt so viele Jahre ihr wollt, und macht aus jedem Jahr einen Haufen. Teilt sie, wenn ihr wollt, in Gruppen und Klassen; ordnet sie nach den zehn Geboten, und da liegen sie, in zehn großen Haufen, aber jede einzelne von ihnen getötet.

Denkt auch an die Haufen eurer Zweifel und Befürchtungen. Erinnert ihr nicht mehr die Zeit, da ihr dachtet, Gott würde sich eurer nie erbarmen? Lasst mich euch mahnen an die tiefe „Grube, darin kein Wasser war,“ als das Schwert durch eure Seele ging. Einige von uns können nie die Zeit vergessen, da unsre Sünde uns schreckte. Moses nahm die zehnfältige Peitsche des Gesetzes und ließ sie in furchtbarer Weise auf unsern Rücken fallen, und schien uns dann mit Salzwasser zu waschen, wenn dies Gewissen uns an alle erschwerende Umstände mahnte, die unsre Sünden begleitet hatten. Aber, obgleich wir fürchteten, in die Hölle geworfen zu werden, obgleich wir dachten, dass sicherlich der Abgrund sich über uns schließen würde; doch sind wir am Leben erhalten, um Gott zu preisen, wie wir es heute tun und alle unsre Furcht ist verschwunden. Wir freuen uns in Christo Jesu. Gott „hat nicht mit uns gehandelt nach unsern Sünden und uns nicht vergolten nach unserer Missetat.“ „Haufen bei Haufen“ von Befürchtungen haben wir gehabt. Größere Hauen als die unserer Sünden, aber, da liegen sie, - Scharen von Zweifeln. Da sind Gebeine und ihre Schädel, wie Bunyan sie schildert außen vor der Stadt der Menschenseele; aber sie sind alle tot, Gott hat uns von ihnen befreit.

Eine andre Reihe Feinde, die Gott geschlagen hat, sind unsre Versuchungen. Einige von uns sind versucht worden von allen Gegenden der Welt, von jedem Winkel des Horizontes. Zuweilen ist es Stolz gewesen; zu einer andern Zeit Verzweiflung. Zuweilen ist es zu viel von der Welt gewesen, zuweilen zu wenig. Zuweilen sind wir zu stark gewesen und aufgeblasen; zu andern Zeiten zu schwach und niedergeschlagen. Zuweilen ist Mangel an Glaube da, und zuweilen mag unser Eifer vom Fleische entzündet sein. Auf die besten der Menschen werden des Teufels schlimmste Pfeile abgeschossen. Ihr seid versucht worden vom Satan; ihr seid versucht worden von der Welt; eure nächsten und liebsten Freunde sind vielleicht eure schlimmsten Versucher, denn „des Menschen Feinde werden seine eignen Hausgenossen sein.“ Es hat keinen Busch gegeben, hinter dem nicht ein Feind lauerte, keinen Zollbreit der Straße nach Kanaan, der nicht mit Dornen überwachsen war.

„Trübsal in jeder Form und Art
Wir euch, die, um das Lamm geschart,
Der Erde Eitelkeit verlassen
Und fortan ihre Wege hassen.“

Aber, blickt zurück auf diese Trübsal. Eure Versuchungen, wo sind sie? Eure Seele ist entflohen wie ein Vogel aus der Schlinge des Vogelstellers und heute Abend könnt ihr sagen: „Sie umgeben mich wie Bienen, sie dämpfen wie ein Feuer in Dornen; aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen.“ (Psalm 118,12) Ich bin sicher hindurchgegangen, wo Andre umgekommen sind; ich habe auf den Wällen des Heils gestanden, wenn Andre am Fuße derselben gelegen haben, in Stücke zerschmettert durch ihre Anmaßung und ihr Selbstvertrauen; „Haufen bei Haufen“ meiner Versuchungen sind getötet und du, o Herr, „hast mir so großes Heil gegeben!“

So, lasst mich ferner sagen, ist es mit den meisten unserer Leiden gewesen. Ihr, Söhne und Töchter der Trübsal, seid oft niedergesessen und habt gesagt: „Es geht alles über mich.“ Ihr habt Kinder verloren, Freunde sind gestorben, euer Geschäft hat stillgestanden, der Reichtum ist geschmolzen, fast auf jeder Freude hat ein Mehltau gelegen. Gleich Hiobs Boten ist eine schlimme Kunde der andern gefolgt, und ihr seid tief darnieder gebeugt worden. Aber, Geliebte in Christo Jesu, ihr seid befreit worden. „Der Gerechte muss viel leiden, aber der Herr hilft ihm aus dem allem.“ Es ist so mit euch gewesen. Welche Gestalt auch das Leiden angenommen hat, die Barmherzigkeit hat eine Gestalt angenommen, um es zu überwinden. Wenn der Pfeil daherflog, war Gott unser Schild; wenn Dunkelheit hereinbrach, war er eure Sonne; wenn ihr zu streiten hattet, war er euer Schwert; wenn ihr der Stütze bedurftet, war er euer Stecken und euer Stab.

„Bisher ist die Verheißung wahr erfunden,
Die Jesus hat verbürgt mit seinen Wunden.
Stets weis und gnädig war sein Regiment,
Drum trauet ihm das Volk bis an das End.“

Ich will Niemanden hier in dieser Versammlung den Vortritt vor mir einräumen, in der Verpflichtung gegen den Höchsten. Brüder, wir sind alle Schuldner, aber ich sehe mich als den größten Schuldner an. Ich rühme mich, nichts zu haben, des ich mich rühmen könnte. Ich möchte wünschen, den geringsten Platz einzunehmen und am tiefsten niedergebeugt zu liegen, weil ich am meisten der Gnade Gottes verdanke. Wenn ich zurückblicke auf meine Herkunft, wenn ich sehe, wo heraus der Herr mich geführt hat, was er für mich und durch mich getan hat, so kann ich nur sagen: „Du hast solches große Heil gegeben durch die Hand deines Knechtes!“ Und ich glaub, wenn das ganze Volk Gottes hier Eins nach dem Andern auftreten könnte, so würde Jeder behaupten, dass in seiner Führung etwas Besonderes sei; Jeder Einzelne würde sagen: „Es ist etwas in dem Heil, das Gott mir gegeben, das ein besonderes Danklied von mir verlangt;“ deshalb lasst uns Alle zusammen, „die wir gesehen und geschmecket haben, dass der Herr freundlich ist,“ auf die Vergangenheit zurückschauen mit Dankbarkeit und Preis für den Herrn.

II.

Doch werden neue Leiden über euch kommen und euch Angst erregen. Simson war durstig. Dies war eine neue Art von Not für ihn. Er war so durstig, dass er nahe daran war, zu sterben. Diese Verlegenheit war ganz verschieden von irgend einer, in die Simson früher geraten war. Schüttle jene Simsonslocken, in denen deine Stärke liegt, aber es träufelt kein Tropfen aus ihnen, der deinen Mund anfeuchten könnte! Der starke Mann ist dem Durst ebenso sehr unterworfen, wie der schwache und jener Arm, der tausend Philister schlagen konnte, kann keinen Quell in der Erde öffnen, keine Regenschauer vom Himmel herabziehen oder einen einzigen Schluck Wassers für seinen Durst erreichen. Er befindet sich in einer ganz neuen Lage. Natürlich scheint uns dies eine viel einfachere Sache zu sein, als die, welche er früher gehabt und so war es auch. Nur seinen Durst gestillt zu haben ist bei Weitem nichts so Großes, als von tausend Philistern befreit zu werden. Aber ich glaube, Simson fühlte die gegenwärtige kleine Verlegenheit schwerer und härter, als die große vergangene Verlegenheit, aus welcher er befreit war. Nun denke ich, Geliebte, es mögen hier Einige sein, die Vergebung, Errettung, Heil haben und doch fühlen sie sich heute Abend nicht glücklich. „Der Herr hat Großes an euch getan, des seid ihr fröhlich,“ doch ihr könnt euch nicht freuen; euer Lobgesang ist gedämpft. Irgend eine kleine Unannehmlichkeit, als ihr hierher kamt; ein rasches Wort, da von Jemand draußen vor der Pforte gesprochen ward; der Gedanke an ein Kind zu Hause, etwas, das sehr klein und unbedeutend ist im Vergleich mit allem, was Gott für euch getan hat, nimmt zuweilen die Freude und den Trost hinweg von den großen, den unaussprechlich großen Gütern, die ihr empfangen. Ihr mögt wissen, dass ihr in Christo seid und doch fährt irgend eine kleine Unannehmlichkeit fort, vor euren Augen zu summen und zerstreut euch vielleicht eben jetzt. lasst mich zwei oder drei Worte zu euch sagen. Es ist etwas sehr Gewöhnliches bei denen, die zu Gottes Volk gehören, dass sie, wenn sie aus einer großen Not befreit sind, irgend eine kleine Unannehmlichkeit haben, die ihnen zu viel wird. Simson schlägt tausend Philister und legt sie in Haufen aufeinander und dann ist er nahe daran zu sterben aus Mangel an ein wenig Wasser! Blickt auf Jakob! er kämpft mit Gott zu Pniel, und überwindet die Allmacht selber und doch geht er davon und „hinkt an seiner Hüfte!“ Sonderbar, nicht wahr, dass ein Anrühren des Gelenkes stattfinden muss, wann immer ihr und ich den Sieg gewinnen? Es scheint, als wenn Gott uns unsre Kleinheit, unser Nichts lehren muss, um uns in Schranken zu halten. Simson scheint recht laut gekräht zu haben, als er sprach: „ich habe tausend Mann erschlagen.“ Ach, Simson, es ist Zeit, dass deine Kehle heiser wird, wenn du so laut prahlen kannst. Der mächtige Mann hat nun auf seine Knie zu fallen und zu rufen: „O Gott, dieser Durst wird deinen Helden überwinden, sende mir, ich bitte dich, einen Trunk Wassers.“ Gott hat Mittel, die Seinen anzurühren, so dass ihre Kraft bald vergeht. „Ich sprach, da mirs wohl ging, ich werde nimmermehr darnieder liegen, aber da du dein Angesicht verbargest, erschrak ich.“ Nun, du liebes Kind Gottes, wenn du in diesem Falle bist, so sage ich, das ist kein ungewöhnlicher. Es gibt eine Reaktion, eine Abspannung, die meistens jeder starken Anspannung folgt. Ohne Zweifel würde auf die Erregung durch das Erschlagen der Philister bei Simson ganz natürlich eine Erschlaffung der Lebensgeister erfolgt sein. Als David auf den Thron Israels gestiegen war, kam die Reaktion und er sagte: „Ich bin heute schwach, obgleich ein gesalbter König.“ (2. Samuel 3,39 engl. Übers.) Ihr müsst darauf gefasst sein, euch am schwächsten zu fühlen, wenn ihr euren größten Triumph genießt.

Ich habe schon gesagt, dass der Nutzen von all diesem der ist, dass der Mensch seine Schwachheit fühlt. Ich hoffe, es macht euch die eurige fühlen. Was für Toren sind wir, Brüder, und doch, wenn ein Anderer uns Toren nennte, würde uns dies nicht gefallen, obgleich ich nicht zweifle, dass wir Alle mit Recht so genannt würden, wer immer uns den Titel gäbe, denn der ganze Himmel kann uns nicht zur Freude bewegen, wenn wir einen Schmerz im Kopfe haben; und alle Harfen der Engel und unser Wissen um den Anteil, den wir haben sollen an „der Herrlichkeit, die da soll offenbar werden,“ kann uns nicht glücklich machen, wenn irgend eine Kleinigkeit unsern Wünschen zuwiderläuft. Jemand trat auf die Leichdörner eures Stolzes, als ihr hier herein kamt, und wenn ein Engel euch gepredigt hätte, würdet ihr keine Freude daran gehabt haben, weil euer Gemüt aus der Fassung gebracht war. O, welche Tröpfe sind wir! Der Tisch ist reich besetzt, das Manna vom Himmel liegt dicht vor uns, aber weil ein kleiner Riß in unserm Gewande st oder ein kleiner Dorn im Finger, setzen wir uns hin und weinen, als wenn das schlimmste Unglück uns begegnet wäre! Der Himmel ist dein eigen und doch weinst du, weil dein kleines Zimmer dürftig möbliert ist! Gott ist dein Vater und Christus dein Bruder und doch weinst du, weil ein Kindlein von dir hinweg, in den Himmel genommen ist. Deine Sünden sind alle vergeben und doch trauerst du, weil deine Kleider gering sind. Du bist ein Kind Gottes, ein Erbe des Himmels und doch betrübst du dich, als wenn dein herz brechen wollte, weil ein Narr dich mit Schimpfnamen belegt hat! Sonderbar ist es; töricht; aber so ist der Mensch - zum Verwundern töricht, und nur weise, wenn Gott ihn weise macht.

III.

Wenn euch, meine Brüder, irgend ein gegenwärtiges Leiden so tief niederbeugt, dass es euch alle Kraft nimmt, euch eures Heils zu freuen, so will ich euch daran erinnern, dass ihr doch sicher seid. Gott wird euch aus diesem jetzigen kleinen Leiden herausführen, so gewiss, wie er euch aus dem großen Leiden der Vergangenheit geführt hat.

Er wird dies aus zwei Gründen tun, die wir beide in dem Text finden. Der erste ist: weil, wenn er es nicht täte, euer Feind sich über euch freuen würde. „Wie,“ sagte Simson, „soll ich durch die Hand der Unbeschnittenen fallen? Matt, müde, durstig, soll ich ihr Opfer werden? - Ich, der einst ihr Schrecken war und machte, dass die Jungfrauen zu Gath und Askalon weinten statt zu tanzen? Soll ich erschlagen werden?“ Und was sagt ihr? Dämpft nur eure düsteren Ahnungen. Wenn ihr umkommt, wird die Ehre Christi befleckt sein, und das Gelächter der Hölle wird erregt werden. Gekauft mit dem Blute Jesu und doch in der Hölle - welche Heiterkeit würde das im Abgrund verursachen! Gerechtfertigt durch die Gerechtigkeit Christi und doch verloren - welches Thema für den Hohn der Teufel! Geheiligt vom Geiste Gottes und doch verdammt - o, welches Triumphgeheul würde aufsteigen von der Wohnung Apollyons und seiner Engel! Was! Ein Kind Gottes von seinem Vater verlassen! Ein Juwel aus Christi Krone gerissen! Ein Glied von Jesu Leib getrennt! Niemals, niemals, niemals! Gott wird niemals der Macht der Finsternis gestatten, über die Macht des Lichts zu triumphieren. Seinen großen Namen will er geehrt haben und das Verderben des geringsten Gläubigen würde Gott Unehre und Nichtachtung bringen, darum seid ihr sicher. O, es ist ein so Seliges, wenn ihr euch hinter euren Gott flüchten könnt, um Schutz zu suchen. Ein Kind auf der Straße hat seinen Kameraden beleidigt und fürchtet dafür einen Schlag; aber hier kommt sein Vater und es läuft hinter seines Vaters Rockschoß und weiß, es hat nun nichts zu fürchten. So lasst uns hinter unseren Gott uns bergen. Besser, als eherne Mauern, oder Schloss, oder Turm wird Jehova für uns sein und wir können dann auf alle unsere Feinde blicken und sagen, wie Jesaja zu Sanherib sagte: „Die Jungfrau Tochter Zion verachtet dich und spottet deiner und die Tochter Jerusalem schüttelt das Haupt dir nach.“ Die Unbeschnittenen sollen sich nicht freuen; die Töchter der Philister sollen nicht triumphieren. Wir sind unseres Gottes und er wird die Seinen bewahren bis zu dem Tage, wo er sie als seine Kleinodien darstellen wird.

Das ist ein Grund zum Vertrauen, aber Ein anderer Grund ist in der Tatsache zu finden, dass Gott euch schon frei gemacht hat. Ich bat euch eben, über das Schlachtfeld eures Lebens zu gehen und die aufgehäuften Hügel eurer erschlagenen Sünden, Befürchtungen, Sorgen und Leiden zu betrachten. Denkt ihr, dass er all dieses für euch getan haben würde, wenn er beabsichtigte, euch zu verlassen? Der Gott, der euch bisher so gnädig befreit hat, ist nicht verändert; er ist noch immer derselbe, der er war. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Sonne morgen früh aufgehen wird; sie hat das immer getan, so lange ich im Stande gewesen bin, sie zu sehen, warumsollte ich an meinem Gott zweifeln, der sicherer ist, als die Sonne? Der Nil hört nicht auf, Ägypten vor Fülle lachen zu machen; die Menschen trauen auf ihn und warumsollte ich meinem Gott nicht trauen, der ein Strom ist, voll Wasser, überfließend von Güte und Freundlichkeit. Wenn wir niemals an Gott zweifeln, bis wir Ursache dazu haben, so wird das Misstrauen auf immer aus unserem Herzen verbannt sein. Von Menschen sprechen wir so, wie wir sie finden, lasst uns dasselbe mit Gott tun. War er euch je eine Wüste? (Jeremia 2,31) Wann verließ er euch? Wann kehrte euer Schreien zurück ohne eine Antwort? Wie, hat er je gesagt: „Ich habe dich aus meinem Buch ausgetilgt, und will deiner nicht mehr gedenken?“ Ihr habt an ihm gezweifelt mutwillig und frevelhaft, aber niemals hattet ihr einen Grund zum Argwohn oder Misstrauen. Nun, da er derselbe ist, „gestern und heute und in Ewigkeit,“ der Gott, der euch aus dem Rachen des Löwen errettete und aus den Klauen des Bären, wird er euch aus eurer gegenwärtigen Verlegenheit auch befreien.

Bedenke, lieber Freund, wenn er es nicht tut, so wird er Alles verlieren, was er bisher getan hat. Wenn ich einen Töpfer ein Gefäß machen sehe aus seinem Ton, auf den er schon vorher viel Mühe verwandt hat um ihn gehörig zu bereiten; und wenn ich ihn wieder und wieder und wieder das Gefäß bilden sehen -wenn ich überdies noch sehe, dass das Muster nach und nach erscheint - wenn ich weiß, dass er es in den Ofen gestellt hat und dass die Farben anfangen, sich zu zeigen - ich meine, wäre es gewöhnliche Tonware, so könnte ich´s verstehen, wenn er entzwei bräche, was er gebildet, weil es nur wenig Wert hätte - aber da es ein Stück reichen und seltenen Porzellans ist, auf das er monatelange Arbeit verwendet, so könnte ich ihn nicht verstehen, wenn er sagte: „Ich will nicht damit fortfahren,“ weil er Alles, was er daran gewandt, verlieren würde. Seht einige jener reichen Gefäße von Bernard de Pallissy an, die ihr Gewicht in Gold wert sind und ihr könnt euch kaum vorstellen, dass Bernard inne halten sollte, wenn er eins beinahe vollendet und sagen: „Ich habe sechs Monate lang hieran gearbeitet, aber ich werde mir nie die Mühe geben, es zu vollenden.“

Nun, Gott hat das Blut seines eignen lieben Sohnes daran gewandt, euch zu retten; er hat die Kraft des Heiligen Geistes verwandt euch zu dem zu machen, wozu er euch haben wollte und seine mächtige Hand wird niemals inne halten, bis sein Werk getan ist. Hat er gesagt und will er es nicht tun? Hat er angefangen und wird es nicht vollenden?„ Gott will keine unvollendeten Werke haben. Wenn Jehovas Banner zusammengefaltet wird und sein Schwert in die Scheide gesteckt, dann wird er rufen:

„Es ist geschehen
Denn die Reiche der Welt
Sind meines Sohnes Reiche nun.“

An dem Tage wird jedes Gefäß, das er für die Herrlichkeit zubereitet hat, in dieser Herrlichkeit stehen, nachdem es vollkommen für dieselbe passend gemacht ist. Verzweifelt darum nicht in eurer gegenwärtigen Not.

Unzweifelhaft werden Einige von euch sagen, dass ich spreche wie Einer, der die Art oder die Bitterkeit eures besonderen Kummers nicht kennt. Meine lieben Freunde, es liegt mir nicht daran, ihn zu kennen. Mir ist es genug, zu wissen, dass wenn Gott seinen Knechten so großes Heil gegeben, wie er getan, die gegenwärtige Not nur gleich Simsons Durst ist und ich bin gewiss, er wird euch nicht vor Mattigkeit sterben lassen, noch zugeben, dass die Tochter der Unbeschnittenen über euch triumphiere. „Ach,“ sagt Einer „du hast gut sprechen, aber meine Lage ist eine sehr, sehr, sehr eigentümliche.“ Gut denn, lieber Bruder, das ist ein besonderer Grund, weshalb Gott dich befreien wird, weil, falls Satan dich in dieser eigentümlichen Lage überwände, er dann sagen würde, er hätte alle Heiligen überwinden können, wenn er sie nur in denselben Winkel hätte treiben können und würde laut prahlen, gerade als wenn Alle umgekommen wären. Aber ich glaube nicht, dass deine Lage eine so ganz besondere ist, es liegt nur an der Art, wie du sie ansiehst. Die Straße des Schmerzes ist viel betreten; es ist die regelrechte Schafspur zum Himmel und die ganze Herde Gottes hat auf derselben einher zu gehen. Darum, ich bitte euch, richtet euer Herz auf mit Simsons Wort und seid versichert, dass Gott euch befreien wird.

Und nun ist, während ich so mit euch spreche, der Gedanke in meiner Brust aufgetaucht, dass Viele mir zuhören, die nicht Christen sind. Meine Freunde, ich wundere mich oft, was Einige von euch ohne Gott anfangen. Ich kann kaum verstehen, wie der Reiche ohne Gott irgendwelchen Trost haben kann, denn er muss von Verlusten durch den Tod und von Körperschmerz leiden, ebenso wohl als der Arme. Jene albernen Schmetterlinge der Mode, die ihre ganze Zeit damit zubringen, von Blume zu Blume zu fliegen, sind so herzlos und gedankenlos, dass ich eher verstehen kann, wie sie ohne Gott fertig werden. Mit leeren Köpfen und albernen Herzen können Männer und Frauen aus jedem Dinge einen Gott machen; ihre eigene hübsche Person kann ein völlig genügender Gegenstand ihrer idiotischen Verehrung werden. Aber ein Mann, der aufrecht da steht, ein vernünftiger, denkender Mann - ein Arbeiter, wenn ihr wollt - gleichviel ob er mit der trockenen Hitze seines Gehirns oder dem feuchten Schweiß seines Angesichts arbeitet - ich kann nicht begreifen, wie ein solcher Mann, mit Organen des Denkens und einer vernünftigen Seele, ohne Gott dahingehen kann. Manche von euch müssen mitunter in Nöten sein, wo sie Gott brauchen. Ich würde ein Dutzend mal schon im Irrenhause gewesen sein, wenn mein Gott nicht wäre. Meine Füße würden ganz und gar in die Kammern der Verzweiflung gegangen sein und ich würde diesem Leben ein Ende gemacht haben, wenn nicht die treuen Verheißungen des Gottes gewesen wären, der sein Volk erhält und beschützt. Mein Leben ist kein elendes gewesen, sondern ein glückliches; und doch sage ich euch, es hat Zeiten gegeben, in denen ich nicht ohne meinen Gott hätte durchkommen können. Ich begreife nicht, wie einige von euch, die immer in Not sind, ohne Gott aushalten. Es ist viele solche hier. Ihr seid arm; ihr seid nicht oft ohne Krankheit; ihr habt von eurer Geburt an eine Krankheit geerbt, die euer leben elend macht; die Kinder um euch herum sind kränklich; euer Lohn am Sonnabend Abend ist nur notdürftig für euch ausreichend; ihr seid oft in Schulden; ihr seid beständig in Verlegenheit. O, ich kann nicht sagen, wie ihr ohne Gott auskommt. Wie? Ihr habt Nichts hier und keine Hoffnung auf Etwas nach diesem leben! Arme Seelen, ich möchte um euch weinen, wenn ich denke, dass ihr ohne Gott seid!

Vor einiger Zeit ging ich in das Haus unseres Bruders Stephenson; er war ein guter Streiter des Kreuzes: er war in seinem Herrn entschlafen; und als ich seine weinenden Söhne und Töchter sah, fühlte ich: „Hier habe ich leichte Arbeit.“ Ich sagte zu ihnen: „Nun, welch eine Gnade ist es, dass euer Vater gegangen ist, er hat lange hier in Schmerzen gelegen und ihr wisst, wie bereit er war, in seine Ruhe einzugehen.“ Das war sehr verschieden von den Fällen, die zuweilen vorkommen. Erst kürzlich kam eine Schwester zu mir, weinend als wenn ihr Herz brechen wollte. „Ach Herr,“ sagte sie: „mein Bruder ist tot und er starb ohne Hoffnung.“ Es war ein trauriger Fall, aber sie hatte doch einen Gott, zu dem sie gehen konnte, selbst in dieser schweren Trübsal. Aber, wenn der Tod in dein Haus kommt, du hast keinen Gott! Ich kniete nieder und betete mit jenem armen weinenden Mädchen heute Morgen und obgleich ihr Vater eben erst gestorben war, merkte ich, dass die Stimme des Gebets ersichtlich einen besänftigenden Einfluss hatte, wenn sie gleich weinte, schien es sie doch zu beruhigen und den Schmerz zu lindern. Aber Einige von euch beten nicht und deshalb kann dieser Trost ihnen nicht werden.

Und ihr werdet bald sterben. Wenn der Durst des Todes in eurer Kehle ist, was, denkt ihr, wollt ihr ohne Gott tun? In Gottes Gegenwart zu sterben, heißt einfach nur, das Leben aufblühen lassen zu etwas Besserem als dieses leben ist; aber ohne Gott zu sterben, muss schrecklich sein! Ihr werdet eure lustigen Kameraden dann nicht nötig haben. Starkes Getränk wird euch dann nicht beruhigen. Die Musik wird keine Reize mehr für euch haben. Die Liebe eines sanften und zärtlichen Weibes kann euch dann nur traurigen Trost verleihen. Ihr mögt eure Geldbeutel an eurer Seite haben, aber sie werden euer klopfendes Herz dann nicht beruhigen. Ihr werdet das Brausen der Welt in dem großen Meer der Ewigkeit hören; ihr werdet fühlen, wie eure Füße in den furchtbaren Flugsand gleiten; ihr werdet um euch her tasten nach Hilfe, aber da wird keine sein! Anstatt dessen werden unsichtbare Hände beginnen, euch hinunter zu ziehen. Und hinab durch das dunkle Meer müsst ihr hinunter steigen zu jenem dunkleren Tiefen, wo furchtbare Verzweiflung euer ewiges Erbteil sein wird!

Aber noch ist Hoffnung da. Wer an Jesum Christum glaubet, wird selig werden. Wende dein Auge auf Christum, armer Sünder, wie er dort hängt, und an der Menschen Statt leidet, die menschliche Schuld auf sich nimmt und für dieselbe bestraft wird, als wäre sie seine eigene. Traue ihm, Sünder, verlass dich auf Jesum und du wirst selig werden! Amen.

Mara

2. Mose 15,23-25

„Mara, Mara,“ sprach das Volk, „wer kann dieses Wasser trinken?
Sollen wir so hart am Quell noch verschmachtend niedersinken?“
Aber Moses schreit zum Herren, der ein heilend´ Holz ihm wies,
Und er warf es in den Brunnen und der bittre Quell ward süß.

„Mara, Mara,“ rief mein Herz oft an trüben Wasserströmen,
Wollte nicht den bitteren Trank, nicht den Kelch der Trübsal nehmen,
Und ich schrie zu meinem Gotte und er wies auch mir ein Holz,
Unter dessen Wunderkräften alle Bitterkeit zerschmolz.

Kennst, o Seele, du das Holz, jenes Holz, davon ein Splitter
Sänftigt auch den herbsten Kelch und versüßt was noch so bitter,
Wandelt in ein Meer der Gnaden aller Leiden trübe See,
Lindert alle Lebensnöten, stillet alles Todesweh?

Geh´ zu Jesu Marterholz, miss an seinem Kreuz das deine!
Denkst du seiner großen Last - kannst du murren um die kleine?
Will der Knecht auf Rosen gehen, wo der Herr die Dornen trug?
Über Nadelstiche schelten, wo man ihn mit Fäusten schlug?

Sieh, am blut´gen Kreuzesstamm Gottes Liebling schuldlos dulden,
Und dann schlag an deine Brust und gedenke deiner Schulden,
Sprich: mein Herr hat nichts verbrochen und ist doch so hart beschwert,
Aber du und ich empfangen nur was unsre Taten wert.

Seele, geh zu Jesu Kreuz, siehe, wie er ohne Klagen
Als ein stilles Gotteslamm alle Schuld der Welt getragen,
Lern auch du gelassnen Mutes über deinen Kidron geh´n,
Sprich: o Vater, nicht mein Wille, nur der deine soll gescheh´n!

Denk an deines Heilands Kreuz, denk an deines Heilands Krone:
Der gehorsam war zum Tod, sitzet nun auf goldnem Throne;
Sprich: mein Her, der Weg zum Himmel geht nur durch Kreuz und Streit,
Und wer mit dem Herrn gelitten, geht mit ihm zur Herrlichkeit!

Mara, Mara, spricht das Fleisch, will den bitteren Kelch nicht schmecken,
Will am Tag des heißen Streits zagend seine Waffen strecken,
Aber du, o Holz des Heiles, Stamm des Kreuzes, sei gegrüßt,
Der die schwerste Last erleichtert, der den herbsten Trank versüßt!

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