Simons, Menno - Von der Zeit der Gnaden

Simons, Menno - Von der Zeit der Gnaden

Zum ersten lehren wir das, Joh. 3. was Christus Jesus, der Lehrer von dem Himmel, der Mund und das Wort des Allerhöchsten Gottes, selbst gelehret hat: Als daß nun eine Zeit der Gnaden ist, eine Zeit aufzuwachen aus dem Schlaf unserer greulichen Sünden, Röm. 13. daß wir ein aufrecht, umgekehrt, erneuert, zerbrochen und reuig Herz haben; daß wir aus Grund unserer Seelen vor Gott beklagen, unsern vergangenen, ruchlosen, muthwilligen Wandel und Leben, daß wir in aller Furcht Gottes kreuzigen und tödten unser bös, sündliches Fleisch, Art und Natur, und mit Christo auferstehen in ein neu, gerecht, bußfertiges Leben und Wesen, Ephes. 4. Gal. 5. Röm. 6. Marc. 1. Gleich wie er spricht: „Die Zeit ist erfüllet, das Reich Gottes ist nahe herbei kommen, „bessert euch, und glaubt dem Evangelio.“

Die Zeit ist erfüllet, das ist, die verheissene Gnadenzeit nahet; die Zeit der Erscheinung des verheissenen Samens; die Zeit der Erlösung; die Zeit des Opfers, mit welchem befriediget sollte werden, alles was im Himmel und auf Erden ist, 1 Mos. 3. Koloss. 1. Epheser 1. Die Zeit der Erfüllung von allen buchstäblichen, bildlichen Händeln, in ein neu geistlich Wesen und bleibende Wahrheit. Die Zeit, auf welche die Väter gehofft und mit viel Thränen begehrt haben, als Jacob, Moses, Esaias, David, Daniel, rc. mit allen Patriarchen, Vätern und Propheten, die diese Zeit durch den Glauben, von weitem gesehen, gehoffet und sich darauf vertröst haben, Hebr. 11. Ja sie ist denselbigen so ein hoher und freudenreicher Trost gewesen, daß der gute, alte Simeon nicht länger begehrte zu leben, als er diese Zeit erkannt, und den Seligmacher gesehen hatte, und sprach: O Herr! laß nun deinen Knecht, nach deinem Wort, im Frieden fahren, dann meine Augen haben deinen Heyland und Seligmacher gesehen, den du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker.

Diese Zeit ist erfüllt, die Prophezeyungen der Propheten und die Verheissung der Väter, geht in ihrem vollen Schwang und Kraft. Der geschworne Eid ist vollbracht und geleistet, Israel hat seinen König David, Prinzen und Fürsten empfangen, der sich als ein Held, Gigant und Riese aufgemacht hat zu bereiten seinen Lauf, Ps. 2. Esa. 9. Jer. 23,30.33. Hos. 3. Sein Ausgang ist von dem hohen Himmel; der Gesalbte ist kommen, der von allen Völkern begehret ist gewesen, mit dem Schwerdt des Geistes begürtet um seine Lenden, ritterlich zum Streit bereit, Ps. 19. Mich. 5. Hag. 2. Ps. 24. Das Evangelium des Reichs, das Wort seines Vaters, hat er verkündiget; den Seinen ein Vorbild der reinen Liebe, und eines unsträflichen Lebens nachgelassen und gelehret, Matth. 4. Joh. 7,13.15. den Starken hat er überwunden, des Teufels Kraft und Gewalt zerstöret; unsere Sünden hat er getragen, den Tod vernichtet, den Vater versöhnet; Gnad, Gunst, Barmherzigkeit, das ewige Leben, Reich und Frieden, allen auserwählten Gottes Kindern erworben und verdienet, Matth. 11. Luc. 11. Hebr. 2. Esa. 53. 1 Pet. 2.1 Cor. 15. Coloss. 1. und ist also von seinem ewigen und allmächtigen Vater eingesetzt, ein allmächtiger gewaltiger König, über den heiligen Berg Zion. Ein Haupt der Gemeine, ein Versorger und Austheiler der himmlischen Güter; ja ein allmächtiger Gewalthaber über alles im Himmel und auf Erden worden, Ps. 2. Ephes. 2. Hebr. 8. Und das ist, das hie Christus spricht: „Die Zeit ist erfüllet, und das Reich Gottes ist herbey kommen.“ Matth. 18.

Ich vermahne euch mit dem heiligen Paulo, aus mitleidigem, getreuen Herzen, daß ihr doch dieser Zeit der Gnaden wahrnehmet, und eine gute Achtung auf des Herrn Wort habet, das da spricht: Ich habe euch in der angenehmen Zeit erhört, und an dem Tag der Seligkeit habe ich euch geholfen. Nehmet wahr, jetzt ist die angenehme Zeit, nun ist der Tag der Seligkeit. Lasset uns nun, spricht Paulus, niemand kein Aergerniß geben, auf daß unser Dienst nicht verlästert werde; sondern laßt uns in allen Dingen beweisen als Diener Gottes: Mit viel Geduld, mit Trübsal, mit Angst, mit Schlägen, mit Gefängnis, mit Aufruhr, (verstehe die über uns geschicht) mit Arbeit, mit Wachen, mit Fasten, mit Keuschheit, mit Erkenntnis, mit Langmüthigkeit, mit Freundlichkeit, mit dem heiligen Geist, mit ungefärbter Liebe, mit dem Wort der Wahrheit, mit der Kraft Gottes, 2 Cor. 6. durch Waffen der Gerechtigkeit, zur rechten und zur linken Hand; durch Preis und Schmach; durch bös Gerücht und gut Gerücht; als die Verführer, und doch wahrhaftig; als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe wir leben; als die Geschlagenen, und doch nicht getödtet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viel reich machen; als die nichts haben, und doch alles besitzen, 2 Cor. 6. O ihr lieben Herren, Freund und Brüder, mein Mund hat sich gegen euch aufgethan; mein Herz hat sich über euch ausgebreit; um eurentwillen bin ich sehr betrübt, daß ihr so ganz unachtsam seyd, und nicht einmal aufmerket, von welchem Volk diese klare, deutliche Schriften geschrieben sind, daß ihr des Herrn Wort so ganz und gar verachtet, und lasset die edle, köstliche Zeit der Gnaden, die euch und uns allen zur Besserung von Gott gegeben ist, so schändlich hinweg schleichen, und auf kein Ding so gar nichts achtet, dann mit ganzem Herzen zu leben nach den unreinen gottlosen Lüsten eures Fleisches, und eure Knie zu biegen vor den stummenden Abgöttern. Ach es wäre wohl Zeit aufzuwachen; bedenkt doch, daß der Engel in Offenb. 10. bey dem ewigen und lebendigen Gott, der Himmel und Erden gemacht hat, geschworen hat, daß nach dieser Zeit keine Zeit mehr werden soll. Man kann nicht anders aus der Schrift merken und verstehen, dann daß dies das letzte Fest des Jahrs ist; die letzte Ausrufung des heiligen Evangeliums; die letzte Berufung zu der Hochzeit des Lamms, die noch vor dem großen, erschrecklichen Tag des Herrn gefeyert, geprediget und geheiliget werden muß.1) Darbey zu merken, und abzunehmen ist, daß der Sommer vorüber geht und der Winter kommen werde. Die nun ihre Lampen mit den thörichten Jungfrauen nicht bereiten, die werden zu spät kommen, vergebens anklopfen, und ausser der Thüren bleiben. Matth. 25. Darum tröstet euch untereinander nicht mit einer unnützen Tröstung, und unsichern Hoffnung; gleich wie etliche thun, die da meynen, daß das Wort noch ohne Kreuz sollte gelehrt und belebt werden. (Ich meine die, die des Herrn Wort erkennen, und nicht darnach leben.) O nein! es ist das Wort des Kreuzes, es wird auch (nach meinem Bedünken) wohl bleiben bis zu dem Ende, dann es will mit viel Leidens bewährt und mit dem Blut versiegelt seyn. Das Lamm ist erwürgt von Anfang der Welt, Offenb. 13. ja er hat nicht allein in seinen Gliedmaßen gelitten, sondern er hat auch durch Kreuz und Tod seine Herrlichkeit müssen einnehmen, die er eine Zeitlang um unsertwillen verlassen hatte. Luc. 24. Joh. 17. Phil. 2. Hat nun das Haupt selbst alle solche Marter, Pein, Elend und Schmerzen müssen leiden, wie wollen dann seine Diener, Kinder und Gliedmaßen, hie Fried und Freyheit in dem Fleisch erwarten; haben sie den Vater des Hausgesinds Beelzebub geheissen, warum dann auch nicht seine Hausgenossen. Matth. 10. Alle die gottselig wollen leben in Christo Jesu, spricht Paulus, 2. Tim. 3. die müssen Verfolgung leiden. Ihr werdet gehasset werden, spricht Christus, Matth. 10. von allen Menschen, um meines Namens willen.

Darum so reisset die schädlichen Gedanken aus eurem Herzen, zu hoffen auf eine andere Zeit, auf daß ihr durch eure falsche Hoffnung nicht betrogen werdet; dann ich habe wohl etliche gekannt, die auf eine freye Zeit hofften, aber sie haben so lange nicht gelebt, daß sie die Hoffnung erlangt hätten. Ja hätten die Apostel und Väter darauf gewartet, so müsste das Evangelium des Reichs bis daher geschwiegen, und des Herrn Wort still gehalten haben.

Ach wäret ihr Christen und Gottes Volk, wie ihr euch rühmt, ihr sollt sagen mit dem heiligen Paulo, Röm. 8. Was wird uns mögen abscheiden von der Liebe Gottes. Dann Fleisch, Teufel, Sünd, Höll, Tod, wären alle überwunden, da würde keine Begierde mehr seyn, lang in dieser verderbten, argen, blutgierigen Welt zu bleiben. Wir sollten uns auch von keinem Dinge rühmen, dann von dem Kreuz Christi, Gal. 6. Und von ganzem Herzen mit Paulo begehren, daß wir von dieser Hütte möchten erlöset seyn, und mit Christo leben. Philip. 2.

Ich wünsche von Herzen, daß ihr aufwachen möchtet, und nicht hoffen oder warten einer andern Zeit. Will uns aber der gnädige Vater einige Freyheit und Friede geben, das wollen wir sehr gern in aller Dankbarkeit von seiner Gnadenhand empfangen. Will er aber nicht, so muß und soll dannoch sein grosser Name gelobet bleiben ewiglich.

Wir haben die angenehme Zeit der Gnaden alle erlangt, dann der Tag der Seligkeit ist hie; lasset uns nun dem undankbaren, ungehorsamen, blutsaugenden Jerusalem nicht gleich seyn, Luc. 19. das den göttlichen Frieden, die himmlische Gnade und die barmherzige Heimsuchung, mit so verkehrten Sinnen von ihm gestossen hat; sondern laßt uns aufwachen mit nüchtern Herzen, und hören diese rufende Stimme, und aufstehen in dieser bequemen Zeit, aus dem tiefen Schlaf unsrer abscheulichen, stinkenden Sünden, dann der Herr ist nahe. Die Nacht ist vergangen, der Tag nahet.

Darum laßt uns nun ablegen von uns alle Werke der Finsternis, und anziehen die Waffen des Lichts, auf daß wir ehrlich mögen wandeln, als bey dem klaren lichten Tag, nicht in prassen und saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Haß und Neid; sondern laßt uns anziehen den Herrn Jesum Christum, und nicht thun nach des Fleisches Sorge und Klugheit, zu büßen seine Lust. Röm. 13. Ein jeglicher sehe für sich und schlafe nicht; er warte und wache auf seine Zeit, die ihm aus Gnaden von Gott zur Besserung gegönnet und gegeben ist. 2 Cor. 6. Ecce nunc tempus acceptum, Ecce nunc dies salutis.

1)
Diese Ladung oder Rufung scheint wohl die letzte zu seyn.
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