Scriver, Christian - Achte Predigt. - Von den kläglichen Früchten der Sünden, und dem traurigen Zustand der in Sünden vertieften Seelen.

Scriver, Christian - Achte Predigt. - Von den kläglichen Früchten der Sünden, und dem traurigen Zustand der in Sünden vertieften Seelen.

Röm. 6, 20. 21. Da ihr der Sünden Knechte ward, da waret ihr frei von der Gerechtigkeit. rc.

Eingang.

Im Namen Jesu. Amen!

Ein Spanier sagt von einem Trunkenbold: er müsse ein kurzes Gedächtniß haben; denn sobald er getrunken habe, so vergesse er es, und trinke gleich wieder. Mit Recht kann man von allen Sündern sagen, daß sie sehr vergeßlich seyen. - Betrachte einmal einen Menschen, in welchem die Sünde herrscht, er vergißt seines Gottes und Schöpfers, der ihm das Leben gegeben, ihn von Mutterleib an ernährt, versorgt, beschützt und erhalten hat. Obwohl alle Creaturen, die um ihn sind, und deren er sich täglich zu seiner Nothdurft und Lust bedient, von ihrem Schöpfer und seiner Güte zeugen, so achtet er es doch nicht und nimmt es nicht zu Herzen. Er vergißt seines Erlösers, seiner Liebe und Treue, die Er doch mit seinem theuren Blut und mit seinem bittern Tod bezeugt hat. Er hört zwar den Namen seines Heilandes oft nennen und seine Wohlthaten preisen, sobald aber der Schall vorüber ist, so ist Alles bei ihm vergessen, und die erste Gelegenheit, die ihm zur Sünde dargeboten wird, macht, daß er an seinen Erlöser so wenig denkt, als an einen andern Menschen, der längst gestorben, begraben und vergessen ist. - Er vergißt auch seines Taufbundes, in welchem er sich Gott, dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geist ergeben und dem Teufel und all' seinen Werken und Wesen entsagt hat. Er vergißt, daß sein Leib ein Tempel des heiligen Geistes seyn soll, und läßt diesen durch den Satan mit Frieden besitzen. Er vergißt seines oft wiederholten Gelübdes - wenn er in Krankheit und andern Zufällen, - bei der Beichte, oder wenn sein Herz sonst gerührt wurde, seinem Gott Besserung versprach; - und glaubt, der Allerhöchste solle von ihm dulden, was ein sterblicher Mensch nimmer dulden würde: Niemand ist mit leeren Worten zufrieden, und man nennt Den einen Betrüger, der viel zusagt und nichts hält. Wie darf sich also der Staub erkühnen, seinem Gott, der Herzen und Nieren prüft, etwas zu geloben, was er nicht halten will; wie es dort heißt: „Sie heuchelten Ihm mit ihrem Mund, und logen Ihm mit ihren Zungen; aber ihr Herz war nicht fest an Ihm, und sie hielten nicht treulich an Seinem Bunde.“ - Kann ein solcher Mensch noch ein Herz oder ein wenig Verstand haben, weil er so blind und sicher ist, und seines Todes, seines Gerichts und seiner armen Seele darüber vergißt? Muß man nicht von ihm sagen, wie der Apostel von den Galatern: „Wer hat euch bezaubert, daß ihr der Wahrheit nicht gehorchet?“ - Der Satan ist in den Herzen derer, die sich ihm hingeben, so thätig, daß er sie gleichsam bezaubert, toll und blind macht, daß sie mit sehenden Augen nicht sehen, mit hörenden Ohren nicht hören, bei gesundem Verstande nichts verstehen, bei gutem Gedächtniß Gott, sich selbst und den Nächsten vergessen, und bei lebendigem Leibe todt sind. Wie kann das auch anders seyn?- Die menschliche Seele muß wohl blind, taub, toll und rasend seyn, wenn sie sich von Gott lossagen und dem Satan anhängen, wenn sie die Gottseligkeit verlassen und der Sünde nachgehen, den Himmel hintansetzen und die ewige Verdammniß dafür erwählen kann. - Von diesem kläglichen Zustande wollen wir dießmal reden, und Gott bitten, daß er uns denselben zur Warnung und Buße dienen lassen möge, durch Jesum Christum, unsern' Herrn. Amen.

Abhandlung.

Wenn man in einem Bilde vorstellen würde, wie der Satan in seiner schrecklichen Gestalt einer edlen, züchtigen Jungfrau die Hand gäbe, so würde dieß wohl Niemand ohne Schaudern ansehen, vielweniger genau betrachten können. Wie oft aber geschieht es leider nicht bloß im Bilde, sondern in der That, daß die Seele sich mit dem Satan verlobt, daß sie Gott, den Urquell alles Guten, verläßt und sich zu dem Abgrund aller Bosheit wendet, daß sie sich von dem Lichte zu der Finsterniß kehrt und anstatt des Hirten mit dem Wolf in Freundschaft tritt. Dieß ist aber nicht bloß der Fall bei denen, welche einen eigentlichen Bund mit dem Satan machen, z. B. Zauberer und andere ruchlose Leute, sondern auch bei Allen, die in muthwilligen Sünden wissentlich und beharrlich leben. - Solche Menschen leben in dem Dienste des Satans, ob sie es wohl nicht glauben; denn die Schrift sagt: „Wer Sünde thut, der ist vom Teufel und ein Teufelskind; der Teufel ist in ihn gefahren und hat sein Herz erfüllt, er hat sein Werk in ihm.“ Daher heißt muthwillig, vorsätzlich und beharrlich in Sünden leben, - in der Gemeinschaft des Teufels leben, dem Satan dienen, ihn in seinem Herzen beherbergen, vom Teufel gefangen seyn, und nach seinem Willen wandeln. Wer dem Herrn anhängt, sagt Paulus, der ist ein Geist mit ihm; ebenso wer sich an den Teufel hängt. So lange der Mensch außer dem Stande der Gnade lebt, ist er ein Knecht der Sünde, und mithin ein Sklave des Satans, der in der Sünde seine Gewalt hat. - Wie kann sich aber der Mensch, das edelste unter den sichtbaren Geschöpfen Gottes, vor welchem, wenn er in der Gnade Gottes steht, selbst die Teufel zittern müssen, so weit vergessen, daß er dem Satan dient? Was kann schrecklicher seyn, als aus einem Kinde Gottes ein Kind des Satans zu werden? Die türkische Dienstbarkeit kommt damit in gar keinen Vergleich; denn diese hindert wenigstens an der Gnade Gottes, an der Gemeinschaft seines Sohnes und an der Hoffnung des ewigen Lebens nicht; durch den Sündendienst aber geht alles dieß verloren. - Das Schlimmste dabei jedoch ist, daß sich der Mensch in solchem Zustande gefällt und sich glücklich schätzt, daß er frei ist von der Gerechtigkeit. Wie es einem ungerathenen, gottlosen Kinde, das seinen Eltern entlaufen ist, unter bösen Gesellschaftern recht wohl gefällt, weil es sich allem Zwang und aller Aufsicht entrissen hat, sich vor ihrer Strafe nicht mehr fürchten darf, und nicht weiß, daß es gerade dann im gefährlichsten Zustand ist, und anstatt der Eltern des Henkers gewärtig seyn muß - so wünscht die gottlose Seele, weder an göttliche noch an menschliche Rechte gebunden zu seyn und in allen Dingen ihren Willen zu haben. Sie wünscht, daß kein Gott wäre, vor Dem sie sich fürchten muß; sie ist Ihm und seinen Geboten feind, weil diese ihr im Wege stehen. Deßwegen sucht sie sich von Gott immer mehr zu entfernen und Sein Gesetz und Gericht aus dem Herzen zu verbannen. Der Widerspruch des Gewissens wird verachtet, der Mensch gibt sich täglich berauschenden Freuden hin und will nicht nüchtern werden; er will von keiner Einrede, von keiner Ermahnung und Warnung etwas hören, will frei seyn von Gott, von aller Furcht vor der Hölle :c., will ungehindert recht eigentlich der Hölle zuwandern, und wenn er dieß erlangt, so glaubt er: es sey eine herrliche Sache, ein erwünschtes Leben, - so könne er recht fröhlich seyn und diese Welt nach Herzenslust genießen. Unser Heiland macht darauf aufmerksam in dem Gleichniß von dem verlorenen Sohn, von dem Er sagt: „Er habe das Seinige genommen, sey ferne über Land gezogen und habe daselbst sein Gut durchgebracht mit Prassen.“ Dieser ungerathene Jüngling hätte wohl auch in seiner Vaterstadt fröhlich seyn und Gesellschafter finden können, die ihm geholfen hätten, das Seinige mit Freuden zu verzehren; aber so hätte er seines Vaters Einrede und Warnung gewärtig seyn müssen, daher wollte er lieber ferne von ihm seyn und allen Ermahnungen ausweichen. Und dieß ist das Freiwerden von der Gerechtigkeit, von welcher der Apostel in unserem Texte spricht. - Aber ach, elende Freiheit, wenn man vom Gehorsam gegen Gott und seine heiligen Gebote sich losreißt und ein Sklave der Sünde und des Satans wird! Ist es nicht so, wie wenn ein Schiff, das ohne Steuermann auf dem Meere vom Sturm herumgetrieben wird, sich seiner Freiheit rühmen, oder wenn ein Schaaf, das sich von seiner Heerde verlaufen, sagen wollte: es dürfe sich nun nicht mehr vor des Hirten Stimme, Stab und Hunden fürchten; während jenes alle Augenblicke auf einen Felsen getrieben, dieses aber vom Wolf erhascht und zerrissen werden kann? Der verlorene Sohn war nie in einem gefährlicheren Zustande, als da er sich der Aufsicht seines Vaters entzogen hatte. Je weiter vom Vater, desto näher dem Verderben; -frei von Gott, gefangen vom Teufel, - frei von der Gerechtigkeit, frei von dem sanften Joch Christi; aber fest, in den Ketten der Finsterniß. O unselige Freiheit, deren Ende Schaam, Schande, und der Tod ist! Ach, mein Gott! behüte mich vor solcher Freiheit; Dir in kindlichem Gehorsam zu dienen ist die wahre Freiheit. O Herr! ich bin dein Knecht! - ich bin dein Knecht, und will es gerne bleiben in Ewigkeit! Lasset uns aber diesen wichtigen Gegenstand auch noch aus andern Stellen der Schrift erörtern. Die Sünde wird nämlich ein Abweichen von Gott genannt. Wenn der Mond von dem Lichte der Sonne sich wendet, so ist und hat er nichts als Finsterniß; und wenn der Mensch von seinem Gott weicht, so hat er nichts als Schaden und Schande. Er wandelt in Finsterniß und weiß nicht, wohin er geht; denn die Finsterniß hat seine Augen geblendet. Außer Gott und seiner Gnade ist nichts als Elend, Noch und Tod. So lange der Zweig am Baum bleibt, bat er Saft und Kraft aus demselben; wenn er aber abgerissen wird, so muß er verdorren und hat nichts als das Feuer zu erwarten. Ebenso ist der Mensch außer der Gnade Gottes und der Gemeinschaft Jesu Christi; er hat kein göttliches Leben in sich und gehört in das höllische Feuer. Wer nicht in Mir bleibet, sagt Christus, der wird weggeworfen wie eine Rebe, und verdorret, und man sammelt sie und wirft sie in's Feuer und muß brennen. Ein solcher Mensch ist lebendig todt; denn durch muthwillige Sünden wird der Glaube unterdrückt, die Gemeinschaft mit Christo, der unserer Seele Leben ist, vernichtet, der heilige Geist wird vertrieben, und daher ist der Sünder vor Gott und den heiligen Engeln wie todt. Wie es von dem Bischofe zu Sardes heißt: „Du hast den Namen, daß du lebst, und bist todt.“ -Dem fleischlich-, irdischgesinnten Menschen ist dieß freilich eine Thorheit. Er denkt: Essen und Trinken schmeckt mir wohl, ich gehe und stehe, ich singe und springe, ich mache mich täglich lustig, ich handle und wandle, ich rechte und fechte, ich kriege und siege rc. und soll doch todt seyn? Aber, du elender Mensch, wisse, daß eben dieß ein Zeichen deines geistigen Todes ist, weil du dein Elend nicht einsiehst. Du lebst nach dem Fleisch und bist todt nach dem Geist; du lebst wie ein fauler Baum, welchen an einer Seite die Würmer fast bis aufs Mark ausgefressen haben, und der auf der andern Seite nur noch ein wenig grün ist. Weil du nicht in Christo lebst, so ist dein Leben, wie köstlich es auch ist, für kein Leben zu halten. - Einige grausame Regenten ließen lebendige Menschen an todte binden, so daß die Würmer von den Verwesenden auch in den Leib der Lebenden kamen; - siehe, so verhält es sich mit dir. So lange du in der Sünde und Unbußfertigkeit darin lebst, trägst du das Verderben und den Tod an dir, und bist vor Gott ein Greuel, auch wenn du der gesündeste Mensch wärest. Daher nennt die Schrift die muthwilligen Sünder wirklich - Greuel vor Gott. Ein gottloser, sicherer Mensch ist dem Herrn ein Greuel, auch wenn er auf einem Thron sitzt, in Seide und Purpur gekleidet ist, von Gold und Edelsteinen schimmert und von Jedermann wie ein Gott verehrt wird; dieß sehen wir an dem Beispiele Herodis, den trotz seiner königlichen Pracht und trotz des Zurufes seines heuchlerischen Volks die Würmer fraßen.

Die Sünde macht aber nicht bloß den Menschen selbst, sondern auch sein ganzes Thun, seinen Gottesdienst, sein Gebet, sein Almosen, sein Beichten, sein Abendmahlgehen zu lauter Greueln vor Gottes Augen. Denn, wenn die Quelle unrein und giftig ist, wie kann das Wasser rein und gesund seyn? Wer unreine Hände zu Gott aufhebt und es wagt, Ihm mit bösem Herzen zu dienen, der ist gleich einem unflätigen Menschen, der seinem Könige einen Trunk Wassers in einem unreinen Gefäße darreicht. - Paulus sagt: „Den Reinen ist Alles rein, den Unreinen aber und Ungläubigen ist Nichts rein, sondern unrein ist beides, ihr Sinn und ihr Gewissen. Sie sagen: sie erkennen Gott; aber mit den Werken verläugnen sie es, sintemal sie es sind, an welchen Gott Greuel hat, und gehorchen nicht, und sind zu allen guten Werken untüchtig.“ Der Heiland selbst bezeugt, daß Etliche, die in seinem Namen geweissagt, Teufel ausgetrieben, und Zeichen gethan haben, am jüngsten Tage für Uebelthäter erklärt und in die ewige Verdammniß werden verwiesen werden. - Der Apostel Jakobus verwirft allen Gottesdienst, so lange der Mensch seine Zunge nicht im Zaum hält, ein Lästerer, Lügner und Verläumder ist, - so lange er durch unchristlichen Scherz seinen Nächsten ärgert oder betrübt, oder mit unnützen Worten sich sonst vorsätzlich versündigt. Davon spricht auch Jesaias: „Bringet nicht mehr Speiseopfer so vergeblich, das Räuchwerk ist mir ein Greuel, der Neumonden und Sabbathe, da ihr zusammenkommet und Mühe habt mit eurem Opfer, mag ich nicht; meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahreszeiten; wenn ihr schon eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch, und obschon ihr viel betet, höre ich euch dennoch nicht, denn eure Hände sind voll Bluts.“ Bei einem andern Propheten sagt Gott: „Ich bin euern Feiertagen gram, und verachte sie und mag nicht riechen in eure Versammlung, und ob ihr mir gleich Brandopfer und Speiseopfer opfert, so habe ich keinen Gefallen daran. Thue nur weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag deines Psalter-Spiels nicht hören.“ Der Gottlosen Unternehmen, - ihr Opfer, ihr Gebet ist also Sünde und ein Greuel vor Gott. Denn was nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde, und wie der Glaube unmöglich neben vorsätzlichen Sünden bestehen kann, so ist es auch unmöglich, ohne Glauben (in Heuchelei und Unbußfertigkeit) Gott zu gefallen. - Wie schlimm steht es also um einen sichern, ruchlosen Menschen, mit welchem es dahin gekommen ist, daß ihm selbst das, was ihm zur Seligkeit und zum Besten verordnet ist, zum Gericht und zur Verdammniß werden muß. - Noch mehr, ein ruchloser Mensch verunreinigt das Land und den Ort, da er wohnt, und die schönste Gegend, das fruchtbarste Land, das prächtigste Haus wird ein Fluch vor Gott um der Sünde des Bewohners willen. Hierüber klagt der Herr bei dem Propheten: „Ich brachte euch in e in gut Land, daß ihr seine Früchte und Güter essen möget, und da ihr hineinkamet, verunreinigtet ihr dasselbe und macht et mir mein Erbe zum Greuel. Oder: „Eure Väter haben Mich verlassen, und ihre Städte einem fremden Gott gegeben.“ „Ich habe Kinder erzogen und erhöhet und sie sind von Mir abgefallen. O wehe des sündigen Volks! des Volks von großer Missethat; sollte sich doch der Himmel davor entsetzen; denn mein Volk thut eine zweifache Sünde.“ Diese Klage wiederholte der Sohn Gottes, als Er auf die Erde kam und wenig Gehör fand: „Jerusalem, Jerusalem! wie oft habe Ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt; wenn du es wüßtest, so würdest du auch bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet“ Was ist dieß anders, als wenn wir einen hochbetrübten Vater über sein ungerathenes Kind seufzen und klagen hörten: o du armer, verblendeter Mensch, was für Herzeleid machst du mir! Wie bist du so thöricht, daß du dich muthwillig in's Verderben stürzest, wie wird es dir zuletzt noch gehen; soll denn meine väterliche Liebe und Treue ganz an dir verloren seyn? - Ist es nicht so, wie wenn ein liebreicher Freund einem Undankbaren mit bekümmertem Herzen sein Unrecht vorhalten muß? Ach! spricht er, ist denn Alles vergessen, was ich an dir gethan? Ist das mein Dank für so viele Wohlhaten, die ich dir erwiesen habe? Wie Moses sagt: „Dankest du also dem Herrn, Deinem Gott, du tolles und thörichtes Volk? Ist Er nicht dein Vater und dein Herr? Ist Er es nicht allein, der dich geschaffen und bereitet hat?“ - Siehe, Mensch, was Sünde ist, und wie wehe deinem Gott die Unbußfertigkeit und Bosheit Seines Volkes thut. Du gehst dahin, bist fröhlich und findest deine Lust an dem Greuel der Sünde; indessen sieht dein Gott deiner Bosheit mit betrübtem Herzen zu und bedauert deine Blindheit und Thorheit. Du beleidigst deinen Schöpfer und Erhalter, verachtest das Blut des Sohnes Gottes, betrübst den heiligen Geist, machst dem Satan Freude und gibst ihm Gelegenheit, sich wider Gott zu rühmen und zu sagen: das sind die Menschen, die Er zu seinem Bilde erschaffen und so theuer erlöst hat, die ich nun in meiner Gewalt habe, daß sie mir dienen nach meinem Willen. - Obgleich nun der langmüthige Gott nach seiner großen Liebe und Barmherzigkeit dem Unbußfertigen eine Zeitlang zusieht, so dürfen wir doch nicht glauben, daß die Sünden vergessen und aus der Acht gelassen werden. Der sichere Mensch meint zwar, seine Missethat gehe vorüber wie ein Schall, der in der Lust verschwindet; aber die Schrift sagt: sie schreie zum Himmel und rufe gleichsam Ach und Weh über den Sünder herab, sie komme hinauf vor Gott und zeuge wider ihn, und werde in ein Buch verzeichnet. Dieß liest und hört freilich mancher Mensch; allein er bedenkt nicht, was es auf sich habe. Wie es sich mit gewöhnlichen Schulden verhält, daß sie täglich wachsen und sich aufhäufen, ehe man es glaubt; so geht es mit der Sünde. Viele freuen sich darüber, daß sie Kredit haben, sie nehmen immer Geld auf und fragen nicht darnach, wie groß ihre Rechnung sey, bis sie ihnen vorgelegt wird, daß sie erschrecken und selbst gestehen müssen, dieß hätten sie nicht vermuthet. Ebenso geht es den Gottlosen, sie lassen es auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit ankommen, sündigen immer fort und glauben nicht, daß sie eine so große und schwere Rechnung bei dem gerechten und heiligen Gott haben werden. - Aber ich versichere dich, o Mensch, du kannst nicht das geringste Unrecht thun, kannst kein unnützes Wort' reden, ja nicht einmal einen sündlichen Gedanken haben, der nicht von Gott aufgezeichnet und nicht eher getilgt wird, als bis du mit herzlicher Reue im Glauben um Vergebung bittest. Es ist immer, wo wir auch sind, eine Hand da, welche unsere Sünden aufzeichnet. Könnte sie Mancher sehen, wie Belsazer, er würde sich eben so entfärben, zittern und erschrecken, wie jener, zumal, wenn er die Schrift lesen und die Zahl seiner Uebertretungen erfahren könnte. Wie es nun ein großes Unglück ist, in schweren Schulden zu stecken, so ist der Jammer noch viel größer, mit Sündenschulden überhäuft zu seyn.

Die Sünde ist aber nicht bloß im Himmel angeschrieben, sondern auch im Herzen des Menschen. Er glaubt es zwar nicht, doch lehrt die Erfahrung, daß manchmal das Gewissen ist, wie der Brief, welcher dem Propheten Ezechiel vorgehalten ward, eine Zeitlang eingewickelt und zusammengelegt, wenn er aber geöffnet wird, so ist er innen und außen mit Ach und Weh überschrieben. Je länger der verblendete Mensch sündigt, desto mehr Unglück häuft er über seine arme Seele; er gleicht einem Trunkenbold, der viel starkes Getränke mit Lust genießt und erst nachher den Schaden empfindet, welchen er sich an seiner Gesundheit gethan hat. Die Beispiele derer, welchen das beschwerte Gewissen große Herzensangst verursacht hat, können davon zeugen. Wie kläglich spricht David davon: „Meine Sünde ist immer vor mir, errette mich von den Blutschulden“ Errette mich, barmherziger und gnädiger Gott, meine Sünden haben mich ergriffen; sie machen mir angst und bange, daß ich ohne Deine Hülfe erliegen und verderben muß. - Wie ging es dem Judas, der, durch das Geld verblendet, sich nicht scheute, seinen Herrn zu verrathen? Trieb ihn nicht seine Herzensangst und das von der Hölle entzündete Gewissen zur Verzweiflung? Und so geht es seither noch vielen andern ruchlosen Menschen; sobald die innere Stimme erwacht, haben sie weder Rast noch Ruhe, sie mögen gehen, wohin sie wollen, überall werden sie von ihrem Gewissen verfolgt und finden nirgends Trost, es sey denn, daß sie zu dem gekreuzigten Jesu ihre Zuflucht nehmen, welchen Gott als einen Gnadenstuhl vorgestellt hat für alle Sünder. Wenn es auch gleich noch nicht mit Allen, die in beharrlichen Sünden leben, dahin gekommen ist, so können sie doch aus solchen Beispielen lernen, was sie hier und dort zu erwarten haben. Die Sünde ist ein schleichendes Gift, das nicht alsbald wirkt. Viele greifen mit Lust darnach, weil sie nichts Schädliches dabei fühlen; aber wenn das Gewissen erwacht, so wird die Süßigkeit in lauter Galle verwandelt, daß es heißt: Es ist deiner Bosheit Schuld, daß du so gestäupet wirst und deines Ungehorsams, daß du so gestrafet wirst; du mußt erfahren, was für Jammer und Herzeleid es bringet, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen und ihn nicht zu fürchten. - Zwischen einem sichern und geängsteten Gewissen ist der gleiche Unterschied, wie zwischen zwei Uebelthätern, welche in die Hände der Obrigkeit gerathen sind, und von denen der Eine schon auf der Folter liegt und dem Andern, welcher zusieht, zeigen muß, was auch er nach einer Stunde zu erwarten habe. So ist nun ein ruchloser Sünder ein recht elender Mensch, wenn er auch sein Elend noch nicht erkennt, weil er den Zorn Gottes täglich über sich häuft. Judas wurde nicht erst elend, als das Gift der Sünde in ihm zu wirken anfing, sondern damals schon, als er sich von Gott abwandte, ging sein Elend an und wurde nachher nur offenbar. - Man kann mit Recht von den Gottlosen sagen, daß sie schon in diesem Leben der Hölle angehören, und wie die Gläubigen schon selig und mit Christo in das himmlische Wesen versetzt sind, also sind die Gottlosen, so lange sie so bleiben, schon gerichtet und tragen die Hölle in ihrem Busen, wiewohl sie es nicht glauben oder wissen. Könnten wir wirklich eine unbußfertige Seele sehen, so würden wir vor ihrer Abscheulichkeit erschrecken und sie mit den Banden des Satans bestrickt finden, je nachdem die Sünde in ihr herrschend geworden ist. - Sind die Gottlosen fröhlich bei ihren Zechen, so sind die höllischen Geister zugegen und ermuntern sie zur Trunkenheit, geben ihnen allerlei leichtfertige, unkeusche, schlimme Gedanken ein, veranlassen sie zu thörichten, schändlichen Reden und treiben sie von einer Sünde zur andern. Macht ein Unbußfertiger eine Reise, so ist auch da der Satan bei ihm sammt allen den Lastern und Sünden, denen er sonst ergeben ist. Studirt, schreibt derselbe, oder sitzt er über seinen Rechnungen, so sind die höllischen Geister gleichwohl seine Gesellschafter, bestärken ihn in seiner Bosheit, bringen ihm allerlei listige Anschläge bei und unterstützen ihn in seinem gottlosen Vorhaben, die Einfältigen zu fangen. Wenn er in die Kirche geht, so begleiten sie ihn auch dahin, zerstreuen sein Herz während des Gottesdienstes auf allerlei Weise, wiegen ihn in den Schlaf, so daß der Mensch zwar in der Kirche ist, aber ohne Herz, ohne Andacht, ohne Furcht. Will er aber wirklich auf die Predigt Acht haben, und dringt der heilige Geist mit dem Wort zu seinem Herzen, so kommt der Satan und nimmt dasselbe wieder, damit er nicht glaube und selig werde. Will er beten, so weiß es der Verführer so zu leiten, daß das Gebet ein leeres Plappern mit dem Munde wird, wiewohl er es meistens dahin bringt, daß der Mensch das Gebet ganz vergißt, oder sein Gespött damit treibt. - Gehet er zu Bette, so sind die bösen Geister auch da zugegen, helfen, daß er recht sicher einschläft und schändliche und sündliche Träume in ihm entstehen. Wenn er erwacht, so machen sie, daß er auf seinem Lager nach Schaden trachtet, sich an seinen begangenen Sünden ergötzt oder auf künftige sinnt. Von einem solchen Menschen kann man nichts anders sagen, als daß er in den Armen des Teufels schlafe; es ist nur Ein Schritt zwischen ihm und dem ewigen Tode. Nur etwas ist es noch, das ihn erhält und dem Satan nicht gestattet, seinen Willen an ihm zu vollbringen, - die göttliche Langmuth und Güte, welche immer und immer zuwartet, ob er nicht Buße thue. Wenn aber die Gnadenzeit dahingeht und der ruchlose Sünder alle Gnadenmittel beharrlich verachtet, so erreicht sein Elend den höchsten Grad, daß es von ihm, wie von dem König Saul heißt: „Er starb in seinen Sünden.“ - Melanchthon hält es für die schrecklichsten Worte der Schrift, wenn von Judas gesagt wird: der Teufel fuhr in ihn, oder von andern Gottlosen: Er nahm das Wort von ihren Herzen. Obenan aber stehen gewiß diejenigen: „sie starben in ihren Sünden“; denn nach dem Tode ist keine Gnade, keine Buße, keine Hoffnung mehr. Was der Mensch in der Zeit gesäet hat, das wird er erndten in Ewigkeit; wie der Baum fallt, so bleibt er liegen; wer in seinen Sünden stirbt, über dem bleibt der Zorn Gottes ewiglich. Da wird es heißen: wie viel er sich herrlich gemacht und seinen Muthwillen gehabt hat, (welch' große Lust und Freude er in seinen Sünden fand), so viel schenkt ihm Qual und Leid ein“ -

Lasset uns nun, meine Brüder und Schwestern, den kläglichen Zustand der sündlichen Seele zusammenfassen. Sie ist eine Feindin Gottes und ein Greuel vor seinen Augen, ein Scheusal der Engel, eine Freundin der Teufel und ein Schandfleck der Kirche Gottes, ausgeschlossen von der Gemeinschaft der Heiligen, aller Gnadengaben der Kinder Gottes beraubt, geschändet in ihrer höchsten Ehre, arm bei all' ihrem Reichthum, abscheulich bei all' ihrer Pracht ist sie der Erde eine Last und allen Creaturen zur Betrübniß. Wo sie geht und steht, ist sie von der Hölle umgeben, arm, elend, nackt, blind und bloß, verflucht ist ihr Eingang und Ausgang, ihr Gebet und Gottesdienst ist Sünde. Sie ist lebendig todt, lebt im Tode und ist todt in ihrem besten Leben. Daher ein angesehener Lehrer mit Recht sagt: Das Wort Sünde begreift den Zorn Gottes und das ganze Reich des Satans in sich und ist ein schrecklich Ding, mehr, als man aussprechen kann. - Ein anderer: wenn er zwischen der Hölle und der Sünde wählen sollte, so wollte er lieber in der Hölle ohne Sünde als in der Sünde ohne Gott und seiner Gnade seyn. Daher sagte auch jene gottselige Mutter zu ihrem Sohn: Sie wolle ihn lieber vor ihren Augen sterben, als eine Todsünde begehen sehen. -

Stelle nun, o Christ, der du dieses hörst und liesest, eine genaue Prüfung an, und forsche fleißig nach, ob du dich nicht in einem solchen gefährlichen Zustand befindest? Schmeichle dir nicht selbst, schone dich nicht, es gilt hier nicht Gut und Ehre, nicht Leib und Leben, sondern Seele und Seligkeit. Denke von dir nicht allzugut, und traue dir nicht zu viel zu. Das Aergste, was die Sünde mit sich bringt, ist das, daß sie die Leute verblendet und sicher macht, daß die, welche am tiefsten in dem Sündenelend sind, es am wenigsten meinen, besonders wenn noch zeitliches Glück, weltliche Ehre und Hoheit, Reichthum und Gunst bei Menschen dazu kommt. Wer will (dem Gottlosen) sagen, was er verdient, sagt Hiob, wer darf ihm seinen Weg vor Augen legen; und wer will ihm vergelten, wenn er etwas Böses thut?-Jener König klagte, daß er Alles an seinem Hofe hätte, nur die Wahrheit nicht, und dessen Sohn fragte einmal seinen Mundschenken, ob er nicht glaube, daß wenig Regenten in den Himmel kommen, und was die Ursache sey? Als nun dieser mit der Antwort zögerte, fuhr er fort: Es ist kein Wunder, daß wenige selig werden, sie haben zu wenig Personen um sich, die ihnen die Wahrheit sagen. Dieser Mangel findet nicht allein bei hohen Häuptern statt, sondern auch bei niedern Ständen, wenn sie einen Vorzug an Gütern, Macht und Ehre haben.

Sie sind zwar selbst größtentheils Schuld daran, daß sie die Wahrheit nicht hören; denn sie werden dem gram, der nicht nach ihrem Sinne redet, obgleich sie zum Heil ihrer Seele nichts Besseres thun könnten, als daß sie irgend einem aufrichtigen Menschen,-besonders denen, die dazu berufen sind, erlauben würden, sie ohne Furcht ungescheut von ihrem Zustande zu unterrichten. Auch wäre es ihnen sehr heilsam, wenn sie öfters nach Gottes Wort eine genaue Prüfung ihres Christenthums anstellen würden, damit sie nicht mit der Hoffnung des Himmels zur Hölle wanderten. - Darum, wohlan meine Leser, wer ihr auch seyd, gebt Gott die Ehre und thut es zum Besten eurer Seele, und untersuchet heute genau euer Leben, euern Wandel, euer Amt, eure Wege, ob sie dem Willen Gottes gemäß und dem heiligen Vorbild Jesu Christi angemessen sind oder nicht, ob die Sünde, der Eigenwille, die Hoffart, die Unkeuschheit, der Geiz, die Feindseligkeit in euch herrsche, ob ihr gelernt habt, euch selbst zu verläugnen, ob ihr der Welt abgestorben seyd, euer Fleisch samt den Lüsten und Begierden kreuzigt, ob ihr täglich euer Kreuz auf euch nehmet, und dem Herrn Jesu nachfolget, ob ihr auf dem schmalen Wege, der zum Leben, oder den breiten Weg, der zur Verdammniß führt, wandelt? Dieß zu wissen, ist nicht schwer. Offenbar sind die Werke des Fleisches, sagt Paulus im Brief an die Galater 5,19. und führt sie der Reihe nach auf. Wer diese Stelle mit Nachdenken liest, bei dem wird es nicht fehlen, daß ihn sein Herz entweder anklagt oder entschuldigt; es wird ihm gleichsam eine Stimme zurufen: - du bist ein Mann des Todes! ein Kind des Zorns; oder: du bist ein Kind Gottes und der Gnade! Wenn ihr nun das erste höret, so lasset euch von eurem äußerlichen, glücklichen Zustande nicht blenden, sondern denket an's Ende, und wo es hinauswill. Was hilft euch alle Pracht der Welt, Ehre, Hoheit, Reichthum und Wollust, wenn eure Seele vor Gott elend, jämmerlich, arm, blind und bloß ist? Was hilft es, daß euer Leib, nach der neuesten Mode gekleidet, mit Gold, Perlen und Edelsteinen geschmückt, die Augen der Weltlich-gesinnten auf euch richtet, wenn eure Seele um der Sünde willen, in welcher ihr lebet, ein Greuel vor Gott und seinen Engeln ist? Was hilft es, wenn ihr vielen Tausenden zu befehlen habt, und viele Länder und Leute nach eurem Sinn beherrschet, wenn ihr euch von euren sündlichen Lüsten beherrschen lasset und eure Seele eine Sklavin des Satans ist? Was nützt eure Weisheit, Gelahrtheit und Geschicklichkeit, wenn Gott euch in seinem Wort für Thoren erklärt, denen man bald die Seele und Alles nehmen werde? Was hilft alle Gunst bei Menschen und ein großer Name vor der Welt, wenn ihr die Gnade Gottes verloren habt, und man im Himmel von eurem Namen nichts wissen will? Was hilft es, wenn es euch nach Wunsch und Willen in der Welt geht, wenn eure Ehre zur Schande wird und euer Ende die Verdammniß ist? - Glaubet mir, daß Viele euresgleichen, die bei ihrem zeitlichen Glück der Furcht Gottes vergessen haben, jetzt so heulen und klagen, wie das Buch der Weisheit sagt: Wir sind eitel unrechte und schädliche Wege gegangen und haben gewandelt wüste Umwege; aber des Herrn Wege haben wir nicht gewußt. Was hilft uns nun die Pracht? Was bringt uns nun der Reichthum sammt dem Hochmuth? Es ist Alles dahingefahren, wie ein Schatten, und wie ein Geschrei, das vorüber fährt?-Gleiche Arbeit, gleicher Lohn, gleiche Saat, gleiche Erndte. - Wie ihr Leben war, so ist das eure, wie ihr Ende, so das eure, wenn ihr nicht bei Zeiten umkehret. - Je besser es euch bei eurem gottlosen Wesen geht, je mehr habt ihr Ursache, euch zu fürchten. Eines der schwersten Gerichte Gottes ist es, wenn Er einem Menschen seinen Muthwillen glücklich fortgehen lässet, wenn Er ihn mit allerlei zeitlichem Segen überschüttet, trotz seiner Gottlosigkeit. Ihr wisset, wie es dem Haman ging, der aus seiner Ehre und Herrlichkeit von der königlichen Tafel weggenommen und an den Galgen, den er einem frommen Manne errichten ließ, gehängt wurde. Das Glück der Gottlosen ist ein Vorbote ihres ewigen Unglücks, es ist kein Zeichen der göttlichen Gnade, sondern des Zorns.-Als man einem berühmten Marschall in Frankreich, der mit der Religion und mit dem Gottesdienst seinen Spott trieb, erzählte, daß ein Mönch dem Erzbischof von Lyon auf seinem Todbette gesagt habe, wenn Gott keine Besserung bei dem Menschen wahrnehme, so verlasse Er denselben, verleihe ihm aber zeitliches Glück und Wohlfahrt, so daß Alles nach seinem Sinn gehe und er im Ueberfluß dahin lebe, - erwiederte jener, daß er unter dieser Bedingung auch verlassen zu werden wünsche. - Wie wahr hat der Mönch gesprochen; dem Spötter aber ging es, wie er begehrte, er war unter denen, von welchen der Prophet sagt: „Du, o Gott, setzest sie auf's Schlüpfrige und stürzest sie zu Boden, wie werden sie plötzlich zu nichte; sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken, wie ein Traum, wenn Einer erwacht, so machst du, Herr, ihr Bild in der Stadt verschmäht.“ Den Sündern gibt Gott meistens zeitliche Güter im Ueberfluß, weil das ihr einiger Wunsch ist; aber zu seiner Zeit rafft Er sie hin zum ewigen Verderben. Ach elendes Glück, das ewiges Unglück nach sich zieht! - Bei einer andern Gelegenheit habe ich die Frage aufgeworfen: Wer wohl der elendeste Mensch sey, und antwortete darauf, daß die zwar elend zu nennen seyen, welche arm, krank, ihrer Sinne beraubt und dabei verlassen, verachtet sind, auch die, welche in Ketten und Banden gehalten werden, oder mit allerlei schweren Anfechtungen zu kämpfen haben; doch sey Niemand elender, als ein gottloser Mensch, der in Unbußfertigkeit, vorsätzlichen Sünden und in Sicherheit dahinlebe, und dessen Ruchlosigkeit mit zeitlichem Glück verbunden sey, so daß er um Gottes Gnade und um seine Seligkeit unbekümmert, gleichsam fröhlich und lachend zur Hölle eile. Gewiß ein solcher Mensch, wenn er auch Scepter und Krone trägt, in Sammt und Seide prangt, täglich herrlich und in Freuden lebt, von Jedermann hochgeschätzt und glücklich gepriesen wird, möchte doch am Ende wünschen, daß er nie geboren wäre. Und man hat viele Beispiele, daß diese Leute, wenn sie von ihrer Eitelkeit in die Ewigkeit gehen müßten, wünschten, sie möchten ihr Lebenlang Taglöhner, ja Bettler gewesen seyn, nur um einige Hoffnung zur Seligkeit zu haben. - So sehet also darauf, daß ihr vor Allem nach dem Stande der Gnade trachtet, und wenn ihr findet, daß ihr durch die Sünde aus demselben gefallen seyd, so eilet und rettet eure Seele! Nehmet das, was oben von der sündhaften Seele gesagt worden ist, noch einmal vor euch, überleget es wohl, und denket nicht, daß es eine bloß gezierte Rede, oder leere Worte seyen, sondern ein wirkliches, wahres Bild eurer armen Seele. Wenn es einen Spiegel gäbe, in dem ihr euern innerlichen, unbußfertigen Zustand betrachten könnet, so würdet ihr erschrecken, als ob ihr den Teufel sehet; denn was anders ist eine unbußfertige Seele, als ein Bild des Teufels? -Doch wozu einen solchen Spiegel? Gottes heiliges und unfehlbares Wort ist der beste Spiegel, in dem ihr euch beschauen könnet, wenn ihr nur wollet. Darum eilet, (ich bitte euch um der Wunden Jesu willen,) wenn ihr dieß gelesen habt, lasset die Sonne nicht noch einmal über eurer Unbußfertigkeit untergehen; leget euch nicht noch einmal mit euren Sünden zu Bette. Reißet euch los aus den Stricken des Satans, sehet, die Gnadenthüre stehet euch noch offen, und der barmherzige Gott, der nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er sich bekehre und lebe, ruft: hier bin Ich! hier bin Ich! Sehet, hier ist der Gnadenstuhl, Jesus Christus der Gekreuzigte, zu Ihm fliehet und suchet Gnade, ihr werdet sie finden! Hier ist der freie, offene Brunnen wider Sünde und Unreinigkeit; waschet euch, reiniget euch, thut euer böses Wesen von Gottes Augen, lasset ab vom Bösen und lernet Gutes thun! Wenn gleich eure Sünde blutroth ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie die Rosinfarbe, soll sie doch (wie weiße) Wolle werden!- Ehe wir diese Lehre schließen, wollen wir noch einer Begebenheit erwähnen, die recht gut für unsern Gegenstand paßt. Ein reicher Mann, der sich in die Güter der Welt und in die Wollust des Lebens so vertieft hatte, daß er nach Gott und dem Himmel, nach dem Teufel und der Hölle gleichviel fragte, auch nie in die Kirche ging, und kein Zureden der Geistlichen gestatten wollte, um nicht in seiner Freude gestört zu werden, hatte einen gelehrten und frommen Freund, der ihn gerne auf andere Gedanken gebracht hätte, und ihn deßhalb besuchte. Gleich beim Empfang sagte Jener, er möchte ihm nur von geistlichen Dingen nichts sagen, er wolle nichts davon hören. Dieser antwortete: er sey aus Freundschaft zu ihm gekommen, und habe sonst allerlei mit ihm zu reden. Er blieb eine Zeitlang und sprach wirklich über verschiedene Gegenstände. Beim Weggehen aber bat er seinen Freund, daß er ihm erlaube, weil sie nun so lange von weltlichen Dingen geredet hätten, nur wenige Worte über das Heil seiner Seele hinzuzufügen. Obgleich Jener dieß nicht zugeben wollte, so fuhr er doch fort und sagte: ich bitte dich, mein Freund, um Gottes willen, wenn du des Abends zu Bette gehest, so denke doch daran, was für ein böses Lager die Gottlosen und Verdammten in der Hölle haben werden - das Unterbette werden Schlangen und Würmer seyn, das Oberbett ein brennender Pfuhl von Pech, Feuer und Schwefel. Der Gottlose entrüstete sich zwar darüber, und ließ seinen Freund im Zorn von sich; doch konnte er nachher dieser Erinnerung nicht los werden. Die Würmer, die Schlangen, das Pech und der Schwefel standen ihm immer vor Augen; er ging in sich, ließ seinen wohlmeinenden Freund rufen, und verlangte von ihm zu wissen: wie er der ewigen Verdammniß entrinnen möge. Er befolgte auch dessen guten Rath, that Buße, und sing an ein christliches Leben zu führen. - Nimm auch du, mein Leser, dieß zu Herzen, und fasse den gleichen Entschluß; denn morgen möchte es vielleicht zu spät seyn! -

Lasset uns nun aus dem Bisherigen lernen, wie wir über das Glück und Unglück, über die Ehre und Schande, über den Reichthum und die Armuth Anderer recht christlich urtheilen sollen. Wir irren darin manchmal sehr; wir sehen oft die Pracht der Gottlosen mit Bewunderung, und das Elend der Frommen mit Verachtung an; wir wünschen dem Glück, den wir beklagen sollten, und beklagen den, dem wir Glück wünschen sollten. Uns gefällt ein buntes Kleid, mit welchem ein sterblicher Mensch seine Schande bedeckt, und das Kleid der Gerechtigkeit und der Rock des Heils, mit welchem Jesus seine Gläubigen angethan hat, achten wir nicht; die Perlen der Gottlosen schätzen wir hoch; die Thränen der Kinder Gottes aber wissen wir nicht zu schätzen.- Nun, liebe Mitchristen, glaubet sicherlich, daß Niemand glückselig, als wer auch gottselig ist. Wer im Glauben des Sohnes Gottes, nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist lebet, und also bei Gott in Gnaden ist, der steht hoch, wenn er auch der Niedrigste in der Welt ist, er ist glücklich im äußersten Elend, er ist schön geschmückt, wenn er in seinen zerrissenen Lumpen sich kaum mehr verhüllen kann. -Sehet den reichen Mann und den Lazarus, - Paulus, den gebundenen und von der Welt gehaßten Apostel, und Felix, den römischen Landpfleger in Judäa, - die Sünderin, welche dem Herrn Jesu zu Füßen liegt, und sie mit Thränen benetzt, und die Bernice, welche in Pracht und Eitelkeit erscheint; - welche haltet ihr für die Glückseligsten? Wenn wir vielleicht zu jener Zeit gelebt hätten, wären wir, eingenommen von dem äußerlichen Scheine, verleitet worden, ein falsches Urtheil zu fällen; allein der Ausgang hat uns gelehrt, wer selig zu preisen ist. Die Armuth des Lazarus ist ewiger Reichthum, die Thränen der Sünderin sind in Wein, die Banden des Paulus sind in Kronen und Palmzweige, - das Wohlleben des Reichen dagegen ist in ewiges Heulen und Zähnklappern, der eitle Schmuck der Bernice in Würmer, die zeitliche Ehre des Felix in Schmach und Schande verwandelt worden. - Ein mächtiger Monarch ließ, als er auf seinem Todbette lag, seinen Thronfolger zu sich rufen, und zeigte ihm seinen jämmerlich zugerichteten Körper, mit den Worten: Siehe, mein Sohn, was wir unter unsern königlichen Kleidern decken; ich bitte dich, wenn du dich in Ehre und Würde befindest, so erinnere dich an meinen kläglichen Zustand und vergiß meines elenden Lagers nicht. - Sehet, das ist die Glückseligkeit und Herrlichkeit der Welt! Urtheilet nun selbst, ob Die vor Andern selig zu preisen seyen, welche zwar im Irdischen alle Vorzüge besitzen, doch der Sünde, dem Elende dieses Lebens und dem Tode ebenso unterworfen sind, als der geplagteste Bauer und der elendeste Bettler, - besonders, wenn auch noch die Verdammniß dazu kommt. Lasset uns die Sache recht bedenken, und sie nicht nach dem äußern Schein, nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist, nicht nach dem Sinn der Welt, sondern nach dem, was Gott gefällt, beurtheilen. Die Frommen werden nicht bloß darum die Verborgenen Gottes genannt, weil sie Gott zur Zeit der Noch aufnimmt und schützt, sondern auch, weil er sie unter viel Armuth, Trübsal, Schmach und Verachtung zu verstecken pflegt. Denn wie er in der Natur den süßen Kern in rauhen, bittern Hülsen, die Rose unter den Dornen, das Gold in Schlacken und den Diamant in Felsen verbirgt, eben so verhüllt er die Seinigen in Trübsal. Wer hätte unter dem armseligen Kleid und in dem elenden Körper des Lazarus eine solche theure Seele gesucht, um deren Heimholung sich selbst die Engel stritten? Dieser war ein Verborgener Gottes. Lasset uns daher Fleiß anwenden, daß wir dieselben kennen lernen, lasset Freundschaft mit ihnen machen, nach dem Wort des Erlösers: „Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.- Die frommen Armen bekommen Macht von Gott, ihre Wohlthäter in den Himmel aufzunehmen, sie sind arm in der Welt und wir reich, nachher ändert sich dieß, sie sind reich und wir darben. - Darum soll uns 1) die Freundschaft eines im Glauben mit Christo vereinigten Bettlers mehr gelten, als die höchste Gnade eines gottlosen Regenten. Die Thränen der Gottseligen sind besser, als alle Schätze der Welt, ein Seufzer eines Gläubigen ist besser, als das Geld und Gut der Reichen. Wenn uns ein gottloser Reicher ein Stück Geld schenkt, so müssen wir befürchten, daß es den Fluch mit sich bringt; aber die Fürbitte eines Frommen, der unter die Freunde Gottes gehört, bringt reichen Segen, wie Hiob sagt: „Der Segen dessen, der verderben sollte, kam über mich.“ Wenn uns ein frommer Leidender für eine Wohlthat Segen wünscht', so scheint dieß ein leeres Wort ohne Kraft zu seyn, auch währt es oft lange, bis wir einen Nutzen davon sehen; aber es ist wie mit den Dünsten, die von der Erde aufsteigen und erst einige Zeit nachher wieder als Regen herabfallen, um die Erde zu erquicken. 2) Wollen wir aber auch die Gottseligkeit lieben, ehren und hochschätzen an unsern Kindern, und dem gottlosen Wesen überall zu steuern suchen. Gesetzt ihr habt zwei Kinder, von denen das eine gesund, munter, fähig, artig und ganz nach dem Wunsche der Welt ist; das andere aber schlicht, gerade, fromm, demüthig und im Gebet andächtig. Welches ist euch das liebste? dem Fleisch nach werdet ihr das. erste, dem Geist nach aber das zweite mehr lieben. -“ Der Erzvater Isaak zog den stillen, frommen Jakob, dem wilden, frechen Esau vor. Denn wenn die Gaben der Natur auch noch so vorzüglich sind, aber die Gottesfurcht fehlt, so Müssen sie der Frömmigkeit nachgesetzt werden. Alle Gaben, aller Witz, alle Fertigkeit, Beredsamkeit, Schönheit, Geschicklichkeit und Ansehen eines unwiedergebornen Menschen sind nichts als Werkzeuge des Satans, um sein Reich dadurch zu vermehren. Daher muß es heißen: das frömmste Kind, das liebste; wo das Bild Jesu sich zeigt, dahin müssen sich unsere Augen und Herzen richten. - Die schönste Münze der Christen ist die, welche das Gepräge des gütigen, sanftmüthigen, keuschen, demüthigen Herrn Jesu hat, und mit dem Kreuze gestempelt ist. Seine ächten Nachfolger wählen mit Recht nicht die Waagschale, ,die zur Erde zieht, sondern diejenige, welche in die Höhe (gen Himmel) geht. - 3) Ebenso sollen wir es auch mit dem Gesinde, mit den Nachbarn und Freunden halten. Dem müssen wir feind seyn, bei welchem sich Bosheit und gottloses Wesen findet; die Gottseligkeit aber lieben und ehren. - Ein ganzes Haus, ein Geschlecht, ja ein ganzes Land hat oft den Segen um eines einzigen frommen Menschen willen. Laban mußte erkennen, daß der Herr ihn segnete um Jakobs willen; Joseph brachte Glück, Heil und Segen in Potiphars Haus; dem Paulus wurden alle Seelen geschenkt, die mit ihm im Schiffe waren, welche elendiglich hätten umkommen muffen. Wir haben also Ursache, die Gottseligkeit nicht nur um ihrer selbst, sondern auch um ihres Nutzens willen hochzuschätzen, und der Bosheit, wie ansehnlich, wie nützlich sie auch ist, stets vorzuziehen. 4) Bemerken wir an einem Feinde rechtschaffene Früchte des Glaubens, Eifer und Andacht im Gebet, Geduld, Demuth und Gelassenheit, so lasset uns nicht ruhen, bis wir ihn wieder zum Freund haben. Besser viel gottlose Feinde, als einen Freund Gottes zum Widersacher zu haben. Jene können drohen, schelten, beleidigen und sich rächen; dieser aber kann weinen, seufzen, beten und die Rache Gottes wider uns erwecken. Es bleibt also bei dem, was der Prophet sagt: ein Kind Gottes soll die Gottlosen nicht achten, sondern die Gottesfürchtigen ehren,„ wenn jene gleich reich und mächtig, diese aber arm und verachtet sind. Denn diejenigen haben keinen Theil am Reiche Gottes, welche den Gottlosen um ihres Guts und um ihrer Gewalt willen schmeicheln, die Frommen aber ihrer Armuth wegen verachten. Der Herr unser Gott lehre uns durch seinen Geist, den rechten Unterschied machen, und nicht nach dem äußern Schein urtheilen. Ihm sey Ehre in Ewigkeit! Amen.

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