Scriver, Christian - Am II. Heiligen Weihnachts-Feiertage.

Scriver, Christian - Am II. Heiligen Weihnachts-Feiertage.

(Die neue Creatur, herausgegeben von Joh. Heinr. Häveker. Lüneburg 1685. 4. S. 73 ff.)

Vorbereitung

Es schreibt der heilige Apostel Paulus zu Ende seiner ersten Epistel an die Corinther folgendergestalt: So Jemand den Herrn Jesum Christum nicht lieb hat, der sei Anathema Maharam Motha. Es ist zwar zu verwundern, dass der Apostel, welcher selbst sagt: Segnet und fluchet nicht! Allhier Andere verflucht. Allein er bezeuget hiermit seine herrliche Liebe zu dem Herrn Jesu und ist beflissen, Andere zu gleicher Liebe zu verbinden und anzuzeigen, dass alle Diejenigen unter dem Fluch sind, welche Jesum und seine Diener nicht allein nicht lieben, sondern noch überdies verfolgen, dergleichen die Schriftgelehrten und Juden gewesen sind, von welchen das heutige Festevangelium handelt.

Text Matth. 23,34 – 39.

Eingang

Es wird von einigen alten Lehrern folgende liebliche Geschichte erzählt: Der heilige Johannes hatte einen feinen jungen Menschen einem asiatischen Bischofe befohlen, dass er ihn im Christenthume unterrichten und zur rechtschaffenen Gottesfurcht anführen solle. Das that nun der Bischof und brachte es dahin, dass der Jüngling durch die heilige Taufe der christlichen Kirche einverleibt ward. Nachher aber mochte er ihm wohl etwas mehr Freiheit vergönnen, als ihm dienlich war, dadurch es denn dahin gerieth, dass er durch böse Gesellschaft zu einem wilden, wüsten Leben verleitet, endlich sich zu den Strassenräubern schlug und deren Oberster und Führer ward. Als nun nach einigen Jahren der Apostel wieder in die Stadt kam und sich des Jünglings erinnerte und nach ihm fragte, bekam er die betrübte Antwort, dass er leider übel gerathen und dass es so, als es jetzt gemeldet, mit ihm stünde. Darüber er denn herzlich erschrak, bald aber aus christlicher Liebe sich aufmachte, das verlorene Schäflein wieder aufzusuchen. Er kam in die Gegend, wo er berichtet war, dass die Räuber sich aufhielten, liess sich von denselben wiligst gefangen nehmen und bat, dass sie ihn zu dem Obersten brächten: dieser, als er ihn ansichtig ward und erkannte, fing an zu fliehen. Der alte werthe Apostel aber folgte ihm nach Kräften nach und schrie hinter ihm her: Warum läufst Du vor Deinem Vater? Warum fliehst Du als ein Gewappneter vor mir, der ich ohne eigene Waffen zu Dir komme? Fürchte Dich nicht, es ist noch Hoffnung da deiner Seligkeit! Ich will den Herrn Jesum für Dich bitten, ja, wenn es nöthig ist, für Dich sterben. Stehe still, mein Sohn, Christus Jesus hat mich zu Dir gesandt! Hierdurch wird nun der Flüchtige zum Stand gebracht, dass er sein Gewehr von sich warf und mit niedergeschlagenen, thränenden Augen des Apostels erwartete, der ihn mit sich zurücknahm und mit Gott und der Kirche versöhnte.

Wir sehen hieraus theils der Heiligen Gottes grossen Eifer für die Seelen, welche auch nicht eine einige versäumen wollen und zwar in Betrachtung theils des göttlichen Befehls: Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel, du sollst aus meinem Munde das Wort hören und sie von meinetwegen warnen; theils der Seelen Würde, welche der Herr Jesus Christus mit seinem Blute zu erlösen kein Bedenken gehabt und also dieselbe der ganzen Welt und ihren Schätzen vorgezogen hat, welchem billig alle treuen, gottseligen Lehrer der Kirche nachfolgen, welche wacker sein und nicht ablassen sollen. Tag und Nacht einen Jeglichen mit Thränen zu vermahnen. Theils sehen wir auch hieraus die rechte Art, die Seelen zu gewinnen, welche ist nachfolgen, suchen, flehen, anhalten, beten, warten, bis man das verlorene Schaf gefunden und zurecht gebracht hat. Ich muss gestehen, dass auch einige einen heiligen Ernst hiebei gebraucht haben, als Paulus, welcher einen Blutschänder ausschloss aus der Gemeine und dem Satan übergab zum Verderben des Fleisches, auf dass der Geist selig würde am Tage des Herrn Jesu; allein es ist ein Himmel, der mit einem sanften Regen die Erde befeuchtet und welcher mit Donner und Blitz dieselbe erschüttert und fruchtbar machet; es ist eine Gnade, ein Geist und eine Liebe in Paulo und Johanne. Wiewohl auch Paulus diejenigen, so in der Gemeine waren, oft väterlich und mütterlich tractiret hat, daher er Solches den Thessalonichern zu Gemüthe führet und saget: Wir sind mütterlich gewesen bei euch, gleich wie eine Amme ihre Kinder pfleget, ihr wisset, dass wir, als ein Vater seine Kinder einen Jeglichen unter euch ermahnet und getröstet; und ist dies gewiss, dass der Ernst zu Zeiten schrecket, die Sanftmuth und die Liebe aber die Herzen schmelzet und überwindet. Theils sehen wir auch hieraus die heilsamen Früchte eines heiligen und liebreichen Eifers. Gott lässet seiner getreuen Diener Arbeit nicht gänzlich umsonst und vergebens sein, sie reissen manche Seele wie einen Brand aus dem Feuer und jagen dem höllischen Löwen ein Schäflein ab, wie David beide den Löwen und Bären schlug, als er die Schafe seines Vaters hütete.

Vornehmlich aber habe ich diese Geschichte zu dem Ende erzählet, dass wir ein Bild hätten der unverdrossenen Liebe Jesu Christi. Denn woher hatte der heilige Johannes solchen Eifer, solche Liebe und solches Vertrauen, die Seelen zu gewinnen? Es hatte der liebe Jünger solches Alles aus der Brust des Herrn Jesu gleichsam gesogen. Denn wie hoch und theuer der Herr Jesus eine einige Seele gehalten hat, ist aus der heiligen Schrift zur Genüge bekannt. Wir wollen nur einige wenige Exempel anführen. Löblich ist's zu lesen, was sich mit dem Samaritischen Weibe begeben hat; da der liebste Heiland von der Reise matt und müde, voller Schweiss und Staub, auch hungrig und durstig war, darum auch seine Jünger in die Stadt gegangen waren, um Speise zu kaufen, vergass er Essen und Trinken und aller seiner Beschwer und bemühte sich, dieses Weib von seiner Person und Amt zu unterrichten, ihre Seele zu retten und durch sie auch Andere zu gewinnen. Und als ihm hernach seine Jünger zum Essen nöthigten bekamen sie zur Antwort: Meine Speise ist die, dass ich thue den Willen Dess, der mich gesandt hat. Das war aber seines himmlischen Vaters Wille und das ihm anvertraute Werk, dass er die Seelen sollte selig machen.

Was mit dem Thomas, einem von den Zwölfen, nach des Herrn Auferstehung vorgegangen, ist bekannt, wie er nämlich um der einigen irrenden Seelen willen zum andern Male seinen Jüngern erschienen und diesen vor anderen angeredet, ihm seine heiligen Wunden und Nägelmal gezeiget und zu glauben ermahnet. Nikodemus kam in der Nacht zu ihm und ward dennoch nicht abgewiesen. Es hätte sich der theure Heiland mit Fug beschweren können, dass man ihn des Nachts die Ruhe störte, allein er that es nicht, es betraf eine Seele, dieselbe zu gewinnen wollte er gerne eine Nacht wachen. Als er auf einer Reise durch Jericho ging, kehrte er beim Zachaeo ein, freute sich darüber, dass er eine Seele gewonnen hätte und sagte: Des Menschen Sohn ist kommen zu suchen und selig zu machen, das verloren ist, wie auch die heilige Schrift von solchem Zweck seiner Zukunft sonst hin und wieder redet. Und dieses sein Verlangen hat er auch im Himmel nicht abgelegt, wie aus der Historia Pauli erhellet, welchen er mitten auf dem Wege, da er die Christen verfolgte, ergriff und bekehrte, dass er nachmals rühmen konnte: Christus hat mich geliebet und sich selbst für mich dargegeben. Er eilet noch jetzo den Sündern nach mit seiner Gnade und Barmherzigkeit und rufet: Ach liebes Kind! Warum fliehst du von mir? Wohin willst du laufen, da dich meine Seele nicht verfolgen sollte? Warum läufst du vor mir, deinem Bruder, Mittler und Seligmacher. Siehe, hier ist mein getreues Herz, hier sind meine offene bluttriefende wunden! Hier ist mein heiliges Blut für deine Sünden vergossen, hier ist die offene Himmels- und Gnadenthür. Es wäre zu wünschen, dass der Herr und seine Diener allezeit das Glück hätten, das der heilige Apostel Johannes gehabt hat, aber, ach leider, viele Herzen sind härter und kälter als Stein und Stahl.

Viele Herzen wollen lieber in ihren Sünden sterben, als sich der Gnade und Liebe Jesu ergeben, welches er denn bitterlich beweinet und beklaget in unserm vorabgelesenen Text. Gott verleihe Gnade, dass wir denselben also mögen handeln, dass es gereiche zu seines heiligen Namens Ehre und euer Aller seligen Erbauung um Christi willen. Amen.

Abhandlung

Der Inhalt unserer heutigen Predigt soll dieser sein:

Die Welt verachtet dich, mein Jesu, kehr' doch einverleibt
In meines Herzens Haus, lass mich dein Küchlein sein.

Die Welt ist einem Rasenden gleich, der seinen Arzt und seine Pfleger verlachet und wenn er sie errreichen kann, beleidigt und beschädigt; sie meint, sie bedürfe keine Hilfe, und ist also in dem gefährlichen Zustande und dem ewigen verderben nahe. Und diese ist die verkehrte Unart des menschlichen Herzens und eine teuflische Bosheit, dass es von Natur der heilsamen Gnade Gottes sich widersetzet, dem heiligen Geist widerstrebet und sich von dem Herrn Jesu nicht will rathen oder helfen lassen. Die Erfahrung hat's gegeben, dass etliche beissige Hunde, wenn sie in Gefahr des Wassers oder in einen Strick gerathen sind, Denjenigen in die Hand beissen wollen, der sie hat wollen erretten. So macht's die Welt auch: Sie ist wie ein Distelkopf und Dornbusch, die sich ohne Stechen und Kratzen nicht lassen angreifen.

Aber damit wir eigentlicher und mit besserm Nutzen von dieser Sache mögen handeln, so lasset uns betrachten: 1. Die Güte Gottes und die herzliche Begierde des Herrn Jesu, der Welt zu helfen. In diesem 23. Cap. Matthäi, daraus unser Evangelium genommen ist, finden wir unsern Seligmacher so eifrig und so hart redend, als fast nirgend.

Er widerholt das erschreckliche Weh zu acht verschiedenen Malen und beschliesst es endlich mit diesen harten Worten: Ihr Schlangen, ihr Ottergezüchte, wie wollt ihr der höllischen Verdammniss entrinnen! Darauf setzt er endlich die Worte des Evangeliums: Darum siehe, ich sende zu euch Weise und Schriftgelehrte u.s.w. Als wollt er sagen: Ob ihr wohl durchaus böse und gottlos seid und fast alles Gute und Wohlthat an euch verloren ist, so will ich doch nicht nachlassen, ich will es noch mal versuchen und getreue, eifrige, mit Geist und Gaben herzlich ausgerüstete Leute zu euch senden, ob ich noch einen und andern retten und selig machen könnte. Ich habe zwar bisher vielfältig und oft versuchet und habe meine Liebe gegen euch ausgebreitet, ich habe auf mancherlei Weise mich gemüht, unter meine Gnadenflügel euch zu sammeln, und ihr habt nicht gewollt. Nun, so will ich noch einmal euch treulich warnen und warnen lassen, werdet ihr nicht die Gnadenzeit erkennen und euch herzlich zu Gott bekehren, so wird euch das Verderben übereilen u.s.w. Diese Liebe kann ohne Eifer nicht sein, und weil unser Erlöser die Menschen so herzlich liebt, so kann er nicht anders, als über ihren Ungehorsam und Undankbarkeit eifern. Er rufet das Weh mit kläglicher und ernstlicher Stimme aus, doch darum, dass er die Widerspenstigen heilsamlich schrecken und warnen möge. Daher ist seine Klage verdoppelt und gar beweglich saget er: Jerusalem, Jerusalem e.c.t., wie also David aus recht betrübtem Herzen über die traurige Post wegen des Todes seines Sohnes sagt: Mein Sohn Absalon, mein Sohn, mein Sohn Absalon, wollte Gott ist müsste für dich sterben, o Absalon, mein Sohn, mein Sohn! Oder wie Gott der Herr aus betrübtem Herzen sagt. O Land! Land! Land! Höre des Herrn Wort.

Lasset uns aber nicht meinen, als ob die Güte und Leutseligkeit Gottes und unseres Heilandes Jesu habe aufgehört. Denn obwohl nicht kann geleugnet werden, dass es mit der Bosheit der Welt sei auf's Höchste gekommen und die menschlichen Herzen verkehret sind, vornehmlich durch Annehmung der Atheisterei, durch Bedrängung der Kirchen und übele Erziehung der Jugend u. dg., so hat doch Gott bisher nicht aufgehört zu senden Weise, Schriftgelehrte, Propheten und getreue Prediger, die mit Mund und Hand das wahre Christenthum wieder anzurichten sich fleissig lassen angelegen sein; noch jetzo glucket und locket der liebreiche Mund Jesu Christi, noch jetzo sind seine Gnadenflügel ausgebreitet, die trostreiche Lehre von der Gnade und Liebe Gottes, von dem Verdienst und der Gerechtigkeit Jesu, von der gnädigen Vergebung der Sünden wird so ausführlich und kräftig gehandelt, dass ich nicht weiss, ob nach der Apostel Zeit Solches herrlicher und reicher geschehen ist. Man hat die heilsame Lehre in Lieder gefasst, in Bilder und Gleichnisse gebracht und auf allerlei erdenkliche Art süss und beliebt gemacht. Gott stellet sich also zu reden in allen Gassen, auf allen Ecken und an allen Enden und rufet: Hie bin ich! hie bin ich! Und ob zwar die christliche Kirche heutiges Tages leider in mancherlei Secten zerrissen, so sehe und erfahre ich doch mit Verwunderung und Freude, dass der liebreiche Oberbischof unserer Seelen allenthalben Leute erwecket und erhält, die hintan gesetzt alles Gezänks, auf Glauben, Liebe und Hoffnung dringen und sich die zerstreuten Küchlein unter die Flügel Jesu Christi zu versammeln äusserst bemühen etc. Man findet eifrige und getreue Lehrer, die mit grosser Freudigkeit von der Welt Bosheit zeugen, das Wehe über sie rufen und sie auf einen andern Weg zu bringen versuchen. Das Alles zeuget ja von der Leutseligkeit Gottes und unsers Heilands; hierzu kommt die Langmuth und Geduld Gottes, von welcher Petrus redet, als welcher nicht will, dass Jemand verloren werde, sondern dass sich Jedermann zur Busse bekehre, welche Geduld unseres Herrn wir billig für unsere Seligkeit achten sollen. Ich will jetzo nicht sagen von den vielfältigen Wohlthaten, welche Gott der undankbaren Welt täglich erzeiget. Lasset uns aber auch betrachten II. Die Bosheit der Welt und ihr verstocktes Herz. Was damals die Juden thaten, Das thut die Welt noch, sie verachtet Jesum Christum, ihren Heiland, sie verlachet und verspottet ihre heilsame Lehre und heiliges Leben, sie verfolget, ängstigt, betrübt und quälet seine Diener mit ihrem gottlosen Wesen, sie hat aus dem Christenthum ein Stück ihrer politischen Botmässigkeit gemacht und will die Kirche regieren nach ihren fleischlichen und gottlosen Sinn, sie will schlechterdings über Christum und seine Diener herrschen und von ihnen ungestraft und ungebessert sein. Sie sind aber, sprichst du, nicht alle dergleichen, man findet gleichwohl auch noch viel fromme, gottselige Herzen, die den Herrn Jesum und sein Wort lieb haben, und ich antwortete: Allein in der Nachfrage möchte es gehen wie Esaias sagt: Wenn uns der Herr Zebaoth nicht ein Weniges liesse überbleiben, so wären wir wie Sodom und gleich wie Gomorrah. Und Micha: Ach, es geht mir wie einem, der im Weinberge nachlieset, da man keine Trauben findet zu essen und wollte doch gern die besten Früchte haben; die frommen Leute sind weg im Lande, und die Gerechten sind nicht mehr unter den Leuten u.s.w. Doch müssen wir wissen, dass die Welt und deren Unart uns Allen noch im Herzen stecket; es ist in dem verderbten Menschen eine natürliche Widerspenstigkeit und Ungehorsam gegen Gott. Man sieht es an den kleinen Kindern, dass sie gern ihren Willen wollen haben und von den Aeltern ungezwungen und ungestraft sein; so sind wir alten Kinder auch, die meisten wollen sich den Geist Gottes nicht strafen lassen. Unser Herz ist bei guten Tagen den Küchlein gleich, die sich weit von der Henne zerstreuen und ihrem Dünken nachgehen, ja Viele, ob sie wohl den Namen gottseliger Christen hören, das Wort Gottes hören und sich der heiligen Sacramente gebrachen, so widerstehen sie doch Christo und seinen Dienern durch muthwillige Sünden. Hier ist nun die Erneuerung unseres Herzens nöthig, und wir müssen uns nicht zufrieden geben, ehe wir eine herzliche Liebe zu dem Herrn Jesu, dessen Wort und Dienern und einen willigen Gehorsam gegen seine Gebote, wie auch eine Hochachtung seiner Liebe und Verlangen nach seiner Gnade, in uns verspüren. Wir müssen das Wort des Herrn ehren und willig annehmen mit des Apostel Petri Zuhörern (Apost. 2,41), die Diener Gottes als Engel, ja als Jesum Christum aufnehmen (Gal. 4,14), ihnen gehorchen und folgen, ihre Dräuungen fürchten, kurz, weil die Gnade Gottes unser höchster Trost sein soll im Sterben, so muss auch das Wort der Gnaden unsere höchste Lust sein in unserm Leben. Wollen wir Frieden mit Gott haben durch Jesum Christum, so müssen wir die Boten des Friedens nicht beleidigen und betrüben, wollen wir den evangelischen Trost haben, so müssen wir auch die evangelische Lehre nicht verschmähen.

Lasset uns nun allhier anstellen I. Eine Prüfung wie es um unser Herz steht, und unter welchen Haufen der Feinde oder der Freunde Jesu Christi wir gehören? Ich weiss wohl, dass dieses Vielen wird anscheinen, als könnten sie es nicht ertragen, dass ich unter den Christen, welche Gottes Wort hören und seiner heiligen Sacramente sich gebrauchen, will Friede des Herrn Jesu und seines Worts suchen. Allein ich habe schon oft gesagt, dass dies ein gefährlicher Betrug des Satans sei, wenn er unter dem Schein der Gottesfurcht und äusserlicher Larve des Gottesdienstes betrügt. Da prüfe nun ein jedweder sein Herz, vielleicht findet er darinnen einen heimlichen Widerwillen wider die Diener Jesu Christi; vielleicht ist er wie Ahab gesinnt, der dem Micha gram ward. Den Trost und die Gnadenverheissung hört er gerne, aber die Strafen nicht. Ach, wie gemein ist es heutigen Tages, dass das Predigtamt mit der Obrigkeit streiten muss in Sachen, welche zum Reiche Christi und Erbauung seiner Kirche gehören. Da meint man straks, man müsse den Priestern nicht zu Viel angewöhnen, man müsse kein neu Papstthum lassen einrichten, da will man durchaus Predigern Alles vorschreiben und ist nicht leicht ein weltgesinnter Mensch, der nicht ein heimlicher oder öffentlicher Priesterfeind sei. Da heisset's: Muss es denn allemal nach der Priester Sinn gehen? Unsere Zunge soll überhand haben, uns gebühret zu reden, wer ist unser Herr? (Ps. 12,5)

Hier will ich nun einen Jedweden treulich gewarnt haben, hütet euch für Feindseligkeit gegen die Diener Christi! Hütet euch für Feindseligkeit gegen die Diener Christi! Hütet euch, dass ihr nicht ihre Thränen und Seufzer auf euch ladet. Ein feindseliges Herz gegen rechtschaffene Prediger ist gewiss ein unwidergeborenes, unchristliches Herz. Es ist eine gewisse Anzeige, dass es von dem Weltgeist regiert wird. Wer ein heimlicher Feind der Prediger ist und sie ohne Ursache betrübet, der ist ein Feind Christi und hat Christum betrübet und wenn er auch zehn Kirchen baute, alle Tage drei Predigten hörte und alle Jahre zehn mal zum heiligen Abendmahl ginge. Ich wollte Solches nicht sagen, weder um mein-, noch anderer getreuer Prediger willen, weil wir dazu berufen sind, dass wir der Welt Hass und Bosheit unterworfen sind, darum hat uns Gott von der Welt gewählet und ausgesondert, dass wir mit der Welt streiten, ihrer Gottlosigkeit widersprechen und Hass und Feindseligkeit von derselben zum Lohn haben sollen; wir wissen auch, dass wir einen Herrn haben, der uns schützen kann, und wenn wir uns recht besinnen, so spotten wir der Welt und sagen mit Esaia: Seid böse ihr Völker, beschliesset einen Rath und werde nichts daraus, beredet euch und es bestehe nicht, denn hie ist Immanuel. Müssen wir denn schon was leiden, so wissen wir, was die Wahrheit gesaget hat: Selig sind, die um Gerchtigkeit willen verfolgt werden, denn das Himmelreich ist ihr; selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden alles Uebels wider euch, so sie daran lügen, seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnet werden. Um euretwillen aber sage ich Solches. Denn was schadet's dem Herrn Jesu und seinen Dienern, dass sie die Welt verfolget, geängstigt, betrübet, gegeisselt, gekreuzigt und getödtet hat, da sie nunmehro im Himmel herrschen, triumphiren und die Welt unter ihren Füssen haben? Hiegegen, was hat's der Welt und allen Feinden des Worts und der Diener Christi geholfen, dass ihnen ihr Muthwillen frei ausgegangen ist in diesem Leben, da sie jetzo in Ewigkeit von Gottes Angesicht verworfen, wünschen, nie geboren zu sein. Ein rechtschaffener, getreuer Diener Christi hat nicht Ursach, sich allzusehr über der Welt Verachtung und Verfolgung zu betrüben, weil ihn eben dies ein gewisses Zeichen seines Berufs, seiner Treu' und des rechten Weges ist. Prediger, die die Welt mit Rosen bestreuet und auf weiche Polster setzet, taugen nicht; auf welche sie aber mit Steinen oder mit Scheltworten wirft, die härter sind als Steine, welche sie mit Dornen krönet und ihnen das Kreuz erzwinget, wie Simon von Cyrene es dem Herrn Jesu nachgetragen, die sind die rechten. Wir müssen mit Paulo die Malzeichen Jesu an unserm Leibe tragen. Ein rechtschaffener Diener Christi fürchtet sich, wenn ihn weltgesinnte Leute loben, lieben und gross mit ihm thun, denn er muss denken, dass sie etwas ihnen gleich und gefällig an ihm finden; er freut sich aber, wenn sie ihn schelten, schmähen und vernichten. So kann's nun keinem Prediger schaden, wenn er verfolget wird. Aber Welt siehe du zu! -

Ich bin kein Predigerfeind, möchte allhier Jemand sagen, und habe mir das nicht anzumaassen. Ich antwortete: Vielleicht bist du ein Predigerfeind damit, dass du sie mit deinem gottlosen Wandel quälest und betrübest. Ein gottloser, ungerathener Sohn ist ja der Feind seines Vaters, der ihm mit seiner Gottlosigkeit das Herz abnaget und das Leben verkürzet; so auch ein ungerathener Zuhörer, ob er schon den Prediger nicht öffentlich verfolgt, quälet er doch mit seinem ungerechten Wandel und Werken die Seele seines Predigers, wie den gerechten Loth die Sodomiten. Und ach! Wie viele sind unter euch, die unsere Seelen mit ihrem ruchlosen Wandel quälen! Ihr unversöhnlichen, zanksüchtigen Haderkatzen, ihr Flucher, ihr Trunkenbolde, ihr gottlosen Aeltern, die ihr eure Kinder so übel erziehet, wie manchen Seufzer presset ihr aus unserm Herzen? Nun Mensch, besinne dich noch heute; ach wie lange willst du nach deiner alten sündlichen Gewohnheit hinleben? Wie lange soll dich dein Jesus umsonst locken? Wie lange willst du die Gnade Gottes und seine Langmuth missbrauchen? O wie oft hat Jesus dich bisher wollen unter seine Flügel sammeln, und du hast nicht gewollt! Fürwahr, wir Prediger spüren und empfinden allezeit einen kräftigen Trieb, eure Besserung zu befördern, wir kommen niemals auf die Kanzel, wir gehen niemals in den Beichtstuhl, dass wir nicht ein heiliges, herzliches Verlangen haben nach eurer Busse und Seligkeit. Hierum beten und seufzen wir herzlich, hiervon reden wir, hierauf denken wir Tag und Nacht. Was ist aber dieser Trieb in uns? Alles die Liebe Jesu Christi und sein Verlangen, sein Wollen, seine Begierde nach eurer Seligkeit. Wenn Du denn endlich nicht willst, Mensch, so wirst du ein wildes, wüstes, verstocktes Herz zum Lohn haben, wie man denn leider manchmal die betrübte Besorgniss haben muss, dass Etliche wegen ihrer langwierigen Unbussfertigkeit in einen verkehrten Sinn dahin gegeben sind; und dies ist das allergrösste Elend in der Welt. Blind sein, taub sein, lahm, arm, krank, rasend sein, ist ein grosses Elend, in Schimpf und Schande gerathen ist noch grösser, aber in einem verkehrten Sinn dahin gegeben und von Gottes Gnade verlassen sein, ist das allergrösste. Und ach, wie bange ist mir, dass Etliche unter euch in diesem Elend stecken, die es wohl nicht meinen. Ach Herr Jesu, du allerliebstes, langmüthiges, frommes Herz werde doch nicht müde des Erbarmens, habe doch Geduld, verschone doch noch eine Zeitlang Derer, die in Sicherheit und Sünden leben, vielleicht werden sie endlich sich durch deine Güte und Gnade gewinnen lassen und sich bekehren. Ach Herr bekehre uns, so werden wir bekehrt! II. Lasset uns auch hieraus merken eine Ermahnung, dass wir um der Menschen Bosheit und Undankbarkeit willen nicht müssen müde werden, Christo zu dienen und unserem Berufe treulich nachzuleben. Eines Christen Herz muss sein, wie eine lautere süsse Quelle, die alle Zeit ihr Wasser giebt, auch wenn Schlangen, Kröten, Hunde und Säue daraus trinken; wird sie getrübet, sie verschwemmet den Schlamm und die Unreinigkeit und führet hernach ein eben so lauteres und süsses Wasser als vorhin; so muss ein jedweder Christ sein, wie ein fruchtbarer Baum, ob man schon mit Steinen und Prügeln zu ihm einwirft, sein Obst dafür herunter wirft und doch über's Jahr wieder Früchte trägt. Dieses haben insonderheit Prediger in Acht zu nehmen, welche oft mit Esaia einerlei Gedanken haben, dass sie meinen, sie arbeiten vergeblich und bringen ihre Kraft umsonst und unnützlich zu; allein unmöglich ist's, dass ihre Arbeit gänzlich kann umsonst sein, vermöge der Verheissung Gottes; gleich wie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin kommet, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und wachsend, dass sie giebt Samen zu säen und Brodt zu essen; also soll das Wort, so aus meinem Munde geht, auch sein, es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern thun, das mir gefället undsoll ich gelingen dazu ich's sende. Zwar nicht alle Zeit erzeuget sich die Frucht zur Stunde, sondern es geht den getreuen Dienern Christi wie den Ackerleuten, welche oft säen und hernach müssen ihre Saat wie jetzo mit Schnee und Eis bedecket sehen, hernach aber folget die Frucht. Oftmals findet sich der Nutz ihrer mühseligen Treue erst nach ihrem Tode, wie an dem Exempel Joseph's und Nicodemi zu sehen, deren Glaube erst nach dem Tode Jesu ausbrach; also wird oft der Jugend ein Fünklein durch die Katechismuslehre und treue Unterrichtung in's Herz geworfen und solch Vertrauen haben wir auch durch Christum zu Gott, dass es hie und anderswo durch Gottes Gnade geschehen ist.

Und Dieses soll nicht allein die Lehrer der Kirchen erinnern, dass sie in ihrem Amte mit unnachlässigem Fleiss anhalten, sondern auch die Obrigkeit, Hausväter, Herren und Frauen; obgleich die Jugend, Kinder, Gesinde sehr gottlos sind, so muss man doch nicht nachlassen, sondern immer arbeiten mit Unterrichten, Ermahnen, Dräuen, Strafen und Vorbitte bei Gott für dieselben thun, und wenn wir in Allem müde werden, müssen wir doch nicht aufhören mit Seufzen und Beten wie die fromme Monica für ihren Augustinus. Wir müssen gedenken, wie so ein grosser Gewinn es sei, wenn man eine Seele vom Tode gerettet hat. Thun also Diejenigen nicht recht, welche einen Knecht oder Magd alsobald aus dem Hause jagen, wenn sie nicht nach ihrem Sinne sind, weil sie noch nicht versuchet haben, dieselben Christo zu gewinnen, wie Paulus den Onesimum. Wir müssen die Menschen betrachten nicht als Menschen, sondern dass sie mit dem Blute Christi erlöset und eines solchen Lösegeldes werth geachtet sind. Wenn gleich alle Mühe und Arbeit an ihnen vergebens und verloren ist, so wird sie doch bei dir nicht verloren sein. Denn gleich wie die Güte und Barmherzigkeit Gottes allermeist darin gepreiset wird, dass sie sich auch den widerspänstigen und undankbaren Feinden anbeut; also lässet sich auch der Menschen Liebe klarer sehen, wenn sie die Bösen duldet in Hoffnung, dass sie dieselben Christo wollen gewinnen. Ja, bei Gott wird Alles eigentlich angemerket, wie er durch Johannem dem Bischof der Gemeine zu Epheso Solches erinnern liess mit diesen Worten: Ich weiss deine Werke und deine Arbeit und deine Geduld.

Lasset uns merken III. einen Trost für die Gläubigen, welche Christo von Herzen anhangen. Denselben haben sie zu nehmen aus dem schönen Gleichniss, welches der Herr gebrauchet, von der Gluckhenne und ihren Küchlein sprechend: Wie oft habe ich eure Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel! O wie selig seid ihr doch, ihr Liebhaber Jesu und seines Worts! Es kann und muss euch an Rath, Trost und Hilfe niemals fehlen, Jesus wird euch leiten, Jesus wird euch speisen, Jesus wird euch trösten, Jesus wird euch schützen, decken, erwärmen. Lasset die Welt haben, was sie will, wir haben Jesum Christum und seine Liebe und Treue, er ist unsere Henne, wir sind seine Küchlein. Mangelt's an Trost, Jesus suchet ein Körnlein in seinem Worte, ein kräftiges Trostsprüchlein und leget's unserm betrübten Herzen vor. Saget die Welt, wir sind arm, so sage ich: Gottes Kinder können nicht arm sein, denn ein Küchlein hat all' seinen Reichthum in der Henne und ihrer Vorsorge und Flügeln. Ein klein saugend Kind möchte man arm nennen, weil es Nichts hat und sich keines Dinges annimmt, sein Reichthum aber ist in der Mutter Schooss und an ihrer Brust, und es bedarf Nichts mehr. Also die Kinder Gottes sind reich genug, denn sie haben Jesum, die Mutterbrust der Liebe Gottes, und was bedürften sie mehr? Sie haben einen Schatz, damit sie den Himmel bezahlen können, den ihnen kein Teufel, kein Tod nehmen kann. Die Welt ist arm mitten in ihrem Reichthum, denn sie hat keine Gott, keinen Seligmacher und will ihn nicht haben. Verfolget uns die Welt? Wir haben eine sichere Zuflucht unter den Gnadenflügeln Jesu Christi, wir verbergen uns mit ihm in einen finstern Stall und sind in solcher seiner Hütten fröhlich und sicher. Schrecket uns der Satan mit der Sünde? Wohlan, wir sind arme, schwache Küchlein und können leider ganz ohne Sünde nicht sein, wiewohl wir es herzlich wünschen und täglich mit uns selbst streiten und kämpfen, doch haben wir Jesum herzlich lieb, liegen ihm täglich mit Reu' und Leid zu Füssen und folgen ihm mit Seufzen und Girren und Winseln nach. Müssen wir denn sterben? Wohlan, wir wollen mit dem heiligen Stephan unter den Flügeln und in den Armen Jesu Christi sterben, oder vielmehr selig einschlafen. Christen fürchten sich billig so wenig vor dem Tode, als das Küchlein, wenn es gegen Abend sich unter der Henne Flügeln verbergen soll. Das Küchlein sieht man alsdann nicht mehr, es ist aber unverloren, es ist wohl verwahrt. So bleibet's nun dabei:

Meinen Jesum lass' ich nicht,
Denn er wird auch mich nicht lassen.
Dieses glaub' ich, anders nicht,
Und er wird mich nimmer hassen;
Darum sprech' ich: Ihn, mein Licht,
Meinen Jesum lass' ich nicht.

Christen sind bienenartig, als ich in einem andern Ort in einem Sinnbilde vorgestellt habe, wo ihr König ist, da wollen sie aus Liebe zu demselben auch sein, sie folgen ihm fröhlich und willig, wo er sie nur hinführet, es ist aller ein Denkspruch: Meinen Jesum lass' ich nicht. Sie haben aber auch der Küchlein Art an sich, welche der Gluckhenne alle Wege folgen. Darüber freut sich eine Jesus liebende Seele billig und bittet zu dem Ende zum Beschluss dieser Predigt mit mir:

Die Welt verachtet dich, mein Jesu, kehr' doch ein
In meines Herzens Haus, lass' mich dein Küchlein sein!
Dir, o Herr Jesu, sei sammt dem Vater und dem heiligen
Geist Lob, Preis und Dank gesaget, jetzo und in Ewigkeit.

Amen.

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