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Schopf, Otto - Freiheit und Macht

Schopf, Otto - Freiheit und Macht

Ich habe es zwar alles Macht, aber es frommet nicht alles; ich habe es alles macht, aber es bessert nicht alles. Niemand suche das Seine, sondern ein jeglicher, was des andern ist. Alles, was feil ist auf dem Fleischmarkt, das esset, und forschet nichts, auf daß ihr des Gewissens verschonet. Denn „die Erde ist des Herrn und was drinnen ist“. So aber jemand von den Ungläubigen euch ladet, und ihr wollt hingehen, so esset alles, was euch vorgetragen wird, und forschet nichts, auf daß ihr des Gewissens verschonet. Wo aber jemand würde zu euch sagen: „Das ist Götzenopfer“, so esset nicht um deswillen, der es anzeigte, auf daß ihr des Gewissens verschonet. Ich sage aber vom Gewissen, nicht dein selbst, sondern des andern. Denn warum sollte ich meine Freiheit lassen richten von eines andern Gewissen? So ich’s mit Danksagung genieße, was sollte denn verlästert werden über dem, dafür ich danke? Ihr esset nun oder trinket oder was ihr tut, so tut es alles zu Gottes Ehre. Seid nicht ärgerlich weder den Juden noch den Griechen noch der Gemeine Gottes; gleichwie ich auch jedermann in allerlei mich gefällig mache, und suche nicht, was mir, sondern was vielen frommet, daß sie selig werden.

1.Korinther 10,23-33.

Zwei herrliche Worte finden sich in unserem Text, die von jeher der Menschen Herzen höher schlagen ließen. Es sind die Worte „Macht“ und „Freiheit“. Und es hat seine Berechtigung, daß uns diese Worte so erheben. Sind doch Macht und Freiheit zwei Dinge, die die Höchsten auf Erden schmücken. Ohnmacht und Gebundenheit fesselnd den Sklaven. Ohne Macht und Freiheit wäre ein Herrscher nur ein Schatten, eine Lüge. Wir Menschen aber sind ein Herrschergeschlecht. In dem ersten Worte Gottes an die ersten Menschen hat er sie eingesetzt zu Herrschern, und das hat der Mensch nie wieder ganz vergessen können, so tief er gesunken ist. Die aber, die an den Herrn Jesum gläubig geworden sind, sind erlöst von der Knechtschaft, sind Königskinder und Gotteskinder geworden. Für die Freiheit hat uns Christus befreit. Alles ist euer! ruft uns Paulus zu. Ich habe es alles Macht, wiederholt er einmal ums andere mal. Unser Heiland hat uns zu Königen und Priestern gemacht unserm Gott. Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt, und es wird euch kein Ding unmöglich sein, sagt uns unser Heiland. Wir haben hineingeschaut in das königliche Gesetz der Freiheit. Darum ist es bei uns Kindern Gottes zweimal begreiflich, daß die Worte Freiheit und Macht uns groß und köstlich sind.

Und für uns Mitglieder Freier evangelischer Gemeinden liegt es besonders nahe, daß wir das Lob der Freiheit singen. Ist es uns doch schon durch unsern Namen nahegelegt, die Freiheit zu schätzen. Es ist uns aus der Schrift besonders klar geworden, wie wichtig die Freiheit ist. In unsern Kreisen soll das köstliche Gut der Gewissensfreiheit besonders gehütet werden. Jeder Gläubige in unserer Mitte soll frei nach seinem Glauben leben können, weil, was nicht aus dem Glauben kommt, Sünde ist. Wir möchten es gerne jedem unserer Geschwister klar machen, daß niemand das Recht hat, unsere Freiheit zu richten. Wir stellen keine Glaubensbekenntnisse und Lehrsätze auf, die jeder anerkennen muß, wenn jeder nur an Jesum Christum, den im Fleische gekommenen Sohn Gottes als an seinen persönlichen Heiland von Herzen glaubt. Wir haben kein Kirchenregiment und keine Kirchenverfassung; keine Gemeinde und kein Mann, keine Versammlung von Gemeinden oder von Brüdern, darf über eine andere Gemeinde oder über ein anderes Glied herrschen. Wir nehmen wohl Ratschläge an und geben Ratschläge, aber wir sehen aus der Schrift, wie zart die Apostel z.B. in Apostelgesch. 15, in 1. Kor. 7-10 und in Römer 14 die anderen Gläubigen behandelt haben. Wir haben gelernt, daß der Herr jedes einzelne seiner Kinder besonders führt und erzieht, daß Judenchristen und Heidenchristen, daß zwei Heidenchristen oder zwei Judenchristen untereinander verschiedene Erkenntnis haben können, und daß man nicht durch Zwang und Gesetz, sondern durch Belehrung und Aussprache, durch geduldiges Tragen und Warten einander in der Erkenntnis und in der Praxis fördert. Wir sind besonders auf unserer Hut, daß wir der Gefahr, die die Apostelgeschichte und der Galaterbrief uns zeigt, nicht zum Opfer fallen, daß wir nicht ein Joch auf der Jünger Hälse legen, und daß wir nicht durch das Aufrichten einer eigenen Gerechtigkeit, durch Wiederaufnahme des in Christo außer Wirksamkeit gesetzten Gesetzes das Werk Christi in Frage stellen.

Und die Folge von dieser Wertschätzung und Betonung der Freiheit in unseren Kreisen ist, daß die Gnade bei uns gerühmt und klar ans Licht gestellt werde, daß der knechtische Geist der Furcht, die Skrupulosität und Haarspalterei, die den Herrn verunehrt, zurückgedrängt werde. Eine weitere Segensfrucht der Betonung der Freiheit, für die uns Christus befreit hat, ist die von vielen auch außerhalb unserem Kreise vertretene und geschätzte Tatsache, daß wir viel selbständige Persönlichkeiten unter uns haben, viele ausgeprägte und schön entfaltete Individualitäten, die darum unverkrüppelt, unverdreht, wahr und eigenartig sind, weil sie sich so entfalten konnte, wie der Herr selbst sie angelegt hat. Auch durch unsere Jugend geht infolge der Freiheit, die sie genießt, vielfach ein frischer Zug. Sie darf jung sein, sie darf und kann wahr sein, und muß nicht reden und scheinen und tun, wie wenn sie schon einige Jahrzehnte älter wäre. Dank der Bewegungsfreiheit, die unsere jungen Leute meist genießen, treten ihre Fehler und Gefahren leichter zu Tage und können eher bekämpft und geheilt werden. Die Freiheit, die man bei uns genießt, gibt uns die Möglichkeit, alles, was unser geschaffen hat, alles, was in der Welt an uns herantritt, mit unbefangenem Blick zu prüfen und unsern Gott für alle seine Werke und seine Weisheit, wo immer sie sich zeigt, zu preisen. Wir haben dadurch auch Gelegenheit, mehr zu lernen von anderen, indem wir uns auch umsehen, was andere tun, was andere haben, und uns fragen, was wir von ihnen lernen können. Wir werden keine kritiklose Schar, die wie eine Hammelherde ihrem Führer nachläuft. Wir bilden uns ein eigenes Urteil und messen uns nicht nur an uns selber. Durch Vergleichung mit anderen, wird auch die Selbstkritik und damit die Erkenntnis dessen gefördert, was uns noch mangelt, was wir ablegen, was wir lernen und besser machen müssen. Aber auch die Erkenntnis dessen kann zunehmen, was wir vor anderen voraus haben. Wir werden uns der Gaben und Kräfte, der Vorzüge und Vorteile bewußt, die wir vor andern voraushaben. Wir lernen dadurch, wo und wie wir andern dienen und helfen müssen und können, was wir für Aufgaben und Verantwortung haben. Von solcher vom Herrn gewirkten und durch unsere Freiheit geförderten Erkenntnis gilt in Wahrheit, daß Wissen Macht ist. So haben wir denn Macht, und Macht muß ja bei der Freiheit sein. Macht ohne Freiheit wäre doppelt drückende Sklaverei. Macht ohne Freiheit führt zu dem, wozu es im Dampfkessel kommt, wenn die darin aufgespeicherte Kraft sich nicht betätigen kann, zur Explosion. Und Freiheit ohne Macht ist glänzendes Elend; man kann die Freiheit nicht beschützen und nicht benützen.

Wie erhalten und vermehren wir uns nun Freiheit und Macht? Zunächst dadurch, daß wir uns derselben recht bewußt werden uns die dann energisch verteidigen gegen alle und alles, was uns unsere Freiheit und Macht nehmen oder auch nur beschränken will, und endlich indem wir alle Mittel benutzen, um unsere Freiheit und Macht zu mehren. Wir gehen dabei aus von 1. Kor. 10,23-33.

Ich habe alles Macht, sagt der Apostel in Vers 23 ebenso wie Kapitel 11 u. 12. Das deckt sich mit dem, was er in 1. Tim. 1,9 sagt: Dem Gerechten ist kein Gesetz gegeben, und in Römer 7,6: wir sind vom Gesetz los. Alles, was Gott geschaffen hat und uns erreichbar gemacht hat, ist gut. Wir sind nicht mehr unter den Elementen der Welt. Und gilt nicht mehr: berühre das nicht, koste das nicht; wir brauchen uns nicht mehr ein Gewissen machen zu lassen über bestimmte Feiertage, Neumonde oder Sabbate, seitdem wir mit dem in Verbindung stehen, der ein Herr ist auch des Sabbats, und der gesagt hat: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Wenn wir irgendwo hin eingeladen werden, so handelt es sich für uns nur um die Frage, ob wir hingehen wollen (V. 27). Und daß wir alles so frei genießen dürfen, hat seinen Grund in der von der Schrift schon zur Zeit des Gesetzes bezeugten Tatsache, daß die Erde des Herrn ist und alles, was darinnen ist. Wir haben von Gott eine Freiheit empfangen, die uns gehört, die ich “meine“ Freiheit nennen darf, weil die Schrift sie so nennt (V. 29), und die mir niemand nehmen darf, nachdem ich ihr hohes Gut aus der Hand des Gebers aller guten Gaben “mit Danksagung“ genommen habe. Jede Zeit und jeder Ort und jedes Ding ist in meine Macht gestellt, und so bin ich wirklich ein König und ein freier Herr aller Dinge. Wie köstlich mußte das besonders den Judenchristen sein, die früher fortwährend durch das Gesetz und durch die dies wohl liebevoll abgemessene Gesetz verschärfenden und verzerrenden Vorschriften der Aeltesten gehemmt waren, und tausend Dinge nicht berühren, den und jenen Ort seiner Heiligkeit oder Unheiligkeit wegen nicht betreten durften und auf die besonderen Zeiten mit ihren Forderungen und Geboten achten mußten. Wie köstlich mußte das den Heiden sein, die von Glücks- und Unglückstagen abhängig waren, die vor Zauber sich fürchteten, und mit Zaubermitteln sich schützten, daß sie nun hören durften: Ich habe es alles Macht. Und wie köstliche ist es für Leute, die Namen-Christen waren und nun Gottes Kinder geworden sind, daß sie nun nicht immer Angst haben müssen, dies oder jenes sei Sünde, oder unter dem Druck stehen müssen, daß sie jedenfalls eines besonderen Maßes von Heiligkeit entbehren, wenn sie dies tun und jenes lassen, und die nun überall ihres Vaters Liebeswerk und Gaben sehen und genießen dürfen, und die wissen, allezeit ist heilige Zeit und selige Zeit, denn mein Vater blickt allezeit auf mich, liebt mich allezeit und will mich allezeit segnen. Heilig ist jede Stätte, denn überall ist mir mein Vater nah, und eben diese heiligen Stätten bringen keine Schrecken, sondern jeder Ort ist ein Segensort und ein lieber Ort, weil ich da meines Vaters Freundlichkeit schaue und genieße. Der Kerker zu Philippi, das scheiternde Schiff, der Wagen des Kämmerers aus Mohrenland, der Sand am Strand von Milet, das Richthaus in Rom und die Tempel in Jerusalem sind alles gleich heilige und liebliche Orte, weil Gott und der Heiland sich da offenbart. Keine Schranke des Orts, der Zeit und des Gesetzes hemmt Gottes freies Kind, und durch den Glauben bringt ihm alles Segen und wird jede Gefahr von ihm abgewandt.

Woher drohen unserer Freiheit viele Gefahren? Darauf macht uns zunächst Vers 25 u. 27 aufmerksam mit der wiederholten Aufforderung: Forschet nichts. Die gläubigen Korinther sollten nicht selbst ihre Freiheit beeinträchtigen, indem sie, was ihr Gott ihnen anbieten ließ, durch die Erwägungen und Nachforschungen ihrer Vernunft sich befleckten. Sie sollten nicht fragen, ob es etwa Götzenopfer sei, was sie essen, ob also nicht eine heidnische Vorstellung an dem Fleisch klebe, das sie kauften, oder bei einem Gastmahl angeboten bekämen. Sie hätten ebensogut fragen können, ob die Verkäufer auf ehrliche Weise dazu gekommen, ob das Geld ehrlich verdient sei, mit dem das Tier gekauft wurde, von dessen Fleisch sie aßen, ob das Tier nicht gequält worden sei beim Schlachten oder vorher, ob das Futter, von dem es gefressen, ebenfalls auf ehrliche Weise beschafft wurde. Wo in dieser Welt der Sünde ist etwas, an dem keine Sünde klebt? Und doch wird alles geheiligt dadurch, daß es mit Danksagung empfangen wird. Wenn der, der etwas genießt, nicht selbst sündigt, wenn er nicht mit Wissen und Willen Sünde unterstützt, veranlaßt, beschönigt oder über dieselbe zur Tagesordnung übergeht, dann soll er nicht durch seine Grübeleien und Nachforschungen festzustellen suchen, ob jemals jemand sich an dem, was er genießt, versündigt habe, und soll nicht den Schein erwecken, als ob in dieser Welt der Sünde irgend etwas wirklich nie und nirgends mit der Sünde in Berührung kam. So gibt es auch heute noch z.B. Leute, die ein Ei nicht essen wollten, weil ihr Huhn in einem fremden Garten etwas aufgepickt hat, und die ein wahres Geschick darin haben, statt in Einfalt zu genießen, was Gott darreicht, irgend etwas herauszufinden, wodurch sie sich und andern ein Gewissen machen können.

Eine andere Gefahr für unsere Freiheit droht uns von dem Gewissen anderer. Darauf weist der Apostel in Vers 29 hin mit der Frage: Warum sollte ich meine Freiheit lassen richten von eines andern Gewissen? Wir verkennen, wenn wir nach Menschen blicken, die treue Fürsorge Gottes für uns, die jedem Menschen ein Gewissen, sein eigenes Gewissen, jedem Kinde Gottes sein Wort und seinen Heiligen Geist und sein Maß von Erkenntnis gegeben hat; wir verkennen unsere Würde als Kinder Gottes, kraft der wir nicht von Menschen und einem menschlichen Gerichtstage, sondern von ihm allein gerichtet werden, wenn es zur endgültigen Entscheidung um unser Tun und Lassen und dessen Beweggründe kommt. Jeder steht und fällt seinem Herrn (Römer 14). Jeder hat hauszuhalten mit der Zahl von Pfunden, mit dem Maß von Erkenntnis und Kraft, das er vom Herrn empfangen hat. nicht wie lange und wie viel einer im Weinberge des Herrn gearbeitet hat, nicht welchen Dienst er den andern geleistet hat, ist ausschlaggebend, sondern was für ein Haushalter er war, was für ein Maß von Treue er bewiesen hat. Was der eine ungestraft lassen darf, kann für mich Sünde sein, wenn ich’s nicht tue; was der andere im Glauben tut, kann bei mir totes Gesetzeswerk und geistlicher Augendienst sein. Darum darf kein anderer durch sein Gewissen und seine Erkenntnis mich beschränken und beherrschen und dadurch meine Freiheit und göttliche Vollmacht mir schmälern wollen, die mir Gott selbst gegeben hat in seiner unendlichen, großmütigen und freien Liebe.

Bis hierher haben wir gesehen, wie wir uns hüten müssen, daß wir nicht selbst oder daß andere unserer Freiheit und Macht dadurch Abbruch tun, daß sie uns diese Güter beschneiden und teilweise vorenthalten im Gegensatz zu Gottes weisem und gnädigem Willen. Nun aber gilt es auf andere Gefahren zu achten, die von der entgegengesetzten Seite drohen. Darauf weist der Apostel schon gleich Vers 25 hin, nachdem er gesagt: Ich habe es alles Macht, hinzufügt: aber es frommt nicht alles, und nachher: aber es erbaut nicht alles. Hier haben wir also eine Schranke unserer Freiheit und Macht, eben im Interesse unserer Freiheit und Macht. Stark und ungehemmt fließt ein Strom dahin, solange er in seinem Bette bleibt; nehmt ihm seine Ufer, und er versumpft und vertrocknet in der unbeschränkten Freiheit. Mächtig und unabhängig ist ein Mann, der seinen großen Reichtum wohl verwaltet, aber wenn er sein Geld zum Fenster hinauswirft, vernichtet er seinen Reichtum und seine eigene Existenz. Darum entmündigt und beschränkt ihn so unter Umständen der Staat in seinem eigenen Interesse: Es frommt nicht alles!

Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht.
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft,
Einhertritt auf der eignen Spur,
Die freie Tochter der Natur.

Die wohltuende Macht wird furchtbar, wenn sie schrankenlos ist. Dieselben Steine, die ein Haus abgeben, richtig zusammengefügt, können zermalmen, wenn sie den Abhang hinunterrollen. Dieselben Pioniere, die Brücken bauen, können auch Brücken zerstören. Es erbaut nicht alles. So ist es auch im geistlichen Leben. Wir können mit unserer Freiheit und Macht, wenn sie nicht recht gebraucht werden, uns und andern Schaden tun. Hier ist nun eine Grenze. Freiheit und Macht dürfen nicht gebraucht werden, wo sie nicht frommen, wo sie nicht erbauen. Unsere Freiheit hat ihre Grenze an der Freiheit des andern, das zeigt uns noch Vers 29, der darauf hinweist, daß nicht nur der andere unser Gewissen respektieren muß, sondern auch wir das Gewissen des anderen nicht verletzen dürfen bezw. ihn in Gefahr bringen, sein Gewissen zu verletzen. Das ist derselbe Gedanke, den der Apostel auch in Römer 14, Vers 20 ff. betont: Verstöre nicht um der Speise willen Gottes Werk. Es ist zwar alles rein, aber es ist nicht gut dem, der es isset mit einem Anstoß seines Gewissens. Es ist besser, du issest kein Fleisch, du trinkest keinen Wein und tust nichts, daran dein Bruder sich stößet oder ärgert oder schwach wird, und Vers 13 richtet vielmehr, daß niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Aergernis darstelle. Aehnlich auch in unserem Brief Kapitel 8,9-13. Der Apostel meint damit, daß wir, die wir stärker sind und ohne uns zu versündigen etwas tun können, nicht andere in Versuchung bringen sollen durch unser Beispiel, daß sie ohne gutes Gewissen, ohne Wechsel in der Erkenntnis etwas tun oder lassen, weil wir’s tun oder lassen, wobei sie ihr Gewissen beflecken. Es gehört dahin auch weiter das, daß wir darauf verzichten, etwas zu genießen, was wir ohne Leidenschaft zu wecken, ohne unmäßig zu werden, genießen könnten, wenn Gefahr vorhanden ist, daß andere, die bei uns sind und die in Bezug auf denselben Genuß sehr schwach sind und leicht leidenschaftlich werden, nun in die Leidenschaft hineingeraten. Und nicht nur in Bezug auf uns ferner oder näher stehende gilt es, Rücksicht zu nehmen, sondern in Bezug auf alle. Darum schreibt der Apostel: Seid nicht ärgerlich weder den Juden noch den Griechen, noch der Gemeinde Gottes.

Paulus redet nicht von dem und jenem, was und wie man tun und lassen, reden und denken müsse. Er stellt seine ganze Person in diesen seligen Dienst, in diesen seligen Gebraucht der macht, die ihm von Gott gegeben ist, um aufzubauen. Und er kann deshalb einfach sagen: Seid meine Nachfolger. Wieviel hat er gebetet, er darf sagen, allezeit. Wieviel hat er darangegeben, er darf sagen: Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. Wieviel hat er gesiegt: in dem allen überwinden wir weit; wieviel getragen: die Sorge um alle Gemeinden. Wieviel hat er gelitten; davon lesen wir ein weniges in 2. Korinther 12. Wie hat er seine Freiheit gebraucht? Er sagt es uns in 2. Kor. 9,17: Wiewohl ich frei bin von allen, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knechte gemacht, auf daß ich ihrer viele gewinne usw. Wie zieht solches Beispiel an; welches Vertrauen zeigt er zu seinen Brüdern, daß er ihnen zuruft: Seid meine Nachfolger. Er hält es also für möglich, daß seine Brüder ihm folgen können, und er traut ihnen zu, daß sie ihm folgen werden. Aber woher hat er diesen Weg kennen gelernt, woher hat er die Kraft, ihn zu gehen, genommen? Wie konnte er soviel vollbringen, soviel leiden, auf soviel verzichten, soviel tragen, soviel überwinden und allezeit fröhlich sein, wie vermag er alles? Er sagt es uns, indem er zu dem Wort: Seid meine Nachfolger! hinzufügt: gleich wie ich Christi. Durch ihn vermag er alles, um seinetwillen überwindet er in allem, entsprechend der Wirksamkeit Christi kämpft, betet, zeugt er.

Und darum laßt uns nun noch auf ihn blicken, der Pauli Lehrer und Weg, Pauli Kraftquelle und Pauli Schild und großer Lohn war.

Ganz einerlei, wie jene Hebräerstelle zu übersetzen ist, jedenfalls ist es wahr, was in der Lutherischen Uebersetzung von Christo steht, da er hätte wohl mögen Freude haben, achtete er der Schande nicht, sondern erduldete das Kreuz. Ob er wohl reich war, ward er doch arm um euretwillen. Ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich sein; er entäußerte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Wie hat er, dem alle Dinge übergeben sind von seinem Vater, seine Macht und Freiheit beschränkt um unsertwillen und um der Ehre des Vaters willen, so daß er sagen konnte: Ich kann nichts von mir selber tun; meine Worte sind nicht meine, sondern des, der mich gesandt hat. Er hätte bitten können um mehr denn zwölf Legionen Engel, wie er hätte Steine zu Brot machen können und sich von des Tempels Zinne herablassen, er hätte sich zum König machen lassen können von dem begeisterten Volk, er hätte sein Angesicht vor Schmach und Speichel verbergen können, er, der Ungezählten half, der konnte sich selbst nicht helfen. Als er wußte, daß er von Gott gekommen war und zu Gott ging, band er sich die Schürze um und wusch seinen Jüngern die Füße. Für andere hatte er Brot, aber für sich nicht, für andere Linderung und Heilung ihrer Schmerzen, aber für sich nicht, für andere Antwort auf ihre Fragen, aber für sich nicht, für andere Antwort auf ihre Fragen, aber für sich nicht, für andere hatte er den letzten Atemzug und Blutstropfen, da war er reich, aber für sich hatte er nicht, wo er sein Haupt hinlegte, nicht einmal in seinen Todesstunden. Aber so wie er am verhöhntesten, so ist er uns am schönsten, so hat er vielen gefallen, so hat er Juden und Heiden und der Gemeinde Gottes gedient, so hat er vielen gefallen zur Errettung, so hat er nicht das Seine gesucht, sondern die verlorenen Schafe, und so hat er sie gefunden. Beim Zöllner und beim Pharisäer ist er hineingegangen, als er geladen war, und hat mit ihnen zu Tische gesessen, ohne sich zu beflecken und zum Segen für viele. Mit Danksagung hat er genommen, was er selber aß, was er andern darreichte, und am Ende seines Lebens konnte er sagen, daß er nicht seine Ehre, sondern nur die Verklärung des Vaters gesucht habe, so daß sein ehemaliger Feind und Verfolger bezeugt, daß auch Christus nicht an ihm selber Gefallen hatte, sondern unter den Schmähungen derer, die ihn schmähten, die Nahem und die Fernen mit Gott versöhnte und aus beiden einen neuen Menschen schuf, so daß nun in Christo nicht mehr gilt Jude oder Grieche, Knecht oder Freier, sondern eine neue Kreatur.

Wie aber konnte Christus sich also seiner Freiheit begeben, was war die Macht, die ihn befähigte, solche Opfer, sich selbst als Opfer darzubringen? Mit welcher Kraft hat er die Menschheit von der Sünde Schuld und Macht auf ewig befreit? Darauf antwortet die Schrift: er hat sich durch den ewigen Geist Gott geopfert. Also nicht der Macht des Fleisches, sondern der des Geistes verdanken wir unsere Freiheit, und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Der Geist des Herrn ist der Geist der Wahrheit; die Wahrheit aber ist unbesiegbar und unüberwindlich. Der Geist der Wahrheit ist der Geist Christi, der sagt: Ich bin die Wahrheit; der Geist der Wahrheit ist der Geist Gottes, der die Tiefen des Wesens Gottes offenbart, und dieses Wesen Gottes ist Liebe. In Christo und Christi Geist und Christi Opfer ist Gottes Liebe geoffenbart und erschienen, und durch den Geist Gottes und Christi, durch den Geist der Wahrheit, der Kraft, der Liebe und der Zucht wird die Liebe ausgegossen auch in unsere Herzen.

Aber wir sind nicht nur durch den schrankenlosen Gebrauch unserer Freiheit in Gefahr, anderen Menschen zu schaden, sondern wir sind in Gefahr, Gott zu verunehren. Wenn wir Kinder Gottes, ja wenn wir nicht aller Gottesfurcht bare Menschen sind, so müssen wir uns scheuen, dazu beizutragen, daß Gott verunehrt werde. Wo wir aber einem Menschen Anlaß geben, daß er sich versündigt, da geben wir ihm Anlaß, Gott zu verunehren; wo wir einem Menschen schaden, da sündigen wir und verunehren Gott, wo wir andern schaden und Gott verunehren, da schaden wir uns selbst, sündigen gegen uns selbst und preisen nicht Gott an unserem Leibe und an unserem Geiste, sondern verunehren ihn. Darum ist jeder Mißbrauch unserer Freiheit in jedem einzelnen Falle dreifache Sünde.

Das eben Gesagte ist aber nicht so zu verstehen, als ob man keine Gabe Gottes gebrauchen dürfe, wenn sie von andern mißbraucht werden kann, denn jede Gabe kann mißbraucht werden, sondern der springende Punkt ist, daß wir nicht durch unsere mangelnde Enthaltung andern zum Mißbrauch Anlaß geben und sie in Versuchung führen, ihre Gewissen zu beflecken.

Aber wir sollen nicht nur unsere Freiheit und Macht nicht zu unserm und anderer Schaden oder zur Verunehrung Gottes gebrauchen. Oder besser gesagt: Unsere Freiheit und Macht bringt uns nicht nur in die glückliche Lage, Schlimmes zu verhüten, sondern sie gibt uns das selige Vorrecht, Gutes zu stiften. Wir dürfen fragen: was nützt, was erbaut, was ehrt Gott?

Ein Beobachter der Geschichte der Menschheit hat gesagt: „Wo Macht ist, da wird sie mißbraucht.“ Daß das unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht dieser Welt so ist, wundert uns nicht, denn der Fürst dieser Welt, der Lügner von Anfang, der alles verdreht, der Mörder von Anfang, der jedes Gute ertötet, der kann nicht anders als seine Sklaven zum Mißbrauch und Verderben jeder Gabe Gottes anzuleiten und seine große Macht seinen Werkzeugen zu leihen, damit sie mißbraucht werde. Aber nicht so ist es bei Gottes Kindern; sie bekommen zur Macht und zur Freiheit, auf ihr Gebet, die Erkenntnis dessen, was sie besitzen, ein Verständnis dafür, wie alle die Gaben und Kräfte Gottes ineinandergreifen, wie die gute Ursache und Wirkung zusammenhängt, und sie bekommen auch praktische Weisheit, wann, wie und was anzuwenden ist, zur Erbauung der anderen. Denn der leitende Grundsatz des Kindes Gottes ist: Niemand suche das Seine, sondern was des andern ist. Kein Selbstsüchtiger kann regieren. Die Tyrannei der Willkür und Launenherrschaft, die sich durch sich selbst, nicht durch die andern und den, der über allen steht, bestimmen läßt, zerrüttet sich. Schon die Fürsten dieser Welt haben immer wieder teilweise erkannt und geübt, was Friedrich der Große sagt, und wodurch sie das Beste an ihrer Größe sich erwarben: Der Fürst ist der erste Diener des Staats. Das hat zur Größe Preußens und Deutschlands geführt, während das viel reichere Frankreich, dessen Fürst den Grundsatz proklamierte: Der Staat bin ich! der politischen Revolution, der sittlichen Zerrüttung und der Gewaltherrschaft entgegentreibt. Es ist klar, daß in einem Reiche, wo das der leitende Grundsatz ist: ein jeder suche nicht das Seine, sondern das, was des andern ist, keiner zu kurz kommt. Während da, wo jeder das Seine sucht, ein Kampf aller gegen alle stattfindet, wo jeder nur einen hat, der für ihn lebt, nämlich sich selbst, und alle anderen gegen ihn arbeiten, ist es in einem Reiche, wo jeder angewiesen ist, für den andern zu sorgen, gerade umgekehrt. Da suchen Unzählige meinen Vorteil, und nur einer sucht nicht meinen Vorteil, nämlich ich. Es ist ein einfaches Rechenexempel, was das Klügste ist. Wenn ich das, was des andern ist, suchen soll, dann habe ich tausendfachen Ansporn, meine Kräfte zu entfalten. Wenn ich das, was vielen frommt, suche, so habe ich vielfachen Grund, von Gott viel zu erbitten und vielfache Aussicht, viel von ihm zu erwarten. Wenn ich Griechen und Juden und der Gemeinde Gottes nicht ärgerlich sein soll, dann bleibe ich vor Einseitigkeit, vor Oberflächlichkeit und Trägheit bewahrt. Dann habe ich stete Veranlassung zur Milde und Rücksicht, zur Vorsicht und Umsicht, zu Geduld und Ausdauer, zu gründlichem und allseitigem Nachdenken, dann habe ich viel Uebung und Verantwortung, viel Anlaß, in der Schrift und ins Gebet zu gehen, viel Anlaß, mich und meine Dinge zu vergessen. Wenn ich jedermann in allerlei mich gefällig machen möchte, dann wird mir allerlei interessant, dann ist mir nichts unwichtig und langweilig. Denn es handelt sich ja darum, andern zu gefallen, nirgends sie unnötig und mit Recht abzustoßen, sondern überall sie anzuziehen, Licht zu verbreiten. Es handelt sich aber nicht nur darum, dem einen oder anderen angenehme Stunden zu bereiten. Es handelt sich nicht nur darum, ihnen das Leben leicht zu machen, sondern es handelt sich darum, was vielen frommt, daß sie selig werden. Um ihre Seligkeit, ihre Errettung handelt es sich. Welch eine Verantwortung, welch eine Gnade! Welch eine Verantwortung, einem Menschen das Seligwerden nicht erleichtert, sondern erschwert zu haben! Welch eine Gnade, einem Menschen ein Gehilfe zur Seligkeit sein zu dürfen. Welch ein Sporn und welche Wonne, meine Freiheit und Macht, die ich als Kind Gottes besitze, dazu verwenden zu dürfen, daß andere gerettet und daß Gerettete gefördert werden!

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