Schopf, Otto - Der Segen des Leidens

Schopf, Otto - Der Segen des Leidens

Es ist eine eigentümliche, aber köstliche Tatsache, daß das Neue Testament kaum je von Leiden redet, ohne zugleich der gesegneten Begleiter des schwarzen Engels zu gedenken und des herrlichen Gefolges, das hinter ihm hergeht; oder besser gesagt: Die Schrift zeigt uns den schwarzen Engel genannt „Leiden“, geschmückt mit schwarzen Perlen und Edelsteinen, sie zeigt ihn uns als den Verlobten und Herold ungeahnter Herrlichkeit.

Es war an einem Sonntagmorgen im Jahre 1889 oder 1890, da trat der ehrwürdige Spurgeon mit verbundenem Kopf auf die Plattform in seinem Tabernakel. Mit schwacher Stimme hob er an über Psalm 5,12 zu reden. „Laß sich freuen alle, die auf dich trauen; ewiglich laß sie rühmen, denn du schirmest sie, fröhlich laß sein in dir, die deinen Namen lieben.“ Er sagte, er sei sehr leidend, seine Freunde hätten ihm geraten, nicht zu sprechen, aber er wolle es versuchen. Und der Versuch gelang, bald war der verbundene Kopf und die Schwachheit vergessen und mit mächtiger Stimme lud er alle, die auf den Herrn trauen, ein, sich zu freuen. Der Eindruck jener Predigt wird manchen, die sie hörten, unvergeßlich sein, besonders wenn sie etwa gerade der Ermahnung, sich zu freuen, besonders bedürftig waren. In jener Predigt war es wohl, wo er ein Beispiel an das andere reihte, zum Beweise, daß das Leiden Segen bringe. Er sehe jedesmal mit besonderer Spannung den schwarz gesiegelten Briefen aus dem himmlischen Geheimkabinet entgegen; wenn die schwarzen Rosse der Trübsal vor seinem Hause halten, dann bringen sie eine besonders herrliche Segenslast ins Haus. Solche und ähnliche Bilder gebrauchte er und dabei war er selbst, der leidenreiche Mann mit dem verbundenen Kopf, das sprechendste Beispiel für die Wahrheit, die er beleuchten wollte, und die glänzenden Augen seiner Zuhörer waren die Quittungen dafür, daß ihm der Herr mit den besonderen Leiden wieder besondere Segnungen geschenkt und auszuteilen gegeben hatte.

Haben unsere lieben Leser und besonders die, die in Leid und Leiden sind, schon einmal die Stellen der Schrift, die vom Leiden reden, aufmerksam betrachtet? Ist die Schrift nicht mit auffälliger Sorgfalt bemüht, uns möglichst nie die Leiden allein zu zeigen? Lesen wir Jakobi 1 oder Jakobi 5, wo von Anfechtungen und Leiden die Rede ist: „Achtet es für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet, und wisset, daß euer Glaube, so er rechtschaffen ist, Geduld wirket.“ Und sechsmal redet Jakobus am Schlusse seines Briefes vom Erdulden, Geduldigsein und der Geduld als dem gesegneten, stillen Genossen des Leidens. Und wie schön stimmt hier Paulus mit ihm überein, wenn er triumphierend in Röm. 5 schreibt: Wir rühmen uns auch der Trübsal, denn Trübsal bringet Geduld, Geduld aber bringet Erfahrung, Erfahrung aber bringet Hoffnung, Hoffnung aber lässet nicht zu Schanden werden. Geduld und Hoffnung, dieses edle Geschwisterpaar, sind die Freunde aller leidenden Gotteskinder, die ihnen die Lasten tragen helfen und den Weg erhellen. Wir finden sie auch 2. Kor. 1, wo so viel vom Leiden die Rede ist. Auch hier schauen wir wieder nicht die Leiden allein, sondern bei den Leiden die Tröstungen, die der Hoffnung den Weg bahnen: „Denn gleich wie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. Wir haben aber Trübsal oder Trost, so geschieht es euch zugute. Ist’s Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil, welches Heil sich beweiset, so ihr leidet mit Geduld dermaßen, wie wir leiden. Ist’s Trost, so geschieht euch das auch zu Trost und Heil und stehet unsere Hoffnung fest für euch, dieweil wir wissen, daß, wie ihr des Leidens teilhaftig seid, so werdet ihr auch des Trostes teilhaftig sein,“ also auch hier wieder zum drittenmal Geduld und Hoffnung und wie in Römer 5 die Tröstung als dritte im Bunde.

Doch die Schrift bemüht sich nicht nur, uns zu zeigen, daß das Leiden nicht allein kommen, sondern sie veranlaßt uns über das Leiden hinauszublicken auf das, was danach kommt. Hier ist das Material so reich, daß es schwer ist, aus der Fülle der Beispiele eine Auswahl zu treffen. Wir wollen gar nicht dabei stehen bleiben, daß Paulus 2. Tim. 3,10 ff., nachdem er Timotheus das Zeugnis gegeben, daß er ihm in der Geduld wie in den Leiden nachgefolgt sei, dann tröstend im Blick auf die Verfolgungen hinzugefügt, „aus allem diesem hat mich der Herr erlöset“ (also man bleibt nicht in den Leiden). Wir wollen auch nur hinweisen auf Phil. 3,10, wo er sagt, daß er trachte, die Gemeinschaft der Leiden Christi zu erkennen, (nicht um bei den Leiden stehen zu bleiben, sondern) damit ich entgegenkomme zur Auferstehung der Toten, die nach den Leiden kommt. Auch der Ebräer-Brief ermuntert im 10. Kapitel die ermatteten Brüder zur Geduld in den Leiden und heißt sie hinausblicken auf den Herrn, der bald kommt.

Wir verweilen aber noch einige Augenblicke bei der Apostelgeschichte, die schon in ihren ersten Versen nicht beim Leiden Christi stehen bleibt, sondern uns erzählt, wie er nach seinem Leiden sich lebendig erzeigte. Und die Melodie, „nach dem Leiden Lebensoffenbarungen“, die geht nun durch die ganze Apostelgeschichte hindurch. Wer dieses herrliche Buch durchliest, der wird darauf stoßen, wie, nachdem die Jünger ihres Herrn beraubt waren, Pfingsten kam, nachdem die Priester ihre Hände an Petrus und Johannes gelegt hatten, viele gläubig wurden, wie nachdem die Apostel im Gefängnis gelegen hatten, das einmütige Gebet der Gemeinde mit vorher nie erfahrener Macht zum Himmel drang, so daß die Stätte sich bewegte und hernach die Apostel mit großer Kraft Zeugnis ablegten und große Gnade auf allen war. Der Fall von Ananias und Saphira bringt neues Herzeleid über die Gemeinde. Aber im Gefolge dieses Leidens wurden der gereinigten Gemeinde um so mehr Gläubige hinzugetan. Die Hohenpriester stehen auf und legen aufs neue ihre Hände an die Apostel, ein neues Leid, nein, ein Vorbote neuer Herrlichkeit, denn die Gefängnistore öffnen sich den Engelhänden. Die Apostel werden geschlagen, so berichtet uns der Schluß des 5. Kapitels. Aber das sechste beginnt mit der Notiz, daß die Jünger sich mehrten. Aber nun sehen wir eine murrende Gemeinde und es scheint einen Riß, eine Zerklüftung geben zu wollen; doch sofort sind die Männer da, um in die Lücken zu treten. „Und das Wort Gottes wuchs und die Zahl der Jünger mehrte sich sehr und eine große Menge Priester wurden dem Glauben gehorsam.“ Ich muß mir leider den Genuß versagen, durch das ganze Buch hindurch den Beweis zu erbringen, wie immer wieder jeder Schlag des Feindes, jede Demütigung und Prüfung nur das Signal waren, daß neue Gnadenoffenbarungen im Anzug seien. Und die Apostelgeschichte liefert nicht die ersten und einzigen Beispiele. Ich hätte Noah, Abraham, Jakob, Joseph, Mose und David zu Zeugen aufrufen können, dafür, daß, wie bei sich, so auch bei den Seinen, der Herr sich nach dem Leiden mächtiger und herrlicher als zuvor erzeigte.

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