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Schlatter, Adolf - Prediger

Schlatter, Adolf - Prediger

Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.
Prediger 1,2

Käme dieses Wort aus Rom aus dem Mund eines der Männer, die sich auf den Thron der Cäsaren gesetzt haben, so gäbe es keinen Anlass zur Verwunderung. Wenn Augustus beim Sterben von der Rolle sprach, die er geschickt gespielt habe und die nun zu Ende sei, so war dieses Urteil über sein Leben völlig durchsichtig und fest begründet. Oder wenn Karl V. seine Herrschaft preisgab und in ein Kloster ging, so tat er, was durchaus verständlich ist. Auch dann wäre dieses Wort nicht rätselhaft, wenn es von einem Forscher stammte, der weiß, wie neben dem Wenigen, was er erkennt, die ungemessene Weite des für uns Verhüllten steht, oder wenn es das letzte Wort eines unserer Kleinen wäre, die auf schmalem Weg zwischen hohen Mauern ohne weite Aussicht von der Geburt zum Grabe wandern. Allein dieses Wort, das alles eitel heißt, kommt aus Jerusalem, aus der Gemeinde, die sich Gottes Volk nannte und Gott dienen durfte. Der Dichter lässt Salomo so sprechen, den reichsten der Könige, den weisesten de Weisen, den Erbauer des Tempels, den Friedefürsten. Nun hat das Wort Tiefe und aufweckenden Ernst. Ist auch das noch nichts als Eitelkeit, in einem Volk zu leben, das eine Gemeinde Gottes ist, in einer Stadt zu wohnen, die einen Tempel Gottes hat, ein Wort zu kennen, das von Gott spricht, und eine Schrift zu haben, die uns seinen Willen zeigt? Aber das, was von oben kommt, verändert das nicht, was die natürliche Ordnung unseres Lebens aus uns macht, und von der Natur wird uns kein Zweck gezeigt, der das, was sie uns gibt, wirklich wertvoll machte. Sie bewegt sich im Kreislauf und bringt alles, was sie zum Blühen bringt, auch zum Welken. Dieser Knechtsdienst der Vergänglichkeit, in den wir hineingebunden sind, wird uns gerade dann besonders deutlich und schwer, wenn das Wort, das von Gott spricht, zu uns kommt und uns nicht mehr zulässt, in der Natur zu leben, wie ein Tierlein in ihr lebt. Wenn der Geist gegen das Fleisch streitet, wird es peinlich, dass wir im Fleisch leben, und wenn uns ein Blick in den Himmel gegeben wird, ist es uns nicht mehr möglich, auf der Erde etwas anderes als Fremdlinge zu sein. Darum gehört auch die schmerzhafte Klage, die alles, was wir sind und leisten, eitel heißt, zur Vorbereitung für die Weihnacht, zur Bahnung des Wegs für den, der kommt. Auch ein Salomo bringt nichts fertig, was bleibt, und tut nichts, was nicht schon immer getan worden wäre und immer wieder getan werden muss. Etwas Neues, was noch nie geschehen ist und für immer wirksam bleibt, geschieht erst dann, wenn das Wort Fleisch wird. Auch Salomo muss warten, bis der Sohn Gottes kommt, und ist nicht der Friedefürst, der uns mit dem, was wir sind, versöhnen kann. Friede auf Erden, das ist das Weihnachtswort.

Mir, o Gott, Schöpfer und Herr, tut das Herz weh bei der Eitelkeit unseres Lebens, bei der Verworrenheit unserer Gedanken, bei der Hohlheit unseres Redens, bei der Vergeblichkeit unserer Anstrengungen, bei all dem Zerfall, der überall sichtbar ist. Aber ich will nicht murren. Ich sehe in Deinem strengen Regiment Deine Gnade. Sie macht es uns unmöglich, dass wir uns groß dünken und uns selbst bewundern. Du, Herr, allein bleibst von Ewigkeit zu Ewigkeit und Deine Güte ist an jedem Morgen neu. Amen.

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