Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Das Buch Josua.

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Das Buch Josua.

Das Buch Josua ist bei der Vereinigung und Ordnung des Gesetzbuchs ein selbständiges Ganzes geworden. Bis dahin bildeten die nun verbundenen Erzählungen die letzten Abschnitte der beiden Geschichtsbücher, welche über die Ursprünge Israels durch die Berufung der Väter und die Erlösung aus Ägypten berichtet haben. Dieselben begleiteten Israel bis dahin, wo es nach der Niederwerfung der Kanaaniter von seinem Lande Besitz ergriff. Nun erst war das Ziel seiner Befreiung aus Ägypten erreicht und die Werdezeit des Volkes beendet. Die Ordner des Gesetzes legten aber auf die gesetzlichen Abschnitte das Hauptgewicht, und haben darum diese mit ihrer geschichtlichen Umgebung von den spätern Ereignissen abgetrennt. Man erhielt so zugleich eine einfache Einteilung des Stoffs nach den beiden Männern, die das Volk leiteten: die „Thora“ enthält Mose's Werk; das Werk Josua's beschreibt das folgende Buch.

Das Buch ist übersichtlich in zwei Hälften aufgebaut. Zuerst wird der Sieg über die Kanaaniter, K. 1-12, dann die Verteilung des Landes an die Stämme erzählt, K. 13-21, und die Schlußkapitel enthalten die feierliche Bezeugung, daß Israel zum Dienst des Herrn allein verpflichtet sei, K. 22-24. Dieser Bau des Buchs hängt mit der Art seiner Quellen zusammen. Der priesterliche Erzähler hat die Kämpfe mit den Kanaanitern nur kurz berührt, dagegen mit aller Genauigkeit jedem Stamme seinen Anteil am heiligen Lande zugeteilt. Der andere Erzähler dagegen © verweilte bei dem großen Erweis der göttlichen Hilfe, durch welchen Israel Raum gemacht wird an der Kanaaniter statt, und die Erlösung aus Ägypten sich in einem neuen ähnlichen Wunder fortsetzt und vollendet. So gab der eine Erzähler © im wesentlichen den ersten, der andere (a) der Hauptsache nach den zweiten Teil des Buchs.

Auch das fünfte Buch Mose ist auf einige Abschnitte unsers Buchs nach Inhalt und Sprache von großem Einfluß gewesen. Josua war ja der Nachfolger Mose's; so wird das Bild seines großen Meisters und Vorgängers, wie es das fünfte Buch gezeichnet hat, benützt, um auch Josua's Auftrag an Israel darzustellen. Das Buch beginnt mit einer göttlichen Weisung an Josua, die sich eng an das fünfte Buch anschließt, K. 1, und am Schluß wiederholt Josua kurz die letzten Worte Mose's an das Volk, K. 23. Auch die Errichtung des Altars auf dem Ebal mit dem daselbst gesprochenen Segen und Fluch ist in engem Anschluß an das fünfte Buch erzählt, 8, 30-35 vgl. 5 M. 27, 2 ff.1) Jedenfalls zeigt dies alles, daß unser Buch seine Endgestalt erst nach dem Gesetzbuch empfangen hat.

Der Sieg über die Kanaaniter. 1-12.

An Josua ergeht nun der göttliche Auftrag, über den Jordan zu ziehen, mit der Verheißung des Siegs und der Verpflichtung auf das Gesetz, und auch die jenseits des Jordans angesiedelten Stämme sind willig, mitzuziehen. 1. d, auch c.

Die Sendung der Kundschafter nach Jericho zeigt, wie's in Kanaan steht: Schrecken liegt auf dem Lande. Aber Rahab, die den Mut des Glaubens hat, auf Israels Gott und den Sieg seines Volks ihre Rettung zu bauen, sichert ihr Leben. 2, 1-3, 1. b.

Nun bahnt Gott, wie einst aus Ägypten heraus, so jetzt nach Kanaan hinein dem Volke durch den Jordan den Weg. 3 u. 4. c mit andern Berichten, auch einiges aus a.

Beim Eintritt in's Land wird das Volk beschnitten, das Passa gefeiert und der Engel Gottes tritt vor Josua. 5. b (V. 10-12: a).

Ohne Mitwirkung des Volks gibt Gottes Wundermacht die erste Stadt des Landes in die Hände Israels. 6. c.

Aber die Bedingung des Siegs und der Hilfe Gottes ist völliger Gehorsam. Weil Achan an dem Gott dargegebenen Gute gefrevelt hat, bringt Gott über das Volk vor Ai die Niederlage, und erst nachdem der Frevel geahndet ist, wird auch Ai erobert. 7,1-8, 29. c.

Nun wird auf dem Ebal nach Mose's Befehl in Schrift und Wort das Gesetz sanktioniert. 8, 30-35. d.

Die Kanaaniter greifen zur List, und ihren Künsten ist Israel nicht gewachsen. Die Gibeoniten erschleichen sich einen Eid, der ihnen das Leben sichert. So bleibt Gibeon eine Kanaaniterstadt. 9. c; einiges aus a.

Nun verbünden sich die kanaanitischen Könige zu gemeinsamem Widerstand. Zuerst werden die im Süden des Landes seßhaften, dann die nördlichen Könige von Josua vernichtet. Das Verzeichnis der 31 Könige, die Josua niederwirft, macht den Schluß der Kriegsgeschichten. 10-12. Das meiste c.

Die Verteilung des Landes. 13-21.

Obgleich noch große Teile des Landes nicht erobert sind, ist mit diesen Kämpfen doch so viel erreicht, daß das Volk sich seßhaft machen und Josua das Land verteilen kann. Dabei kommen Ruben, Gad und der eine Zweig Manasse's nicht mehr in Betracht, da sie schon ein Gebiet jenseits des Jordans besitzen. 13,1-14,5. a.

Zunächst erhält Kaleb den Lohn für seine Treue, die er einst als Kundschafter in der Wüste bewiesen hat. Ihm wird Hebron zugeteilt. 14, 6-15. C.

Nun erhalten die beiden Hauptstämme, Juda und Joseph (Ephraim und halb Manasse), ihr Gebiet, dessen Grenzen und Städte verzeichnet werden. 15-17. a mit einigen andern Nachrichten.

Schwieriger und langsamer macht sich die Ansiedlung der kleinern Stämme. Josua schickt die Stammeshäupter im Lande herum, damit sie einen Überblick gewinnen über das, was noch zu verteilen ist. Und nun folgen die Grenzen für die übrigen sieben Stämme. 18, 1-19, 48. a.

Auch Josua erhält ein besondres Erbe. 19, 49-51. a.

Nun müssen noch die mit dem Asylrecht ausgestatteten und die den Leviten überwiesenen Städte bezeichnet werden. Damit ist das ganze Volk in seine neue Heimat eingepflanzt, und Gottes Verheißung hat sich erfüllt. 20 u. 21. a.

Israels Verpflichtung zum Dienst des Herrn. 22-24.

Bei ihrer Rückkehr in's Gebiet jenseits des Jordans errichten die dortigen Stämme im Jordanthal einen Altar. Der andre Teil des Volks erhebt sich dagegen als gegen Abfall vom einigen Heiligtum zum Dienst fremder Götter. Die angeschuldigten Stämme geloben aber, daß sie sich vom Heiligtum nicht trennen noch auf diesem Altare opfern werden, daß er vielmehr lediglich ihren Anteil am Dienst des Herrn für immer bezeugen soll. 22. Mit a verwandt.

Offenbar hat die Erzählung den spätern Zustand des Landes mit seinen zahlreichen „Höhen“ im Auge. Es wird den Spätern vorgehalten, daß Israel bei seinem Einzug erfüllt war vom Bewußtsein, nur einen Gott zu haben und nur einen Altar.

Josua ermahnt ähnlich wie Mose zur treuen Liebe Gottes und zur Vermeidung jeder Verbindung mit den Kanaanitern. Die Verheißung Gottes hat sich erfüllt, aber seine Drohung wird sich auch erfüllen. 23. d.

Nach einem Rückblick auf die Geschichte des Volks läßt ihm Josua die Wahl, welchem Gott es dienen will. Er mit seinem Hause ist Jehovah's Diener. Aber obgleich er das Volk an den göttlichen Zorn erinnert, den es durch seine Zuwendung zu den andern Göttern entzünden wird, gelobt das Volk dennoch feierlich, daß der Herr sein Gott sei und niemand sonst. 24, 1-28. c?

Und nun wird mit den letzten Angaben des priesterlichen Erzählers über Josua's und Eleasars Tod das Buch geschlossen, womit der Bericht über Josephs Bestattung bei Sichem verbunden ist. 24, 29-33. a u. c.

Fügen wir den Eingang des Richterbuch zum Buche Josua, so ergibt sich zunächst eine auffällige Differenz. Am Schluß des Buches Josua denkt man sich Israel als ein geeinigtes Volk in Ruh und Frieden, das Land erobert und die Kanaaniter vertrieben. Im folgenden Buche sehen wir die Stämme einzeln für sich handeln, alle noch kämpfen, und zwar oft ohne Erfolg, so daß ihnen die Städte der Kanaaniter uns einnehmbar sind. Allein auch diejenigen Zustände, die uns das Richterbuch beschreibt, zeigen, daß Ereignisse von der Art, wie wir sie bei Josua lesen, vorangegangen sein müssen. Die Kanaaniter sind freilich nicht ausgerottet; aber ebenso gewiß ist, daß Israel festsitzt in Kanaan und ein beträchtlicher Teil seines Bodens ihm zugehört. Jeder Stamm weiß, wo er daheim ist, und hat ein gegen die andern abgegrenztes Gebiet. Das ist natürlich den Kanaanitern mit heftigen Kämpfen abgerungen worden. Einige große Schläge müssen ihren Widerstand gebrochen und Israel in Kanaan Raum gemacht haben, und daß hiebei die Stämme zusammen hielten und einem einzigen Führer, Josua, sich unterordneten, damit hat es sicherlich seine volle Richtigkeit. Andererseits läßt auch das Buch Josua der spätern Entwicklung vollen Raum. Die 31 Städte, die Josua gewinnt, K. 12, waren bei weitem nicht alle Ortschaften Kanaans. Jede Stadt und Burg mußte aber für sich erobert werden, und jede solche Eroberung war für die alten Völker eine schwere Arbeit. Daß der Anschluß dieser Erzählungen an den weitern Gang der Dinge sich nicht ganz eben macht, rührt daher, daß dieselben nicht als Einleitung zum Richterbuch, sondern als Abschluß der mosaischen Geschichte geschrieben sind. Der Blick geht rückwärts auf die Wanderung aus Ägypten, die nun ihr Ende findet, nicht vorwärts auf Israels Schicksale in Kanaan. Und nun wird in freudiger Dankbarkeit kräftig hervorgehoben, wie groß das damals erreichte war, daß Israel in der That den Kanaanitern überlegen war, einen großen Teil derselben auszurotten vermochte und viele ihrer Städte zu seinem Eigentum gewann.

1)
Man hat häufig angenommen, daß der Verfasser des fünften Buches selbst diese Abschnitte eingefügt habe – eine gewagte Vermutung.
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autoren/s/schlatter_a/einleitung_in_die_bibel/schlatter_eidb_josua.txt · Zuletzt geändert: von aj
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