Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Hosea.

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Hosea.

Wenig später als Amos hat Hosea, wahrscheinlich in Samarien, zu reden begonnen. Während aber Amos nur kurze Zeit sein prophetisches Amt verwaltet zu haben scheint, dehnt sich dasjenige Hosea's über eine längere Periode aus. Das Buch zeigt, daß er mitangesehen hat, wie nach dem Tode Jerobeams die Macht seines Hauses versank und der blutige Zank um den Thron begann, wie Assur immer näher rückte, weil es darnach strebte, Ägypten zu unterwerfen. Für die assyrischen Heere lag aber auf der Straße nach Ägypten Ephraim. Er hat's noch erlebt, wie man in Samarien zwischen diesen beiden Großmachten hin und her schwankte und mit beiden zugleich Verträge schloß. Assur war mächtiger und gefährlicher, darum auch verhaßter. Man schwur ihm Unterwürfigkeit und brach die Eide sofort wieder, bis dieses Spiel durch Salmanassar ein Ende mit Schrecken fand.

Auf Gottes Geheiß hat Hosea durch die Art, wie er sein Haus einrichtete, sein ganzes prophetisches Wort den Leuten Samariens anschaulich vor die Augen gerügt.

Das Haus des Propheten, der Spiegel Israels. 1-3.

Er hat eine Dirne zu seinem Weibe gemacht. Diese Ehe zeigt dem Volk, wie eng, fest und treu Gott sich ihm verbunden hat mit einem ausschließlichen und unlöslichen Band. Und die Dirne zeigt, wie schändlich Israel mit Gott umspringt. Aus dieser Ehe entstammten drei Kinder, in deren Namen Hosea seine Weissagung niederlegt. Sie heißen: Jesreel, Nichtbegnadigt, Nicht-mein-Volk. Jesreel heißt Hosea seinen Erstgeborenen deshalb, weil zu Jesreel Jehu, der Ahnherr des regierenden Königs, das frühere Königshaus niedergemetzelt hat und diese Blutthat nun geahndet wird, dadurch daß Israel in der Ebene Jesreel geschlagen werden wird. 1,1-9.

Aber die Namen werden sofort auch in Verheißungen umgewandelt. Die Nicht-begnadigte wird zur Begnadigten, der Gott Barmherzigkeit erweist, und Nicht-mein-Volk wird Mein-Volk. Dann gelangt auch der Name „Jesreel“ („Aussaat Gottes“) zu seiner vollen Bedeutung. Dann wird das Volk groß und Israel mit Juda wieder geeinigt unter einem Haupt. 1,10-2,1.

Nun wird noch nachgebracht, was zwischen jenem vernichtenden und diesem verheißenden Wort in der Mitte liegt, und gezeigt, auf welchem Wege sich das Strafurteil in das Segenswort verwandelt. Gott wird der Dirne Israel ihre Hurerei vergelten. Arm und elend muß sie wieder zum Land hinaus in die Wüste zurück. Dort wird sie nach Gott fragen und dann geschieht das Unglaubliche: dann verlobt sich Gott auf's neue mit ihr. 2,2-23.

Der Prophet ergänzte das erste Zeichen durch ein zweites. Er kauft eine Ehebrecherin, die er lange ohne Genuß der Ehe und ohne Kinder in seinem Hause eingeschlossen hält. Das ist das Zeichen des Exils, der Scheidung zwischen Volk und Gott; es enthält aber auch die Verheißung, daß das Exil ein Ende nehmen wird. 3.

Man hat oft versucht, diese Geschichten als ein Gleichnis aufzufassen, welches der Prophet bloß erzählt habe. Allein man schwächt dadurch die Kraft der Sache und thut auch dem Wortlaut des Berichts kein Genüge. Auffällig und unerhört war seine Handlung freilich. Niemand in Samarien, der ein ehrbares, reines Mädchen zum Weibe nehmen konnte, zog ihm eine Dirne vor. Aber auffällig sollte die Sache sein. Der Prophet wollte die Augen des Volkes auf sich und sein Weib und seine Kinder ziehen. Unanständig oder unsittlich ist dagegen an dem, was der Prophet thut, nichts. Die Weiber waren freilich höchst unanständig und in Sünde und Schande versunken; aber gerade so eigneten sie sich zum Spiegel Israels. Auch war eine solche Gestaltung seines Hauswesens für den Propheten allerdings kein Vergnügen. Allein sein ganzes Prophetenleben war nichts als bitterer Ernst und stetige Selbstaufopferung. Er mußte sein Vergnügen und seine Lust darin finden, daß Gott die Dirne Israel, deren Abbild er beständig um sich hatte, dereinst dennoch in seine reine, keusche Braut verwandeln werde.

Die Bußrede an das verderbende Israel. 4-14.

Der zweite Teil des Buchs besteht nicht aus mehreren, gegen einander deutlich abgegrenzten Reden. Hosea faßt seine Predigt gern in kurze Sprüche, wie es die ältere Prophetensprache liebte, und reiht diese bündigen, kernigen Sentenzen zu einem fortlaufenden großen Buß- und Klagepsalm aneinander. Die Bewegung der Gedanken zwischen den einzelnen Sprüchen ist vielfach rasch und überaus lebhaft, so daß die Bestimmung des Zusammenhangs Schwierigkeiten macht.

Er beleuchtet und bezeugt zuvörderst die Missethat Israels. Der Prophet stellt fest, warum das Volk untergeht. Dies soll ihm nicht wie eine dunkle, geheimnisvolle Fügung Gottes erscheinen, so daß es fragen dürfte: warum thut uns Gott solches? Zu solcher Verwunderung ist das Volk freilich in seinem Unglück geneigt, doch nur seiner verblendeten Heuchelei wegen. Der Grund seines Unglücks ist sonnenklar und wird vom Propheten immer wieder aufs deutlichste namhaft gemacht: statt Wahrheit Lüge und Verrat, statt Güte Gewaltthat und Mord, statt Erkenntnis Gottes Götzen und Hurerei bei Priestern, Fürsten und Volk - das bringt Israel ums Leben.

Es ist darum nicht ein Zufall, es ist Gott selbst, der das Glück des Volkes zerstört und ihm das Leben nimmt. Deshalb helfen auch keine Rettungsversuche, keine diplomatischen Schlauheiten, keine Verträge mit Assur und Ägypten, keine Häufung der Altäre und Opfer, womit sich das Volk retten will, auch nicht jene nichtige Buße und Umkehr zum Herrn, mit der sich Israel in der Not alsbald auf seinen Gott beruft. Das alles macht das übel nur schlimmer. 6. 8, 1-3.

So gewiß in Israels Schicksal nur die reine lautere Gerechtigkeit Gottes erscheint, die ihm erweist, was es verdient, so ist doch Gott jederzeit zur Hilfe und Erlösung willig. Ja gerade die harten Schläge, die das Volk treffen, wollen ein Mittel zu seiner Heilung sein. Aber das Volk findet die Umkehr zu Gott nicht.

Was solche Herzenshärtigkeit bedeutet, wird dadurch ins Licht gestellt, daß der Prophet auf die göttliche Liebe und Wohlthat hinweist, die Israel in der Zeit seines Anfangs erfahren hat durch Mose und an Jakob. Weil Israel solche Liebe Gottes mit vollständigen Undank erwidert hat, ist die Verstoßung ins Exil Gottes gerechte Antwort darauf. 9,10; 11,1-5; 12,3-15.

Und doch fällt sein Zweifel noch Verdacht auf Gottes unerschöpfliche Barmherzigkeit und Treue. Es bricht je und je aus dem dunkeln Gerichtsbild die Verheißung hervor. Zwar wird sie nicht zu einem figurenreichen Gemälde ausgestaltet; aber es wird als feste Gewißheit hingestellt, daß Gottes Gnade Israel herrlich wieder herstellen wird. 10,12; 11,8-11; 12,7; 13,14; 14,2-10.

Wie Amos, so verschafft uns auch Hosea Einblick in den inneren Kampf, der dem auswendigen Zusammenbruch Samariens vorangegangen ist. Bloß nach dem geschichtlichen Bericht der Königsbücher würden wir uns die innere Bedeutung jener Vorgänge kaum so groß und tief vorstellen. Bei Hosea sehen wir, wie sehr die göttliche Gerechtigkeit und Liebe um Israel sich Mühe gab. Soviel Ernst der Wahrheit und eine solche Fülle vergebender und lodernder Liebe ist an das Volk von Samarien gewandt worden, und als ihre hart gewordene Unbußfertigkeit dies alles zertrat, da versank die Stadt. Bei Amos spricht mehr die eifernde Gerechtigkeit und die Empörung über das schreiende Unrecht, das in Israel geschah. Bei Hosea wird das Strafwort, so gewaltig es donnert, von den Klagetönen einer weichen, schmerzensreichen Liebe unterbrochen, die an der Verschuldung und unter dem Verderben Israels unsäglich leidet, aber auch alles glaubt, alles hofft, alles duldet, und gewiß ist, daß sie den Sieg behalten wird.

Hoseas Beruf war nicht der, den prophetischen Erkenntnisbesitz zu mehren. Es findet sich bei ihm kein besonders hervorstechender Gedankenkreis, den man als sein spezielles Eigentum bezeichnen könnte. Sein Beruf war, Israels Sünde zu sehen, wie sie war, im Unterschied von seinen Zeitgenossen, die weder ihre Verwerflichkeit noch ihre Verderblichkeit wahrnahmen. Hiezu hat er ein hohes Maß prophetischer Erleuchtung empfangen, so daß seine Rede ein erhabenes Beispiel echter Reue ist, welche die Sünde mit unverdrehter Wahrhaftigkeit sieht, richtet, vor Gottes Gesetz sich beugt, ihre Folgen trägt, so bitter sie sind, sie als richtig und gerecht anerkennt, und zu all dem die Kraft daraus schöpft, daß aus der tiefsten Sünde und dem jämmerlichsten Ruin heraus die göttliche Erbarmung mit ungezweifeltem Glauben ergriffen wird.

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