Schlatter, Adolf - Andachten - April

Schlatter, Adolf - Andachten - April

1. April

Indem sie hinausgingen, fanden sie einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon und zwangen ihn, dass er ihm sein Kreuz trug.
Matthäus 27,32

Weil die Soldaten nicht rasch genug vorankamen, solange Jesus sein Kreuz selber trug, packten sie einen Juden, der herzukam, und legten ihm das Kreuz Jesu auf. Auf einen fremden Mann legten sie den Hohn, dass er dem König der Juden dadurch dienen dürfe, dass er sein Kreuz für ihn trug, nicht auf einen der Jünger. Kein Jünger war zur Stelle. Jesus trug sein Kreuz allein Es wäre nichts Unge-wöhnliches gewesen, wenn mit Jesus zugleich einige seiner Jünger an Kreuze gehängt worden wä-ren. Wenn der Statthalter eine gegen Rom kämpfende Schar überwältigt hatte, geschah es nicht sel-ten, dass er zugleich mit ihrem Führer auch seine Anhänger kreuzigte. Jesus hat aber seine Jünger geschützt und nicht zugelassen, dass sie an seinem Kreuz Anteil hatten. Er selbst hatte sie jetzt von sich weg in die Ferne gestellt. Beim letzten Gang Jesu entsprang einzig seine völlige Einsamkeit der Wahrheit. Jetzt war er der Eingeborene, der Einzige, neben den sich keiner stellen konnte, auch nicht einer der Seinen. Sein Gehorsam war etwas ganz anderes als das, was wir um Gottes willen tun, und sein Opfer nicht mit dem zu vergleichen, was wir unseren Gottesdienst heißen.

Darum stand ihm in seiner letzten Stunde niemand bei und kein zweiter Name wird jetzt gehört. Nicht mit den Jüngern trug er sein Kreuz, sondern für sie, nicht als einer der vielen, die um Gottes Willen sterben, sondern für die Vielen, die nicht imstande sind, für Gott zu leben, und darum auch unfähig sind, für Gott zu sterben. In seiner völligen Einsamkeit, die Ihn von allen trennte, hatte es Jesus nur noch mit Gott zu tun, mit der Offenbarung seiner Gerechtigkeit, die die Schuld enthüllt, richtet, vergibt und das ewige Leben wirkt.

Auch ich sehe aus weiter Ferne und tiefer Tiefe zu Dir empor, Herr Jesus. Du allein weißt, was Gehorsam ist, Du allein kennst die Liebe; Du allein ehrst Gott; Du versöhnst. Beschirmt und gehei-ligt durch den Frieden, den Du am Kreuz erworben hast, stehe ich vor Dir und bitte Dich, dass Dein Friede bei mir bleibe in allem, was ich tue, Tag um Tag. Amen.

2. April

Da antwortete der andere und strafte ihn: „Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Und zwar sind wir billig darinnen, denn wir empfan-gen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Unschickliches gehandelt. Und sprach zu Jesus: ,Herr, gedenk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“
Lukas 23,40–42

„Ich muss wirken, solange es Tag ist,“ hat Jesus gesagt. Jetzt war die letzte Stunde seines irdischen Tages da, die Stunde der Ohnmacht, der Pein und der Gottverlassenheit. Aber auch in dieser letzten Stunde erfüllte sich sein Wort: Ich muss wirken. Auch am Kreuz bewährte er sich als den, der wirkt und zeigte er, was Er wirkt. Busse wirkte er und Glauben und dies so, dass das eine am anderen entsteht. An der Busse entsteht der Glaube und am Glauben entsteht die Busse und ihre untrennbare Verbundenheit ist das Merkmal, dass sie das Werk Jesu sind. Weil Jesus mit dem Christusnamen über seinem Haupt und mit der Ergebung in Gottes Willen am Kreuz hing, endete in einem von denen, die neben ihm gekreuzigt waren, der trotzige Widerspruch, der sich gegen Gott und die Menschen auflehnt. Nun fiel auf sein Verhalten ein völlig neues Licht und darum sah er auch sein Schicksal in einem anderen Licht. Die Rolle des Helden, in die er sich hineingeträumt hatte, war nun vorbei. Blickte er zu Jesus hinüber, so sah er: der, der sich am Kreuz in Gottes Hand weiß, ist der starke Held, nicht der, der sich gegen ihn aufbäumt. Nun war der Kampf gegen die Machthaber, der ihm das Schwert in die Hand gab, falsch und sein Aufruhr gegen das Gesetz, das das Leben des Menschen schützt, war Sünde. Daher gebührt ihm der Tod. Und eben deshalb, weil er in seinem Schicksal Gottes Urteil ehrt und unter sein Gericht sich beugt, kann er nun glauben. Der, der mit dem Christusnamen das Kreuz auf sich nimmt, der geht – das weiß er – Gottes Weg und handelt und leidet in Gottes Sendung. Und weil er glaubt, kann er, was er vorher nicht konnte. Vorher konn-te er fordern, murren und trotzen. Jetzt kann er bitten: Denk an mich. Für Gottes Herrschaft hat auch er gestritten, doch in falscher Weise. Gewalttat und Schwert schaffen sie nicht. Der, der deshalb stirbt, weil er der Christus ist, wird Gottes Reich bringen. Darum sieht er nun auch, wie er zum Le-ben gelangt. Auch als er nach der Weise der Banditen im Kampf mit jedermann stand, hob er seine Hoffnung über das Grab hinaus und begehrte nach der Auferstehung von den Toten. Damals hat er sich durch seine Taten den Eingang in das Leben versperrt. Nun geht er einen anderen Weg, den des Bittenden, der weiß: man empfängt das Leben als die Gabe des Christus und er gibt sie in der Voll-macht seiner Gnade dem, an den er denkt. Buße und Glaube in ihrer Eintracht, wer kann Herrliche-res sehen oder Größeres empfangen? Sie haben an dem Glanz teil, der auf allen göttlichen Werken liegt.

Du hast uns an Deinem Kreuz gezeigt, dass Du kein Menschenherz verachtest, auch wenn es hart geworden ist in vielen Sünden und gebunden in schwere Schuld. So rufst du uns alle zu Dir, damit wir aus Deiner Hand Busse und Glauben empfangen zum Lob Deiner Gnade. Amen.

3. April

Und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“
Lukas 23,43

Als der Gekreuzigte Jesus bat, machte Jesus noch einmal sein Wort gültig; nach deinem Glauben geschehe dir. Noch einmal machte er aus dem Glauben die Gemeinschaft mit ihm und er gab seiner Gemeinschaft die Vollständigkeit, da er den Gekreuzigten heute mit sich ins Paradies einführt. Vom Paradies sprach er mit ihm, vom Ort der Gerechten, in den sie nach ihrem Tod eingehen, nicht vom jüngsten Tag und der Auferstehung der Toten, nicht von seinem Kommen in herrschender Macht und Vollendung des göttlichen Reichs, damit der Sterbende wisse, dass nichts ihn von Jesus trennen wird. Auf denselben Grund hat Jesus die Hoffnung aller seiner Jünger gestellt. „Du kommst einst zu deinem königlichen Werk“, hatte der Gekreuzigte gehofft und alle Jünger hofften es mit ihm. Das war das wunderbare Ziel, das über allem, was sie taten und litten, leuchtete. Wann kommst du mit deinem Reich? Dieser Frage blieb die Antwort versagt. Keiner von denen, die Jesus nachfolgten, hat es unternommen, für sie die Antwort zu finden. Sie warteten, wie die Glaubenden es tun, auf Gottes Werk. Warum legte sich zwischen sie und ihr Ziel noch ein langer Weg. Er führte sie in die Arbeit und das Leiden hinein; doch davor erschraken die Jünger nicht. Er ist bei uns, sagten sie. Es kam aber nicht nur das Leiden, sondern auch der Tod zu ihnen. Auch das ängstigte sie nicht und kein Zweifel zerriss ihre Seele. Sie konnten sterben, auch wenn der Herr in seiner Herrlichkeit noch nicht gekommen war. Denn wer Ihm glaubt, gehört Ihm und ist bei Ihm, wo Er ist, sei es im Him-mel oder auf Erden, sei es im Paradies oder in der Gottesstadt der neuen Welt. Sie kannten den Wil-len Jesu, dass die, die der Vater ihm gegeben hat, da seien, wo Er ist, und seine Herrlichkeit sehen. Eine andere Sicherung für ihre Hoffnung begehrten die Jünger nicht und meinten nicht, sie werde fester, wenn sie sie durch ihre eigenen Gedanken stützten. Sie fragten nicht, wo sich wohl das Para-dies befinde und was Jesu Werk an denen sei, die dort geborgen waren. Sie schickten auch ihre Ge-danken nicht in die himmlische Stadt hinauf, als ob sie wissen müssten, wie ihnen dort am Ende ihrer Wanderschaft die Heimat bereitet sei. Auf den, den sie kannten, schauten sie, auf ihren Herrn, und glaubten an seinen Namen und wussten, dass ihr Glaube sie mit ihm verband an jedem Ort und zu jeder Zeit, im Leben und im Tod, im Leib und ohne den Leib, in seiner Verborgenheit und in seiner offenbaren Herrlichkeit, in der vergehenden und in der ewigen Welt. Was macht das Band, das uns mit Jesus eint, so stark? Die Treue Jesu macht es fest.

Du wurdest, o Jesus, als Du unter das Gericht gestellt warst, zum Zeugen der Gnade und in der Todesnot zum Spender des Lebens. So hast Du an Deinem Kreuz den Vater verklärt. Amen.

4. April

Spricht Jesus zu Thomas: „Weil du mich gesehen, Thomas, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“
Johannes 20,29

Jesus sieht auf Gottes Gaben, die Er dem Menschen bringt, und hier sieht er noch etwas Größeres, als was er jetzt dem Thomas gewährt. Ihm reichte er seine durchbohrte Hand und zeigte ihm seine durchstochene Seite. „Sieh und glaube“, sagte Er ihm. Das ist aber nicht das Größte und Herrlich-ste, was er uns geben darf. Was steht noch über dem, was Thomas empfing? Nicht sehen und glau-ben. Ist aber das Schauen nicht mehr als das Glauben? Verlangt nicht unser Glauben nach dem Schauen von Angesicht zu Angesicht, nach der Zeit, da wir nicht mehr in der Fremde, sondern da-heim beim Herrn sind und darum nicht mehr im Glauben wandern, sondern vor die Gestalt gestellt wind? Aber dieses Schauen des Herrn, von dem die Verheißung spricht, das uns seine bei uns blei-bende Gegenwart gewährt, war auch Thomas noch nicht beschieden; denn die Ostertage brachten es ihm noch nicht. Jesus reichte Thomas seine Hand nicht dazu, damit er sie für immer festhalte, und tritt nicht deshalb vor ihn, damit er Tag um Tag bei ihm sei. Was er ihm gewährte, hatte darin sei-nen Zweck, dass er glaube, und er konnte das, was er schaute, als Jesus wieder verschwunden war und die Ostertage vorüber waren, nur dadurch festhalten, dass ihm der Anblick zum Glauben ver-half. Das ist aber nicht der einzige Weg, auf dem uns Jesus zum Glauben führt. Es entsteht der Glaube auch, ohne dass wir sehen, weil er aus dem Wort hervorwächst, und diesen Glauben pries Jesus als die größte Offenbarung der göttlichen Gnade. Das ist das Wunder, durch das der Geist sich kundgibt, dass das Wort von dem, den wir weder sahen noch sehen, in unser Innerstes dringt, unwi-derstehlich als Herrscher, der sich unser Denken und Wollen untertan macht und uns über uns selbst emporhebt zu dem, von dem das Wort zu uns kommt. So kräftig berührt uns Gott in unserem in-wendigen Leben, so wirksam macht er in uns seine Gnade, so schöpferisch offenbart sich der Geist.

Du gründest, Vater, unser Leben nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare, auf Dich, den Unsichtbaren, auf Dein Wirken, das im Verborgenen geschieht, auf Deine Gnade, die uns in der Stille des Herzens heimlich besucht. Das ist Dein Geheimnis, das wir nicht ergründen; denn es zeugt von Dir. Amen.

5. April

Spricht Jesus zu ihr: „Maria.“ Da wandte sie sich um und sprach zu ihm: „Rabbuni.“
Johannes 20,16

„Sie hat viel geliebt; deshalb wird ihr viel vergeben“, hat einst Jesus von einer anderen Frau gesagt. Er hat aber auch mit dieser Maria nach derselben Regel gehandelt. Mit ihren Gefäßen voll Salben war sie am Morgen zum Grab gewandert zu seinem getöteten Leib, und als sie ihn nicht mehr fand, jammerte sie bitterlich. Nun war ihr das Letzte genommen, was sie noch von Jesus hatte, der tote Leib. Und als die beiden Jünger, von ihr gerufen, das Grab beschauten und Johannes „sah und glaubte“, blieb sie in ihrer Trauer gebunden und weinte aufs neue. Sie tat es nicht erst deshalb, weil der Leichnam Jesu ihr entrissen ward. Wie hat sie vollends dann geweint und gelitten, als Jesus nach Golgatha geführt wurde und am Kreuz hing! Nicht einmal vor den Engeln fällt ihr die Hülle von den durch die Tränen gefüllten Augen und sogar der Anblick Jesu hat sie nicht sofort aufge-weckt. Hier war viel zu vergeben, viel Menschliches zuzudecken, was die Schwachheit des mensch-lichen Herzens offenbart. Aber kein Vorwurf trifft sie. „Maria“, sagt ihr Jesus und damit ist alles bedeckt und vergeben, alles Zweifeln, Klagen und Weinen. Er kam nicht als Zuchtmeister zu ihr, sondern als ihr Herr, der sie einst zu sich berufen hat und jetzt aufs neue zu sich beruft. Sie gehörte ihm. Maria hat dies erkannt und sagt: „Mein Herr!“ Es gab Zeiten in der Kirche, in denen man Ma-rias Wort überbieten wollte: „Du Freund meiner Seele, mein Bräutigam, du bist mein und ich bin dein.“ So sprachen nicht die, die ihn selber kannten, und nicht nur in ihrer Fantasie mit seinem Bil-de spielten. Solche Worte stehen tief unter dem, was Maria sagte. Denn sie legen die Festigkeit der Gemeinschaft Jesu mit uns in die Innigkeit unserer Liebe, die sich an Ihn klammern will. Das hat Jesus den Seinen immer unmöglich gemacht und am Ostermorgen war kein solcher Gedanke in Maria. Auf ein zerbrochenes Herz kann man sich nicht stützen, und wenn die Liebe nur noch klagen und weinen, aber nicht mehr glauben und hoffen kann, so wirkt sie nicht mehr als sicheres Band: „Mein Herr“, sagte sie; das gab ihrer Gemeinschaft mit Jesus die Festigkeit. Weil er ihr Herr war und damit sie es wisse, dass er es sei, kam er zu ihr. Dieses Band zerreißt nicht; denn der Herr ver-liert nicht, was sein eigen sei.

Über dem Ostertag leuchtet die ewige Hoffnung. Wirst du, Herr, einst auch meinen Namen nen-nen, so liegt auch darin die Herrlichkeit deines Vergebens und dann darf auch ich Dir antworten: Mein Herr! Amen.

6. April

Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesus Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
1. Petrus 1,3

Was sucht mein vorwärts zum Kommenden hin gewendeter Blick? Erwartet er den Fortbestand dessen, was schon vorhanden ist? Das kann nicht das sein, worauf ich warte, auch wenn ich beden-ke, dass sich das Vorhandene bewegt und der Entwicklung fähig ist in einer Weise, die ich noch nicht übersehen kann. Immer aber baut sich, wenn Entwicklung geschieht, das neue Gebilde aus dem auf, was der frühere Zustand in sich trug, und trägt dieselben Kräfte wie das alte in sich. Wie soll ich auf ein Fortbestehen des Zustandes hoffen, den die Natur mir jetzt bereitet, da er mich sün-dig und sterblich macht? Ein neues muss werden, ein neuer Anfang geschehen, eine neue Geburt mir beschert sein, die mein Leben auf einem ganz anderen Grund aufbaut, dann habe ich eine Hoff-nung. Ich muss aber nicht suchen, ob ich wohl eine solche Hoffnung fände. Sie ist mir ja dadurch zuteil geworden, dass Jesus auferstanden ist. Das ist nicht die Erhaltung, Verbesserung und Verklä-rung dessen, was vorhanden ist, sondern Neuheit des Lebens, aus neuer Wurzel geboren, aus einer neuen Tat des schaffenden Gottes, und da uns Gott an Jesus zeigt, was Er mit uns im Sinne hat, so sehen wir am Ostertag, dass Er uns in der Tat ein Neuwerden zugedacht hat, mit dem unser Leben auf einem ganz anderen Fundament wieder aufgebaut wird. Petrus nannte das den Erweis der gro-ßen Barmherzigkeit Gottes. Hat er nicht recht? Tritt nicht auf diesem Weg die Hilfe so an uns her-an, wie wir sie bedürfen? In einem Grab entstand das neue Leben, in dem, der unsere Schulden von uns genommen hat. Damit stellt Gott seine Gabe an unseren Mangel heran und heftet sein Werk, mit dem das völlig Neue wird, fest an das an, was wir jetzt noch sind. Weil aus Jesu Grab die Hoff-nung hervorkommt, ist etwas Neues in meine Seele gelegt, was die Natur mir nicht geben kann. Sehnsucht kann ich auch von der Natur empfangen, allein nicht mehr. Sehnsucht kommt im Seufzen und Dichten der Menschen reichlich zum Ausdruck. Zur Hoffnung aber brauche ich mehr als einen drückenden Schmerz, der mich vom Gegenwärtigen wegtreibt. Die Hoffnung verlangt eine deutli-che Bezeugung der Absicht Gottes, ein Sichtbarwerden seines Willens in dem, was geschah. Das habe ich in der Auferstehung Jesu vor mir. Sie beschäftigt mich nicht mit dem, was ich mir wün-sche, sondern zeigt mir, was Gott tut. Darum ist diese Hoffnung etwas Lebendiges, neu geborenes Leben, so, wie es Raum in unserem gegenwärtigen Zustand hat.

Darum, weil meine Hoffnung ihren Grund nicht in mir selber hat, darum ist sie lebendig. Sie lebt durch Deine Barmherzigkeit, barmherziger Gott; sie lebt, weil dein Vergeben sie rein macht im Blut Deines Sohnes; sie lebt, weil Deine schöpferische Hand den Tod in Leben verwandelt hat. Darum stehen auch wir, die Sterbenden, vor Dir als die, die zu Deinem Lob berufen sind. Amen.

7. April

Dass er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben zu einem Mal; das er aber lebt, das lebt er Gott.
Römer 6,10

Weder im Sterben noch im Leben hat Jesus an sich selbst gedacht. Als er sterben wollte, litt er nicht für sich. Der Sünde wegen wollte er leiden und sterben und diese sitzt in uns, nicht in ihm, und nachdem er lebendig geworden war, lebte er nicht für sich. Vom geplagten Lazarus hat Jesus ge-sagt: „Einst hat er gelitten, jetzt wird er getröstet.“ Das ist aber nicht die Überschrift zur Osterge-schichte. Sie ist nicht die Jesus gewährte Vergeltung für das, was Gott ihm Hartes aufgelegt hat. Nun lebt er für Gott. Gottesdienst war freilich auch das, dass er das Kreuz ergriff, auch das, dass er dürstet, auch das, dass er seine Verlassenheit von Gott als seine große Not empfand. Damals aber bestand sein Dienst darum, dass er sich zu uns herabbeugte, uns sich gleichstellte und das tat, was unsere Lage notwendig machte, und deshalb gab ihm damals unsere Sünde sein Ziel. Aber sein Name „Christus der HERR“ sprach noch von Größerem, nicht nur vom Dienst des Samariters, der den Sterbenden aus der Wüste in die Herberge trägt, sondern von der Offenbarung Gottes, von Got-tes Gnadenmacht und Leben schaffender Herrlichkeit, vom Ziel der Schöpfung, die noch auf die Vollendung wartet, vom ewigen Gut, das nicht innerhalb der Zeit entsteht und uns nicht von der Natur dargereicht wird, zu dem wir durch Auferstehung gelangen. Darum, weil Jesus diese Sendung gegeben ist, lebt er und darum ist sein Leben in neuer Weise ein Gottesdienst. Jetzt lebt er für Gott. Am Gang Jesu, der ihn aus dem Tod für die Sünde in das Leben für Gott führte, erkennt Paulus den für uns alle gültigen Willen Gottes. Alles, was uns die Zukunft bringen wird, gründet er darauf, dass Jesus für uns die Vergebung mit seinem Blut erworben hat. Damit bin ich aber noch nicht an das Ziel gelangt, zu dem mich Gottes Gnade führt. Was soll daraus werden, dass Gott mich durch den, der für die Sünde starb, von meiner Schuld befreit und für meine Bosheit tot gemacht hat? Ein ver-besserter Mensch, eine verklärte Seele, ein verewigtes Ich? Nein! Wer für die Sünde gestorben ist, der lebt für Gott. Das ist Gottes Ziel und Gabe; den für ihn lebendigen Menschen macht er aus dir. Das halte fest bei allem, was jetzt dein Leben füllt, und halte es auch fest, wenn du an das ewige Leben denkst. Denke nicht nur an die labenden Früchte und den erquickenden Schatten der Para-diesbäume. Die, die ewig leben, leben für Gott.

Du hast mir, Vater, die Erkenntnis des Bösen und des Guten gegeben. Verwerfliche Bosheit ist es, für mich selbst zu leben. Das zeigst Du mir am Kreuz Deines Sohnes, der sterbend die Last unserer Sünde trug. Und herrliche Gnade ist es, für Dich zu leben. Auch das zeigst Du mir an Deinem Sohn, der nun in Herrlichkeit für Dich lebt und an uns Deinen gnädigen Willen wirkt. Ich schaue anbe-tend auf das Wunder Deiner Hand, die den Tod und das Leben zusammengebunden und durch bei-des Dich verherrlicht hat. Amen.

8. April

Jesus spricht zu Martha: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“
Johannes 11,25

Um zu erfassen, was geschah, als Jesus das Kreuz trug, muss ich auf die herrliche Gewissheit des Lebens achten, die Ihn trägt. „Wir wollen mit ihm sterben“ sagten die Jünger. Aber das ist nicht der Sinn, mit dem Jesus nach dem Kreuz greift. Er ging als der Lebendige in den Tod und hat darum an den Eingang seines Leidens die Erweckung des Lazarus gestellt, durch die Er sich uns als die Auf-erstehung und das Leben bezeugt. Sein Gang nach Golgatha war sein Bekenntnis zur Auferstehung, seine Ehrung Gottes als dessen, der die Schlüssel zum Ort der Toten hat, dessen Werk am Tod kei-ne Schranken hat, dessen Gnade nicht endet, wenn menschliche Hände oder die Natur ihr Leben zerbrechen. Jesus hat aber nie nur an sich selbst gedacht und nicht davon mit Martha gesprochen, wie er sich selbst erhalte und für sich selbst die Vollendung erlange. Er und sein Amt sind eins und sein Werk ist von seinem Leben nicht geschieden. Darum ist er die Auferstehung nicht so, dass sie nur ihm selbst zuteil wird, und das Leben nicht so, dass er es in sich selber hat, sondern er ist die Auferstehung als der, der sie uns bereitet, und das Leben als der, der es uns schenkt. Daher zerfallen die Ziele Jesu nicht in einen zwiespältigen Gegensatz, so dass er zwar jetzt stürbe, dennoch aber lebte, sondern weil er uns das Leben gibt, darum stirbt er. Sein Ziel ist, aus unserem Sterben für uns das Heil und das Leben zu machen. Daraus, dass er sich als das Leben in die Gemeinschaft mit uns stellt, entstand seine Gemeinschaft mit uns im Todeslos. Das legte auf ihn die Pflicht zu sterben. Er ist dadurch das Leben, dass er uns unsere Schuld von uns nimmt, und tut dies als Gottes Lamm, das für Gott das Leben lässt.

Deine mit Gottes Kraft gefüllte Hand einigt, was für uns geschieden ist. Für uns führt aus dem Sterben kein Weg in das Leben; denn für uns gibt es keinen Weg aus der Schuld in die Gnade. Du aber verwandelst Tod in Leben; denn Du verwandelst durch Dein Vergeben Schuld in Gerechtig-keit. Darum verkündigt deine Gemeinde Deinen Tod und empfängt durch das Wort von Deinem Kreuz Gottes Evangelium. Amen.

9. April

Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brü-der. Wer den Bruder nicht liebt, der bleibet im Tod.
1. Johannes 3,14

Einst, sagt Johannes zur Christenheit, gehörtet ihr zur Schar der Toten; aber ihr habt euch von ihr getrennt und seid zur Schar der Lebenden hinübergegangen. Dieser Schritt, der uns aus dem Tod ins Leben führt, überspringt eine gewaltige Kluft. Woran sieht es Johannes, dass er selbst mit seinen Gemeinden zwar zu denen gehört, die im Tode waren, nun aber nicht mehr ihm verfallen, sondern zu den Lebenden gelangt ist? „Wir lieben die Brüder.“ Nicht das meint er, dass wir mit unserer Lie-be den Tod in uns bezwungen haben. Von solchem Aberglauben war Johannes ganz erlöst. Das Leben, sagt er, war beim Vater und es ist uns erschienen, weil Jesus bei uns war. Er gibt uns aber nicht nur eine Verheißung, die uns das Leben in der Ferne zeigt, so dass wir noch als die Hoffenden darauf warten müssten, sondern macht es uns sichtbar, dass der Tod für uns vergangen und der Schritt in das Leben hinein vollzogen ist, und die gewisse, deutliche, unverkennbare Tatsache, die uns dies zeigt, ist, dass wir die Brüder lieben. Wer ist die Liebe? Gott! Wie entsteht sie in uns? Durch Gottes Wirken. Weil es Gottes Gabe ist, dass wir lieben, ist dies der Beweis dafür, dass wir leben. „Die Brüder“, sagt Johannes, und dies hat tiefe Bedeutsamkeit, die, die sich mit uns zu Jesus bekennen, sein Wort bewahren und nach seinem Willen handeln. Wird das Werk Jesu in den ande-ren sichtbar, so erzeugt das in uns keinen Widerwillen; ihr Glauben trennt uns nicht von ihnen und der Ernst, mit dem sie die Sünde hassen, treibt uns nicht von ihnen weg; Gottes Werk in ihnen ist uns teuer und verbindet uns mit ihnen. Darin, dass wir imstande sind, die Brüder zu lieben, besteht das sichere Kennzeichen, dass wir nicht mehr zu den Toten gehören, sondern das Leben empfangen haben.

Den Vielen, die nicht wissen, was Leben ist, zu zeigen, dass Du uns in das Leben hineingeführt hast, das, Herr, großer Gott, ist Dein köstlicher Auftrag und der herrliche Dienst der Christenheit. Deine Gnade hat mich von denen getrennt, die aus ihrem Leben ein leeres Geschwätz und eine mü-hevolle Eitelkeit machen. Darum bitte ich Dich um Dein größtes Geschenk, um die Liebe, die mich mit den Brüdern eint, damit meine Seele Dein Lob singe und Dir danksage, dass Du mich zur Schar der Lebenden herzugerufen hast. Amen.

10. April

Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: „Simon Jonas, hast du mich lieber, denn mich diese haben?“ Er spricht zu ihm: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Spricht er zu ihm: „Weide meine Lämmer.“
Johannes 21,15

„Erwirb mir eine Herde“, das war nicht das Gebot, das Petrus von Jesus empfing, als verschaffte Petrus Jesus die, die ihm gehören. Wenn es uns vorkommt, die Apostel hätten die Kirche herge-stellt, so blieb uns das Wort Jesu unverständlich. Die Lämmer, von denen Jesus spricht, sind sein Eigentum, und deshalb, weil sie ihm gehören, verlangt Jesus von Petrus, dass er sie nicht darben lasse, sondern sie nähre und dafür sorge, dass sie geschützt und geleitet seien und zusammen blei-ben. Wir dienen den Menschen nicht deshalb, damit sie durch unser Wirken Gottes Eigentum wer-den, sondern weil sie es sind. Wie können wir einander zur Buße, zum Glauben und zur Liebe hel-fen, wenn wir nicht von Christus teuer erkauft und zu seinem Eigentum erworben wären? Indem aber Jesus die Seinen seine Lämmlein nennt, sagt, er dass sie nicht für sich allein zurechtkommen, sondern den bedürfen, der sich ihrer annimmt. Zur Herde vereint und in die Gemeinschaft einge-fügt, empfangen wir Gottes Gaben. Daher gibt es Ämter und Dienste und gegenseitige Hilfelei-stung. Der erste und wichtigste Dienst, den Petrus allen zu leisten hatte, bestand darin, dass er die Erinnerungen an Jesus festhielt und sein Bild allen zeigte. Weil Petrus denen dient, die Jesus ange-hören, ist klar, was er für sein Amt nötig hat. Um das, was dem anderen gehört, bekümmern wir uns nur dann, wenn wir ihn lieb haben. Sonst sorgen wir nur für das, was uns selber nützt. Willst du, sagt Jesus zu Petrus, der Hirte meiner Lämmlein sein, so musst du mich lieb haben, und wenn ich dir das größte Werk, das Werk des Apostels, vor den anderen anvertrauen soll, so musst du mich mehr als alle anderen lieben. Der großen Liebe kann man den großen Dienst übergeben, und den größten Dienst empfängt der, der die größte Liebe hat. Hast du sie? fragt Jesus. Du weißt, sagt Pe-trus, dass ich dich lieb habe und nicht an mich denke und nicht für mich arbeite und nicht mich zum Herrn der Menschen mache. Du allein sollst es sein. Das war die Ausrüstung des Petrus zu seinem Werk.

Es gibt kein Glied in Deiner Schar, und wäre es das kleinste, schwächste Lämmlein, das nicht teil an Deinem Werke bekommt. Aber jedes Glied Deiner Herde fragst Du: hast du mich lieb? So wird aus dem, was wir tun, für einander ein heilsamer Dienst. Schöpfer der Liebe, gewähre sie uns, die wir lieblos sind ohne Dich. Amen.

11. April

Spricht Jesus zum dritten Mal zu ihm: „Simon Jonas, hast du mich lieb?“ Petrus war trau-rig, dass er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb? und sprach zu Ihm: „Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Johannes 21,17

Er, der alle Dinge weiß, fragt und wiederholt seine Frage, damit Petrus sich bewusst werde, wie es mit ihm steht, ob er Jesus lieb hat. Den Schmerz, den ihm die Wiederholung der Frage bereitet, hat Jesus nicht gescheut. Sei du nur betrübt, Petrus, dass man dich so fragen muss; Grund zu dieser Frage hast du reichlich gegeben. Petrus deutete sich den Sinn dieser Fragen richtig, als er sagte: Du weißt alle Dinge. Jesus fragt ihn deshalb, weil er weiß, dass er ihn lieb hat. Darum darf ihm Petrus seine Liebe bekennen, und darum antwortet Jesus seinem Bekenntnis damit, dass er ihm seine Lämmer übergibt. „Du weißt alle Dinge“, das vertreibt aus unserem Verkehr mit Jesus jeden Schein und alle Verstellung. Im Verkehr mit den Menschen mag es manchmal vernünftig scheinen, uns in Schein zu verkleiden. Sie verstehen oft falsch, verdrehen, was sie hören, und missbrauchen, was sie wissen. Vor boshaften Augen eine Maske zu tragen, mag ratsam sein, und es ist auch leicht, sie zu täuschen. Auch wenn wir in der Selbstbeurteilung die Wahrheit fürchten und uns selbst belügen, handeln wir noch einigermaßen mit Verstand, weil wir nicht ohne Grund den Anblick unseres Bil-des vermeiden. Aber von dem, der alle Dinge weiß, wird jede Unwahrhaftigkeit zur hellen Unver-nunft. Vor ihm sind wir an den Ort gestellt, wo wir nichts scheinen, sondern einzig das sind, was wir sind. Dafür sei Gottes herrliche Gnade gepriesen. Es ist ja eine uns erdrückende Last, wenn wir unsere Hilfe darin suchen müssen, dass wir scheinen, was wir nicht sind, und es ist Gottes seligma-chendes Geschenk, dass wir vor ihm ohne diese Last als die stehen, die gekannt sind ganz und gar. Nun darf Petrus sagen: Ich liebe dich. Wer kann sich selber trauen? Wer urteilt richtig über sich? Weiß ich, ob mein Glaube Glaube und meine Liebe Liebe ist und nicht nur fromm gefärbte Eigen-sucht? Weil aber Petrus vor dem steht, der alle Dinge weiß, dessen flammender Blick jeden Selbst-betrug zerstört, wird er inne, wie es mit seiner Liebe steht, und weil er sie ihm jetzt zu bekennen vermag, übergibt der Herr die Seinen seiner Hut.

Du weißt alle Dinge und nimmst dennoch mein Bekenntnis an und erhältst mich dennoch in Dei-ner Gemeinschaft. Darum darf ich bitten: bin ich krumm, mache mich gerade; täusche ich mich, so mache mich wahr; ist meine Liebe krank, so heile sie. Amen.

12. April

Ich bitte nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben wer-den, auf dass sie alle eins seien, gleich wie der du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie eins seien, auf dass die Welt glaube, du habest mich gesandt.
Johannes 17,20+21

Gott einigt uns. Wer sich von Gott löst und sich selbst zum Herrn über sein Leben macht, ist mit niemand mehr eins. Nun misst er alle Dinge nach seinem eigenen Mass, sieht nur auf seine Zwecke, arbeitet, wirbt und kämpft für sich. Da dies die anderen ebenso tun, ist der Streit da. Wir machen den Versuch, ihn dadurch zu verhüten, dass der eine den anderen unterjocht. So entsteht eine um ihn gescharte Gruppe, die ihm dienen muss. Aber Einigung ist das nicht; denn Einigung gibt es nur zwischen Freien. Die Natur kommt uns zu Hilfe, weil sie uns die anderen unentbehrlich macht. Sie zwingt uns, Frieden zu halten, weil wir uns selbst zerstören, wenn wir die anderen verderben. Aber auch dieser erzwungene Friede ist noch nicht Einigung. Gott dagegen einigt uns; denn er ist dersel-be für uns alle und macht uns von uns selber frei. Weil Gott uns einigt, macht Jesus aus der Einheit der Seinen seine Bitte. Sie muss erbeten sein, weil Gott sie wirkt. Solange wir mit unseren eigen-süchtigen Gedanken ausgefüllt sind, wissen wir nicht einmal, was Einheit ist. Deshalb zeigt sie uns Jesus an seiner Verbundenheit mit dem Vater. „Du Vater, in mir und ich in dir.“ Das war nicht Un-terjochung, sondern Geeintheit in der Gemeinsamkeit des Willens. Der Vater steht in seiner herrli-chen Einzigkeit auch über dem Sohn und der Sohn steht in seiner eigenen Lebendigkeit vor dem Vater. Dies trennt sie aber nicht, der Vater ist der im Sohn Redende und Wirkende und der Sohn ist mit allem, was er will und tut, in die gebende Gegenwart des Vaters hineingestellt. Diese Einheit ist das Vorbild für die, die nun Jesus für seine Gemeinde erbittet und für sie empfängt. Sie kann ihren Beruf nicht erfüllen, wenn sie in eine gegeneinander kämpfende Schar zerbricht. Sie soll der Menschheit zeigen, dass ihr Herr die Sendung vom Vater empfangen hat, die ihn zum Schöpfer und Herrn der in Gott geeinten Gemeinde macht. Sie ist aber keine Gemeinde, wenn sie die Einheit ver-liert. So gleicht sie der Welt, in der jeder gegen den anderen sich wehrt, und hat die Kraft verloren, die die Welt zum Glauben führt.

O barmherziger Gott, mache uns eins. Wir finden den Weg zueinander nicht, weil wir das Unsrige suchen. Aber Du vergibst Deiner Christenheit alle ihre Eigensucht und machst uns Deinen Namen groß, der uns von ihr befreit. Um dieses Wunder deiner allmächtigen Barmherzigkeit bitte ich Dich. Amen.

13. April

Brecht diesen Tempel und am dritten Tag will ich ihn aufrichten.
Johannes 2,19

Wir haben einen Tempel, jauchzte ganz Israel in stolzer Freude, wir allein haben ihn. Die Tempel der anderen sind leer; der unsere ist dagegen Gottes Eigentum und der Ort, an dem er bei uns ist. Den Tempel abbrechen, das war für ein jüdisches Ohr die furchtbarste Drohung, die Ankündigung des göttlichen Zorns zur schwersten Strafe. Jesus spricht aber so vom Abbruch des Tempels, dass es nicht mehr ein drohendes Gerichtswort ist, das Zorn verkündet. Brecht ihn ab, sagt er; ihr braucht ihn nicht mehr; denn er ist durch eine herrlichere Schöpfung Gottes überholt. Er sprach damit von seinem Leib. Ein Haus macht Gott nicht gegenwärtig; er wohnt im lebenden Menschen, doch nicht im sündigenden Herzen, wohl aber in seinem Sohn. Mit ihm ist uns wahrhaft ein Tempel gegeben, und Israels Freude an seinem Tempel ist zur verklärten Vollendung gebracht. Aber auch dieser Tempel, sein Leib, wird abgebrochen, eben deshalb, weil sie von ihrem alten Abbruch seines Tem-pels schafft keine Ruine. Er steht am dritten Tag wieder aufgerichtet da, nun erst recht Gottes Tem-pel, nun erst recht das Zeichen seiner gnädigen Gegenwart, nun erst recht der Ort, von dem die Welt der Sünder die Versöhnung mit Gott empfängt, und die Städte, die die Gemeinde vereinigt zur ge-meinsamen Anbetung.

Ich will, unser Gott und Vater, zum Tempel gehen, den Du uns gebaut hast, und dort mir Deine guten Gaben holen. Ich will nicht in meinem eigenen Hause bleiben, nicht bei dem verweilen, was ich selber bin und kann. Ich kann nicht in mir Deine Herrlichkeit schauen, sondern in Deinem Sohn, nicht in mir den Frieden mit Dir finden, sondern in Ihm, nicht in mir Deinen Willen erkunden, sondern in Ihm. Ich trete ins Heiligtum, indem ich zu Dir, Herr Christus, aufsehe, und ich tue es mit der ganzen Schar, die Du zu Deiner Gemeinde gesammelt hast. Amen.

14. April

Ihr habt nicht den Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsst, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, durch welchen wir rufen: Ab-ba, Vater.
Römer 8,15

An den Knechten hat Jesus gern den Jüngern gezeigt, was ihre Stellung vor Gott sei, dass sie ihm mit allem, was sie sind und haben, gehören und ihre ganze Arbeit für ihn tun. Ebenso hat Paulus zusammen mit der ganzen Christenheit den Namen „Knecht Gottes“ zu seinem Ehrennamen ge-macht, der allen sofort das Große zeigte, was ihm gegeben war und durch ihn zu den Völkern kam. Dabei bleibt Paulus auch in unserem Spruch, weil er die Knechtschaft, die die Alten Gott unterwarf, zu seinem Eigentum machte und in seinen Dienst stellte, als das Werk des Geistes beschreibt. Der Gedanke wäre kindisch, ein Mensch machte sich selbst zu Gottes Knecht. Man wird durch Gott zu Gottes Knecht und Gottes Werk geschieht durch seinen Geist. Dennoch haben wir mit dem Geist, der Knechte Gottes macht, noch nicht das vor uns, was Jesu Gabe für uns ist. Über dem Knecht steht der Sohn, und von Jesus, dem Sohne Gottes, geht der Geist der Kindschaft aus. Wie wird die-ser Unterschied in unserem Verhalten sichtbar? Aus der Gebundenheit des Knechts an Gott, sagt Paulus, entstand die Furcht; aus der Versetzung in die Kindschaft entsteht der Ruf, der den Vater ruft. Scheu und still muss der Knecht warten, bis das Urteil des Herrn über seine Arbeit erfolgt, wie er in schweigendem Gehorsam das Gebot des Herrn zu empfangen hat. Der Sohn dagegen spricht zum Vater mit lautem Ruf, befreit von scheuer Ängstlichkeit. Hier ist nichts zu verheimlichen; in heller Öffentlichkeit ergeht das Bekenntnis und mit froher Zuversicht wird die Bitte laut. Ist denn die Furcht aus uns, den Kindern, verschwunden? Das kann nie geschehen. So wenig Paulus das Knechtsein vor Gott schielt, so wenig schilt er die Furcht. Sie bleibt ein unentbehrliches Glied unse-res inwendigen Lebens. Aber sie ist nicht mehr die Wurzel unserer Frömmigkeit, nicht mehr die treibende Kraft in unserem Gottesdienst. Die Furcht ist uns dazu gegeben, damit sie uns zum Glau-ben führe, und dieser hat nun seinen Grund darin gefunden, dass uns Jesus zu sich selbst holt und uns mit sich in die Kindschaft Gottes stellt.

Dir zu gehören ganz und gar, Vater, das ist der Reichtum und die Ehre Deiner Knechte und Dei-ner Kinder. Du beugst uns aber nicht durch Deine Hoheit, sondern hebst uns zu Dir empor durch Deine Gnade und wandelst unsere Furcht in den Glauben, durch den Deine väterliche Liebe uns zu sich zieht. O mache mir Tag um Tag wieder Dein Evangelium hell. Amen.

15. April

Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.
Johannes 7,37+38

Wenn der Dürstende trinkt, empfängt er, was er selbst bedarf. Ihm wird das eigene Verlangen ge-stillt, das Erfüllung finden muss, wenn sein Leben nicht verwelken und zerfallen soll. Aber das, was er in sich hineintrank, tritt wieder aus ihm hervor, und nun als Strom in überreicher Wirkung, die alle Erwartung übersteigt. Durch dieses Wort durchleuchtet Jesus das Geheimnis, das an seinem Wirken haftet, aber auch in der Arbeit der Kirche und aller ihrer Glieder wiederkehrt. Zu wem spricht Jesus und für wen tut Jesus sein Werk? Zu mir, dem einzelnen, spricht er; mir, dem einzel-nen, gilt seine Gnade. Denn mein Verhältnis zu Gott ist mein eigenstes Anliegen und kann nur in meinem eigenen Innern Grund und Festigkeit erhalten. Mein Glaube kann nicht eine Nachahmung zu dem sein, was ein anderer ist und tut; er ist mein eigentliches Verhalten, das in mir selbst be-gründet ist und mir durch meine Geschichte und Erfahrung vermittelt wird. Meine Pflicht kann ich ebensowenig von einem anderen entlehnen; sie entspringt in mir, in meinem Vermögen, aus meiner Lage, weshalb ich nur das tun kann, was mir mein eigenes Gewissen sagt. Mein Durst ist mein Durst; ich selbst muss trinken und das belebende Wasser zu eigenem Besitz empfangen. Zersplittert sich nun nicht das Werk der Christenheit in die unendliche Vielheit der Einzelleben? Versinkt es nicht in die Verborgenheit der unsichtbaren Innerlichkeit? Allein da, was mir Jesus tut, endigt nicht in mir und hat nicht schon damit sein Ziel erreicht, dass der Dürstende trinkt. Denn das, was er empfangen hat, flutet aus ihm heraus, und der, der getrunken hat, wird zum Quellort des belebenden Stroms. Tausendfach strahlen aus jedem Leben die Wirkungen aus in unberechenbare Weiten. Bleibt ein Leben von engen Grenzen umschlossen, immer werden viele mit ihm in Berührung ge-bracht, und das, was von Jesus stammt, hat immer und für alle die wirksame Macht. Das von ihm Empfangene geht vom ersten Empfänger hinüber zu den anderen. Sein Wort strömt von Mund zu Mund und sein Friede senkt sich aus einem Herzen in das andere. Glaube zündet Glaube an und Liebe zeugt Liebe. Käme der Strom nicht aus uns heraus, so hätten wir nicht wirklich getrunken. Denn das lebendige Wasser lässt sich nicht in den einschließen, der es trank. Würden wir eine Mas-senwirkung versuchen, die auf die einzelnen verzichtete, so hätten wir uns vom Ziele Jesu abge-wandt. Denn dergleichen erreicht den innersten Vorgang im Menschen nicht. So entsteht nicht Le-ben. Jesus schafft Leben, und darum ist der Ort, an dem er wirksam wird, in jedem seine verborgene Innerlichkeit. Wo aber Leben ist, da bringt es Unendliches hervor.

Ich erfasse, Herr Jesus Christ, Dein teures Wort, dass Du nicht nur an mich denkst, wenn Du mir Dein Wort gibst, und nicht nur für mich sorgst, wenn Du mein Leben gnädig regierst, sondern mit dem, was Du mir gibst, vielen hilfst und den Strom entspringen lässest, der manchen dürren Boden befruchtet und manches welkende Leben erneuert. Dazu hilf Deiner ganzen Schar, die sich von Deiner Hand führen lässt. Amen.

16. April

Das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christus Jesus, hat mich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes.
Römer 8,2

Überall, wohin Paulus blickt, sieht er ein wirksames, unser Leben bestimmendes Gesetz. Auch in unserem Sündigen waltet ein Gesetz, eine von Gott zugeordnete Notwendigkeit, an die wir gebun-den sind. Ebenso ist es ein von Gott uns auferlegtes Gesetz, dass wir sterben. Auch in dem, was unsere Vernunft von uns verlangt, ist ein Gesetz wirksam, das uns Gottes guten Willen zeigt. Wie steht es mit dem Geist? Auch er ist eins mit einem Gesetz, mit einer gültigen, wirksamen Ordnung, durch die der feste Wille Gottes mit einer unbedingten Geltung zur Erfüllung kommt. Der Geist trägt nicht Willkür in mich hinein und bedeutet nicht die freie Bewegung meiner Fantasie, durch die ich mir Ziele erfinde, als wäre mir durch den Geist die Vollmacht erteilt, mein Leben nach meinen Plänen zu ordnen. Der Geist macht Gottes Willen in mir wirksam; denn er trägt Gottes Wirken in mein inwendiges Leben hinein. Er macht mich darum von Launen und Zufall, von schwankendem Wechsel und grundlosem Belieben gänzlich frei. Der Weg, den er mich führt, leitet mich in Stetig-keit und Sicherheit zu Gottes Ziel, und dieses Ziel ist das Leben. Wie kommt dieses Gesetz zu mir? Wo erfasst es mich? In Christus, sagt Paulus. In Christus sein heißt im Gesetz des geistes sein und in Christus handeln heißt im Gesetz handeln. Damit ist der Ausgang meines Lebens gesichert und dem inneren Zwiespalt, der mich entzweit, die Entscheidung gegeben. Ohne den Geist steht meine Vernunft neben dem vom Körper mir gegebenen Trieb und meine Zustimmung zum göttlichen Ge-bot wird wertlos durch mein Unvermögen, es zu tun. Nun aber, da ich unter das Gesetz des Geistes gestellt bin, tritt eine Kraft in mich hinein, die stärker ist als der sündliche Wille; denn dieser ist der meine, der Geist aber ist Gottes. Führt mich das Sündigen in den Tod, so führt mich der Geist in das Leben und das Leben überwindet den Tod. Das Gesetz der Sünde und des Todes vergeht vor dem Gesetz des Geistes, und durch dieses Gesetz wird mir die Freiheit beschert. Indem ich sündigen und sterben muss, wird meine Unfreiheit sichtbar. Hier wurde über mich verfügt. Bei all dem dagegen, was der Geist mir gibt, bewege ich mich frei. Ich bin selbst der Glaubende und selbst der Liebende. Nun bin ich der Wollende und Handelnde, weil Gott mich bewegt.

Alles, was in mir frei ist, ist Deine Gabe, o heiliger Geist, alles, was ich mit ganzem Willen begeh-re, ohne dass mich meine Sündlichkeit und Sterblichkeit hindern kann. Daran erkenne ich deine schaffende Gnade, die in uns, die Gebundenen, die Sehnsucht nach der Freiheit legt und uns auch erfahren lässt, dass Du unsere Fesseln sprengst. Amen.

17. April

Die Nacht ist vorgerückt, der Tag herangenaht. So lasst uns ablegen die Werke der Fin-sternis und anlegen die Waffen des Lichts.
Römer 13,12

Nacht nennt Paulus den gegenwärtigen Stand der Christenheit, und doch jubelt er in der Gnade, dankt für alles und verherrlicht Gott in allem. Dennoch heißt er unsere Gegenwart noch nicht Tag, sondern Nacht. Denn er denkt nicht nur an sich selbst und seinen eigenen Anteil an Gottes Liebe, auch nicht nur an die Christenheit und das, was sie durch Jesus geworden ist, sondern schaut auf die Menschheit mit ihrer Schuld und ihrem Jammer. Paulus blieb ihr Glied und rang mit ihrer Sünde und litt unter ihrem Jammer. Ist Gott, fragte er, nur der Juden Gott? Und er antwortete: Nein! Er ist auch der Gott der Völker. Die Christenheit darf ebensowenig meinen, Gott sei nur ihr Gott. Er ist größer als unser Herz und die in unser Herz gelegte Gnade; er ist auch größer als die Christenheit, und das, was sie in ihrer Gemeinschaft erarbeitet und besitzt, reicht bei weitem nicht aus, um sicht-bar zu machen, was Gott schaffen wird. Das wird erst dann offenbar, wenn Gott alles, was sein Werk ist, mit seiner Herrlichkeit erfüllt, und dies geschieht erst durch Christus in seinem künftigen Reich. Darum heißt Paulus unsere Gegenwart Nacht, aber nicht eine bleibende, unbewegliche, end-lose, sondern eine weichende Nacht, die sich zum Tag hinbewegt. Die nächtliche Art unseres Le-bens zeigt sich darin, dass es noch mit Gefahr verbunden ist. Wir bedürfen noch Waffen, und solan-ge uns solche unentbehrlich sind, ist der Tag noch nicht da. Dieser verscheucht die Gefahr. Im Dunkeln leben zu müssen, ist deshalb gefährlich, weil es uns verleitet, die Werke der Finsternis zu tun, die lichtscheuen Werke, die die Heimlichkeit nötig haben, damit sie nicht als schändlich erwie-sen seien, all das, was nur mit einem gefälschten Titel und unwahren Schein geschehen kann, alles, was seine boshafte und gottlose Art unter einem unechten Glanz versteckt. Dieser Glanz kann uns nur locken, solange es Nacht ist; fällt auf ihn das Licht, so ist die Verwerflichkeit dieser Werke of-fenbar. Christus ist aber nicht nur einst das Licht, das die Nacht beenden und den hellen Tag herbei-führen wird, sondern ist auch jetzt bei uns und durch ihn wird uns das Licht als unsere Waffe gege-ben, die uns auch in der dunklen Welt unangreifbar macht und die Werke der Finsternis ver-scheucht.

Herr Gott, dein Tag ist uns verheißen, damit wir uns seiner freuen, auch wenn wir im finsteren Tal wandeln mitten im Getriebe dieser dunklen Welt. Sende uns, wenn wir uns im Finstern verirren, einen Strahl Deines Lichts, damit wir unser Antlitz dahin wenden, wo die Nacht vergangen ist und der Tag scheint. Amen.

18. April

Der Buchstabe tötet; aber der Geist macht lebendig.
2. Korinther 3,6

In Schrift verfasst liegt das göttliche Wort vor mir, so dass es durch Buchstaben zu mir spricht. Da-durch ist es zu unserem ernsten Anliegen gemacht, dass wir das göttliche Wort der Wahrheit gemäß schätzen. Paulus hilft uns zur rechten Verehrung und gläubigen Aneignung der Schrift dadurch, dass er uns zeigt, warum die Schrift nicht Gottes einzige und letzte Gabe für uns ist, noch nicht die, die uns hilft. Die Gabe Gottes, mit der uns geholfen ist, ist der Geist; denn dieser schafft das Leben, während die Schrift, wenn ich nichts als sie habe, tötend wirkt. Das tut sie deshalb, weil sie Gesetz ist und Gottes Gesetz keinen Widerspruch erträgt, sondern dem, der ihm widerspricht, das Leben nimmt. Die Schrift verkündet mir, dass Gott gut ist und das Gute will und das Böse nicht will und von mir verlangt, dass auch ich das wolle, was gut ist vor Gott. Allein damit, dass ich das lese und mir vorhalte und einübe, ist es noch nicht zu meinem eigenen Willen geworden. Damit ist die in-wendige Entzweiung noch in mir vorhanden, durch die das, was ich soll, von dem, was ich bin, ge-schieden bleibt und aus der Frömmigkeit die Hülle wird, die meinen wirklichen Zustand versteckt. Darum spricht Gott nicht nur durch Worte zu uns, die durch die Schrift vor unsere Augen und in unser Gedächtnis kommen, sondern wirkt im Bereich unseres inwendigen Lebens durch seinen Geist. Nun fordert sein Wort nicht nur den Glauben, sondern schafft ihn in mir und verlangt von mir nicht nur die Liebe, sondern verleiht sie mir. Jetzt ist die uns drohende Gefahr überwunden und das Leben erschienen. Indem Gott durch seinen Geist zu uns spricht, wird die Schrift für uns zu seinem heilsamen Wort.

Ich höre Deines süßen Wortes Schall, Deines heiligen Willens Bezeugung. Nun sprich zu mir durch Deine gebende Gnade, die das Wollen und das Vollbringen verleiht, damit Dein Wort mich nicht verklage, sondern die seligmachende Gotteskraft sei. Amen.

19. April

Auf Moses Stuhl sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Alles nun, was sie euch sagen, das ihr halten sollt, das haltet und tut es; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht tun; sie sagen es wohl und tun es nicht.
Matthäus 23,2+3

Braucht die Welt neue Schriftgelehrte? Jesus sagt: Nein! Die alte Bibel zeigt euch, was recht und gut vor Gott ist, und sie spricht so deutlich, dass sogar einer, der aus der Schule Gamaliels kam, sie auslegen kann. Soll ich fragen: Lieber Herr, wozu sendest du denn deine Jünger, wenn es genug ist, dass es einen Lehrstuhl für Mose bei uns gibt? Lasten binden, antwortet der Herr, ist nicht dasselbe wie die Lasten tragen, und andere sie tragen heißen, ist nicht dasselbe wie sie selber tragen. Woran krankte der alte Lehrstand? In seinem Inneren zerriss ihn ein unheilbarer Riss. Es fiel auseinander, was er sagte und was er war, was er lehrte und was er tat. Das ändert keine Schriftgelehrsamkeit, kein Bibelstudium, keine Kirchlichkeit. Es sind kostbare Erwerbungen, die wir uns dadurch ver-schaffen, religiöse Haltung , christliche Sitte, der biblische Gedankenkreis. Aber der Mensch ist etwas anderes als seine Tracht, etwas anderes als seine Worte, etwas anderes als seine Gedanken. Den inneren Riss heilt keine Gelehrsamkeit. Es wäre töricht, wenn wir meinten, heute brächte es unsere christliche Erziehung zu etwas anderem, als was sie damals erreichten. Was Unterricht und Erziehung geben kann, war damals in höherem Masse vorhanden als bei uns, befestigte Überzeu-gung, unerschütterliche Sitte, Treue in der Ausführung der Gebote. Was hilft? Das, was Jesus hatte, die Sohnschaft Gottes, und was er denen gibt, die an seinen Namen glauben, die Kindschaft Gottes, das, was uns zur Kindschaft Gottes bringt, der Geist. Jetzt erhalten wir nicht nur eine religiöse Tracht und Dressur; jetzt ist der Mensch geheilt. Darum hat Jesus den Glauben zu dem gemacht, was er in uns schafft. Denn der Glaube ist derjenige Vorgang, durch den Gottes Wirken unseren Willen bewegt. Darum ist im Glauben alles drin, Gottes Tat und mein Entschluss, Denken und Wol-len, Erkenntnis und Tat.

Was krank ist an uns und was Du uns gibst, das, treuer Herr, stimmt zusammen. Du heilst uns da, wo wir krank sind, und so, dass wir genesen. Ich bitte Dich um einen starken Hass gegen jedes leere Wort und allen bloßen Schein. Mach es unserer lieben Christenheit sichtbar, dass Dein Reich nicht in Worten steht, sondern in Kraft.

20. April

Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, was es auch sei, warum sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel.
Matthäus 18,19

Wenn die Gemeinschaft auf uns drückt und uns das Gebet verdirbt, so macht uns Jesus von ihr frei. Das tut er aber nicht deshalb, damit wir einsam werden. Wie könnten wir der Gemeinschaft entbeh-ren müssen, da er unser aller Herr ist? Sein königlicher Name spricht aus, dass es der Schöpfer und Führer der in Gott verbundenen Gemeinde ist. Darum führt er den Beter zum Beter und gibt ihrem einträchtigen Bitten seine besondere Verheißung. Erhörlich wird mein Gebet dann, wenn ich nicht gegen, sondern nach Gottes Willen bete. Ob aber mein Begehren in Gottes Ordnung bleibt, dafür ist es eine heilsame Erprobung, wenn ich den Versuch mache, mit einem anderen eins zu werden. In dem, was als Gottes große Verheißung über der ganzen Menschheit und der ganzen Kirche steht, sind alle Glaubenden ohne Mühe geeint. Wenn wir den Inhalt des Evangeliums in unser Gebet auf-nehmen, kommen wir, auch wenn wir viele sind, leicht zusammen. Jesus spricht aber hier von dem, was meine besondere Lage und Pflicht zum Inhalt meines Bittens macht, und wenn ich in meiner Beurteilung meiner Lage und in meinem Verlangen nach Gottes Hilfe nicht einsam bleibe, sondern mich mit meinem Verlangen nach Gottes Hilfe nicht einsam bleibe, sondern mich mit meinem Bru-der einigen kann, dann ist etwas erreicht, was meiner Bitte Richtigkeit gibt und ihre Übereinstim-mung mit Gottes Willen verstärkt. Wir sind dazu beisammen, damit wir eins seien und unser Wort nicht als das unsrige, sondern gemeinsam betreiben. Entsteht zwischen uns die Gemeinschaft des Gebets, so sind wir an den Ort gelangt, zu dem uns die Gnade Jesu führt, die keinen nur für sich selbst begabt, sondern unser Leben zum gemeinsamen Dienst ineinander flicht.

Nun hat mir Dein Wort, Herr Jesus, wieder ein kostbares Kleinod aus dem Schatz gezeigt, den Dein Reich uns gewährt. Wir dürfen vor Dir eins werden, eins als die Bittenden. Denn Du pflanzest in uns den einen Glauben und die eine Liebe und schaffst den lebendigen Leib, in dem wir Glieder sind. Das gib uns, lieber Herr. Amen.

21. April

Wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, derselbe ist mein Bruder, Schwester und Mutter.
Matthäus 12,50

Die Bande, die die Natur zwischen uns knüpft, vereinen uns fest. Wir empfangen reiche Güter da-durch, dass wir nach der Ordnung der Natur Eltern, Brüder und Schwestern haben, ebenso auch, dass wir als Zeitgenossen zum selben Geschlecht und durch dieselbe Rasse, Sprache und Geschich-te zu einem Volk verbunden sind. Es gibt aber noch eine festere Verbundenheit und vollständige Gemeinschaft; das ist die, die uns Jesus bereitet hat. Seine Mutter und seine Brüder machten die Ansprüche geltend, die ihnen ihre natürliche Verbundenheit mit Jesus gab. Jesus wies aber diese Ansprüche ab, nicht weil er das natürliche Recht zerträte und die natürliche Gemeinschaft vernich-tete. Er anerkannt sie willig; es muss aber sichtbar werden, dass es noch etwas Größeres gibt, eine Gemeinschaft, die auch da besteht, wo die natürlichen Bande nicht vorhanden sind, und auch das Persönlichste in uns erfasst und uns daher ganz miteinander vereint. In diese Gemeinschaft sind alle hineingesetzt, die den Willen Gottes tun. Mit ihnen macht sich Jesus eins und verbindet sie so fest mit sich, wie die Natur uns zusammenführt. Was diese macht, lässt sich nicht ändern. Unsere Mutter ist für immer unsere Mutter und unsere Brüder bleiben es unser Leben lang. Ebenso unzerbrechlich heißt Jesus seine Gemeinschaft mit denen, die den Willen Gottes tun, und indem er sich mit ihnen verbindet, sind sie auch miteinander vereint. Wenn unsere Einigung nicht an dieser tiefsten Stelle ihren Grund hat, bricht sie. Manche Mütter sahen sich von ihren Kindern verlassen und zwischen Brüdern entsteht oft grimmiger Hass. Wenn aber der Wille Gottes unser Wille wird und von uns nicht nur gekannt, sondern getan wird, dann trennt uns nichts von Jesus und trennt uns nichts von-einander. So werden wir eins.

Du nimmst Dich unser an, o Jesus, gönnst uns deine Gemeinschaft und gibst ihr den sicheren Grund im Willen Gottes. Nichts wird mich von Deiner Liebe scheiden, wenn ich im Willen Gottes bleibe. Um die Verbundenheit mit Dir bitte ich Dich; denn sie ist mein Friede, meine Kraft und mein Heil. Amen.

22. April

Achtet es für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet.
Jakobus 1,2

Sie waren eine sieghafte Schar, die, die mit Jesus nach Golgatha gingen und von ihm von Golgatha in die Osterzeit hinübergeführt wurden. Gab es je eine bedrücktere Christenheit als die, die in Jeru-salem ausharrte? Gebannt, mit schweigender Verachtung in einen Winkel gedrängt, von den Heilig-tümern getrennt, an denen von Jugend an ihre Seele hing, hielten sie aus, obwohl über der nächsten Zukunft eine schwarze Wetterwolke stand, die dem Vorblick auf den Greuel der Verwüstung im Tempel und auf die von den Feinden umringte Stadt, die in der Umklammerung ihrer Feinde ein bitteres Sterben erleiden wird. Dennoch erklomm sie ihren ersten steilen Weg mit dem jubelnden Ruf der Sieger: Haltet es für lauter Freude, wenn euch Versuchung auf Versuchung bestürmt. Ich lebe in geordneten, friedlichen Verhältnissen. Es ballt sich keine Faust gegen mich, und was böse Zungen sagen, versteckt sich heimlich. Doch gibt auch mir und allen unsere Lage an der Versu-chung teil. Der Druck der Welt liegt auf uns und die Gefährdung unseres Volkes schmerzt und der Zustand unserer Christenheit lähmt. Man spricht nicht ohne Grund von einer „Krisis unserer Kul-tur“ und von einer „Krisis in unserer Kirche“.Mitten im lauten Lärm über die Torheit des Glaubens und im starken Wellenschlag einer Strömung, die sich den Geboten Jesu widersetzt, kann sich kei-ner ohne Anstrengung und ohne Schmerzen gläubig verhalten. So müssen auch wir es wie die Ge-fährten Jesu lernen, dass Versuchung Freude verschafft, ganze, klare Freude ohne die Beimischung einer Klage. Dass im Kampf Wunden empfangen werden und die Wunden schmerzen, das bleibt unbestritten. Das zeigt die Erfahrung mir wie allen. Allein eine Trübung der Freude entsteht aus diesen Schmerzen nicht. Sie schwebt als der reine Klang der vollen Danksagung über dem Lärm des inwendigen Kampfes. Warum? Die Versuchung, sagt Jakobus, gilt deinem Glauben. Dieser wird erprobt und durch die bestandene Versuchung bewährt. Und glauben können, das ist Freude; denn das ist mein Heil.

Was Du gibst, heiliger Gott, und von uns verlangst, hat das Merkmal der Wahrheit. Vor Dir besteht kein Schein und ein geteiltes Herz hat nicht Dein Wohlgefallen. Darum machst Du aus den Deinen die kämpfende Schar. Deine Gnade hat auch mich zu ihr gesellt. Ich sehe die Gefahr des Kampfes und habe nicht in mir die siegende Kraft. Dein Wort ist mein Halt und Dein Wort beruft mich zur Freude und zum Dank auch für den Kampf. Amen.

23. April

Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
Psalm 34,19

Was bleibt dem Menschen, wenn sein Herz zerbrochen und sein Geist zerschlagen wurde? Mag die Sonne ihren Lichtstrom auf die Erde schütten, für ihn scheint sie nicht mehr. Wir brauchen, damit die Natur uns diene und erfreue, ein unverletztes Herz. Sein Besitz mag unversehrt sein. Nun kann er ihm aber nichts helfen; was ist ein Besitztum noch, wenn sein Besitzer ein toter Mann ist? Von den Menschen hat er nichts zu hoffen; denn den Menschen ist es versagt, Herzen zu heilen. Ist er hilflos? Nein, sagt der Psalmist; denn der Herr ist ihnen nahe, die innerlich todwund sind. Hat ein schmerzhafter Stoß meine Pläne zerbrochen, meine Hoffnungen zerstört und alle meine Gedanken entwurzelt, so hat er mir doch meinen Gott nicht genommen. Er ist mir eben jetzt, da ein schmerz-hafter Bruch mein Innerstes verletzt hat, nahe, nach seiner heiligen Regel, dass er zur Not seine Hilfe und zur Armut seine Gabe fügt und da, wo der Mensch zu Ende ist, mit seinem Werk beginnt. In solcher Lage bewährt sich die selige Botschaft, dass alles zum Guten hilft. Sie umfasst auch das Schwerste, was uns treffen kann, und dies ist nicht der Verlust unserer Habe, auch nicht der Zu-sammenbruch unseres Leibes, sondern der inwendige Bruch, der Schlag, der unseren Geist verletzt. Nun hilft uns auch er zum Guten, da er uns Gottes Nähe verschafft. Darum dürfen wir dem Apostel glauben, der uns sagt, dass uns jede Versuchung zur Freude werden kann. Auf die gefährliche Höhe steigt die Versuchung dann hinauf, wenn unser Herz zerbricht; denn dann ist uns die Verzweiflung nahe. Aber auch unsere Rat- und Hilflosigkeit wird zum Band, das uns mit Gott vereint. Das gibt den Stunden, in denen das Herz krampfhaft zuckt und aus tiefen Wunden blutet, eine feierliche Weihe. Nun bedenke: jetzt ist Gott mir nahe. Denn selig sind die Armen im Geist, weil Gott zu ihrer Armut seinen Reichtum fügt.

Führe mich nicht in Versuchung! Ich bebe, wenn ich daran denke, wie zerbrechlich mein Herz ist und wie tief die Schläge, die den Geist treffen, dringen. Aber auch, wenn Du mich in Versuchung führst, offenbarst Du die Herrlichkeit Deiner Gnade. Wenn ich nichts mehr bin und keine Stütze mehr habe, zeigst Du mir, dass Du meine Stütze bist, und lehrst mich glauben. Amen.

24. April

Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Matthäus 6,13

Wer viel empfangen hat, von dem wird viel gefordert. Überreich waren die Jünger beschenkt, sie, die Träger des Evangeliums, das aus ihnen das Licht der Welt gemacht hat. Darum stehen sie auch unter dem mächtigen Anspruch, den ihr Amt an sie stellt und der ihnen gewährte Vorzug auf sie legt. Der Dienst Gottes gebührt denen, die die Versuchung bestehen. Nicht dadurch rüstete sie Jesus für ihren Dienst, dass er sie jubelnd auf den Kampfplatz stellt, nicht dadurch, dass er sie als die Helden beschreibt, denen er den Kampfpreis schon jetzt zusagt, weil sie ohne Gefährdung immer siegend durch die Versuchung gehen. Vielmehr gibt er ihnen die gebeugte Haltung: „führe uns nicht in Versuchung“. So rüstet er sie zum Sieg. Die Versuchung kommt; sie kommt um der Gnade wil-len, die ihnen gegeben ist, weil ihnen das Herrlichste anvertraut ist, was ein Mensch empfangen kann, Gottes Dienst. Sie bringt sie aber in die Nähe des Falls. Sie lernen in der Versuchung nicht nur ihre Kraft, sondern auch ihre Schwachheit kennen. Sie wüssten nicht, was ihre Kraft ist, würden sie nicht auch ihre Schwachheit sehen. Daraus beschenkt sie Jesus mit der Frucht vor Gott. Das ge-hört zur Wunderbarkeit Jesu, dass er uns beides schenkt, den Glauben und die Frucht, ohne dass ein innerer Riss uns lähmt. Ohne Glauben sind sie nicht seine Jünger; eben deshalb, weil sie glauben und damit sie glauben, ordnet ihnen Gottes Liebe die Versuchung zu. Mit dem Glauben geht aber die Furcht Gottes Hand in Hand. Denn die Versuchung öffnet ihnen das Auge für ihr Sündigen und enthüllt ihnen den Abgrund, dessen Rand ihr Weg begleitet. Neben ihrem Fall steht der Verkläger, der nach ihrem Sturz begehrt und ihn für seinen Zweck benützt, und über ihrem Fell steht der rich-tende Gott, bei dem es kein Ansehen der Person gibt, weil er jeder Gottlosigkeit widersteht. Allein entzweien können sich die Frucht und der Glaube nicht; denn ihr Ursprung verbindet sie. Beide entstehen dadurch, dass sich unser Blick zu Gott wendet. Aus seiner Gnade entsteht unser Glaube und aus Gottes Widerstand gegen alle Gottlosigkeit entsteht unsere Frucht. Sehen wir auf zu Ihm, so sehen wir im einen und selben Gott stets beides, seine strafende und seine rettende Tat.

Vor Dir, Vater, verstummt jeder Ruhm und jeder Mund wird verschlossen vor Deinem Gericht. Dei-ner Kinderschar geziemt es, Dich so zu fürchten, dass sie dir glaubt und Dir so zu glauben, dass sie Dich fürchtet. Du ordnest meine Last, dass ich sie tragen kann, und führst mich so durch das dunkle Tal, dass ich Deinen Stecken und Stab höre und weiß, dass du bei mir bist. Ich bitte dich um deinen Frieden, der unser Herz bewacht. Amen.

25. April

So jemand den Herrn Jesum Christus nicht lieb hat, der sei Anathema.
1. Korinther 16,22

Die korinthischen Christen waren recht verschieden. Die einen hatten Jesus durch Paulus kennenge-lernt. Andere hatten sich, solange Paulus in ihrer Stadt war, von ihm ferngehalten und waren erst später durch Apollo gewonnen worden. Wieder andere waren aus den östlichen Kirchen nach Ko-rinth gekommen und hatten das Evangelium durch Petrus gehört, und dazu gab es solche, die keinen Anschluss an irgendeinen Apostel begehrten, sondern der Meinung waren, ihre Verbundenheit mit Christus mache sie von allen Menschen frei. Was gäbe dieser mannigfaltigen Schar die Einheit, so dass aus ihr eine geeinte Kirche entstand? Mit dem letzten Wort seines Briefes sprach Paulus aus, wie weit er die Gemeinschaft ausdehnt und wo sie endet. Von Gott verworfen und geschieden, sagt er, ist jeder, der für Jesus keine Liebe hat, jeder, der für seinen eigenen Vorteil arbeitet, für seine eigene Größe wirkt und in seiner Frömmigkeit, sei sie, wie sie sei, nur an sich selber denkt. Wer aber Jesus lieb hat, den kann nichts von Paulus trennen. Das gibt die Einigkeit über alle Unterschie-de in der Herkunft und Rasse, in der Erkenntnis und Sitte hinweg. Die eine Liebe, die dem Herrn gegebene, einigt ganz.

Es ist Deine Gnade, lieber Herr, die uns in Deine Gemeinde gebracht hat, die dadurch verbunden ist, dass Du ihr Deine Liebe zeigst und sie in uns erweckst. Es will mir manchmal scheinen, ich sei einsam und gehe meinen Weg allein. Das meint aber nur mein törichtes Herz. Du schaffst Dir die, die Dich lieb haben, und machst aus ihnen in der weiten Welt Deine große Gemeinde. Erhalte mich in Dir, indem Du mich in Deiner Liebe erhältst. Amen.

26. April

So ihr bleiben werdet in meiner Rede, so werdet ihr die Wahrheit erkennen.
Johannes 8,31+32

Wer scheidet Schein und Wahrheit? Wer ist dazu fähig? Wenn ich auf die Weise sehe, wie sich die anderen verhalten, was ist hier echt und was nachgemacht, was erlebt und was erlernt, was Wirk-lichkeit und Leben und was Theaterspiel? Doch lass die anderen. Es trägt jeder seine eigene Last, hat seine eigene Verantwortlichkeit und steht oder fällt seinem Herrn. Frage dich, was ist an dir Wahrheit und was Einbildung, was ist in dir gewurzelt und gewachsen und was ist fremdes Eigen-tum, das du als Schaustück in dir trägst, als wäre es dein? Es gibt unter uns nicht wenige, die die Frage quält: ist nicht alles, was man Christentum nennt, Einbildung, „Autosuggestion“, nicht nur die Geschichte Jesu mit ihren Wundern, sondern auch das eigene religiöse Empfinden, das, was wir unsere Erfahrung heißen, unsere Gegenwehr gegen unseren boshaften Willen, unser Gott hingege-bener Glaube bleibt, unsere zum Dienst bereite Liebe, ist nicht alles Schein, alles nur der natürliche Trieb der Eigensucht, hier nur verhüllt in einer phantastischen Tracht? Weil uns diese Sorge quälen kann, wollen wir Jesus dafür danken, da er uns einen Maßstab gegeben hat, der das Echte vom Un-echten trennt und uns die Wahrheit erkennbar macht. Dieser Maßstab ist das Bleiben in seinem Wort. Wenn sein Wort klar wie die Tageshelle, durchdringend wie ein Sonnenstrahl, mächtig wie der Hieb eines zweischneidigen Schwerts in mich hineintritt, dann flüchtet sich alles, was nur Schein und Farbe und Traumbild ist. Was sein Wort aushält und an seinem Wort sich bewährt, das ist echt, hat Wirklichkeit und ist von Gott gepflanzt.

Erforsche mich, Herr, und prüfe mich. Vertreibe den Schein, befreie mich vom Lügen und stelle mich auf den Felsen der Wahrheit. Dein Wort ist die Schule der Wahrhaftigkeit. In der Schule der Menschen lerne ich Verstellung und Falschheit. Du aber bist der Weg für mich, weil Du die Wahr-heit bist. Amen.

27. April

Nun aber ist Gottes Gerechtigkeit geoffenbart, nämlich Gottes Gerechtigkeit durch den Glauben an Jesus Christus für alle Glaubenden.
Römer 3,21+22

Uns, die wie Jesus kennen, sagt Paulus, ist Gottes Gerechtigkeit sichtbar geworden. Die Natur zeigt sie mir noch nicht. Denn sie spendet ihre Gaben freigebig den Guten und den Bösen und das ihr eingepflanzte Gesetz des Sterbens rafft die Gerechten und die Ungerechten weg. Auch im Verlauf der menschlichen Geschichte ist Gottes Gerechtigkeit noch nicht sichtbar. Sie zeigt nur mit erschüt-ternder Deutlichkeit, dass Gott dem Bösen widersteht und den Menschen an seiner Bosheit verder-ben lässt, und zeigt ebenso deutlich Gottes Langmut und Geduld, die die Sünde übersieht und ihren Täter durch Güte zur Umkehr bewegt. Auch das Gesetz bringt die Gerechtigkeit noch nicht zustan-de. Es fordert sie, macht sie mir unentbehrlich und schafft den Hunger und Durst nach ihr; aber es gibt sie mir nicht. Solange Gott nur durch sein Gebot zu mir spricht, bleibt mir seine Gerechtigkeit noch verhüllt. Sie ist größer als der Zorn, an dem wir verderben, und größer als die Geduld, die die Strafe aufschiebt und auf uns wartet, und größer als das Gesetz, das sie von uns fordert. Erst dann ist sie sichtbar geworden, wenn der Bosheit das Ende bereitet ist und ich in das wahrheitsgemäße Verhältnis zu Gott gebracht bin. Gibt es das überhaupt an unserem irdischen Ort? Wo hat Gott seine Gerechtigkeit für mich und alle sichtbar gemacht in wirksamer Tat? Sieh auf Jesus, antwortet Pau-lus, sieh auf sein Kreuz. Dort ist das Böse beseitigt und die Schuld abgetan und du kommst an den dir gebührenden Platz, bei dem Gott Gott und du Mensch, Mensch bleibst. Nun hat das Verhältnis zwischen Gott und mir die richtige Gestalt. Gott spricht das wirksame Nein, an dem meine Sünde und Schuld vergeht, und das wirksame Ja, das aus mir das macht, was ich sein soll, einen Glauben-den. So wird das böse nicht entschuldigt, sondern gerichtet, nicht mächtig gemacht, sondern abge-tan und Gott wird für mich der Gebende und ich das, was ich sein soll, der Empfangende. Nun hat Gott die Herrlichkeit und ich habe das Leben. So hat Gott seine Gerechtigkeit offenbar gemacht.

Alles bleibt an mir krumm, unwahr und ungerecht, bis Du mich zurecht bringst, und alles kommt zurecht, weil Du mich in den Glauben stellst. Nun sehe ich auf Dein Gericht und murre nicht und empfange Dein Vergeben und mache keine Erlaubnis zum Bösen daraus und empfange Deine Er-kenntnis und bereite mir aus ihr keinen Ruhm und empfange Deine Leitung und tue mein Werk nach Deinem Willen. O du Geber der Gerechtigkeit, Du bist die Sonne des Heils. Amen.

28. April

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
1. Johannes 5,4

Ein Sieg ist immer die Beendigung eines Kampfes. Wenn der Glaube der Sieg ist, der die Welt überwunden hat, so heißt das: die Welt widersetzt sich dem Glauben. Tut sie das? O ja, beständig. Jedermann rät mir: lass doch das Sichtbare nicht fahren; du baust in die Luft, wenn du dich auf Gott verlässest. Und vollends Jesus – das sind alte Geschichten; wie kannst du sie glauben? Wie schmie-dest du dein Glück? Wenn du selbst es dir schmiedest. Wer hat die Macht in den Händen? Wer die natürlichen Machtmittel hat. Kapital gibt Macht, und wer eine Partei für sich hat, regiert. Weißt du nicht, wie man zur Freude kommt? Willst du in trübseliger Busse dein Leben verderben, vollends, wenn du noch jung bist? Siehst du nicht, wo die Rosen wachsen? Pflücke sie! Die Menschen wer-den beredet, wenn sie gegen den Glauben streiten. Aber all dies ist an dem gescheitert, der mit Jo-hannes sagen kann „unser Glaube“. Da ist die Lockung und der Zwang der Welt erfolglos geblieben und der Glaube dennoch entstanden, und indem er trotz der Welt entstanden ist, sind wir die Sieger über sie. Darum sagte Johannes nicht, dass der Glaube einst den Sieg über die Welt erringen werde, sondern dass er die Welt besiegt habe. Denn der Sieg besteht nicht erst in dem, was auf den Glauben folgt und als seine Erhörung in unsere Erfahrung tritt, sondern darin, dass wir glauben, darin, dass uns Jesus Gottes Gnade brachte, darin, dass sein Wort uns Gottes Willen zeigte, darin, dass wir Got-tes gewiss geworden sind und für ihn leben. Es kann freilich auf einen Sieg oder eine Niederlage folgen und dies geschieht dann, wenn ich dem Druck und der Lockung der Welt nachgebe und mein Gewissen beflecke, so dass ich nicht mehr glauben kann. Mit dem Ende des Glaubens wäre auch mein Sieg vernichtet. Das widerlegt aber nicht, sondern bestätigt, dass der Glaube der Sieg ist, der die Welt überwunden hat.

Ich muss, Herr, auf die Welt hören; denn ich muss mit ihr reden; und ich muss mit ihr verkehren; denn ich soll ihr dienen. Du kennst die Gefährlichkeit unseres Weges. Darum zeigst Du uns, wie wir den Sieg erlangen, und machst uns durch Dein süßes Wort Deiner gewiss. Amen.

29. April

Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Psalm 73,25

Es schien der Christenheit oft vorteilhaft, wenn sie auch unter den Himmlischen Freunde habe. Kann uns ihre Fürbitte nicht beistehen und ist es nicht ein Trost, der uns den Gedanken an den Tod erleichtern kann, wenn uns drüben himmlische Helfer erwarten? Im Herzen des Psalmisten hatten solche Gedanken keinen Raum mehr. Er erwartete von denen, die im Himmel sind, keine Hilfe und keinen Trost. Noch näher liegt es, auf der Erde Helfer und Tröster zu suchen. Es gibt ja dort Macht-haber, deren Gunst uns wertvoll sein kann und Freundschaften, die uns wirksam unterstützen. Aber auch von denen, die ihm auf der Erde nahe sind, wendet sich der Psalmist ab. Er stützt sich nicht auf ihre Hilfe und sucht seinen Trost nicht bei ihnen. Warum sucht er weder im Himmel noch auf Erden einen Helfer? „Weil ich dich habe.“ Er erkennt, dass er Gott deshalb habe, damit er in ihm alles ha-be, nicht einen unter vielen Helfern, sondern den Helfer, nicht einen Herrscher neben anderen, son-dern den Herrn, nicht einen unter vielen Tröstern, sondern den, der ihm die ganze Freude gibt. Er hat es kraftvoll empfunden, dass es bei Gott immer um das Ganze geht, um die ganze Welt, so weit sie ist, mit allem, was sie enthält, nicht weniger aber auch um das ganze Herz, was immer in mein Sehfeld hineintreten mag, und um das ganze Leben, was immer mein Schicksal werden mag. Für unser Verhältnis zu Gott ist es ein wesentliches Merkmal, dass es jedes gleichwertige Verhältnis ausschließt und uns ganz an ihn bindet. Wenn ich Gott habe, so hat Er mich ganz. Wenn ich Ihm glaube, gibt es nicht noch Raum für einen anderen Glauben. Ich kann mich nicht auf Ihn und neben Ihm noch auf etwas anderes stützen. Wenn ich ihm nicht ganz glaube, so glaube ich ihm nicht. Es steht ebenso mit meiner Liebe und mit meinem Gehorsam. Eine Liebe, die ihm nicht alles gibt, ist keine Liebe Gottes, und wenn mein Gottesdienst nicht aus meinem ganzen Handeln besteht, so ist es kein Gottesdienst. Darum wendet sich der Psalmist von allen himmlischen und irdischen Helfern und Genossen weg. Wie sollte er sie neben Gott setzen? Wendet er sich zu ihnen, so verlässt er Gott. Er hat ihn aber; denn er hat ihn an seiner rechten Hand erfasst und er spürt diesen Griff Gottes, der ihn zu Gottes Eigentum macht, damit er in ihm alles habe, was er bedarf und begehren kann.

Lass mich spüren, dass Du meine Hand erfasst hast, damit ich nach nichts begehre als nach Dir. Ich will es meiner Seele sagen, dass sie Dich loben soll, Dich allein, und Dir trauen soll, Dir allein. Amen.

30. April

Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, allezeit meines Her-zens Trost und mein Teil.
Psalm 73,26

Die Vergänglichkeit unseres Leibes sieht jedes Auge. Wenn wir sie uns zeitweilig verbergen, so ist das immer nur kindische Eitelkeit. Der Psalmist denkt aber nicht nur an das Verwelken des Leibes. Das Altern und Kranksein wäre weit weniger schwer, wenn nur die leiblichen Organe ihre Kraft einstellten, dagegen das inwendige Leben in ungeschwächter Kraft fortbestände. Das Welken trifft aber auch unsere Seele und bei der festen Verbundenheit, die aus unserem leiblichen und seelischen Leben eine Einheit macht, muss es so sein. Wenn aber alles ermattet und versagt, was bleibt uns noch? Der Psalmist, der weder im Himmel noch auf Erden einen Helfer gesucht hat, klammert sich auch nicht an seinen Leib und an seine Seele, als umschlösse sie das, was ihm das Leben gibt. „Weil ich dich habe“, das gilt auch dann, wenn Leib und Seele vergehen. Der Eine, sagt der Psalmist, bleibt mir auch dann: Gott. Er ist auch dann meines Herzens Fels, wenn Leib und Seele kraftlos sind, und er ist auch dann meines Herzens Fels, wenn Leib und Seele kraftlos sind, und er ist auch dann mein Teil, Besitz und Reichtum, wenn mein eigenstes Eigentum, Leib und Seele, mir verloren gehen. „Weil ich dich habe“, das ist das Ende der Todesfurcht. Mit seinem Gott geht er dem Sterben entgegen als ein Lebender. So zeigt uns der Psalmist, wie wir das ewige Leben ergreifen, wie es in uns wurzelt und der Grund zur lebendigen Hoffnung in uns entsteht. Keine Naturbetrachtung, kein Studium des seelischen Lebens, kein Hochgefühl, mit dem uns eine wertvolle und gelingende Le-bensarbeit beglücken kann, kein Schluss, der aus dem, was wir von Gottes Gnade wissen, einen Anspruch an ihn ableitet, macht uns zu solchen, die des ewigen Lebens gewiss und froh sind. Dahin gibt es nur einen Weg: „weil ich dich habe“. Gott ist der Gott der Lebenden. Wenn er mich wie den Psalmisten an meiner Hand erfasst, so bedeutet das, er führt mich ins Leben.

Was Du uns gibst, Vater, hat Deine Treue in sich; darum kann unser Leib unbrauchbar werden und die Seele verwelken, so dass uns das Ende unsres Lebens wieder zu schwachen Kindlein macht. Denn Du bleibst bei uns, und was Du uns gabst, verwelkt nicht. Darum preisen wir Dich als den lebendigen Gott, der Du Dich dadurch an uns offenbarst, dass Du uns das Leben schenkst. Amen.

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