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Schlatter, Adolf - 1. Petrusbrief

Schlatter, Adolf - 1. Petrusbrief

Kap. 1

Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesus Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
1. Petrus 1,3

Was sucht mein vorwärts zum Kommenden hin gewendeter Blick? Erwartet er den Fortbestand dessen, was schon vorhanden ist? Das kann nicht das sein, worauf ich warte, auch wenn ich bedenke, dass sich das Vorhandene bewegt und der Entwicklung fähig ist in einer Weise, die ich noch nicht übersehen kann. Immer aber baut sich, wenn Entwicklung geschieht, das neue Gebilde aus dem auf, was der frühere Zustand in sich trug, und trägt dieselben Kräfte wie das alte in sich. Wie soll ich auf ein Fortbestehen des Zustandes hoffen, den die Natur mir jetzt bereitet, da er mich sündig und sterblich macht? Ein neues muss werden, ein neuer Anfang geschehen, eine neue Geburt mir beschert sein, die mein Leben auf einem ganz anderen Grund aufbaut, dann habe ich eine Hoffnung. Ich muss aber nicht suchen, ob ich wohl eine solche Hoffnung fände. Sie ist mir ja dadurch zuteil geworden, dass Jesus auferstanden ist. Das ist nicht die Erhaltung, Verbesserung und Verklärung dessen, was vorhanden ist, sondern Neuheit des Lebens, aus neuer Wurzel geboren, aus einer neuen Tat des schaffenden Gottes, und da uns Gott an Jesus zeigt, was Er mit uns im Sinne hat, so sehen wir am Ostertag, dass Er uns in der Tat ein Neuwerden zugedacht hat, mit dem unser Leben auf einem ganz anderen Fundament wieder aufgebaut wird. Petrus nannte das den Erweis der großen Barmherzigkeit Gottes. Hat er nicht recht? Tritt nicht auf diesem Weg die Hilfe so an uns heran, wie wir sie bedürfen? In einem Grab entstand das neue Leben, in dem, der unsere Schulden von uns genommen hat. Damit stellt Gott seine Gabe an unseren Mangel heran und heftet sein Werk, mit dem das völlig Neue wird, fest an das an, was wir jetzt noch sind. Weil aus Jesu Grab die Hoffnung hervorkommt, ist etwas Neues in meine Seele gelegt, was die Natur mir nicht geben kann. Sehnsucht kann ich auch von der Natur empfangen, allein nicht mehr. Sehnsucht kommt im Seufzen und Dichten der Menschen reichlich zum Ausdruck. Zur Hoffnung aber brauche ich mehr als einen drückenden Schmerz, der mich vom Gegenwärtigen wegtreibt. Die Hoffnung verlangt eine deutliche Bezeugung der Absicht Gottes, ein Sichtbarwerden seines Willens in dem, was geschah. Das habe ich in der Auferstehung Jesu vor mir. Sie beschäftigt mich nicht mit dem, was ich mir wünsche, sondern zeigt mir, was Gott tut. Darum ist diese Hoffnung etwas Lebendiges, neu geborenes Leben, so, wie es Raum in unserem gegenwärtigen Zustand hat.
Darum, weil meine Hoffnung ihren Grund nicht in mir selber hat, darum ist sie lebendig. Sie lebt durch Deine Barmherzigkeit, barmherziger Gott; sie lebt, weil dein Vergeben sie rein macht im Blut Deines Sohnes; sie lebt, weil Deine schöpferische Hand den Tod in Leben verwandelt hat. Darum stehen auch wir, die Sterbenden, vor Dir als die, die zu Deinem Lob berufen sind. Amen.

Sintemal ihr den zum Vater anruft, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk, so führet euren Wandel, so lange ihr hier wallet, mit Furcht.
1. Petrus 1,17

Günstlinge hat Gott keine; dagegen hat er Kinder. Weil wir Kinder sind, muss uns mit Ernst gesagt werden, dass wir deshalb nicht Gottes Günstlinge sind und nicht auf seine Parteilichkeit rechnen können, weil auch wir unter seinem Urteil stehen, das einzig von der Wahrheit seine Regel bekommt. Ihn Vater nennen zu können, das ist der Inbegriff aller uns gewährten Gnade, das Tiefste und Höchste, was uns gegeben ist. Das stellt uns vor Gott als die Glaubenden. Aber eben deshalb, weil wir glauben, muss uns gesagt werden, dass wir Gott zu fürchten haben. Der Glaube und die Furcht sind beisammen, weil Gott zugleich unser Vater und unser Richter ist. Wäre er nur unser Vater, so fiele die Furcht Gottes von uns ab; wäre er nur unser Richter, so wäre uns der Glaube genommen. Weil wir ihn aber als unseren Vater und unseren Richter kennen, gibt es für uns keinen trotzigen, furchtlosen Glauben, wie ihn der hat, der sich als Gottes Günstling fühlt, aber ebensowenig eine glaubenslos verzagende Furcht. Petrus gibt uns das Maß an, mit dem wir unseren Glauben und unsere Furcht richtig machen und erkennen können, ob sie fromm oder gottlos sind. Sowohl der furchtlose Glaube als auch die glaubenslose Furcht haben nicht Gott vor Augen. Wir haben Gott nur dann erkannt, wenn wir den als den Richter fürchten, der unser Vater ist, und den als unseren Vater preisen, der unser Richter ist. Rufen wir ihn als den Vater an, so preisen wir die Gnade, die uns jetzt schon gegeben ist. Unser Vater ist er, weil wir durch ihn und bei ihm leben. Nennen wir ihn unseren Richter, so denken wir an das, was kommen wird, und sehen auf das Ziel hinaus, zu dem uns seine väterliche Gnade führen wird. Jetzt, sagt Petrus, „wallen wir“. Diese Wallfahrt und Pilgerschaft endet in der zukünftigen Stadt Gottes, die uns die ewige Heimat und das Bürgerrecht gewähren wird. Unter der Menschheit, wie sie jetzt ist, steht die Christenheit als eine ihr fremde und von ihr abgesonderte Schar, die nicht aus demselben Stamm erwächst und nicht derselben Sitte gehorcht. Das ist aber nicht das Letzte, was Gott schaffen wird. Weil wir Gott als Vater anrufen dürfen, hat er uns verheißen, dass die Gottesstadt uns ihre Tore öffne. Sie führt die Kinder Gottes nicht nur zusammen, sondern auch zu ihm. Ihre Tore sind aber für den verschlossen, der Gottes Urteil wider sich hat. An unserem Werk entscheidet sich der Ausgang unseres Lebens. Durch das boshafte Werk verschließt sich der Mensch die Gottesstadt. Sie ist für diejenigen Kinder Gottes bereitet, die mit ihrem guten Werk dem Vater dienen. Darin offenbart sich die reine Art der göttlichen Gnade, die sie von Willkür und parteiischer Gunst gänzlich verschieden macht.
Das Fremdsein in der Welt macht uns, Vater, manche Not; aber der Blick auf das Ziel, das Du uns bereitet hast, gibt uns Kraft. Ich kann mein Werk nur tun, weil ich Dir glaube und kann Dir nur glauben, weil ich mich vor Sünde und Fall fürchte. Gib mir, dass ich in Wahrheit Dich Vater nenne und in Wahrheit das Werk vollbringe, das Du, Richter aller Geister, von mir verlangst. Amen.

Kap. 2

Auch ihr, als die lebendigen Steine, baut euch zum geistlichen Haus und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind, durch Jesus Christus.
1. Petrus 2,5

Mancherlei Bauarbeit tut die Christenheit. Sie baut Häuser, in denen junge Menschen heranwachsen können, Gott zur Ehre und sich selbst zum Heil. Sie baut Schulen, in denen unsere Jugend zu Gott hingeführt und zugleich in die Welt hineingeleitet wird. Sie arbeitet am Volkstum mit, schützt es vor Zerfall in Bosheit und Gottlosigkeit und nimmt teil an jedem guten Werk, das den Volksgenossen Nutzen bringt. Aber ihr köstlichster Beruf und heiligstes Werk ist das, dass sie das geistliche Haus aufbaut, durch das Gott sich in der Menschheit einen Tempel herstellt. Dieses Haus besteht aus lebendigen Steinen. Denn durch lebendige Menschen, nicht durch ein Gebäude und nicht durch irgendein Gerät macht Gott seine Gegenwart und Gnade offenbar. Deshalb ist dieses Haus geistlich und bekommt durch Gottes heiligen Geist seine Beschaffenheit. Dieser ist hier der Bauherr; denn lebendige Steine entstehen nur durch die Wirkung des Geistes und durch sie werden sie zusammengebracht und zu einem Bau vereint. Deshalb, weil die Christenheit von Gottes Geist ihr Leben und ihre Gemeinschaft empfängt, ist sie nicht nur die Empfängerin, sondern auch die Trägerin der göttlichen Gnade; so wird sie zum Zeugnis und Beweis der Gegenwart Gottes bei uns. Weil Gottes Haus aus lebendigen Steinen besteht, sind hier der Tempel und die Priesterschaft eins. Jeder, der in den Bau hineingefügt wird, wird dadurch auch ein Glied des priesterlichen Geschlechts, dem Gottes Anbetung und Bezeugung aufgetragen ist. Das selige Vorrecht und der herrliche Dienst des Priesters besteht darin, dass er opfert. In diesem Tempel und von dieser Priesterschaft dargebracht sind die Opfer geistlich. Denn durch den Geist entsteht unser Vermögen, Gott so anzubeten, dass seine Größe von uns gepriesen wird, und ihm unsere Liebe so darzubringen, dass sie seinen Willen tut. Was dürfen wir Gott als unsere Gabe zum Opfer bringen? Alles, das Innerlichste und das Greifbare. Paulus hat den Glauben das Opfer der Gemeinde genannt, mit dem sie Gott ehrt. Indem sie sich im verborgenen Grund des Herzens an Gottes Gnade hält, bringt sie ihm das dar, was sie ihm geben kann. Aber auch unser Leib mit allem, was an ihm hängt, mit dem Besitz und dem Geld und der Wirtschaft, kann und muss das Opfer werden, mit dem wir Gott verherrlichen. Wie kann ich noch fragen, wozu ich da sei und wohin die Menschheit durch ihre Geschichte geleitet werde? Der Tempel Gottes wird gebaut und seine Priesterschaft gesammelt. Werde ein lebendiger Stein in Gottes Haus. Das ist meines Lebens Sinn und Ziel.
Weil Du, Herr Gott, Dich zu uns hältst, machst Du uns Menschenkinder reich. Verbunden mit Dir, wird alles rein, alles heilig und in alles legt sich Dein Segen und Deine ewige Kraft. In Deinem Haus hat der Vogel sein Nest gefunden und der Wille sein Ziel und die Kraft ihren Dienst. Nimm mir, was mir das Opfer, das ich Dir bringen darf, schwer machen will, damit ich mit willigem Herzen Dir lebe. Amen.

Wenn ihr um Wohltat leidet und erduldet, das ist Gnade bei Gott. Denn dazu seid ihr berufen.
1.Petrus 2,20+21

Für Petrus gab es in der Menschheit keinen finsteren Winkel mehr; auch am dunkelsten, scheußlichsten Ort wurde es Tag, weil auch dort die göttliche Gnade offenbar wird. Eine römische Sklavenkaserne war ein dunkler Winkel. Die, die dort zusammengepfercht hausten, waren völlig rechtlos und ohne Schutz dem brutalen Eigennutz ihres Herrn preisgegeben. Einem Christen, der in solcher Umgebung leben musste, wurde schmerzhaftes Leiden reichlich zuteil. Denn die Bosheit seines Herrn fand bei denen, die hier verkamen, willige Gehilfen. War nicht die Lage der Christen noch peinlicher geworden, als sie es schon vorher war? Sie litten um der Wohltat willen, weil sie gütig handelten. Wie heftig empören wir uns, wenn uns das Leiden deshalb auferlegt wird, weil wir das Gute tun! Das Antlitz des Menschen ist schon dann hässlich verzerrt, wenn er ohne Grund grausam ist, und vollends, wenn ihn die Güte des anderen grausam macht. Aber auch Gottes Angesicht wird uns, wenn wir unschuldig leiden, leicht verdunkelt. Entsteht nicht ein Riss in Gottes Weltordnung, wenn aus der Wohltat die Pein entsteht? Wo bleibt seine Gerechtigkeit? Hoffen wir denn vergeblich auf seinen Schutz, wenn er dann ausbleibt, wenn wir das Gute tun? Jetzt, sagt Petrus, wird Gottes Gnade an euch offenbar und ihr empfangt, was seine gebende Hand euch schenkt und sein Ruf euch verliehen hat, durch den er euch seine Gemeinschaft gab. Wohltun dürfen, Wohltun können, das ist zweifellos Gnade. Wie sollte ich es können, hätte mir nicht Gott seinen guten Willen gezeigt und ihn zur wirksamen Macht in meinem Herzen gemacht? Dass ich wohltun kann, ist die Gabe, die sein Wort mir brachte, und sein Wort, das zu mir kam, ist der Zeuge seiner Gnade und ist mir von dem gesagt, den seine Gnade uns gegeben hat. Durch Christus sind wir Berufene und durch ihn zum Wohltun gebracht. Kann ich nicht wohltun, ohne zum Leiden bereit zu sein, so wird dadurch mein Wohltun nicht geringer. So wird es vielmehr bewährt und gestärkt. Dadurch tritt ans Licht, dass ich wirklich unfähig bin, übel zu tun, und ernsthaft den Willen Gottes will und ihm in der Tat gehorche. Tritt ein, was ich ahnte, kommt die Pein, doch so, dass sie mich nicht beugt und zum Weichen zwingt, sondern standhaft erduldet wird, dann ist Gottes Gnade an mir groß geworden. Den Willen, um Gottes willen zu leiden, finde ich nicht bei mir selbst; er ist ein Geschenk. Nimmt er mein zagendes, vom Schmerz verwundetes Herz in seine Hand, dann halte ich standhaft aus. Darf ich auf solche Gnade hoffen und sie für mich erbitten? Sieh auf Jesus, sagt Petrus; an ihm siehst du, wozu dich Gottes Gnade berufen hat.
Wir empfangen, Vater, Deine Gnade, nicht nur am hellen, sondern auch am dunklen Tag, nicht nur in dem, was uns erquickt, sondern auch in dem, was uns schmerzt. Menschenhand kann bitter wehtun. Aber dein Lob kann sie mir nicht stören. Denn dein Licht scheint auch am finstersten Ort. Amen.

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