Schlachter, Franz Eugen - Samuel und Saul - 9. Die Rückkehr der Bundeslade.

Schlachter, Franz Eugen - Samuel und Saul - 9. Die Rückkehr der Bundeslade.

1. Sam. 6,13 bis 7,2.

Die Rückkehr der Bundeslade aus dem Philisterland bedeutete für Israel die Wiederkehr des Herrn zu seinem Volk. Hier ging es wörtlich nach dem Ausspruch des Propheten: „Man wird es mit Augen sehen, wenn der HErr gen Zion wiederkommt.“ Die Ankunft der Bundeslade war ein augenscheinlicher Einzug des HErrn in Sein Eigentum. Haben auch wir es erlebt, dass der HErr augenscheinlich eingekehrt ist bei uns? Vielleicht nicht auf einem goldenen Thron, sondern im Sturmwind fuhr ER daher. Oder ER kam zu uns in Seinem Wort, wie ER denn auch hier mit der Arche Seines Testaments zu Israel kam. Immer aber, wenn er zu uns kommt, mag es nun so oder anders sein, kommt Er auch zu uns auf dem Gnadenstuhl. Er wird einst erscheinen auf dem großen, weißen Richterthron, dessen Räder brennen wie Feuer, aber jetzt zieht Er noch ein wie einst in Jerusalem, als ein Friedefürst. Die Israeliten konnten nicht daran zweifeln, dass der HErr selbst mit Seiner Bundeslade zu ihnen komme, denn diese kam von selbst. Ihr Kommen war ein Gnadenwert des HErrn, kein Mensch hatte sie über die Grenze geführt, der HErr tat es selbst. Die Israeliten hatten die Bundeslade nicht mit Gewalt zurückerobert, ohne ihr eigenes Zutun kam das Heiligtum des HErrn wieder zu ihnen zurück. Und wenn der HErr zu uns kommt, so ist das immer ein freier Gnadenakt von Ihm:

Ihr dürft euch nicht bemühen,
Noch sorgen Tag und Nacht,
Wie ihr Ihn wollet ziehen
Mit euers Armes Macht:
ER kommt, ER kommt mit Willen,
Ist voller Lieb' und Lust
All' Angst und Not zu stillen,
Die Ihm an euch bewusst.

Die Kinder Israels verloren die Bundeslade. Das war ihre eigene Schuld; aber dass sie dieselbe wieder bekamen, das war nicht ihr eigenes Verdienst. Ungeschickt und boshaft genug, den HErrn zu verlieren, sind wir schon, aber geschickt genug, um Ihn wieder zu finden, das sind wir nicht. Ja, was wir einmal verspielt haben von göttlicher Gnade, das können wir nicht nur so mit Gewalt wieder an uns reißen, so wenig als die Kinder Israels den Philistern die Bundeslade gewaltsam wieder entreißen konnten, sondern wir müssen demütig warten, bis dass der HErr es uns wieder gibt.

Was macht nun aber das für einen Eindruck auf uns, wenn der HErr so zu uns kommt? Die erste Wirkung, welche die Ankunft der Bundeslade auf die Israeliten hatte, war selbstverständlich eine freudige. Wie verwundert werden die Leute von Beth-Semes von ihrer Feldarbeit aufgeblickt haben, als es hieß: „Seht, jener Wagen, mit dem goldenen Gerät darauf! Ist das nicht die Lade des HErrn?“ Beth-Semes war eine Priesterstadt, die Freude war also doppelt groß, als man das Heiligtum sich nahen sah; denn was sind die Priester ohne das Heiligtum und ohne die Gegenwart des HErrn? Der Herr hatte den Leviten kein Erbteil gegeben in Israel, sondern zu ihnen gesagt, ER wolle ihr Besitztum sein. Sie hatten in den letzten Monaten dieses ihr einziges Besitztum entbehrt, der HErr war von ihnen gewichen; nun kehrte Er und die Lade Seiner Macht wieder zu Seiner Ruhe zurück, wie groß musste darüber die Freude Seiner Diener sein!

Da könnte nun aber jemand denken, die hatten gut sich darüber zu freuen, wenn der HErr mit so viel Gold zu ihnen kam. Das nähme ich auch an, aber zu mir kommt Er nicht so. Nein, es ist wahr, als Gott in Christo erschien, kam ER nicht mit Gold. Der Sohn Gottes wurde nicht in ein vergoldetes Bett gelegt bei Seiner Geburt, sondern in eine hölzerne Krippe, und Sein Blut sprengte unser Hohepriester nicht auf einen goldenen Gnadenstuhl, sondern auf ein hölzernes Kreuz. Sind wir aber deshalb weniger reich, als das priesterliche Geschlecht es im alten Bund war? Nein, wir wissen die Gnade unsers HErrn Jesu Christi, dass, ob ER wohl reich ist, ward ER doch arm um unsertwillen, auf dass wir durch Seine Armut reich würden. Wie groß ist der unerforschliche Reichtum Christi, womit ER uns beschenkt, gegenüber von all dem Gold, womit das alttestamentliche Heiligtum ausgestattet war! Man kann zwar berechnen, dass einzig das Gold und Silber, das David später für den salomonischen Tempel stiftete, einen Wert von ungefähr 150 Millionen Franken hatte - aber was ist das gegenüber von dem teuren Lösegeld, das Jesus Christus für uns bezahlt hat, der uns nicht mit vergänglichem Silber oder Gold, sondern mit Seinem teuren Blut erlöst hat. Vergessen wir nicht, dass wenn der HErr im alten Bund mit der goldenen Bundeslade erschien, ER mit dem Gesetz kam, also mit Seinen Forderungen, Christus aber trat nicht mit der bloßen Forderung der Gerechtigkeit auf, Er hat alle Gerechtigkeit erfüllt, und diese von Ihm erfüllte Gerechtigkeit schenkt ER uns. Wie dürfen wir uns also freuen, wenn die Israeliten sich schon freuten über das Kommen des HErrn mit der Gesetzeslade; unsere Freude sollte unendlich größer sein, weil Christus uns die Gerechtigkeit als ein Geschenk bringt, welche das Gesetz nur gefordert hat. Das Gesetz hat nur die Knechtschaft gebracht, Jesus aber bringt uns die Kindschaft mit. Freut euch über Seinen Einzug, denn wie viele Ihn aufnehmen, denen gibt ER Macht, Gottes Kinder zu werden!

Wie drückten die Beute zu Beth-Semes ihre Freude über das Kommen des HErrn zu ihnen aus? Sie vergaßen ihre Arbeit darob und brachten dem HErrn an demselben Tag Brandopfer dar. Es muss schon ein besonderes Interesse für eine Sache vorhanden sein, wenn eine ländliche Bevölkerung sich das durch mitten in der Ernte von der Arbeit abhalten lässt. Eher braucht man noch den Sonntag, um die Ernte unter Dach zu bringen, als dass man sich durch einen Gottesdienst von der Ernte abhalten lässt. In der Regel ist es ja auch gar nicht notwendig, dass man über dem Gottesdienst seine Arbeit versäumt, sofern dieselbe nicht am Tag des HErrn verlangt wird von uns. Aber ein Unrecht ist es nicht, wenn man einen Tag dem HErrn opfert, der sonst zum Arbeitstag bestimmt war, und es kann oft nur gut sein, wenn man von der Arbeit weg zum Gottesdienst eilt. Die Freude der Bethsemiten war aber so groß, dass ihre Erntefreude ganz in den Hintergrund trat. Und steht nicht geschrieben: „Vor Dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte?“ Ja, der Wagen mit der goldenen Lade des HErrn machte die Herzen fröhlicher als ein Wagen von goldener Erntegarben es gekonnt. Die Freude am HErrn ist eine Freude, die alle andern Freuden weit überragt. Die Betrachtung des Heiligtums des HErrn war die Freude aller Frommen im alten Bund. David hatte keinen sehnlichern Wunsch als sein Lebenlang zu bleiben im Haus des HErrn und Seinen Tempel zu betrachten und er bekennt, dass ihm Gott Freude ins Herz gegeben habe, mehr als wenn andern viel Korn und Most zu teil geworden ist. Lass andere ihre Freude suchen bei Korn und Most, bei Spiel und Tanz, freue du dich des HErrn und ergötze dich an Seinem Heiligtum. Wenn die Bethsemiten sich so erfreuen konnten an der Betrachtung der Bundeslade, warum wir nicht an der Betrachtung von Gottes Wort? Wir sehen ja nicht nur, wie sie, die goldene Hülle, wir sehen in das Geheimnis hinein, welches sie noch nicht sahen, und welche auch die Engel gelüstet zu schauen.

Nun brachte aber die Bundeslade nicht nur Freude nach Beth-Semes, sondern ihre Anwesenheit machte auch einen erschütternden Eindruck dort. Nachdem sie sich zuerst gefreut, gerieten die Leute plötzlich in große Furcht vor dem HErrn: Wie kam denn das! Der HErr strafte ihren Vorwitz. Es erlaubten sich etliche von ihnen hinein zu blicken in die Lade des HErrn, trotzdem dies verboten war, und dafür schlug der HErr eine ziemlich große Zahl unter dem Volk. Man sieht hieraus, dass es nicht einerlei ist, mit welcher Gesinnung man hinzutritt zum Heiligtum des Herrn. Und doch gibt es immer Leute, die aus bloßer Neugierde und gar nicht heilsbegierig herbei kommen zum Heiligtum des HErrn. Man kann gestraft werden für seine Neugierde, obschon wir ja sagen müssen, dass schon öfters ein Mensch, der aus Neugierde in einen Gottesdienst kam, heilsbegierig von dannen ging. Aber bei einem solchen hatte sich eben die Heilsbegierde nur unter der Neugier versteckt. Dagegen lehrt uns unsere Geschichte, dass ein unheiliger Vorwitz nicht ungestraft bleiben kann. Ein vorwitziges Hineinblickenwollen in ein Gebiet, das der HErr wohlweislich vor unsern Augen verborgen hat, wird schwer bestraft. So dürfen wir z. B. den Vorhang, der die unsichtbare Welt noch vor unsern Augen verbirgt, nicht gewaltsam lüften, sonst werden wir gewiss geschlagen dafür, wie Gott die Bethsemiten schlug, weil sie den Deckel von der Bundeslade hoben und sich erlaubten, hinein zu sehen. Wo Gott einen Deckel hat machen lassen, hebe du ihn nicht ab. Der Vorhang zerriss zur rechten Zeit; kein Mensch brauchte ihn wegzunehmen. Die Bethsemiten trieben Missbrauch mit dem Heiligtum, und diese Sünde wird immer noch begangen. Wer die Bibel in einem andern Sinn aufschlägt als in der redlichen Absicht, nach der Wahrheit zu forschen in der Schrift und sich zu erbauen daraus; wer die Bibel öffnet zur Wahrsagerei, oder sie als Zauberbuch missbraucht, oder wer sich darüber lustig machen will und sie aufschlägt, um sie zu kritisieren, der entgeht der Strafe nicht.

Die Strafe machte einen heilsamen Eindruck auf das Volk. Sie wurden von der Unantastbaren Heiligkeit Gottes tief überzeugt und angesichts dessen von ihrer eigenen Unwürdigkeit. „Wer kann bestehen vor Jehova, diesem heiligen Gott und zu wem von uns soll Er ziehen “ Ein solch lebendiger Eindruck von der Heiligkeit ihres Gottes tat dem Volk not, nachdem ER so lange unter ihnen entheiligt worden war. Gott wollte das Volk zur Buße führen, deshalb schlug ER eine so große Schlacht unter ihnen, und diese bußfertige Gesinnung gewann denn auch endlich in den Herzen Raum. Aber es ging noch 20 Jahre lang, bis die Bußbewegung das ganze Volk ergriff und in einer allgemeinen Umkehr zum HErrn Ausdruck fand, also dass das ganze Haus Israels dem HErrn nachjammerte. Das war die längst ersehnte Zeit, in welcher endlich das durch Samuel verkündigte Gotteswort Frucht zu bringen begann. Der Herzensboden des Volkes wurde durch Reuetränen erweicht, und nun sprosste die rechtschaffene Frucht der Buße hervor.

Diese Buße des Volkes wurde merkwürdigerweise gerade dadurch veranlasst, dass der HErr verzog, mit der Bundeslade wieder Wohnung zu nehmen in dem öffentlichen Heiligtum. Die Lade des HErrn kam von Beth-Semes, wo man sie ihrer Heiligkeit wegen nicht mehr behalten wollte, in ein Privathaus eines Leviten nach Kirjat Jearim, wo sie 20 Jahre blieb. Dieser Umstand, dass Sich der HErr aus dem öffentlichen Heiligtum zurückziehen musste in ein Priesterhaus, gab dem Volke viel zu denken. Sie mussten sich sagen, daran seien sie selber schuld, dass der HErr nicht unter ihnen wohnen könne.

Wir leben in einer ähnlichen Zeit, wo das Heiligtum des HErrn sich mancherorts zurückziehen muss aus dem öffentlichen Gotteshaus in Privatversammlungshäuser. Anstatt dass aber diese Wahrnehmung unser Volk zur Buße führt, wird es darüber erbost, oder spottet doch darob. Es wäre aber besser, man würde sich fragen, warum der HErr nicht mehr unter unserm Volk wohnen kann. Die Antwort würde dieselbe sein, die Samuel dem Volk Israel gab, als es dem HErrn nachgejammert hat. Er wies es auf seine Götzen hin. Unser Volk geht andern Göttern nach, darum kann der HErr nicht mehr in ihrer Mitte sein. Den Gott der Vernunft und den Gott der Lust betet unser Volk an, das sind die beiden Götter, die ihr Baal und ihre Astarte sind. Nur wer sich, wie Samuel dem Volk sagt, zu dem Herrn bekehrt und diese fremden Götter von sich tut, bei dem kann der HErr Wohnung machen, in dessen Herzen stellt ER Seine Bundeslade auf. Ja, ER macht mit denen einen Bund, die gebrochen haben mit den Göttern dieser Welt. Denen schreibt ER Sein Gesetz in ihr Herz, besprengt sie mit Christi Versöhnungsblut und stellt Seinen Gnadenstuhl in ihren Herzen auf, also dass ihr Herz zu einer Lade Gottes, zu einer Offenbarungsstätte Seiner Gegenwart und so in Wahrheit zu Seinem Heiligtum wird. 1. Kor. 3,16; 6,19 f.; 2. Kor. 6,16.

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