Sayers, Dorothy - Zum König geboren (Auszug)

Sayers, Dorothy - Zum König geboren (Auszug)

Gott wurde hingerichtet von einem Volk, dem wir in beängstigender Weise gleichen, in einer Gesellschaft, die der unsrigen nur allzu ähnlich ist, in dem schon ein wenig überreifen, aber großartigsten und kultiviertesten Staat, den die Welt je gesehen hat, in einer für ihr religiöses Genie bekannten Nation und unter einer für ihre Leistungsfähigkeit bekannten Regierung. Er wurde hingerichtet durch das Zusammenwirken einer korrupten Kirche, eines unentschlossenen Politikers und eines wankelmütigen, durch berufsmäßige Agitatoren mißgeleiteten Proletariats. Seine Henker machten gemeine Witze über ihn, gaben ihm Schimpfnamen, peitschten ihn und hängten ihn an den Verbrechergalgen - eine Geschichte voll Blut, Schweiß und Dreck. Zeigt man den Menschen das, so sind sie entsetzt - und mit Recht. Was sollte sie wohl entsetzen, wenn nicht dies? Wenn schon die Darstellung allein wie ein Mangel an Ehrfurcht wirkt, wieviel mehr die Tat? Es ist seltsam, daß Menschen, die schaudern, wenn sie eine Katze einen Sperling umbringen sehen, jeden Sonntag ohne Erschütterung mit anhören können, wie Gott getötet wurde. Weder Herodes noch Kaiphas noch Judas haben Christus jemals vorgeworfen, er sei ohne Saft und Kraft; diese letzte Schmach haben fromme Hände ihm angetan. Wenn man aus seiner Geschichte etwas macht, was keinen Menschen aufstacheln, entsetzen, erregen, begeistern kann, so heißt das, den Sohn Gottes abermals kreuzigen und an den Schandpfahl stellen. Ich kann euch sagen, liebe Christen, ein anständiger Autor würde sich schämen, eine Kindergeschichte so zu behandeln, wie ihr die größte Tragödie der Welt behandelt habt, sich schämen aus Berufs-, nicht aus Glaubensgründen.

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