Sachs, Hans - Die Wittenbergische Nachtigall (Teil 1)

Sachs, Hans - Die Wittenbergische Nachtigall (Teil 1)

Die Wittenbergische Nachtigall,
Die man jetzt höret überall.

Ich sage euch, wo diese schweigen, so werden die Steine schreien, Luc. 19.

Allen Liebhabern evangelischer Wahrheit wünsch ich, Johannes Sachs, Schuhmacher, Gnad und Fried in Christo Jesu, unsrem Herrn.

Ihr Auserwählten in Christo! Aller männiglich ist unverborgen, in deutscher Nation, wie die christliche Gemeine, etwa lange her, viele Jahre durch Menschenlehre etlicher Sophisten abgeführt ist worden von der wahrhaftigen Freiheit des heiligen Evangeliums unter das schwere Joch des römischen Bischofs, welcher uns überladen hat mit vielen Geboten und Gesetzen, von welchen uns doch Christus, unser einiger Lehrmeister, nicht geboten noch gelehrt hat, sondern solche menschliche Tradition verworfen; denn er spricht, Matth. 15: Vergebens dienen sie mir in Menschengesetzen - und kürzlich hernach: Alle Pflanzen, die Gott, mein himmlischer Vater, nicht gepflanzet hat, werden ausgereutet; lasset sie fahren die blinden Blindenleiter! Und solcher Sprüche sind viele im Evangelium wider die Menschenfände und Gebote; aber wir, als verirrte Schäflein, solcher heilsamen Lehre unbedacht und schier ganz vergessen, sind gegangen unter dem römischen Joch mit schwerer Mühe und großem Schaden, je länger je mehr, und haben dadurch das sanfte Joch Christi verlassen, welches uns Christus, unser Seligmacher, befohlen hat; das ist der einige Glaube in Christo, welches ist das einige göttliche Werk, als Christus sagt, Joh. 6. Zum andern ist bei uns untergegangen die fruchtbare Liebe des Nächsten, in welcher doch allein steht die Erfüllung der Gebote Gottes, wie Christus sagt Matth. 7. Also sind wir allein gepeinigt gewesen in den Werken, die Gott nie geheißen noch geboten hat, sondern welche die Menschen erdichtet und erfunden haben. Nachdem aber vorgemeldet römisch bös Regiment so gar überhand genommen, da hat angefangen zu schreiben Dr. Martinus Luther wider vielen Irrthum und Mißbräuche des geistlichen Regiments, unangesehen einiger Person, und das heilige Evangelium, das Wort Gottes, welches zuvor durch Menschenlehre verdunkelt war, wiederum klar und unvermischt an den Tag gegeben; deshalben von dem römischen Bischof oft zu widerrufen gedrungen ist worden, jedoch ist er allemal, als ein Unüberwundener (mit heiliger Schrift) vor bekannter Wahrheit unwiderrufen geblieben; desgleichen haben sich viele Doctores gegen ihn mit Schreiben eingelegt, jedoch auch nichts ausgerichtet, denn die göttliche Wahrheit ist ihnen zu stark gewesen, sondern sind sieglos an ihm worden; deshalb ist Dr. Luther in großen Ruf kommen gegen aller männiglich und seine Lehre ist angenommen als evangelisch, christlich und gut. Nachmals aber ist der römische Haufe verzweifelt an der Ueberwindung mit Disputiren und Schreiben, und wollen die christliche Gemeine unter dem römischen Joch behalten mit Schmähen, Lästern, Bannen, Verbieten, Verfolgen, Verbrennen, welche Weise doch ein bös Ansehen hat.

Nun von diesen angezeigten Stücken allen will ich in einer Summa eine kurze Erklärung thun, den gemeinen Mann, solcher Handlung unwissend, zu unterweisen und lehren; daraus er mög erkennen die göttliche Wahrheit und dagegen die menschlichen Lügen, darin wir gewandert haben. Zum andern denen, so die göttliche Wahrheit vor erkannt haben, die zu ermahnen der gütigen Gnade Gottes, der uns so reichlich mitgetheilt hat die Offenbarung des heiligen Evangeliums in diesen letzten gefährlichen Zeiten, aus daß sie ihm herzlich danksagen. Zum dritten denen, die solches Wort Gottes nicht annehmen, sondern verachten und zum Theil verfolgen, ob sie der barmherzige Gott auch erleuchtet, daß sie annehmen das tröstliche Evangelium und ablassen von dem falschen Vertrauen, zu erlangen die Seligkeit mit ihren selbst erdichten Werken, an welchen Gott kein Gefallen hat, und lassen die Ehre der Seligmachung allein Christo, unserm Herrn, welcher von Gott uns gegeben ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und Erlösung, wie Paulus 1 Cor. 1 beschreibt. Aus daß also wir sämmtlich mit einander anhingen dem ewigen, einigen Wort Gottes unvermischt, und also wie ein Schafstall, würden unsers Hirten Jesu Christi, des lebendigen Gottes Sohn, von jetzt an in Ewigkeit. Amen.

Wach auf! Es nahet gegen den Tag,
ich höre singen im grünen Hag
eine wonnigliche Nachtigall.
Ihre Stimme durchklinget Berg und Thal,
Die Nacht neigt sich gen Occident,
der Tag geht aus gen Orient;
die rothbrünstige Morgenröth
her durch die trüben Wolken geht,
daraus die lichte Sonn thut blicken,
des Mondes Schein thut sich verdrücken;
der ist jetzt worden bleich und finster,
der vor mit seinem falschen Glinzer (Glanze)
die ganze Schafherd hat geblendet,
daß sie sich haben abgewendet
von ihrem Hirten und der Weide
und haben sie verlassen beide,
sind gangen nach des Mondes Schein
in die Wildniß den Holzweg ein.
haben gehöret des Löwen Stimm
und sind auch nachgefolget ihm,
der sie geführet hat mit Liste
ganz weit abwegs tief in die Wüste.

Da haben's die süße Weide verlorn,
haben gessen Unkraut, Distel und Dorn;
Auch legt ihnen der Löwe Strick verborgen,
darein die Schaf fielen mit Sorgen,
da sie der Löw dann fand verstricket,
zerriß er sie, darnach verschlicket.
Zu solcher Hut haben geholfen
ein ganzer Hauf reißender Wölfen,
haben die elend Herd besessen
mit Scheren, Melken, Schinden, Fressen.
Auch lagen viel Schlangen im Gras
und sogen die Schaf ohn Unterlaß
durch alle Glied bis auf das Mark,
deß wurden die Schafe dürr und arg
durchaus und aus die lange Nacht
und sind erst jetzund wieder erwacht.

Nun singt die Nachtigall so klar,
und sehr viel Schafe von dieser Schar
kehren wieder aus dieser Wilde
zu ihrer Weid und Hirten milde;
etliche melden den Tag mit Schall
im Maß recht wie die Nachtigall.
Gegen die die Wölf ihre Zahn thun blecken,
jagen sie in die Dornenhecken
und martern sie bis aus das Blut
und drohen gar mit Feuersglut,
sie sollen von dem Tage schweigen.
So thun sie ihnen die Sonne zeigen,
deren Schein niemand verbergen kann.

Nun, daß ihr klarer mögt verstahn,
wer die liebliche Nachtigall sei,
die uns den hellen Tag ausschrei:
es ist Dr. Martinus Luther
zu Wittenberg der Augustiner,
der uns aufwecket aus der Nacht,
darein der Mondschein uns gebracht.
Der Mondschein bedeutet die Menschenlehr
der Sophisten hin und her
in diesen vierhundert Jahren;
die sind nach ihrer Vernunft gefahren
und haben abgeführt uns sehr
von der evangelischen Lehr
unseres Hirten Jesu Christ
sie zu den Bären in die Wüst.

Der Leo (Löwe) wird der Pabst genennt,
die Wüst sein geistlich Regiment,
darein er uns hat weit verführt
auf Menschensünd, als man jetzt spürt.
Damit er uns geweidet hat,
deutet den Gottesdienst, der jetzund gaht
in vollem Schwang aus ganzer Erden:
Mit Mönich, Nonnen, Pfaffen werden,
Kaputzetragen, Kopfbescheren,
Tag und Nacht in Kirchen plärren,
Metten, Prim, Terz, Vesper, Complet;
mit Wachen, Fasten, lang Gebet,
mit Gertenhauen, Kreuzweisliegen,
mit Knieen, Neigen, Bücken, Biegen,
mit Glocken läuten, Orgelschlagen,
mit Heiligthum (Reliquien), Kerzen, Fahnen tragen
mit Räuchern und mit Glockentaufen,
mit Lampenschüren, Gnad verkaufen,
mit Kirchen, Wachs, Salz, Wasser weihen,
und auch desgleichen bei den Laien,
mit Opfern und dem Lichtleinbrennen,
mit Wallfahrt zu den Heilgen rennen,
mit Abendfasten, Tagefeiern,
mit Beichten nach den alten Leiern,
mit Brüderschaft und Rosenkränzen,
mit Ablaßlesen, Kirchenschwänzen (Processionen),
mit Pacem-Küssen, Heiligthum-Schauen,
mit Messen-Stiften, Kirchen bauen,
mit großer Kost den Altar zieren,
mit Tafeln nach den wälschen Manieren,
Sammet, Meßgewand und Kelche gülden,
mit Monstranzen und silbernen Bilden,
in Klöster schaffen Rent und Zins
dies heißt der Pabst „den Gottesdienst,“
spricht: man verdient damit den Himmel
und löst mit ab der Sünden Schimmel.
Doch in der Schrift ists ungegründt,
ist eitel Gedicht und Menschensünd,
daran Gott keinen Gefallen hat,
wie Matthäi am fünfzehnten staht:
Vergebenlich dienen sie mir
in den Menschengesetzen ihr (ihren),
auch so wird eine jegliche Pflanz
vertilgt und ausgereutet ganz,
die mein Vater nicht gepflanzet hat.

Höre zu, du ganz geistlicher Staat,
wo bleibst du mit deinen erdichteten Werken?
Nun laßt uns auf die Mordstrick merken;
sie bedeuten uns des Pabstes Netz,
sein Decretal, Gebot, Gesetz,
damit er Christi Schafe zwinget.
Mit Bann er zu der Beicht uns dringet,
all Jahr zum Sacrament zu gahn,
verbeut das Blut Christi beim Bann,
gebeut beim Bann, alle Jahr
zu fasten vierzig Tag fürwahr
und sonst viel Tag und vier Quatember
auch zu meiden Fleisch und Eier.
Zu feiern viel Tag er gebeut,
verbeut etlich Tag die Hochzeit,
Gevatterschaft und etliche Grad.
Zu heirathen er verboten hat
Mönch und Pfaffen bei dem Bann,
doch mögen sie wohl Huren han,
frommen Leuten ihre Töchter (ver-) letzen,
und fremde Eheweiber einsetzen.
Unzahl hat der Pabst solcher Gebot,
deren doch keines geboten Gott,
jagt die Leut in Abgrund der Höll
zu dem Teufel mit Leib und Seel.
Paulus hat ihnen gezeiget schon
am vierten zum Timotheon
und spricht: Der Geist saget deutlich,
daß zu den letzten Zeiten sich
etliche vom Glauben werden treten
und anhangen des Teufels Räthen:
werden Leuten die Eh verbieten
und etlich Speise, die Gott durch Güten
geschaffen hat zur Danksagung.
Ich meine, das sei klar genung.

Nun laßt uns schauen nach den Wölfen,
welche dem Papst dazu geholfen,
zu führen solche Tyrannei;
Bischöfe, Probst, Pfarrherr und Abtei,
alle Prälaten und Seelsorger,
die uns vorsagen Menschenlehr
und das Wort Gottes unterdrücken,
kommen mit vorgemeldten Stücken,
und wenn mans bei dem Licht besicht,
ists alles auf das Geld gericht.
Geld muß man geben von dem Taufen,
Firmung muß man von ihnen kaufen,
zu Beichten muß man geben Geld,
die Messe man auch um Geld bestellt;
das Sacrament muß man bezahlen,
hat man Hochzeit, zahlt man ihnen allen;
stirbt eins, um Geld sie es besingen,
wers nicht will thun, den thun sie zwingen,
und sollt er einen Rock verkaufen.
Also sie uns die Woll ausraufen.
Und was sie lang ersimoneten, (durch Simonie erwerben)
sie wieder uns auf Wucher leihen,
von zwanzig Gulden ein Malter Korn:
ich mein, das heißt die Schafe geschorn.
Auch wie hart sie das Volk maulbanden (das Maul binden)
mit den Zehnten auf den Landen
da man mit ihnen des Herrgotts spielt,
wie man sie bannet um ihr Geld,
sie selbst mit Lichtern nicht will verschonen,
die armen Bauern müssen frohnen,
indeß die starken Schinder feiern,
halb Zeit in dem Wirthshaus um leiern.
Vier Opfer muß man ihnen auch reichen,
den Messepfennig auch desgleichen,
und dazu an den Feiertagen
lassen sie die Geldtäflein herum tragen,
all Kirchweih sie nach Geld auch tichten,
einen Jahrmarkt mit Heiligthum ausrichten,
dabei sie Ablaßbullen haben:
Geldstöcke sie in die Kirchen graben.
Also macht mans dem armen Volke,
das heißt die Schafe Christi gemolken!
Antonier und Valentiner
und andere Stationirer,
die sagen viel erlogner Wort:
„das sei geschehen hier und dort,“
bestreichen Frau und Mann
mit einem vergüldten Eselszahn
und erschinden auch Geldes Kraft,
schreiben Leute in ihre Brüderschaft,\\
Daraus kommt eine ehrsame Schaar,
heißt man zu Deutsch die Romanisten,
mit großen Ablaßbullen-Kisten,
richten auf rothe Kreuze mit Fahnen,
und schreien zu Frauen und Mannen:
„Legt ein! gebt eure Hülf und Steuer
und löst die Seel aus dem Fegefeuer!
sobald der Gulden im Kasten klinget,
die Seel sich auf gen Himmel schwinget.
Wer unrecht Gut hat in Gewalt,
dem helfen sie es ab gar bald;
auch geben sie Briefe für Schuld und Pein,
so bald du legst zwo Gulden ein.
Der Schalkstrick sind so mancherlei,
das heißt mir römsche Schinderei.

Fürbaß merket von den Bischöfen,
wie es zugeh an ihren Höfen
mit Notarien und Officiälen,
mit Citats-(Citations-)Schreiben und Pedellen
bei ihrem falsch geistlichen Recht,
wie man da schindet Magd und Knecht,
auch wie man da zerreiße die Eh
um Geld und stiftet arges Weh,
halten Räuber in ihren Flecken,
die rauben, morden, stöcken, pflöcken.
Auch führen Bischöfe Krieg mit Trutz,
vergießen viel christliches Bluts,
machen elend Wittwen und Waisen
mit Dörferbrennen, Stadt' zerreißen,
mit Leutverderben, Schätzen und Pressen,
ich mein das heißt: „die Schafe fressen.“

Hie hat man fürbaß unter Augen
die „Schlangen,“ so die Schäflein saugen;
sind Mönch und Nonnen, der faule Haufen,
so ihre gute Werke verkaufen
um Geld, Käs, Eier, Licht und Schmalz,
um Hühner, Fleisch, Wein, Korn und Salz,
damit sie in dem Vollen leben,
sammeln auch große Schätz daneben.
Viel neuer Fünd sie stets erdichten,
viel Bet- und Brüderschaft aufrichten,
viel Träumgesicht und Kinderspiel
das ihnen der Papst bestätigt viel,
nimmt Geld und gibt Ablaß dazu.
Das schreien sie dann aus spät und fruh.

Mit solcher Fabel und Unweis'
haben sie uns geführt aufs Eis,
daß wir das Wort Gottes verließen,
und thäten nur, was sie uns hießen,
viel Werke, der Gott doch keins begehrt,
haben uns den Glauben nie erklärt,
von Christo, der uns selig macht,
dieser Mangel bedeutet „die Nacht,“
in in Christo, der uns selig macht,
darin wir alle irr sind gangen. Also haben uns diese Wölf und Schlangen
bis in die vierthalbhundert Jahr
behalten in ihrer Hut fürwahr
und mit des Papsts Gewalt Umtrieben,
bis Dr. Martin hat geschrieben
wider der Geistlichen Mißbrauch
und wiederum aufdecket auch
das Wort Gottes, die heilge Schrift
er mündlich und schriftlich ausruft;
in vier Jahren bei hundert Stücken
in deutscher Sprache ließ er drucken.

(Die zweite Hälfte des Gedichtes enthält eine Darlegung der evangelischen Lehre.)

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