Quandt, Carl Wilhelm Emil - Maleachi - Erster Abschnitt.

Quandt, Carl Wilhelm Emil - Maleachi - Erster Abschnitt.

Kap. 1, 1 - 5. Gottes Liebe zu Israel, gerechtfertigt gegen ein unzufriedenes Geschlecht.

Kap. 1 Vers 1. Dies ist die Last, die der Herr redet wider Israel durch Maleachi. Dieser Vers ist die Ueberschrift für das ganze Buch. Der Prophet nennt in derselben seinen Namen, seinen Auftrag, seinen Auftraggeber und die Leute für die er den Auftrag erhalten hat,

Der Name Maleachi findet in dem Buche selbst seine Uebersetzung, denn wenn es Kap. 3, 1 heißt: Siehe, ich will meinen Engel senden, so lauten die beiden Worte: meinen Engel im Hebräischen gerade so, wie der Name, der an der Spitze steht: Maleachi, Maleachi heißt: Mein Engel. Manche Ausleger behaupten nun, das Wort Maleachi sei auch in der Ueberschrift nicht als Name zu nehmen; der Verfasser nenne sich gar nicht, sondern bezeichne sich nur als einen Mann, bei dem die Worte „mein Engel“ in 3, 1 Kern und Stern der Weissagung seien. Allein eine solche Art der Bezeichnung an der Spitze prophetischer Bücher ist ganz unerhört; alle andern Propheten nennen in der Ueberschrift ihrer Bücher ihren Eigennamen; es wäre mehr als sonderbar, wenn gerade der letzte der Propheten des alten Testamentes von dieser allgemeinen Regel abwiche und seinen Namen hinter einer sinnreichen Anspielung versteckte. Es kann übrigens der Name Maleachi ebensowohl „Gottes Engel“ als „mein Engel“ übersetzt werden, und das Wort Engel bezeichnet im Hebräischen nicht allein Geister, sondern auch Menschen, die für den Herrn Botendienste thun; „Bote Gottes, Engel Gottes“ aber ist ein ebenso passender Eigenname, wie Zephanja d. i. Gott gedenkt oder Hesekiel d. i. Gott stärkt. Außer seinem Namen giebt Maleachi keine nähere Bezeichnung seiner Person, und da die Bibel sonst Maleachi's keine Erwähnung thut, so wissen wir überhaupt über seine Person nichts Gewisses.

Seinen Auftrag, dessen er sich zu entledigen hat, nennt er eine Last. So übersetzt Luther das hebräische Wort Massa, welches eigentlich so viel ist als Spruch, Ausspruch, Gottesspruch. Es ist bei einer prophetischen Last nicht blos an die Mittheilung göttlicher Strafandrohungen zu denken, sondern an Mittheilungen göttlicher Auftrage im Allgemeinen, mögen sie drohend oder verheißend sein. Doch enthalten die prophetischen „Lasten“ allerdings im Ganzen mehr Drohung, als Verheißung, doch nicht niederschmetternde Drohung, sondern solche, die sehnsüchtig macht nach der Verheißung.

Der Auftraggeber Maleachi's ist der Herr. Was ein Prophet als Prophet redet, das redet er auf Befehl und Eingebung Gottes. Wie Maleachi hier, so berufen sich alle Propheten auf ihre göttliche Sendung, sie treten alle auf als „Boten“ des Herrn Zebaoth, ausgesandt, gleich den Engeln des Himmels, zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die ewige Seligkeit. Es ist wichtig zu bemerken, daß die Propheten an ihre eigne Inspiration glauben; auf diesem ihrem festen Glauben an ihre göttliche Sendung beruht die Zuversicht und Freudigkeit ihres Zeugnisses.

Diejenigen, an die Maleachi seinen Auftrag auszurichten hat, nennt er kurzweg Israel. Es kann keine Frage sein, daß das aus der babylonischen Gefangenschaft in das Land der Väter heimgekehrte Israel gemeint ist. Maleachi eifert durch sein prophetisches Wort ganz gegen dieselben Verirrungen und Mißbräuche, gegen welche Nehemia, der Wiederhersteller der jüdischen Nation nach ihrer Rückkehr aus Babel, durch obrigkeitliche Befehle einschritt. Vieles spricht dafür, daß Maleachi seine prophetische Wirksamkeit gerade in demjenigen Zeitabschnitt entfaltete, die dem zweiten Austreten Nehemias in Jerusalem (Nehem. 13.) unmittelbar voranging, das heißt ungefähr in den Jahren 420 - 415 vor Christo, 100 Jahre nach dem Propheten Sacharja. Was aber jenem Israel der letzten Tage Nehemias galt, das gilt dem Israel aller Tage; denn Gottes Propheten gehören dem Volke Gottes aller Zeiten an.

Vers 2. Ich habe euch lieb, spricht der Herr. So sprechet ihr: Womit hast du uns lieb? Ist nicht Esau Jacobs Bruder? spricht der Herr; noch habe ich Jacob lieb. Diese prophetische Last hat das reine Evangelium zum Ausgangspunkt. Wie evangelisch-gnadenvoll ist dieser Anfang: Ich habe euch lieb, spricht der Herr! Sollte Israel nicht gern auf eines Gottes Stimme lauschen, der seinem Volk von vorn herein seine Liebe erklärt? Sollte es sich nicht hinterher auch gerne warnen und mahnen lassen von dem Vater im Himmel, der zu allererst erklärt: Ich liebe euch!? O wahrlich Diejenigen kennen und verstehen das alte Testament von ferne nicht, die da behaupten, nur das neue Testament lehre einen Gott der Liebe, das alte Testament aber einen Gott des Zornes. „Gehen Sie von der Kanzel, mein Freund“, sagt einmal ein würdiger General-Superintendent, als ein alter Kandidat mit dieser Behauptung seine Probepredigt anfing, „gehen Sie von der Kanzel, Sie kennen den Gott der beiden Testamente noch nicht!“ Ich habe euch lieb, so spricht Gott in beiden Testamenten zu seinem Volk, so ist er auch in beiden Testamenten ein Gott der Liebe; „aber die ich lieb habe, die züchtige ich von wegen ihrer Sünden“, so spricht Gott auch in beiden Testamenten zu seinem Volk, so ist er auch in beiden Testamenten ein Gott des Zornes. Und diese göttliche Liebe und dieser göttliche Zorn, den beide Testamente predigen, bilden nicht im Mindesten einen Widerspruch; das ist gar keine rechte Liebe, die nicht auch zürnen kann. Ich habe euch lieb, spricht der Herr, aber Israel, statt dankbar auf seine Knie zu fallen und zu jubeln: „Ja, Deine Liebe zu ermessen, sei ewig meine größte Pflicht; der Herr hat mein noch nie vergessen, vergißt mein Herz auch seiner nicht“, fragt vielmehr kühl und wie abwehrend: Womit hast Du uns lieb? Das ist so viel als: „Wo sind die Beweise für deine Liebe? Wir merken davon sehr wenig!“ Mit dieser aus dem Leben gegriffenen Frage kennzeichnet der Prophet wie mit einem Striche den jammervollen geistlichen Zustand seines Geschlechtes. Das damalige Israel war mit seinem Gotte unzufrieden; was nach der Rückkehr aus Babel die göttliche Güte an dem Volk gethan, das erschien demselben als gering und wenig - eine Seelenkrankheit, die sich ganz ebenso auch heutzutage zeigt, da so Viele mehr begehrlich als verehrlich zu ihrem Gotte stehen und wider Gott murren, wenn er ihre angebliche Gottesfurcht nicht alsobald mit reichem Lohn krönt. Der große Gott nun hat eine große Herablassung. Er geht auf die mißmüthige Frage seines Volkes: Womit hast du uns lieb? langmüthig ein und antwortet: Ist nicht Esau Jacobs Bruder? noch habe ich Jacob lieb. Damit erinnert der Herr das Volk Israel daran, daß ja dies Volk, daß es ist und was es ist, ganz und gar und allein ihm, dem Herrn, verdankt; Gott hat von den beiden Brüdern Esau und Jacob aus freier Liebe den Jacob sich zum Stammvater seines Bundesvolks ersehen; müßt nicht dieser eine Beweis der göttlichen Güte gegen Israel alles Murren auf immer ersticken? O wenn uns, vom bösen Feinde angeweht, irgendwie der Unmuth ankommen will über kümmerliche Lebenslage, besinnen wir uns doch nur, wie trotz alledem und alledem uns so unendlich viel von unserm Gotte vor Andern noch vorausgegeben ist! Sind nicht die armen, blinden Neger Afrikas ebenso gut von Adams Geschlecht, als wir? Und doch, was haben wir, was haben auch die Aermsten von uns voraus vor jenen Völkern der afrikanischen Nacht? Die heilige Taufe, das Wort Gottes, die schönen, trostreichen Gottesdienste, die christliche Erziehung, die christliche Sitte, die christliche Lust, die wir einathmen! Wahrlich wir haben ebenso wenig als jenes alte Israel ein Recht, uns über unsern Gott zu beklagen; von uns darf Keiner auf die Frage: Wie geht es dir? antworten: „Es geht mir so ziemlich“ oder gar: „Es geht mir schlecht“; denn wie es uns Christen auch immerhin gehe, es geht uns jedenfalls tausendmal besser, als wir's vor Andern verdienen.

Vers 3. Und hasse Esau und habe sein Gebirge öde gemacht und sein Erbe den Drachen zur Wüste. So licht der vorige Vers ist, so dunkel scheint dieser Vers zu sein. Zwar das ist klar, daß auch dieser Vers dazu dienen soll, Gottes große Liebe gegen Israel in's Licht zu stellen; aber wie unerträglich klingt doch beim ersten Anhören für evangelische Gemüther dies Wort des Herrn: Ich hasse Esau! Und doch ist dieses Wort des Herrn dem Paulus so wichtig erschienen, daß er es Römer 9, 13 wiederholt und sagt: Gott hat Jacob geliebt, aber Esau hat er gehaßt. Es ist ja bekannt, wie der Mißverstand dieses in beiden Testamenten vorkommenden Wortes von dem Hasse Gottes gegen Esau grundstürzende Irrthümer in der Heilslehre erzeugt hat; Alle, die eine doppelte Prädestination lehren, nämlich nicht nur eine Gnadenwahl, sondern auch eine Zornwahl Gottes, als ob Gott zwar einige Menschen von Ewigkeit her zur Seligkeit, die meisten aber von Ewigkeit her zur Verdammniß bestimmt habe; Alle, die diese grauenhafte Lehre vertheidigen, pflegen sich auf den Haß Gottes gegen Esau zu berufen. Aber wahrlich sie haben nur den Buchstaben für sich, nicht den Geist; und wenn irgendwo, so tödtet hier der Buchstabe, und nur der Geist macht lebendig. Schrift muß man durch die Schrift auslegen, sonst legt man nicht aus, sondern man legt unter. Wenn man nun die Schrift mit der Schrift vergleicht, so lernt man, daß das Wort hassen in der Bibel in doppeltem Sinne vorkommt. Zunächst im eigentlichen Sinne, da hassen bedeutet, was alle Welt darunter versteht, das gerade Gegentheil von lieben, den entschiedenen Widerwillen gegen einen Gegenstand und das auf diesem Widerwillen beruhende Verlangen, den betreffenden Gegenstand zu vernichten. Wenn nun gefragt wird: „Darf ein Christ hassen, nämlich hassen in diesem eigentlichen Sinne des Wortes?“, so giebt es darauf ein biblisches Ja und ein biblisches Nein. Ein biblisches Nein - du sollst Gott deinen Herrn lieben und deinen Nächsten als dich selbst, wer seinen Bruder hasset, ist ein Todtschläger. Aber auch ein biblisches Ja, der Christ soll hassen, was Gott selber haßt, und Gott haßt im eigentlichen Sinne des Wortes allerdings etwas, nämlich die Sünde und zwar die Sünde in allen ihren Gestalten. Darum sagt Salomo, Sprüche 6,16-19: „Sechs Stücke hasset der Herr und am siebenten hat er einen Gräuel: Hohe Augen, falsche Zungen, Hände, die unschuldiges Blut vergießen, Herz, das mit bösen Tücken umgehet, Füße, die behende sind, Schaden zu thun; falscher Zeuge, der frech Lügen redet, und der Hader zwischen Brüdern anrichtet“; und derselbe Salomo spricht von sich, Sprüche 8, 7, und wir sollen es ihm nachsprechen: „Meine Lippen sollen hassen, was gottlos ist.“ Aber das Wort hassen kommt in der Bibel zweitens auch im uneigentlichen Sinne vor, da er nicht das Gegentheil von lieben, sondern nur einen für den Augenschein geringeren Grad von lieben besagt. Das zeigt am klarsten die Bibelstelle Luc. 14, 26. Da sagt der Heiland: „So Jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eignes Leben; der kann nicht mein Jünger sein.“ In roher Buchstäblichkeit aufgefaßt, würde dies eine Ermahnung zum Hasse unsrer Angehörigen und zum Hasse unsrer selbst sein - eine Aufforderung, die Keinem ferner liegen kann, als dem, der sich selbst für uns zu Tode geliebt hat und es uns wiederholt einschärft: „Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst.“ Daß der Herr in dieser Mahnung mit dem hassen nur ein minder lieben meint, ist an sich klar und wird ganz gewiß durch das parallele Wort Evang. Matth. 10, 37: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist meiner nicht werth; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt, denn mich, der ist meiner nicht werth.“ Und so bezeichnet denn der Ausdruck hassen in der Bibel oft nicht das absolute Hassen, sondern das verhältnißmäßige Minderlieben. Diese zweite Bedeutung des Wortes hassen ist die allein mögliche an unsrer Maleachistelle. Gott haßt Esau d. h. er beweist sich ihm abgeneigt, er beweist ihm vor den Augen der Menschen mindere Liebe, als Israel. Diese mindere Liebe Gottes gegen Esau und sein Geschlecht ist nun so wenig ein feststehender Ausschluß Esaus und seiner Nachkommen vom ewigen Heil, als Gottes mindere Liebe gegen den Hindu und Neger ein Zeichen ist, daß diese Völker auf ewig gottverhaßt seien. Diese mindere Liebe gegen Esau sagt vielmehr ganz etwas Anderes aus, nämlich strengere und dunklere Führungen im irdischen, geschichtlichen Leben, Führungen mit dem Stabe Wehe statt mit dem Stabe Sanft - wobei nach Ev. Joh. 3, 16 und Tim. 2, 4 festzuhalten ist, daß auch die strengsten und scheinbar lieblosesten Führungen Gottes auf Erden nie den Zweck haben, zur Hölle zu führen, sondern immer den, zum Himmel zu führen. Der Ausschluß Esaus von der Erbfolge in Isaaks Hause war nichts weniger, als ein Ausschluß vom ewigen Heil; mit großem Unrecht wird aus Hebräer 12, 16. 17 gefolgert, daß Esau ewig verloren gegangen sei; die Sinnesänderung, von der der Hebräerbrief sagt, daß Esau sie mit Thronen gesucht und doch nicht gefunden habe, ist nicht seine eigne Sinnesänderung, sondern die seines Vaters Isaak; die letzten Nachrichten, die die Bibel uns von dem Leben Esaus giebt, beweisen, daß der finstere Groll seines Herzens einer freundlichen Herzlichkeit Platz gemacht hat 1. Mose 33, 4. 10. 35, 29. So geht auch die Minderliebe Gottes gegen Esaus Geschlecht durchaus nur auf die Führungen dieses Geschlechts im irdischen Leben; es heißt ja hier bei Maleachi nicht: „Ich hasse Esau und habe ihm den Himmel verschlossen“, sondern es heißt: „Ich hasse Esau und habe sein Gebirge öde gemacht und sein Erbe den Drachen zur Wüste.“ Esau, durch zahlreiche Nachkommenschaft und durch persönlichen Muth kühn gemacht, hatte sich mit seinen Heerden über die Gebirgsgegend Seir ausgebreitet und unter göttlicher Zulassung die Einwohner Seirs unterjocht und ausgerottet; es entstand nun ein blühendes edomitisches Reich, Idumäa, dessen Palmenhaine auch von römischen Dichtern viel besungen sind. In der Blüthezeit Israels, unter David und Salomo, war das edomitische Reich Israel zinsbar, später riß es sich wieder los. Als Jerusalem fiel und Israel in die babylonische Gefangenschaft geführt wurde, triumphirte Edom, mußte aber auch seinerseits bald die ganze Wucht der babylonischen Macht empfinden, wie das der Prophet Jeremias 49, 7 - 22 geweissagt hatte. Als Israel aus den Fesseln Babels befreit war, schmachtete Edom noch immer unter fremdem Druck, und Maleachi schildert das Idumäa seiner Zeit, wenn er von dem verödeten Gebirge Edoms spricht und von den edomitischen Wüsteneien, in denen Drachen hausen. „Ich habe sein Erbe gegeben den Drachen der Wüste zur Wohnung“, heißt es genauer; die Städte Edoms sind also in Trümmer gesunken, und diese Trümmer sind die Behausung der Drachen; Drachen sind so viel als große Schlangen. Vers 4. Und ob Edom sprechen würde: „Wir sind verderbet, aber wir wollen das Wüste wieder erbauen“; so spricht der Herr Zebaoth also: Werden sie bauen, so will ich abbrechen, und soll heißen die verdammte Grenze und ein Volk, über das der Herr zürnet ewiglich. Edom hat in der That also gesprochen und wie gesagt, so gethan. Vom fremden Joch befreit, hat es mit großem Fleiß die Wüste wieder in einen Garten umgeschaffen und die zerstörten Städte wieder aufgebaut, ja Idumäa ist aufgeblüht wie nie zuvor, und in Herodes I. schwang sich sogar ein Idumäer auf den königlichen Thron Judas. Aber bald nach Christo verschwinden die Edomiter ganz als selbständige Nation vom Schauplatz der Geschichte, ihre Reste sind unter muhamedanischen Völkern verborgen, ihr Land ist verheert und verödet, eine verdammte Grenze, ein der Strafe verfallenes Land geworden. Das ewige Zürnen Gottes über Edom schließt den zukünftigen Zorn weder ein, noch aus; es wird, dem ganzen Zusammenhange nach, nur die lange Dauer der strengen Führungen Gottes mit Edom auf Erden geweissagt. Daß es auch aus Edom Begnadigte und zum Heil Errettete geben wird, die durch die strengen Führungen Gottes Buße und Glauben gelernt haben, besagen andere Bibelstellen, z. B. Daniel 11, 41, wo Edom unter den Völkern aufgeführt wird, denen der unter Antiochus vorgebildete Antichrist nichts anhaben wird.

Vers 5. Das sollen eure Augen sehen, und ihr werdet sagen: „der Herr ist herrlich in den Grenzen Israels.“ Dieser den ersten Hauptabschnitt abschließende Vers zeigt ganz deutlich, daß der Herr nur darum hier von seiner Minderliebe gegen Edom redet, um seinem Volke Israel recht eindringlich zu Gemüthe zu führen, was er an großer Liebe für Israel gethan und wie thöricht Israels Frage ist: Womit liebst Du uns? Es ist eine Unart des trotzigen und verzagten Menschenherzens, sich selbst immer mit solchen Leuten zu vergleichen, die es scheinbar besser haben im Leben, und diese Vergleichung dann zum Schein des Rechtes für Klagen und Murren zu benutzen. Wir werden hier bei Maleachi angeleitet, wenn wir einmal vergleichen wollen, uns mit solchen Leuten zu vergleichen, die es schlechter haben im Leben als wir; solche Vergleichung wird unser Herz dankbar stimmen für das Viele und Große, das wir vor andern voraus haben. Israel hatte vor Edom das Erstgeburtsrecht, das Land Canaan, die Ehre Gottes Volk zu heißen, die fortwährende göttliche Behütung voraus; cm dem, daß es innerhalb der Grenzen Edom so traurig herging, konnte Israel, wenn es doch nur seine Augen aufthat, wahrnehmen, wie innerhalb seiner eignen Grenzen der Herr so gar herrlich war. Die Grenzen Israels umfassen das ganze gelobte Land; von der Trennung der zehn Stämme unter Jerobeam an bis zum Untergang des Zehnstämmereichs war der allgemeine Name Israel dieses Reiches Sondername geworden, und das Reich Rehabeams nahm zum Unterschiede von jenen den Sondernamen Juda an; aber seit der babylonischen Gefangenschaft wurde der Name Israel für beide Reiche wieder gebräuchlich, so schon bei Hesekiel und in den Büchern der Chronika, so auch hier Gott verherrlichte sich durch lauter Wunder der Liebe in den Grenzen Israels - nicht weil Israel in Gottes Augen irgend einen natürlichen Vorzug vor andern Völkern gehabt hätte, sondern weil Gottes grundloses Erbarmen die Grenzen Israels zu seinem alttestamentlichen Gnadenreich auf Erden erwählt hatte. Seit der Verwerfung des Messias durch das Volk Israel ist das nun neutestamentliche Gnadenreich in andere Grenzen übergegangen und umfaßt alle Israeliten rechter Art d. h. an Jesum Christum gläubiger Art, mögen sie dem Fleische nach aus Juden oder Heiden stammen. Und von diesem neutestamentlichen Gnadenreich gilt noch heute, wie weiland von dem alttestamentlichen, dies Wort Maleachi's: Der Herr ist herrlich in den Grenzen Israels. Die Kirche Jesu Christi darf es von sich rühmen: Wie beleuchtet meine Grenzen Deiner Gnade helles Münzen! Und alle echten Israeliten unsrer Tage singen und beten es gern dem frommen Sänger Rambach nach: „In des Gnadenreiches Grenzen sieht man Dich am schönsten glänzen, wo viel tausend treue Seelen Dich zu ihrem Haupt erwählen, die durch's Scepter Deines Mundes nach dem Recht des Gnadenbundes sich von Dir regieren lassen, und wie Du das Unrecht hassen.“ Zur Zeit Maleachis aber deckten sich noch die religiösen Grenzen des Gnadenreiches mit den politischen Grenzen Israels, darum kann er das israelitische Geschlecht seiner Zeit mahnen und auffordern, statt murrend und zweifelnd zu fragen: Womit liebt uns Gott? dankend und preisend zu jauchzen: der Herr ist herrlich in den Grenzen Israels!

Gottes Liebe zu Israel, gerechtfertigt gegen ein unzufriedenes Geschlecht, das ist der Stern und Kern der ersten prophetischen Rede Maleachis. Ob auch die damalige Lage Israels für Fleisch und Blut Manches zu wünschen übrig ließ, der Glaube an die Thatsache des ungeheuren Vorzugs, den Jacob, der Stammvater des Volks, vor Esau, dem Stammvater der Edomiter, von Gott erhalten, und der Glaube an Gottes Verheißung, die Israel Leichtes und Edom Hartes verhieß, sollte das fleischliche Murren über eine kümmerliche Gegenwart ersticken. Wir lernen für uns aus diesem Abschnitte, wie sündlich und frevelhaft es für einen Christenmenschen ist, an der Liebe seines Gottes zu zweifeln, und sprechen mit David und Luther: „Und ob es währt bis in die Nacht und wieder an den Morgen, doch soll mein Herz an Gottes Macht verzweifeln nicht, noch sorgen!“ Wir lernen, daß der beste Rath wider die Anfechtungen kümmerlicher Zeiten ist, sich anzuklammern an Gottes Gnadenoffcnbarungen und Gnadenverheißungen; Gott hat einem Christen vor den Heiden seinen eignen Sohn vorausgegeben, nun - warum sollt' ich mich denn grämen? Hab' ich doch Christum noch; wer will mir den nehmen? Gott hat einem Christen versprochen, daß wohl Berge weichen und Hügel hinfallen sollen, aber seine Gnade nicht weichen, der Bund seines Friedens nicht hinfallen soll, nun - so soll mein ganz Vertrauen ankerfest auf ihm beruhen, Felsen will ich auf ihn bauen; was er sagt, das wird er thun. Erd' und Himmel kann vergehn, sein Bund bleibet feste stehn. Wenn wir vertrauensvolle Zufriedenheit auch unter kümmerlichen Umständen lernen, dann haben wir die Lection gelernt, die der große Gott in den ersten fünf Versen des Propheten Maleachi christlichen Lesern und Hörern des Wortes vorgeschrieben hat. Wenn wir aber nach Vers 5 Amen sagen und sind noch so unzufrieden, als zuvor, dann ist die ganze Betrachtung an uns verloren gewesen. Die Bibel will nicht nur gelesen, sondern sie will gelebt werden, und nicht nur die ganze Bibel, sondern auch jeder Abschnitt derselben, auch dieser erste Abschnitt aus dem prophetischen Buche Maleachi. Wir haben diesen Abschnitt gelesen und nicht nur flüchtig, sondern bedächtig und nachdenklich gelesen, nun müssen wir ihn leben! Dazu verleihe uns Gott die Gnade, die beides wirket, das Wollen und das Vollbringen! Amen.

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