Quandt, Emil - Vom Frieden - II. Der Hausfriede.

Quandt, Emil - Vom Frieden - II. Der Hausfriede.

Es ist ein köstlich Ding, wenn Frieden im Lande ist; und wenn nach Zeiten, in denen Krieg und alle Schrecken die weite Welt bedecken, der Landfriede durch Gottes Barmherzigkeit wiedergegeben wird, dann soll man's mit allen Glocken einläuten und das „HErr Gott, dich loben wir“ in vollen Chören singen. Aber noch größeren Preises wert, als der Friede im Land, ist der Friede im Haus, die Familieneintracht. Denn das Haus steht jedem Einzelnen näher als das Land, es ist sein eigenes Land. Mein Haus ist meine Burg, sagt der Engländer; daheim bin ich König, sagt der Deutsche. Was hilft die Ruhe im Land, wenn Einer daheim keine Ruhe hat? Was hilft es, wenn die Säulen des Landes fest stehen und die eignen vier Pfähle zittern von den Donnern der Zwietracht und Fehde? Ein gut Hausgemach ist über alle Sach'; über den Landfrieden geht noch der Hausfriede.

Darum ist denn auch die heilige Schrift des Lobes über den Hausfrieden voll. Sie rechnet es unter die größten Plagen der Erde, wenn, wie in den schlimmen Zeiten Israels, der Sohn den Vater verachtet und die Tochter sich wider die Mutter setzt, und des Menschen Feinde seine eignen Hausgenossen sind; sie kennzeichnet hadernde Männer und zänkische Weiber als Gestalten des Unheils und des Schreckens. Dagegen preist sie im Jubelton glücklich den Mann, dem ein tugendsames Weib in Haus waltet und dem seine Kinder im Haus blühen wie Ölzweige; und sie singt im höheren Chor: „Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig bei einander wohnen.“ Desgleichen Dr. Luther, der große Reformator nicht nur der Kirche, sondern auch des Hauses, spricht: „Es dünkt mich, dass das lieblichste Leben sei ein mittelmäßiger Hausstand, leben mit einem frommen, willigen, gehorsamen Weib in Fried' und Einigkeit und sich mit Wenigem genügen lassen, zufrieden fein und Gott danken.“ Desgleichen die Sänger der evangelischen Christenheit singen mit lautem Schall das Lob des Hausfriedens. Paul Gerhard jubelt:

Wie schön ist's doch, HErr JEsu Christ,
Im Stande, da dein Segen ist,
Im Stande heil'ger Ehe!
Wie steigt und neigt sich deine Gab'
Und alles Gut so mild herab
Aus deiner heil‘gen Höhe,
Wenn sich an dich fleißig halten,
Jung und Alten,
Die im Orden
Eines Lebens einig worden.

Und ein neuerer Dichter, Julius Sturm, bekräftigt das, wenn er singt:

Daheim! Daheim! Wie zwingt das Wort
Sich von der Lippe jubelnd fort!
Denn was mir Gott an Glück beschert,
Das schlingt sich, reich an Duft und Glanz,
Ein voller frischer Blütenkranz,
Daheim um meinen Herd.

Daheim! Daheim! Der Welt Gebraus
Umrauscht von fern mein stilles Haus;
Vergessen ist, was mich beschwert,
Vergeben ist, was mich getränkt,
In Frieden ruht mein Herz versenkt
Daheim an meinem Herd.

Aber wir müssen das auch recht verstehen; der Hausfriede dem das Lob der Schrift, dem die Lieder der Menschen Gottes gelten, ist der gottselige Hausfriede. Es gibt auch einen weltseligen Hausfrieden, der weder Lob noch Lieder verdient und dem die Schrift geradezu den Krieg erklärt. Wenn irgendwo so gilt es hier, klar zu sehen und des Unterschiede eingedenk zu sein, der zwischen Hausfrieden und Hausfrieden, nämlich zwischen weltseligem und gottseligem Hausfrieden besteht.

Es lässt sich ja nicht leugnen, auch unter den Weltmenschen gibt es nicht bloß Häuser voll Hader, Neid und Streit, sondern auch Häuser, in denen eine gewisse Art von Eintracht und Friede herrscht. Zwischen Gatte und Gattin, zwischen Eltern und Kindern waltet zärtliche Liebe; man lebt für einander, man arbeitet für einander, man vergnügt sich mit einander; man ist einig in der Gleichgültigkeit oder gar Feindschaft gegen die Kirche und das Wort Gottes; man ist einig in dem Grundsatz, dass die Rosen dieser Welt gepflückt werden müssen, so lange sie blühen. Ich glaube, ein Friede dieser Art ist im Hause jenes reichen Mannes gewesen, der sich kleidete in Purpur und köstliche Leinwand und lebte mit den Seinen alle Tage herrlich und in Freuden; hat er doch die zärtliche Liebe zu den Seinigen mit in die Hölle hineingenommen, wo er seiner fünf Brüder auf Erden gedenkt und sich bangt, dass sie am Ende auch kommen möchten an den Ort der Qual. Ich glaube, dass es auch heutzutage, namentlich unter den Reichen und Vornehmen, viele solcher Familien gibt, bei denen ein Hausfriede blüht ohne Glauben; man schilt zusammen auf die Kopfhänger, man freut sich zusammen des Lebens und man fährt zusammen in das ewige Verderben. Diese Art von Hausfrieden ist kein Friede nach dem Herzen Gottes; Familien, deren Einigkeit auf dem gemeinsamen Gegensatz gegen das Wort Gottes und gegen den Ernst der Ewigkeit beruht, führen ein ebenso vor Gott verwerfliches Leben, als Familien, in welchen die Sünde sich in Hass und Hader bekundet.

Die Schrift erklärt solchen weltseligen Hausfrieden geradezu und in schärfster Weise den Krieg. In demselben Schriftkapitel (Matth. 10), in welchem der Heiland seine Jünger anweist, in die Häuser Israels zu gehen und ihnen seinen Frieden, den gottseligen Frieden zu bringen, spricht er dem weltseligen Hausfrieden gegenüber die ernsten Worte: „Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekommen sei, Frieden zu senden auf Erden; ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater und die Tochter wider ihre Mutter und die Schnur wider ihre Schwieger; und des Menschen Feinde werden seine eignen Hausgenossen sein.“ Fast dieselben Worte, die sonst die heilige Schrift gebraucht, um die häusliche Zwietracht in ihrem ganzen Jammer zu schildern, nimmt hier der heilige Friedefürst in den Mund, um den Zweck seines Kommens auf Erden zu bezeichnen; nicht als ob die Zwietracht ihm Freude machte, nicht als ob das Säen der Zwietracht sein letzter Zweck wäre; sondern den weltseligen Hausfrieden, der in die Verdammnis führt, will er durch, das Schwert seines Wortes in Zwietracht verwandeln, damit dadurch angebahnt und nach der Fehde geschlossen werde der rechte, wahre Friede, der gottselige Hausfriede.

Das aber ist gottseliger Hausfriede, da das ganze Hauswesen gegründet ist auf dem Grund, der ewiglich besteht, ob Erd' und Himmel untergeht, auf dem Grunde von Christi Blut und Wunden. Mann und Weib sind eins nicht bloß dem Fleisch nach, sondern auch dem Geist nach, nämlich eins in der einen Liebe zu JEsu Christo; sie lieben einander herzlich, aber ihre Liebe wird nicht dahin übertrieben, dass sie dem HErrn und seiner Liebe den gebührenden Vorzug raubte. Die Eltern legen ihre Kinder täglich mit Gebetshänden an das Herz des Mittlers und lehren sie früh des Heilands Lob mit Freuden stammeln. Knecht und Magd. Diener und Dienerin hängen mit der Herrschaft zusammen durch das feste Band der Liebe Christi und brennen bei ihren Diensten in dem Einen Eifer, dass nicht ihr, sondern des HErrn Wille geschehe. Waltet Freude im Hause, man vergisst bei der Freude nicht den, der sie gespendet; hängt der Himmel voll Wolken schwer, hebt man die Hände betend auf zu dem, der alle Wolken durchbrechen kann. So lebt man in Frieden bis eins nach dem andern in Frieden dahinfährt. Seht da, eine Hütte Gottes unter den Menschen, eine Stätte, gesegnet mit gottseligem Hausfrieden.

Das ist der Hausfriede, bei das Lob der heiligen Schrift, dem die Lieder unsrer frommen Sänger gelten. Das ist der Hausfriede, dem auch unser Nachdenken nunmehr gilt. Diesen schönen, christlichen, gottseligen Hausfrieden, wie erlangen wir ihn? und wie bewahren wir ihn?

Wie erlangen wir den gottseligen Hausfrieden?

Um diese Frage in ihrer ganzen schwerwiegenden Bedeutung zu begreifen, muss man sich die Leute ansehen, die also fragen. Diese Frage ist ja eben so wenig Jedermanns Ding, als der Glaube. Aber das arme Tagelöhnerweib, dem die Ohren gellen von den Flüchen des aus dem Wirtshaus heimkommenden Mannes, das fragt wohl so: Wie erlangen wir den gottseligen Hausfrieden? Der abgearbeitete Beamte oder Bürgersmann, der nach des Tages Hast und Hitze sich nach freundlichen Gesichtern der Seinigen sehnt und trifft Doch nur eine murrende Frau und unzufriedene Kinder zu Haus, ja der seufzt dann wohl aus tiefer Brust: Wie kommt der Friede, der rechte Friede in mein Haus? Und die Tochter eines vornehmen Hauses, die Gottes Wort im Konfirmandenunterricht lieb gewann und der der Mummenschanz der ungeheuren Heiterkeit eines verweltlichten Familienlebens das Herz abdrückt, sie fragt wohl unter Tränen so: Wie kommt doch der Friede, der gottselige Friede in unser Haus? Oder auch ein frommer Diener, eine gläubige Dienerin bei einer weltseligen Herrschaft; ein erweckter Geselle, der einen ungläubigen Meister hat, sie fragen auch wohl: Wie kommt der christliche Hausfriede in das Haus, darinnen wir dienen?

Und da ist denn die erste Antwort: Durch eigene gründliche Hinwendung zum Glauben. Denn es steht geschrieben: Glaube an den HErrn JEsum Christum, so wirst du und dein Haus selig. Als jener Kerkermeister von Philippi sich bekehrte, widerfuhr nicht bloß ihm, sondern all den Seinigen das Heil des Friedens in Christo; und er konnte sich mit seinem ganzen Haus freuen, dass er an Gott gläubig geworden war. Ist nur erst eine Seele gottgemein, zieht sie auch andre hinterdrein.

Denn wer von Herzen an den Heiland glaubt, von des Leibe fließen Ströme des lebendigen Wassers, aus dessen Herzen geht ein Geruch des Lebens zum Leben, der das ganze Haus erfüllt. Will man das Haus voll Friedens haben, muss man zuerst das Herz dem Frieden einräumen. Will man die ganze Familie heilsam durchsäuert haben, wohlan, denn trage man den Sauerteig des Evangeliums zunächst in der eigenen Brust.

Aber es ist mancher ein gläubiger Mensch, und er zieht dennoch nicht die Hausgenossen hinterdrein. Wohlan, derselbe bete um den Hausfrieden. Denn Gott will gebeten sein, wenn er soll was geben. Die vierte Bitte, die Brotbitte, ist auch die Bitte um den Hausfrieden. Denn zum täglichen Brot gehören auch Haus und Hof, fromm Gemahl, fromme Kinder und frommes Gesinde. Wem's um den Frieden in seinem Haus zu tun ist, der bete die vierte Bitte fleißig. Eine arme Witwe in England, die mit ihrem einzigen Sohne zusammenlebte, hatte doch keinen Hausfrieden, weil der Sohn wandelte wie der verlorene Sohn. Durch alle Ermahnungen der betrübten Mutter war er nicht von seinem sündenvollen Lebenswandel abzubringen. Als sie nun eines Tages erfuhr, dass ihr Sohn mit schlechten Kameraden wieder zu einem Schmaus und Trinkgelage gehen wollte, so versuchte sie nochmals alle Überredungskunst, um ihn davon abzuhalten, allein wieder vergeblich; denn der Sohn gab ihr zur Antwort: Mutter, ich gehe eben. Darauf sagte sie: Nun denn, ich weiß schon, was ich tun will; ich schließe mich in meine Kammer ein, werfe mich vor Gott auf meine Knie nieder und höre nicht auf für dich zu beten, bis ich dein Antlitz wieder sehe. Der Sohn ging hin, fand aber das gesuchte Vergnügen nicht; immer lebhafter drängte sich das Bild seiner auf den Knien liegenden Mutter in die Seele, bis er sich endlich aufmachte, nach ihr zu sehen. Er findet sie noch auf den Knien und kniet nun selbst zu ihr hin, fällt ihr um den Hals, dankt Gott für ihre mütterliche Liebe, und wandelt fortan mit der Mutter auf Einem Wege, dem schmalen Wege, und das Häuslein der Witwe wurde eine Hütte des Friedens. Bekannt ist auch die Geschichte von der frommen Monika, der Mutter des Kirchenlehrers Augustin; der machte in seiner Jugend der Mutter eitel Herzeleid und ihr Haus zu einem Haus des Haders. Sie aber ließ nicht nach, mit heißen Tränen um seine Bekehrung zu bitten, und siehe, der Sohn so vieler Tränen und Gebete ging nicht verloren, sondern suchte und fand den HErrn, nahm die Mutter zu sich und lebte mit ihr bis an ihr Ende in großer Gottseligkeit und Eintracht. Ja, das Gebet des Gerechten vermag gar viel, wenn es ernstlich ist; es vermag auch den Hausfrieden ins Haus zu ziehen. Denn der HErr der Welt lässt sich vom Menschen, dem Staub, durch gläubiges Gebet die Hände binden und die Hände öffnen; und was die Liebe fleht, ist ein Korn in Gottes Herz gesät.

Aber tut's der Glaube nicht und das Gebet nicht, dann mag es das Zeugnis bewirken, dass der Friede ins Haus kommt.

Es gilt ein frei Geständnis
In dieser unsrer Zeit,
Ein offenes Bekenntnis
Bei allem Widerstreit,
Trotz aller Feinde Toben,
Trotz allem Heidentum
Zu preisen und zu loben
Das Evangelium.

Freilich zuerst, wenn ein gläubiger Mensch in einem glaubenslosen Hauswesen ein freies Geständnis ablegt von Christo, pflegt sich das Wort Christi zu erfüllen, dass er gekommen sei zu erregen einen Hausgenossen gegen den andern. Aber das ist, wie Dr. Luther sagt, ein seliger Unfriede, Aufruhr und Rumor, den Gottes Wort erweckt, da geht an rechter Glaube und Streit wider den falschen Glauben; da gehen wieder an die Leiden und Verfolgung und das rechte Wesen des christlichen Volkes. Denn die Predigt des Evangelii muss und soll Streit, Uneinigkeit, Hader und Rumor anrichten; in solchem Wesen ist gestanden die Christenheit zu Zeiten der Apostel und Märtyrer, da sie am besten stund. O es hat ja das auch mancher gläubige Mensch dieser Tage schmerzlich erfahren, wie gerade durch seine Anpreisung dessen, den seine Seele liebt, unter den Seinigen der bitterste Aufruhr und Streit entstand, dass man ihn als den Störenfried der Familie in Acht und Bann tat. Aber auf den Regen folgt die Sonne, auf den Jammer folgt die Wonne; die dem Wort von Christo zuerst am heftigsten widerstrebten, wurden oft hinterher am tiefsten von demselben ergriffen, denn er hat die Starken zum Raube, und statt des gestörten weltseligen Hausfriedens ohne Gott zog ein neuer, besserer Hausfriede in Gott und mit Gott in die Familie.

Freilich nicht immer geschieht das durch das bloße Zeugnis. Es gilt ja, wie von den Menschen überhaupt, so auch von den Gliedern einer Familie, dass ihrer viele mit hörenden Ohren nichts hören. Dazu kommt, dass der Prophet gerade im eigenen Vaterland am wenigsten zu gelten pflegt, hatte doch auch der HErr JEsus in der eigenen Familie Brüder in den Tagen seines Fleisches, die trotz der Worte des ewigen Lebens, die von seinen holdseligen Lippen strömten, im Unglauben verharrten. Aber es gibt noch ein anderes Mittel, den rechten Hausfrieden herzustellen. Das Sprichwort sagt: Worte lehren, Beispiele ziehen - so auch zieht gottseliger Wandel oft die ungläubigen Hausgenossen kräftig in den Hausfrieden hinein, den ihnen das bloße Zeugnis durch das Wort nicht nahe zu bringen vermochte. Insbesondere empfiehlt die heilige Schrift den Frauen gottseligen, dem Evangelio gemäßen Wandel als Mittel zur Herstellung eines christlichen Hausfriedens. Die Weiber sollen ihren Männern untertan sein, schreibt St. Petrus, auf dass auch die, so nicht glauben an das Wort, durch der Weiber Wandel ohne Wort gewonnen werden. Und in tausend und aber tausend Fällen hat es sich denn auch bewährt, dass, wo alle Worte von Christo bei den Männern vergebens waren, der stille Wandel, der selbstverleugnende, aufopfernde Gehorsam einer Frau die Männer für den Glauben, für das Himmelreich gewann. Das ist eine edle Frauenkunst, mit dem Mund zu schweigen und mit dem Wandel zu reden, und wo sie geübt wird beweist sich auch am besten das alte Sprichwort als ein wahres Wort: Der Hausfriede kommt von der Hausfrau. Jene namenlose Frau hat diese Kunst aus dem Grunde verstanden, von der einst bei einem Trinkgelage der Mann, ein Knecht der Sinnlichkeit und Sünde, seinen Freunden erzählte: „Alles vereinigt sich in ihr, was sich irgend Vortreffliches an einem Weib denken lässt, Alles an ihr ist musterhaft bis auf ihre frommen Grillen, sie ist so ganz Herr über ihre Leidenschaften, dass, wenn ich Sie insgesamt jetzt um Mitternacht in mein Haus führte und ihr aufzustehen und ein Essen zu bereiten beföhle, sie sogleich Alles willig und freundlich tun würde.“ Die durch das Gelage aufgeregte Gesellschaft forderte ihn durch eine große Wette zur Probe auf. Die ganze Gesellschaft begab sich um die Mitternachtsstunde hin in das Haus. „Wo ist meine Frau?“ fragte der Mann die Magd. „Sie liegt bereits im Bett.“ „Rufe sie, sie soll aufstehen und für mich und meine Freunde ein Abendessen machen.“ Unverzüglich stand die Frau auf, begrüßte freundlich die Gesellschaft und sagte: „Das Essen wird in Kurzem bereit sein.“ Es wurde aufgetragen, sie bediente die Gäste, als wenn sie von ihr eingeladen und zur rechten Zeit gekommen wären. Die Gäste wussten endlich ihre Verwunderung nicht länger zurückzuhalten. „Madame,“ sagte der Nüchternste von ihnen „Ihre Höflichkeit setzt uns in Erstaunen. Unser Erscheinen zu dieser ungewöhnlichen Zeit ist die Folge einer gegen Ihren Mann angestellten Wette, und wir haben die Wette verloren. Sie, eine fromme Dame, sagen Sie uns, welche Kraft ist es, die Sie fähig macht, uns so liebreich zu behandeln, da Sie doch unsre Gesinnung nicht billigen können?“ „Meine Herren,“ erwiderte sie, „als wir, mein Mann und ich, uns heirateten, lebten wir beide im Sinne des Fleisches; aber es hat Gott gefallen, mich aus diesem unglücklichen Zustand zu erretten. Mein Mann wandelt noch auf dieser Bahn, und ich zittere für sein künftiges Los. Stürbe er, wie er jetzt ist, wie traurig würde sein Schicksal jenseits des Grabes sein. Darum ist es meine Pflicht, ihm sein Leben wenigstens hier so angenehm als möglich zu machen.“ Diese Antwort bewegte die Gesellschaft und machte einen tiefen Eindruck auf den Mann. „Bist du, liebes Weib, für mein ewiges Unglück wirklich so besorgt?“ sprach er. Die Decke vor seinen Augen schwand hin; mit Bewunderung schaute er in das Geheimnis des Wandels seiner Frau, und mit zerschmolzenem Herzen sank er zu den Füßen Christi hin. Er ward ein anderer, ein neuer Mensch, und sein Haus ward ein neues Haus, ein seliges Haus des Friedens, in welchem nun Herz und Herz vereint zusammen in JEsu Herzen Ruhe suchten.

Aber auch die kräftige Predigt des stillen Wandels trifft oft auf taube Ohren. Man hätte den Frieden so gerne, und doch der edle Hausfriede bleibt fern. Und die Mittel, den Hausfrieden herzustellen, sind nun erschöpft bis auf eines, und dies eine letzte ist Stillesein und Harren. Eine Seele, die sich härmt, dass ihrem Haus der Friede fehlt und immer noch fehlt, lasse sich gesagt sein, was David spricht: Harre des HErrn, sei getrost und unverzagt und harre des HErrn. Gottes Uhr und der Menschen Uhren stimmen eben nicht immer überein; meist geht Gottes Uhr viel langsamer, als unsre Uhren. Aber wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hilf' mit Macht herein, und dein Grämen zu beschämen, wird es, unvermutet sein.

Wenn nun aber die Stunden sich gefunden haben, wenn JEsus Christus mit seinem Frieden eingezogen ist in ein Haus, dann wird die andere Frage eine Lebensfrage, die Frage:

Wie bewahren wir uns den Hausfrieden?

Zunächst durch eine christliche Hausordnung; sie ist das Bett für den Strom des Friedens, der aus dem Glauben der Hausgenossen an JEsum Christum fließt. Ihr erstes Stück ist gemeinsame Morgenandacht, da Eltern und Kinder, Herrschaft und Gesinde gemeinsam dem himmlischen Vater danken, durch JEsum Christum, dass er sie die Nacht hindurch vor allem Schaden und Gefahr behütet hat und ihn bitten, dass er sie den Tag über auch gnädiglich behüten und bewahren wolle, und sich ihm mit Leib und Seele und Allem in seine Hände befehlen. Solches Beten, Singen und Bibellesen am Morgen gibt dem ganzen Tag die himmlische Weihe. Nicht jede Morgenstunde hat Gold im Munde, aber einer solchen Morgenstunde kann das Gold nie fehlen, da eine Familie gemeinsam das Angesicht des HErrn sucht und in seinem Wort sich erbaut; denn Gottes Wort ist köstlicher als Gold und viel feines Gold. Die Mitte des Tages, da die Familie sich gemeinsam um den Tisch setzt zu fröhlichem Mahl, werde wieder geweiht durch gemeinsames Anrufen des HErrn. Das Tischgebet lockt und lädt den HErrn JEsum aufs Neue in die Mitte der Familie und mit ihm seinen Segen und seine Gnade. Es soll darum auch nicht erniedrigt werden zu einer frommen Übung für die Kinder; das Beten im Namen des ganzen Hauses ist ein priesterliches Vorrecht, das sich der Hausvater und die Hausmutter nicht nehmen lassen dürfen. Nach vollbrachter Arbeit und Mühe des Tages aber naht die christliche Familie vor Schlafengehen noch einmal ihrem Gott und HErrn in gemeinsamer Andacht, ihm abzubitten, was am Tage Unrechtes in Haus geschehen ist, und ihn anzuflehen, dass er in der finsteren Nacht als ein guter Hirte über seiner Herde wachen und selbst an des Hauses Tür schreiben wolle: „Meine Freunde wohnen hier.“ Ein Haus, aus dem Morgens, Mittags und Abends Bitten und Gebete, Psalmen und Lobgesänge zum Thron der Barmherzigkeit hinauf tönen, wird den Frieden, den es von Gott empfangen hat, auch von Gott bewahrt sehen; denn das Vaterunser bindet die Leute zusammen, und das Wort Gottes ist ein Reifen, um den sich die verschiedensten Herzen wie Blumen zu einem Kranz fügen. Den Spott der Welt, der dabei nicht ausbleibt, nehme man ruhig mit in Kauf und versüße sich ihn durch das schöne Verslein des alten, frommen Ahrends:

Gottlob, wir sind versöhnt;
dass uns die Welt noch höhnt,
währt nicht lange, und Gottes Sohn
hat längstens schon uns beigelegt
die Ehrenkron!

Zur rechten christlichen Hausordnung gehört aber nicht nur die christliche Weihe der Arbeitstage, sondern ebenso sehr auch die gemeinsame Heiligung des Sabbattages. Der Tag des HErrn ist für die Bewahrung des häuslichen Friedens in Christo von ungemeiner Wichtigkeit. Nichts kettet die Herzen so sehr aneinander, als wenn die Flammen ihrer Liebe im Tempel Gottes gemeinsam dem HErrn entgegenlodern. Der gemeinsame regelmäßige Kirchgang, der gemeinsame Sakramentsgenuss, das sind diamantene Bande, die die Familienglieder auf das Festeste miteinander verknüpfen. Sie bilden zugleich den gesegneten Hintergrund für gemeinsame Sonntagserholungen in Gottes freier Natur oder im Kreis gleichgesinnter Freunde. Eine Familie, die den Sonntag in Gottes Vorhöfen, in Gottes Natur und unter Gottes Freunden verlebt, wird inne werden, welch ein unermessliches Gnadengeschenk den Menschen mit dem Sabbat gegeben ist, sie wird gemeinsam in Kraft der sabbatlichen Stärkung neuen Mutes der Arbeit der Woche entgegengehen.

Mit der christlichen Hausordnung aber muss, wenn der Hausfriede gesichert werden soll, ein christliches Verhalten der Familienglieder unter einander Hand in Hand geben. Die heilige Schrift gibt uns gerade über diesen Punkt sehr ausführliche Lehre; eine Zusammenstellung derselben ist uns in der Christlichen Haustafel des kleinen Lutherischen Katechismus gegeben, aus der ein Jeder lernen kann, wie er in seinem Stand Gott dienen soll. Da ist den Männern gesagt: Ihr Männer, liebt eure Weiber, gleich wie Christus geliebt hat die Gemeine und seid nicht bitter gegen sie. Da ist den Ehefrauen gesagt: Die Weiber seien untertan ihren Männern als dem HErrn, denn der Mann ist des Weibes Haupt. Da ist den Eltern gesagt: Die Worte des HErrn sollst Du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern schärfen und mit ihnen davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst; ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, dass sie nicht scheu werden, sondern zieht sie auf in der Zucht und Vermahnung zum HErrn. Da ist den Kindern gesagt: Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem HErrn, denn das ist billig. Ehre Vater und Mutter, das ist das erste Gebot, das Verheißung hat, nämlich das dirs wohl gehe und du lange lebst auf Erden. Da ist für die dienenden Stände gesagt: Seid gehorsam euren leiblichen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfältigkeit eures Herzens als Christo, nicht mit Dienst allein vor Augen als den Menschen zu Gefallen, sondern als die Knechte Christi, dass ihr solchen Willen Gottes tut von Herzen, mit gutem Willen. Lasst euch dünken, dass ihr dem HErrn dient und nicht den Menschen. Da ist den Hausherren und Hausfrauen gesagt: Ihr Herren, was recht und gleich ist, das beweist den Knechten. Und lasset das Dräuen und wisst, dass ihr einen HErrn im Himmel habt, und ist bei ihm kein Ansehen der Person. Mit einem berühmten Reimlein schließt die Haustafel, wir kennen es alle, wollte Gott, wir übten es auch: Ein jeder lern' seine Lektion, so wird es wohl im Hause stehen.

Es ist in unserer Zeit wohl von allen Hauslektionen die schwerste, und sie sei darum noch besonders hervorgehoben, die Lektion des Verhaltens der christlichen Herrschaften zum Gesinde. Die Gesindenot ist ja eine landläufige Klage ebenso wohl unter gläubigen Hausfrauen, wie unter weltlich gesinnten. O, der HErr hat ja auch heute noch unter dem Gesinde seine Siebentausend, die ihre Knie nicht gebeugt haben vor den Götzen dieser Zeit. Es gibt ja auch heute noch Diener und Dienerinnen nach Gottes Herzen, wie jene fromme Magd Rhode in der Apostelgeschichte, von der einer unserer Sänger ebenso rührend als schön gesungen hat:

Blüht noch wo in Stadt und Land,
Still und arm, versteckt im Mose,
Eine solche fromme Rose
Ungenannt und unbekannt,
Eine Magd, die ohne Klage
Wasser trägt und Feuer schürt,
Schuhe putzt, den Besen führt,
Früh am Morgen, spät am Tage,
Röschen, blühe fröhlich fort!
Zählst du hier auch zu den Kleinen,
Kennet doch der HErr die Seinen,
Hier der Schweiß, der Sabbat dort!
Diene fort mit heitern Mienen,
Dir auch glänzt ein Gnadenstern,
Selig ist's, als Magd des HErrn
Gott und Gottes Freunden dienen.

Aber es gehört allerdings ein gutes Auge dazu, heutzutage die Gärten zu finden, in denen solche Röslein wachsen. Es macht christlichen Hausmüttern oft nicht geringe Not, eine solche Rose zu entdecken, die allermeisten entdecken sie nicht. Da entsteht denn die Sorge, wie sich christliche Herrschaften verhalten sollen gegen gemietetes Gesinde, das sich gar nicht schicken will in gottselige Hausordnung und gottseliges häusliches Leben. Nun es gilt hier dasselbe, was einem gläubigen Menschen obliegt, wenn der Hausfriede überhaupt fehlt; eignes Festwurzeln im Glauben, Fürbitte, Zeugnis, gottseliger Wandel, dazu Stillesein und Harren, das sind die Mittel, die Gesindenot zu beseitigen. Das bloße Schelten und Verweisen tut's jedenfalls nicht; im Gegenteil ein sanftmütiges Vergeben das tut viel mehr. Als Luthers Hausfrau, Käthe, einmal dem Gesinde den Text las, sagte Luther, der es hörte: Hast du auch ein Vaterunser vor deiner Predigt gebetet? Er wollte sie damit in die fünfte Bitte treiben, da wir beten: Vergib uns unsere Schuld, als wir vergeben unsern Schuldigern; und damit in die Nachsicht und Milde. Freilich, auch die Nachsicht hat ihre Grenzen, und beständige Gutmütigkeit kann ebenso schädlich wirken, als beständiges Eifern. So ist denn nicht bloß Sanftmut, so ist denn vor allen Dingen im Verhalten der Herrschaft gegen das Gesinde Weisheit, christliche Weisheit not. Wer hat sie? St. Jakobus schreibt: So Jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte vor Gott, der da gibt einfältiglich Jedermann und rückt es Niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.

Gegeben werden - daran liegt Alles. Der Mensch kann ihm nichts nehmen, auch den Hausfrieden nicht, weder seinen Besitz, noch seine Bewahrung, es werde ihn denn gegeben vom Himmel. Es liegt auch hier nicht an Jemandes Wollen und Laufen, sondern allein an Gottes Erbarmen. Die rechte Friedensordnung im Haus, auch die rechte Gesindeordnung im Haus muss Gott machen. Gott muss zu allen Dingen, soll's anders wohlgelingen, selbst geben Segen, Rat und Tat. Man soll es sagen, mit Freuden sagen: Ich und mein Haus, wir wollen dem HErrn dienen! aber das bloße Sagen tut's nicht. Man soll, wie seine Seligkeit, so auch den Frieden seines Hauses schaffen mit Furcht und Zittern; aber das menschliche Schaffen tut's nicht, Gott muss es geben, und seinen Freunden gibt er's schlafend. Darum sei Gott allezeit gebeten, uns und unseren Familien zu geben, was wir uns nicht nehmen können und doch so gerne haben, und wenn wir's haben, bewahren möchten, den Frieden des Hauses in JEsu Christo. „Senke, o Vater, herab deinen göttlichen Frieden auf alle Herzen, die du für einander beschieden; gib ihnen Heil, lass ihnen werden zu Teil Gnad' und Erbarmen hienieden!“ Amen.

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