Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 27. Aergere dich nicht!
Durch den Glauben haben Manche Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirket, die Verheißungen erlanget, der Löwen Rachen verstopfet, des Feuers Kraft gelöscht; sind des Schwertes Schärfe entronnen, sind kräftig geworden aus der Schwachheit, sind stark geworden im Streit; haben der Fremden Heere darniedergelegt; Weiber haben ihre Todten von der Auferstehung wieder genommen; - und wie's in jenen Jahrbüchern des Glaubens noch weiter heißt: Ebr. 11, 32. f. - sie, deren die Welt nicht werth war,.. - Sie haben durch den Glauben geduldet, gekämpft, überstanden, gesiegt, und ihr Glaube, - nicht ihre, Tugenden, ihre Werke nicht, ihre Leiden nicht, - ihr Glaube, durch den ihnen alle jene Kraft und Tugend geworden, - ist ihnen zur Gerechtigkeit gerechnet worden. C. 15,6.
Doch hier haben wir wieder die Geschichte alles Fleisches: der Glaube der Heiligen ist. nicht zu jeder Stunde so rein, so getrost, so groß gewesen; Gott siehet in jedes Herz, in jeden Winkel, jeden Augenblick unseres Lebens hinein, und wir fragen dieses allsehende Auge: Herr, Wer ist groß vor Dir? Siehe, auf Seine Knechte kann Er nicht vertrauen, und in Seinen Boten findet Er Thorheit: Hiob 4,18. Auch Mose, der große Mann, so treu in Seinem ganzen Hause (Hebr. 3,5.), Mose hat, in der Anfechtung, kurze Zeiten des Kleinglaubens gehabt, Hiob seine Ungeduld, Eliah seinen Zorn, Jeremiah seinen Unmuth, David seine Schwachheit, ja seine Missethat: Alles im Unglauben geschehen; - auch Abraham ist nicht jeder Zeit sich selbst gleich geblieben; er hat seine Menschenfurcht in der Welt gehabt, und ward hie und da schwach, weil er mehr auf Menschen, denn auf Gott, seinen Schild, - gesehen; aber der Glaube spricht: An Gott will ich Sein Wort rühmen; Auf Gott hoffe ich, und fürchte mich nicht: was können mir Menschen thun (Ps. 56.)? Es braucht freilich ein ganzes Werk, ein Wunder Gottes, in eines Menschen Herzen, daß es jeder Zeit, in der Welt, in der Einsamkeit, also und immer also spreche; des Glaubens Schule umfaßt ein ganzes, ein langes Menschen-Leben, und auch die Bewährten haben nie ausgelernt.
Im ersten Anfang seines Aufenthalts in Canaan wird von einer Theurung erzählet, welche den Mann Gottes aus Canaan nach Egypten, dem reichen Kornlande, hintrieb, denn, heißt es, die Theurung war hart im Lande: C. 12,10. Gott wollte prüfen Seinen Knecht. Da ward ihm aber vor der Willkühr des Herrschers des Landes, und vor gewissen rohen Sitten im Königreiche, bange, denn so klug ein Volk schon sein mag, und weit in aller Kunst und in allen Künsten des Lebens gefördert, - und das sind die Egypter damals in hohem Grade gewesen, - so ist es darum vor den größten Sünden und Lastern noch nicht bewahrt: der Weisheit Anfang ist die Furcht des Herrn, und Erkenntniß des Heiligen ist Verstand: Spr. 9, 10. Nun aber war Sara noch schön; sie hatte erst die Mitte des damaligen Menschenalters erreicht. Da sprach Abraham zu seinem Weibe Sarai: Siehe, ich weiß, daß du ein schön Weib von Angesicht bist; wenn dich nun die Egypter sehen werden, so werden sie sagen: Das ist sein Weib; und werden mich erwürgen, und dich leben lassen. So sage doch, du seiest meine Schwester, auf daß mir s wohl gehe deinetwegen, und meine Seele bei Leben bleibe, um deinetwillen. V. 11-13. - Sara war Abraham's halbe Schwester: 20,12. - Wer meine Schwester zur Gattin begehret, muß sie von mir, ihrem Ehrenwächter, verlangen; mit dem Ehemanne würden sie's schon anders thun; - also mochte etwa der Mann Gottes in seiner Furcht denken. Und in der That, wie die Egypter Sara sahen, da sagten es die Fürsten Pharao, dem Könige, und priesen sie vor ihm. Da ward sie, ohne anders, alsobald in Pharaos Haus, unter dessen viele Weiber, gebracht. Nun aber durfte der Mann Gottes sich seiner Klugheit nicht getrösten, die zu Schanden worden war; wohl aber jenes Glaubens, der doch in ihm war; er schauete nach Gott, seinem Gott, in der Noth, und beugte sich beschämt vor Seinem Angesicht, und eingedenk Seiner großen Verheißung und göttlichen Treue, lehnte er sich traulich und kindlich wieder auf Ihn: Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch, Gott, ewiglich, meines Herzens Hort, und mein Theil: Ps. 73, 26. O Treue unseres Gottes, die so bald wieder züchtiget, die Er lieb hat, und sie damit in das rechte Geleis wieder bringt, sie wieder zu bewahren und zu segnen, und wie Er es nie zuvor gethan.
Und Pharao that Abram Gutes um Sarais willen; und er hatte Schafe, Rinder, Esel, Knechte und Mägde, Eselinnen und Kameele, - königliche Gaben: was der theure Mann wohl nur aus Schonung und Furcht sich geschehen ließ, und nur im Hinblick auf Den, durch dessen Gnade allein er reich werden wollte, wie wir es gesehen: 14, 23. Der aber auch Sara, Seine Magd, vor allem Uebel bewahren konnte, der Herr, erkannte wohl in Seinem Knechte Beugung und Reue, und wollte ihn nicht zu sehr betrüben; wenn es Seine Leute gilt, da heißt es: Der Herr erhält Alle, die da fallen, und richtet auf Alle, die niedergeschlagen sind. Der Herr ist nahe Allen, die Ihn anrufen, Allen, die Ihn mit Ernst anrufen: Ps. 145.
Aber der Herr plagte den Pharao und sein Haus mit großen Plagen, um Sarai, Abram's Weibes, willen. Da rief Pharao Abram zu sich, und sprach zu ihm: Warum hast du mir das gethan? Warum sagtest du mir's nicht, daß sie dein Weib wäre? Warum sprachst du denn, sie wäre deine Schwester; derhalben ich sie mir zum Weibe nehmen wollte? - Der Vorwurf hat sein Wahres, und ist billig. Es ist kein gut Ding, wenn Gottes Kinder sich durch die Kinder dieser Welt (Luc. 16,8.) müssen der Unlauterkeit wegen strafen lassen; das Aergerniß ist groß, und sie haben dann weder die Himmel noch die Erde für sich.
Und nun, fährt der König fort, siehe, da hast du dein Weib; nimm sie, und ziehe hin. Und Pharao befahl seinen Leuten über ihm, daß sie ihn geleiteten, und sein Weib, und Alles, was er hatte. V. 14-20.
Nun, mein Freund, was meinest du? Das ärgert dich wohl an dem Manne Gottes? So kannst du aber auch an den Größesten, an den Kleinsten, an den Besten auf Erden, irre werden; oder zeige mir Einen ohne Schwachheiten und ohne Mängel. Hast du in die geheime Geschichte ihres Lebens gesehen? Hast in ihren Haushalt, in ihre Kammer, in ihr Herz, hineingeschaut? Ist dir wohl von ihnen gesagt worden, so treu, so wahr, wie die heilige Geschichte von jenen Freunden Gottes berichtet? Siehe, darum eben ist sie die heilige Geschichte, nicht, daß sie uns die Guten in ihren Tugenden allein preiset, und uns die Lichtseite ihres Lebens allein vor die Augen stellt; sondern darum, daß sie die Größesten und Heiligsten, uns, ja aller Welt, so, wie sie waren, herausstellet, als allerlei Schwachheiten und Sünden, und dem Wechsel von innen wie von außen unterthan, wahre Kinder Adam, und die doch nach Gottes Kindschaft streben; - auf daß der Mensch sehe, was die Menschheit ist, und auch ihr Schönstes und Bestes, und Jeder in seinen eigenen Busen greife, und kein Fleisch sich Fleisches rühme, sondern alle Welt Gott schuldig sei: Röm. 3,19. Kindlein, spricht Johannes, hütet euch vor den Götzen: 1 Joh. 5,21.
Aber, siehe da, wie Gott so treulich und mächtig für Seinen Freund stehet, und ihm Furcht und Ehrfurcht von den Leuten, den Großen in der Welt, geben läßt; wie Er Pharao und Pharao's Haus um Abrahams willen strafet, und Sara, sein Weib, ihm unangetastet zurückgestellt wird, und sie noch dazu ihm und den Seinigen allen, sicheres Geleite geben auf dem weiten und unwirthlichen Wege. Das wäre doch ein Zeugniß vor aller Welt dem Knechte Gottes, Abraham, gegeben; denn Gott will an Seinen Knechten erkannt und geehret sein; und wir werden hier an das Wort des Psalmisten erinnert: Er ließ keinen Menschen ihnen Schaden thun, und strafte Könige um ihretwillen: Ps. 105,14. Siehe, wenn Gott Seine Leute so hoch hält, so wollen wir sie auch hoch halten; denn was bist du? und was bin ich? Denn es gehet nicht, wie ein Mensch siehet: Ein Mensch siehet nach dem, was vor Augen ist: der Herr aber siehet das Herz an (1 Sam, 16,7.): nicht diese oder jene einzelne Fehlthat, sondern was in dem Menschen lebt, seine Grundstimmung. Die Schwachheiten der Väter Israel, aus dem Grunde der alten Natur geboren, waren doch nicht mehr ihres Herzens Grund; sie lebten nicht davon; der Glaube war ihrer Herzen Grund geworden, ihres Lebens Licht und Leben; Gehorsam war ihre stille Weisheit, Ergebung ihre Freude, Demuth ihr innerster Sinn; sie wandelten vor Gottes Augen, und flohen vor Seinem Angesichte nicht: Er war der Gott ihrer Seelen und ihres Lebens; so weit ihre Erkenntniß, ohne Schrift, ohne Tempel, ohne Priester, ohne Lehrer, in jenen rohen Urzeiten ging, lebten sie dem Herrn; sie predigten von Seinem Namen, sie gaben Ihm die Ehre; darum schämte sich Gott nicht, zu heißen ihr Gott: Ebr 11,16.