Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 21. Was den Glauben hindert.

Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 21. Was den Glauben hindert.

Es ist wahr, der Hindernisse des Glaubens sind viele; ihr Name, wie jener unsauberen Geister, ist Legion; ich könnte sie dir, lieber Freund, nicht alle sagen; jedes Herz hat davon sein eigenes Erbtheil, ein eigen Verzeichniß, wenn es redlich ist; - kann sie nicht einmal alle in meinem eigenen Herzen aufzählen, viel weniger in der Unzahl jener Herzen, aus denen allen die Welt, die Welt der Heiden und die der Christen, bestehet. Diese Welt ist groß, und ihre Abgründe sind tief; ein jedes Herz ist eine Welt in sich. Es hat aber freilich jeder Sünder mit allen andern eine Grundähnlichkeit, und an gewissen Hauptzügen mögen sich alle Kinder Adams erkennen.

Wie könnet ihr glauben, sagte des Menschen Sohn zu den Juden, - die ihr Ehre von einander nehmet, und die Ehre, die von Gott allein ist, suchet ihr nicht? Joh. 5,44. - Das ist gar eine gewöhnliche Sache in der Welt: man nimmt Ehre von einander; man suchet Ehre bei einander; die Menschen sehen auf die Menschen, auf ihre Blicke, ihre Meinung, ihre Achtung, ihren Gruß; sie wollen ihnen wohlgefällig und willfährig sein, wollen sich ihres Beifalls rühmen oder erfreuen, und Etwas in ihren Augen gelten. Man lebet und läßt leben; man lobet und wird gelobt; man grüßet und wird begrüßt. - Je mehr aber man auf Menschen siehet, um so weniger siehet man auf Gott; je ängstlicher man nach der Creatur fragt, um so weniger fragt man nach Dem, der in den Himmeln ist: nach Seinem Willen, Seinen Gedanken, Seiner Weise, Seinem Rath; man suchet Ihn nicht, man begehret Ihn nicht, man preiset Ihn nicht; den Trost, die Hülfe, die Ehre, die von Gott allein sind, suchet man nicht; es ist, als brauchte man nicht Sein; als wäre Er nicht da. So können wir allerlei Wege gehen, auf diesen Wegen wird kein Glaube gefunden.

Das Haupt- und Grundhinderniß in Glaubens-Sachen ist des Herzens angeborene Sünde. Wir sind ein sündlich Fleisch, nicht allein zu allem Guten schwach, sondern auch das den Keim und alle Keime zu jeder Ungerechtigkeit und jeder Untugend in sich verbirgt. Daher die angeborene, natürliche Entfremdung von Gott: - ein anderes Hinderniß.

Von Natur sind wir nicht bei Gott zu Hause; unsere Herzen sind nicht bei Ihm; wir kennen Ihn nicht, und fassen Ihn nicht; wir sind, mit all unserm natürlichen Tichten und Trachten, ferne von Ihm, oft himmelweit von Ihm all unser bestes Denken, Rathen und Meinen; Sein Rath ist uns verborgen, Seine Weisheit scheint uns leicht Thorheit oder Aergerniß zu sein; Sein Wille stehet mit unserm Willen oft in dem grellsten Widerspruch; Sein Wort ist uns zu hart, wir können es nicht hören (Joh. 6,60.); es begehret in der That von uns, was wir nimmermehr geben mögen; es stößt auf viel Widerspruch, auf viele Vorurtheile, auf Misstrauen, Unmuth, Zorn, in unserm Innersten; wir müssen daran gewöhnet, damit versöhnet werden; das Menschliche muß in uns vor dem Göttlichen weichen, oder sich in dasselbige verklären lassen; - es muß in der Finsterniß Licht werden. - und das Werk ist Gottes, und nicht von uns.

Ein böses Gewissen: - neues Hinderniß. Wie kann Der im Glauben auf Gott merken, im Glauben nach Gott verlangen, zu Ihm kommen, sich vor Ihm neigen, Ihm sein Herz aufschließen, und im Glaubens-Gehorsam Ihm Alles unterwerfen, was in seinem Herzen ist, - deß Gewissen finster ist, und vor Gottes Lichte gerichtet und verdammet wird? Wer Arges thut, der hasset das Licht, und kommt nicht an das Licht, auf daß seine Werke nicht gestraft werden: Joh. 3,20. Ein böses Kind wird nicht wohl in der Mutter Schooß erfunden.

Und dann, und wenn es mit dem lieben Gewissen noch so gut gehet, bei aller Furcht Gottes und bei allem Glauben, wie schwer, mitten in dieser sichtbaren Welt, des Glaubens Leben, das Schauen auf das Unsichtbare, das Leben im Unsichtbaren, mit dem Gott, den die Augen nicht sehen; in einem Himmel, den man nicht tasten kann; und das Ergreifen der unsichtbaren Güter, und das Festhalten an der ewigen Hoffnung, die der große Vergelter uns vorhält; und das Dahingehen deß, was man siehet, für das, was man nicht siehet; und das Drängen, mitten durch alle Gedanken, alle Sorgen und Geschäfte des täglichen Berufs, durch die täglichen Freuden, die täglichen Leiden in diesem äußeren Wesen; durch alle Mauern, alle Larven, alle Menschen, alles Werk und Blendwerk, allen Lärm da draußen, durch alles Licht und alle Finsterniß des Erdenlebens, bis zu Gottes Throne, zu Seiner Gottes-Wahrheit und Stille in Seinem Heiligthum!

Daher kommt man so wenig zu Seinem theuern werthen Gottes-Wort; man hat des Anderen so viel, so viel der anderen Worte, der anderen Bücher, der anderen Dinge, Altes und Neues, und immer Neues wieder zu hören, zu lesen, zu lernen, und zwar, das so viel lieblicher tönet und schöner, und uns so viel weiser dünkt, und sich so ganz anders, so viel leichter und geschickter zum Leben in dieser Welt schickt; - und Gott muß doch, Er will, in Seinem Worte gesucht, gehöret, erkannt und studirt werden; hier will Er Sich uns offenbaren, was Er ist, was Er thut, was Er will; hier nahet Er zu uns, hier gibt Er Sich uns, ob wir uns wiederum Ihm geben mögen; - aus dem Worte die Predigt, die Erkenntniß, der Glaube, das Leben; und so Viele wissen nichts davon, oder sind nirgends so gleichgültig, so flüchtig, so träge, so herz- und sinnlos, als wo's das theure Gottes-Wort gilt.

Feinde hast du wohl nicht? Hast nie Jemanden Schaden mit Freuden verursacht, oder ein Unrecht gethan, kein Herz gekränket, keinen Namen beschimpft; und hast doch einen Feind deiner Seele, deines Glaubens, deines Heils: dieser Arge da will dir kein Nahen zu Gott, kein Erbarmen deines Gottes gönnen; will dir kein göttlich Licht, keinen Rath, noch Trost, noch Freude, noch Frieden bei dem Gott deines Lebens, gewähren; er wird den guten Samen dir aus dem Herzen rauben (Matth. 13,19.); wird, als Engel des Lichts wie der Finsterniß, durch tausend menschliche und teuflische Künste, dir das hellste Gottes-Wort in deinem Herzen verdrehen; wird es dir verdunkeln, verfälschen, vernichten; wird deinen Willen wider Gottes Willen aufwiegeln: deine Weisheit wider Seine Weisheit einnehmen; wird dir Dieses als lächerlich, Jenes als unbillig vorstellen, und allerlei Misstrauen, Verdacht und Unlust gegen das göttliche Gebot, wider die Verheißung, den Glauben, in deiner Seele erregen. Weißt du jene Stimme nicht mehr: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allerlei Bäumen im Garten? O man hat sobald, so leicht, jener alten Schlange, jenes Verführers und Mörders von Anfang vergessen, und er hat auch hierin wieder seine eigene List und Stärke, 1. Mos. 3. Joh. 8,44. Offenb. 12.

Freilich, dieser Feind da wirket nicht allein zu wehren dem Glauben auf Erden; auch die Prediger des Unglaubens, die Läugner, Verführer, Verräther, falsche oder auch feige Diener in der Kirche Gottes, Miethlinge, Männer des Kleinglaubens, können mit Satan in einem Bunde gegen deinen Glauben stehen; - und Solche nicht allein: auch Gottes-vergessene Eltern, auch eine leichtfertige Umgebung, lose Freunde, Spötter und Witzlinge, und jene ganze Schaar unruhiger, ruheloser Zungen, friedeloser Geister, welche sich wider Gott zuerst, und darum wider Alles, was Recht heißt, und Wahrheit und Ordnung, wider alles Heilige und alles Heiligthum in der Welt, erheben, und reden stolze Worte, da nichts hinter ist, denn Trotz und Uebermuth, List und Lügen, heilloses, unseliges Wesen, Verderben, mit Larven und ohne Larven, in Heuchelei gehüllet, oder in ihrer ganzen Blöße hertretend: ein vornehm-gottloses Gesindel: Brunnen ohne Wasser, Wolken vom Wirbelwind umgetrieben, sie verheißen Freiheit, so sie doch selbst Knechte des Verderbens sind; - du kannst heute genug von solchen Helfern Satans hören und vernehmen, denn heute mehr als je, sind Land und Luft jenes Geistes voll, der ein Geist der Bosheit ist, und der Finsterniß, und herrschet in der Luft, und hat jetzo sein Werk in den Kindern des Unglaubens: Eph. 2,1.2. 6,12. Ein Seher Gottes im neuen Bunde hat sie uns vor achtzehn Jahrhunderten schon angekündigt und vorgewählt: 2 Pet. 2.

Ach, und es braucht nicht so viel, nicht jenen Gott dieser Welt, welcher der Ungläubigen Sinne verblendet, daß sie das helle Licht des Evangeliums nicht sehen (2 Cor, 4,3. f.); nicht so viele Geister, so viele Verführer und Verführte, nicht jene Macht eines unruhigen Weltalters, voller Empörungen, Umwälzungen und Sünden; nicht all das Brennen und Rauchen und Dampfen, nicht alle Blendwerke menschlicher Gier und Weisheit und Kunst, - einen armen Menschen zu bethören, der auch in diesem Leibe der Sünde wohnet, um durch fremde Schuld, ja, durch eigene Thorheit und eigene Sünde - ein sehr verführtes und unglückliches Kind des Unglaubens zu werden. Einmal Dem, der da unsere Sonne ist, unser Schild (Ps. 84,12.), den Rücken gekehret, da gehet's streng Berg-unter; man wird immer mehr von Gott entfremdet, und von dem Wirbelwind alter und neuer Irrlehren, von der Schalkheit und Täuscherei der Menschen (Eph. 4,14.), dahin gerissen; da gehet es dann von einer Verblendung in die andere Verblendung, von einer Verführung in die andere Verführung, bis daß ein armer Mensch, verfinstert und verstockt, die Wahrheit nicht mehr zu fassen, das Licht nicht mehr zu tragen vermag, und Gott ihn nicht mehr heilen kann, wohl aber, nach Seinem gerechten Gericht, den Bösen strafen: dann kommen über ihn die Finsternisse, die kräftigen Irrthümer, (2. Thess. 2,10. f.); dann wird zum Letzten dem Ungläubigen, was ihn retten sollte, die Gnade des großen Gottes und Heilandes - die verschmähete, verlorene, - zum Falle, und geschiehet an ihm jenes Wort des verstoßenen Heilands, der nun ein Richter geworden: Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf Welchen er aber fällt, den wird er zermalmen: Matth. 21,42. F. 1. Pet, 2,7.8. Judä 4.

Mein Freund, hast du Glauben? O so halte, was du hast, daß Niemand deine Krone nehme! Offenb. 3,11

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