Passavant, Theophil - Jakob's Kampf - 11. Ein Feind.

Passavant, Theophil - Jakob's Kampf - 11. Ein Feind.

1. Mose 32,11.
Ich bitte dich, errette mich von der Hand meines Bruders Esau, denn ich fürchte mich vor ihm. -

Hast wohl keinen Bruder Esau, vor welchem du dich fürchten mußt; hast aber Keinen oder Nichts in der Welt, davor du dich billig fürchten darfst? Kann ja Mancher dem Anderen gefährlich sein, der liebste, theuerste Mensch; eine Seele, die mit einer ganz besonderen Macht unsere Seele einnahm; ein Geist, dessen Gedanken und Worte unseren Geist gefangen nehmen; ein Auge, dessen Blicke mit einer geheimen Verlegenheit, einer Glut, unser Innerstes entzünden; eine Lust, die in alle Adern unseres Lebens sanft oder reißend greift; Etwas, das in unserm Gemüthe, in unsern Gliedern, was nicht sein soll, erreget; Etwas, das uns zu Knechten der Bosheit, oder der Ungerechtigkeit, oder einer Unreinigkeit macht. - Oder hast dich nie vor dir selbst gefürchtet, vor irgend Etwas, das da wohnet in dir, und das ganze Rad deiner Natur entzündet und dich hintreibet, wo du nicht hinwolltest, wo es nicht sein soll? Ich kann es dir nicht nennen, und du scheuest dich vielleicht selber, es mit Namen zu nennen. Freund, ich weiß Manches, Vieles, das sich um mich herum - Manches, Vieles, das sich in mir beweget, oder nur schlummert in mir verborgen, manchen Feind, mir den nächsten, der sich am Schlauesten vor mir selbst verhehlet, und, wie ein falscher, erlogener Paß, bald unter diesem Bilde, bald unter diesem Namen, in mir wohnet, daß mir noch in meinen allen Tagen vor dem zweideutigen Gaste bange wird und heiß; und fühle alle meine Kraft zu schwach, alle meine Weisheit und Vorsicht ohnmächtig, und sollte doch nach jenem Worte eines großen Menschenfreundes thun: Aergert dich dein rechtes Auge, so reiße es aus, und wirf es von dir; oder ärgert dich deine rechte Hand, so haue sie ab, und wirf sie von dir. Es ist dir besser, daß Eines deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde (Matth. 5,29.f.). - Aber gerade dazu fehlet's mir oft an dem rechten Muthe, oder an dem redlichen Willen; und ich stehe da, vor wem? vor mir, und bin's Selber, vor dem ich mich am meisten fürchten sollte; - siehe da, ich wüßte sonst kein Mittel, keine Hülfe, kein Heil; ich eile aber zu dem Gott Jakobs, der auch mein Gott ist, und werfe mich in seine Arme, und sage zu Ihm: Ich bitte dich, o mein Gott, errette mich von meiner Schwachheit, von meiner Unlauterkeit, von meiner Trägheit, von meiner Untreu, von der Unzuverlässigkeit, dem Leichtsinn, den Tücken meines Fleisches und meines Herzens; - errette mich von Allem, was mich immer wieder von dir abziehen und dir entfremden mochte, und mich aus dem Glauben, dem Frieden, dem seligen Leben heraus werfen, die da sind in dir; errette mich, o mein Gott, von meiner Sünde, denn ich fürchte mich vor mir.

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