Oetinger, Friedrich Christoph von - Der Gegenstand der Theologie ist Gott in seiner Tätigkeit oder als Leben spendendes Leben

Oetinger, Friedrich Christoph von - Der Gegenstand der Theologie ist Gott in seiner Tätigkeit oder als Leben spendendes Leben

Aus dem Bisherigen folgt, daß Gott in der Theologie nicht als ein bloßer Gegenstand betrachtet werden kann, sondern daß man ihn zugleich als das Ziel und als die antreibende Ursache seiner Verherrlichung ins Auge zu fassen hat. Was man von Gott zu glauben hat, kann zwar in Kraft des Verstandes, der verallgemeinert, eine kleine Weile bloß gegenständlich betrachtet werden; aber eben dieser so liebenswürdige Gegenstand reizt in dem Moment der wahren Erkenntnis selber zu seiner Verherrlichung. Infolge unserer Zerrüttung muß man wohl einen gewissen Zwischenraum zwischen dem, was man zu glauben und was man zu tun hat, zwischen dem Gegenstand und dem Endziel, zwischen dem Wesen und der Verehrung zugeben. In der Tat aber verhält sich die Sache so, daß wir wegen unserer Schläfrigkeit und wegen unseres geistlichen Unvermögens so unterscheiden; denn die Erkenntnis der göttlichen Herrlichkeit und Gerechtigkeit erweckt uns, wie in einem Spiegel Gott in seinen eignen Ausstrahlungen zu verherrlichen (Römer 1, 17 ff.). Indessen können wir in unserem gegenwärtigen Zustand das, was wir zu glauben haben, als Gegenstand und nicht als Endziel betrachten; die wirkliche Tätigkeit der Verherrlichung gewinnen wir aus dem Endziel, nicht aus dem bloßen Gegenstand.

Wir erkennen, daß wir als Sünder Gott nicht verherrlichen können. Wir empfinden wohl die unzerstörbaren Triebe hierzu, sehen aber auch, wie schnell sie gehemmt werden. Gott ist zufrieden mit unserer Sehnsucht, in seinem Licht zu wandeln und ihn zu verherrlichen (1. Johannes 1). So werden in uns die ersten Anfänge der göttlichen Herrlichkeit oder des göttlichen Bildes durch Gottes Gnade und durch das Blut Christi wiederhergestellt. So entsteht bei uns die Hoffnung, im ewigen Leben Gott zu genießen, und so folgt denn auch, daß alle theologischen Schlüsse praktisch sind und also die Theologie theoretisch-praktischer Natur ist, wobei man sie teils objektiv, teils subjektiv zu betrachten hat. Objektiv, denn sie wird 1. Korinther 2, 6. 7 Gottes Weisheit, die im Geheimnis bleibt, das heißt jene verborgene Weisheit genannt, die Gott vor den Weltzeiten zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmt hatte; im subjektiven Sinn aber wird sie, 2. Timotheus 3, 14. 15, als das dargestellt, was weise macht und dadurch zum Heil bringt, ferner Philipper 1, 9 als Erkenntnis und allerlei Erfahrung, Epheser 1, 8.9. 17. 18, Titus 1, 1. 2 als erfahrungsgemäße Erkenntnis jener Wahrheit, die zur Gottseligkeit leitet auf Hoffnung des ewigen Lebens.

Hieraus ergibt sich ferner, daß, wenn die Theologie ohne die Absicht erlernt wird, Gott zu verherrlichen, die besondere Erleuchtung hierbei mangelt (2. Timotheus 3, 5 —7). Aus Psalm 119 geht hervor, daß man die Offenbarung als einen Gegenstand der Theologie zu betrachten hat, nicht nur in Hinsicht auf die Worte oder auf die bloßen Tatsachen, sondern auch in Hinsicht auf den göttlichen, übernatürlichen Beistand. Wer sich diesem entzieht, dessen Erkenntnis, wenn sie schon eine historische und wörtliche ist (Jakobus 2, 19), kann doch nicht eine reiche und fruchtbare wörtliche Erkenntnis (Römer 2, 18. 27), geschweige denn eine geistliche sein (1. Korinther 2, 14; Johannes 14, 27). Ebenso klar ist. daß, wer durch die Theologie Gott zu verherrlichen strebt, Gott als das ewige Leben erkennt und so durch die Wiederherstellung des göttlichen Bildes die Belohnung für sein Aufspüren Gottes in sich selbst erlangt.

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