Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Das Dasein Gottes.

Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Das Dasein Gottes.

„Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie sehr auch der menschliche schwanke.
Hoch über der Zeit und dem Raume schwebt
Lebendig der höchste Gedanke.
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.“

So singt Schiller in den „drei Worten des Glaubens.“ - Allgemein, rastlos und unstillbar im Geist des Menschen ist das Fragen nach Gott. Ich weiß ihm hier keinen schöneren Ausdruck zu geben, als der Naturforscher Schubert im Eingang seiner Geschichte der Seele getan. (Cotta 1850.)

Mitten im Reich des Seines steht eine Sonne, welche Alles trägt und hält, alles belebt und bewegt, und es ist ein Auge selber von Sonnennatur, für jene Sonne gemacht. Die Sonne ist Gott, das Auge ist die Seele.

Nicht der Schrecken, nicht die Furcht, wenn sie auf dem Fettige des Ungewitters, oder im Donner der stürzenden und flammenden Berge vorübergezogen, haben es dem Menschen gesagt, dass ein Gott sei; er hat dies nicht erst in der Sternenschrift der Werke gelesen. - Innig tief, wie das Sehnen, das aus dem neugeborenen Kind nach der noch ungekannten Mutter schreit; laut wie das Rufen der jungen Raben nach dem noch nie genossenen Futter; mächtig und still wie der Drang, womit das eben aus dem Dunkel geborene Auge oder die aus der Samenhülle gebrochene Pflanze das noch niemals empfundene Licht suchen, wird in meinem Wesen ein Sehnen vernommen nach der lebendigen Quelle alles Seins, aus welcher ich bin.

Nähme ich Flügel der Morgenröte und flöge dahin, wo die letzten Wogen der Sichtbarkeit verhallen; führe ich hinab in's Dunkle, da kein Stern ist, da das Geschrei der Angst, das Jauchzen der Lust, da selbst der leiseste Hauch eines Lebens nicht mehr gehört wird, und bliebe ich da allein und einsam mit mir selber, siehe, so fühlte ich dennoch, dass er mich hält; ich vernähme Seine Nähe, wie das Rauschen eines Adlerflügels in stiller Nacht und ein Etwas in mir, das nach Gott ruft. Wie der ausgeworfene Anker, durch die Meereswogen hindurch, gerade hinabeilt zum Felsengrund, da er ruht, so ist in mir ein Verlangen, welches seinen Lauf mitten durch die Kreaturen hindurch zu Gott nimmt.

Seiner wird man nicht los, selbst die Gottlosen, die Atheisten nicht, die das Dasein eines Gottes leugnen möchten. In einer Versammlung sprach seiner Zeit der berühmte Franzose Gambetta wörtlich folgendes: „Seit zwanzig Jahren habe ich mir vorgenommen, diesen Namen, der doch Unsinn ist, nie auszusprechen. Dies ist freilich schwer, wenn man oft öffentlich und ohne Vorbereitung sprechen muss. Aber durch große Ausdauer bin ich, Gott sei Dank, dahin gelangt, den Namen Gottes nicht mehr zu nennen.“ Schallendes Gelächter!

Die Zweckmäßigkeit der Natur kann nicht in der Absicht der einzelnen Wesen ihren Grund haben; denn diesen Wesen fehlt teils das Bewusstsein und somit alle Absicht, teils Macht und Einfluss auf das Ganze. Somit muss die Absicht, der alles setzende Plan, wo das letzte, das Ziel, zugleich das Erste ist, das alle Faktoren und Kräfte jenem Besten dienstbar macht, - die Absicht muss in einem absoluten Bewusstsein eines höchsten Wesens liegen. Das hat schon Aristoteles klar gesehen und bewiesen. Alles relativ Unbewusste jetzt, da es doch zweckmäßig oder zielstrebend ist, das absolute Bewusstsein voraus. Wie verkehrt und widervernünftig ist es darum, wenn der Philosoph des Unbewussten, Hartmann, von der Bewusstlosigkeit zweckmäßig sich entwickelnder und schaffender Wesen, Pflanzen und Tiere den Schluss macht: also könne auch das höchste, das allbeherrschende Wesen „unbewusst“ sein!

Gott ist sowohl in der Welt (immanent), als über der Welt (transzendent). Auf die Immanenz (Innerweltlichkeit) kommt man, wenn man bei der Betrachtung, der Schöpfung die letzte und alles einigende Ursache sucht; auf die Transzendenz (Überweltlichkeit, Unterschiedenheit von der Welt) kommt man, wenn man von dem Begriff des höchsten Gutes und Gesetzgebers ausgeht, wie er in unserem sittlichen Bewusstsein liegt. Das Wesen geht in die Erscheinung ein, aber nicht darin auf, wie fälschlich Hegel meinte. Nicht einmal der Mensch ist bloß die Summe seiner Taten, die er bejahen oder verneinen kann; er ist mehr als das, mehr als seine Erscheinung, etwas in sich selbst. Weil Gott in die Welt eingeht und wir in Ihm leben und weben und sind, nennen wir Ihn immanent; weil er nicht in der Welt aufgeht, die ihre Fehler hat, um anzudeuten, dass sie nur Gottes Kleid, nicht einmal. sein Leib, geschweige selbst Gott ist, darum ist Er transzendent, heilig vor und außer der Welt, in Sich selbst und durch Sich selbst Gott. Wohl geht Er an mir vorüber und ich sehe Ihn nicht, wie Hiob sagt (9,11), - wohl sehen wir zwar das Haus, aber den Baumeister nicht; doch ist dessen momentane Unsichtbarkeit nimmermehr ein Grund, seine Existenz zu leugnen, da diese die Voraussetzung für alles andere bildet. Mögen die Einen das Werk, die Andern den Meister loben: beide, Werk und Meister gehören zusammen (Milton: The work some praise, and some the architect.) Mag der Gang der übernatürlichen, besonderen Offenbarung zeitweise still stehen und im jetzigen Stadium seine außerordentliche Kundgebung Gottes uns zu Teil werden, was tut's? Es sind der Bezeugungen Gottes innen im Geist und in vergangener Zeit genug für den Glauben, und da gilt Pascals Wort: „Wenn Gott Sich einmal offenbart, so ist Er immer.“ Übrigens ist es zum Teil des Menschen Schuld, dass Gott für ihn ein so verborgener Gott ist. Für diejenigen, welche von der Schuld sich erlösen lassen, gilt die Verheißung: Ihr sollt erfahren, dass Ich Jehova bin!

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