Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Der Ruhetag
Im Brief des Barnabas Kap. 15 findet sich, außer den Spuren im neuen Testamente, das älteste Zeugnis für die Sonntagsfeier. Der Reformator Beza sagt, der Sonntag sei apostolische göttliche Tradition in der Kirche.
Die Feier jedes siebenten Tages ist übrigens weder eine christliche, noch eine jüdische Institution, sondern vormosaisch und ein Teil des ewigen unverletzlichen Sittengesetzes. Die Einsetzung dieses Tages und dessen Feier bestand vor dem geschriebenen Gesetze und war der ganzen Welt befohlen. Daher fällt die Sonntagsruhe auch nicht hinweg mit dem Mosaismus, wohl aber die Art und Weise der gesetzlichen Feier und die Zeit des jüdischen Sabbats, zum Zeichen, dass wir nicht mehr unter dem Buchstaben des Gesetzes, sondern im neuen Wesen des Geistes sind und dass wir nicht nur von einer Ruhe und Vollendung der alten Schöpfung wissen, sondern mit der Auferstehung Jesu in eine neue Schöpfung eingetreten sind und ihrer künftigen Vollendung und der ewigen Ruhe des Volkes Gottes entgegensehen. - Die jüdischen Sabbate sind allerdings für den Christen nicht verbindlich vgl. Kol. 2. In der Ruhe und Vollendung ist etwas Heiliges, weil Göttliches, denn Gott vollendet alle seine Werke; damit kommt's zur Ruhe und zum Ziel. Und im Dienste Gottes sich befinden, ist auch der Kreatur wahre Ruhe, die in Christo erreicht wird, während außer Ihm das arme sündliche Geschöpf zu keiner Ruhe kommt. Wessel sagte: Bene qui latuit (glücklich, wer in der Stille dahinlebt) und Pascal: In omnibus requiem quäsivi (in allem suchte ich im Grunde nur die Ruhe).
Autorität und Gehorsam
Wenn Eintracht sein soll, bei welcher geringe Dinge zu großen gedeihen, muss Jedes seine gliedliche Stellung im göttlichen Organismus der Familie, des Staates, der Kirche einnehmen. Nicht durch Gleichheit kommt die Eintracht und die Wohlordnung zu Stande, sondern dadurch, dass Jedes seine ihm von Gott angewiesene Stellung erkennt und darin seine Pflicht tut. Die moderne Gleichmacherei ist die größte Ungerechtigkeit und zugleich eine Unmöglichkeit. Schon an dem Umstand scheitert sie, dass wir als Kinder zur Welt kommen, die den Erwachsenen so ungleich als möglich sind. Im Weiteren hängt Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit mit allem organischen Leben zusammen. Wo Leben ist, ist Mannigfaltigkeit, und je höher das Leben, je vollkommener ein Lebensorganismus ist, desto verschiedener sind dessen Teile. Dies gilt auch von dem Organismus der menschlichen Gesellschaft. Die Gleichmacherei und Egalisierung der menschlichen Gesellschaft würde gerade diejenigen am meisten schädigen, in deren Interesse man jene einführen möchte, - die Schwachen und die unteren unselbständigen Klassen und Stände; diese würden des Schutzes der Autorität beraubt. Autorität inne haben, ist nämlich weniger ein Recht, als vielmehr eine Verpflichtung und Ausrüstung, Andere zu leiten und zu segnen. Auctoritas kommt von Auctor, Urheber, und Auctor von augere, mehren. Der Vater hat Autorität in der Familie, weil er deren Urheber ist, und weil er durch Gottes Willen und Fügung der Urheber, die Wurzel und der Stamm ist, gibt ihm der HErr des Lebens auch die Liebe, Aufgabe, Kraft und Mittel, für die Seinen zu sorgen. Liebe und Macht, Pflicht und Recht ist in der wirklichen Autorität vereint und beisammen, und gibt so die beste Gewähr für das Wohl der zu Leitenden. Nur muss in Familie, Staat und Kirche Gott als Urheber aller Autorität auf Erden anerkannt und in der Liebe Christi dieselbe ausgeübt werden; um so leichter fällt dann der Gehorsam im Glauben. - Wo diese Anerkennung Gottes und somit die Erkenntnis des Wesens aller wahren Autorität fehlt, da macht man den Staat zu allem und möchte nach Auflösung aller göttlichen und natürlichen Ordnung aus den Massen auf dem freien Vereinswege eine Gesellschaftsordnung aufbauen, die das Völkerglück bringen soll, in Wirklichkeit aber den Krieg aller gegen Alle bringt. vgl. Spr. 28,2. „Wo sich ein Land empört, da gibt es viele Fürsten.“ Der Staat ist bloß der Hüter alles Rechts, aber nicht die Quelle alles Rechts, geschweige die Quelle der Moral. Persönlichkeit und Familie waren vor dem Staate da und tragen ihr Recht von Gott in sich. - Wohl hat die Menschheit auch unter dem Missbrauch der Autorität, nicht bloß unter der Revolution, geblutet; in beiden Fällen hat es an dem Geiste Christi gefehlt, durch welchen das Herrschen ein Dienen und das Gehorchen ein Sich bedienen lassen geworden ist. Siebe und Demut sind Geheimnisse der christlichen Ethik, jene besonders leitenden Personen, diese besonders gehorchenden unentbehrlich. Wenn dieser Geist oben fehlt, so fängt's auch unten antichristlich an zu gären. Als ein König über die Untertanen schimpfte, bemerkte ihm der Hofnarr, es sei ihm hierin gegangen wie der Magd, welche böse geworden sei über die schmutzige Treppe, bis sie gesehen, sie müsse nicht unten, sondern oben zu waschen anfangen. Übrigens wird man nur durch Dienen zum Herrschen oder Leiten erzogen. (If ever you propose commanding with dignity, you must serve with diligence.) Wenn man sich in dieser Welt gut fortbringen will, so muss namentlich durch Gehorsam gegen die Eltern der Grund dazu gelegt werden. Die von Gott dem HErrn des Lebens uns angewiesene Stellung ist der Ort, wo Lieblosigkeit und Eigenwille zu Tage treten und überwunden werden müssen, wo wir des übernatürlichen Beistandes der Gnade bedürftig werden und wo wir unter der Hand des HErrn für unseren ewigen Beruf heranreifen. - Daher die scharfe Verwerfung und Bestrafung der Empörung gegen alle wahre, nicht usurpierte Autorität in der Heiligen Schrift! Die Rotte Korah (4. Mos. 16) ist das Vorbild für die Vernichtung aller Autorität in der göttlichen Ökonomie, für die Anmaßung aller tiefer Stehenden, andere zu leiten, für egalisierende, nach allem greifende Bestrebungen gegen den Unterschied der Ämter und der angewiesenen Stellung.
Noch einmal: Liebe und Demut sind der Schlüssel zum Wohl und Frieden, - leitende, segnende, dienende Liebe und gehorchender, sich unterwerfender Glaube. Aber diesen Schlüssel findet der eigene Wille nicht, der, um mit Luther zu reden, das allertiefste und größte Übel ist. -
Bescheiden ist, wer sich bescheidet, wer sich bescheiden lässt und Grenzen ehrt, die ihn von andern scheiden.
Bescheiden seid ihr, wenn ihr annehmt den Bescheid,
Dass ihr, was ihr vielleicht einst werdet, noch nicht seid.
(Rückert.)