Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Die Heiligen Schriften

Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Die Heiligen Schriften

Wohl gibt es in der heiligen Schrift viel Individuelles, Temporäres, Lokales, und sind diese heiligen Bücher von Menschen und in menschlicher Form verfasst.

Aber dennoch ist die Bibel eine absolut treue Offenbarungsurkunde, das Produkt von solchen Menschen, welche in den Geschichtsprozess des Ringens Gottes mit der Menschheit hineingestellt waren und vom Geist Gottes ergriffen das Resultat einer jeden Periode treu darstellten. Die Verheißung des göttlichen Beistandes und der Erleuchtung, welche den Trägern der Offenbarung für ihr Werk gegeben war, galt auch für die schriftliche Festlegung und Überlieferung der Heilswahrheit an die Nachwelt. Wie sollte Gott das Größte und Wichtigste für das Menschengeschlecht getan haben, ohne zugleich für treue und sichere Kunde davon zum besten der späteren Geschlechter gesorgt zu haben? - Nur so lässt sich der Ernst erklären, womit im Alten und Neuen Testament genaues Verbleiben beim geschriebenen Worte eingeschärft wird, und die Versicherung des Herrn Jesu, dass nicht der kleinste Buchstabe vom Gesetz vergehe, vielmehr erfüllt werden müsse; - ferner die sorgfältige Scheu, womit man die evangelische Verkündigung nach Moses und den Propheten prüfte (vgl. Apg. 17,11; Luk. 16,29; Joh. 1,45).

Es sind 39 verschiedene Bücher des Alten Testamentes, und 27 Bücher oder Schriften des Neuen Testamentes, welche in der Bibel zu einem Ganzen verbunden erscheinen. Wohl 1600 Jahre liegen zwischen der Abfassung der ersten und derjenigen der letzten Schrift, und es sind sehr verschiedene Männer, welche diese Bücher geschrieben haben. Dennoch geht durch das Ganze Ein Geist und zieht sich vom ersten Kapitel der Bücher Mosis bis zum letzten Kapitel der Offenbarung St. Johannis, von dem Bericht der Schöpfung Himmels und der Erde bis zur Verheißung des neuen Himmels und der neuen Erde, ein Plan, der nicht in eines Menschen Hirn entstanden sein kann. Sichtlich hat, wie die göttliche Eingebung über der Abfassung, die besondere Vorsehung Gottes auch über der Aufbewahrung, Sammlung und Überlieferung der heiligen Schriften gewaltet.

Was die Schriften des Neuen Testamentes betrifft, so sind insbesondere auch sie nur allmählich und vereinzelt entstanden, im ersten Jahrhundert der Kirche, durch verschiedene Verfasser und an verschiedene Adressaten, Gemeinden und Einzelne gerichtet. Erst im zweiten Jahrhundert vollzog sich dann die Sammlung der bisher zerstreuten apostolischen Schriften, indem nach dem Hinscheiden der Apostel und dem Erlöschen ihrer persönlichen Autorität alle Gemeinden um so ernstlicher beflissen waren, in den Besitz sämtlicher hinterlassenen Schriften der Väter der ersten Kirche, der Apostel des Herrn, zu gelangen, was bei der damals noch regen Verbindung der ganzen Kirche im Morgen- und Abendland durch Abschriften leicht geschehen konnte.

Über Ort und Zeit der Abfassung der einzelnen neutestamentlichen Schriften vgl. Lutz: „Des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit,“ und Tischendorf: Wann wurden unsere Evangelien verfasst?“

Was die drei ersten Evangelien betrifft, so fällt die Entstehung dieser Schriften so frühe, dass in den 30 bis 40 Jahren, zwischen den evangelischen Tatsachen und der Berichterstattung darüber, keine Zeit war für Sagenbildung. Der Text war schon mündlich vorhanden. Die Quelle war die mündliche, ziemlich fixierte Überlieferung der Apostel.

Im Evangelium Matthäus sind fünf große Redemassen zu unterscheiden, welche mit den Stellen abschließen: Mat. 7,28; 11,1; 13,53; 19,1; 26,1. Sie handeln: die erste, über die wahre vom Reich Gottes geforderte Gerechtigkeit. Die zweite: über die Pflichten und Zukunft des Apostelamtes. Die dritte: über die Art der Entwicklung des Reiches Gottes auf Erden von Seiner Gründung bis zur Wiederkunft des Herrn. Die vierte: über Ordnung und Zucht der Gemeinschaft der Gläubigen. Die fünfte: Zukunftsreden über das Gericht. Vermutlich waren diese Reden früher ein Ganzes und wurden später in den Rahmen einer geschichtlichen Erzählung eingefügt und getrennt.

Markus wird von Papias und Irenäus der Dolmetscher des Petrus genannt, dessen Hörer in Rom (nach Eusebius) um schriftliche Mitteilung des aus dem Mund des Apostels gehörten Evangeliums baten, mit welcher Niederschreibung dann Markus von Petrus beauftragt wurde. In diesem Evangelium treten weniger Reden, mehr die geschichtlichen Tatsachen in den Vordergrund. Die Erzählung ist lebhaft, geht ins Einzelne, ist voll Bewunderung und weist auf einen Augenzeugen, eben Petrus, hin.

Lukas fasst die Reden und Taten Jesu organisch zusammen, ist aber weniger unmittelbar.

Wenn wir in Geschichten und Personen des alten Bundes Vorbilder des Zukünftigen sehen, so ist dies nicht willkürliche Allegorie, sondern einfache Aufnahme dessen, was der Herr selbst und Seine Apostel über das Vorbildliche des Alten Testamentes gelehrt haben. Man merke nur darauf, so wird man finden, wie viel im Neuen Testament selbst über die typische Bedeutung Adams und seines Verhältnisses zu Eva und zur Erde, über die Erfüllung der Geschichte Henochs und Noahs in der Kirche rc., gesagt ist, und das Verständnis der Wahrheit und Tatsache wird wachsen, dass das Reich Gottes schon im Alten Testament verhüllt vorliegt, wie Pflanze und Blüte in der Knospe. Deshalb ist unter der Leitung und Offenbarung des Heiligen Geistes, dessen die rechte Auslegung und Anwendung ist, (vgl. 2. Petr. 1,20.21) auch das Alte Testament allezeit eine so herrliche Fundgrube christlicher Erkenntnis und Weisheit gewesen und wird es in dem Grad mehr werden, als der Geist der Weissagung der Gemeinde wieder gegeben wird.

Rom hat das Verbreiten und Lesen der Bibel verboten, Clemens XIII. sogar mit Galeerenstrafen. Es hat aber der katholische Übersetzer der heiligen Schrift van Ess1) in der Einleitung zu einer Ausgabe des neuen Testaments (Sulzbach 1816) die Stimmen der Väter und Lehrer der Kirche über die Pflicht und den Nutzen des allgemeinen Bibellesens auf 64 Seiten in einer Weise zusammengestellt, dass daraus klar wird, wie sehr sich Rom mit den Kirchenvätern da im Widerspruch befindet und wie notwendig und heilsames war, dass in der Reformation das Wort Gottes auf den Leuchter gestellt wurde. Sehr lehrreich ist auch die kleine Schrift: Fäsch, das Vorlesen der heiligen Schrift in der christlichen Kirche. Basel 1889. - Ein Kirchenlehrer sagt: „Die geoffenbarte Weisheit darf nicht vergessen werden; sie muss in promtu (im Gedächtnis und zur Hand) sein, weil wir die ursprüngliche Weisheit (sapientia originaria) verloren haben.“ Die Christen pflegten von Alters her täglich im Worte Gottes zu lesen und sich dadurch im Gebet und zum Wandel vor Gott zu erwecken.

Dass die heilige Schrift durch das Dasein der Kirche eine Bestätigung und die Kirche durch die Schrift eine Erklärung findet, das macht das ganze christliche Zeugnis so fest. Es ist ein doppeltes Zeugnis und ein doppelter Ruf, wodurch Gott uns beruft zu Seinem Reich und besonders das lebendige Wort, die Predigt der Zeugen, im Unterschied von dem geschriebenen Wort, ist es, woraus der Glaube kommt und was der Feind besondere fürchtet; diese Predigt aber kommt aus dem Wort Gottes (Röm. 10,17). - Das Evangelium muss gepredigt, persönlich vertreten, vorgeglaubt und vorgelebt werden; bloßes Lesen von Schriften tut's nicht. Vgl. Büchsel. Berliner Amtsleben, 1886. Seite 133: Bibel und Andachtsbücher genügen nicht; es bedarf der lebendigen Stimme. - Auch gegen Enthusiasten, schwärmerische Mystiker, welche auf die innere Offenbarung abstellen wollen, ist geltend zu machen, dass neben und mit dem Wort die Kirche das Zeugnis Gottes ist.

1)
seine Bibelübersetzung ist in der Glaubensstimme zu finden; die im folgenden angesprochenen Stimmen ebenfalls
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