Neviandt, Heinrich - Kurze Beleuchtung

Neviandt, Heinrich - Kurze Beleuchtung

eines Artikels in Nr. 40 u. 41 des „Elberfelder Reformirten Wochenblattes“ von 1889
über die Frage:
“Soll man aus der Kirche austreten, in welcher wir geboren sind und das Glaubensbekenntnis abgelegt haben und in eine andere Gemeinschaft eintreten?“

Wir streiten nicht gerne und am wenigsten gerne mit Solchen, mit denen wir uns in der Hauptsache, im Glauben an den Herrn Jesum Christum, als unsern einigen Heiland und Hohenpriester eins wissen. Deswegen hätten wir am liebsten geschwiegen. Indessen konnte dieses Schweigen einer Missdeutung unterliegen. Entweder konnte daraus der Schluss gezogen werden, man sei durch die in dem betreffenden Aufsatz vorgebrachten Gründe davon überzeugt worden, dass man sich auf dem Irrweg befinde und dass jede Trennung von der bestehenden Landeskirche unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf Grund des Wortes Gottes zu verwerfen sei, oder man halte es nicht für der Mühe wert, auf ein in brüderlichem Geist gesprochenes Wort zu antworten. Beides wollten wir durch ein offenes Wort abwehren. Zunächst wollen wir es unverhohlen aussprechen, dass wir es mit dem verehrten Verfasser des Artikels tief beklagen, dass die Gemeinde des Herrn so zerrissen ist, wie sie es ist, und dass wir den Tag herbeisehnen, wo die eine Herde unter dem einen Hirten vereinigt sein wird. Wir glauben von ganzem Herzen an „eine, heilige, allgemeine christliche Kirche“, glauben auch an diese Einheit, obwohl wir sie zur Zeit nicht sehen, weil der Sohn Gottes sein Blut auch dafür vergossen hat, und weil er in seinem hohenpriesterlichen Gebet den Vater um diese Einheit seiner Jünger gebeten hat; vergl. Joh. 11,52 und 17,20.21.

Wir glauben aber auch, dass es durch Gottes Gnade möglich ist, selbst unter den gegenwärtigen Verhältnissen dieser Einheit, aller wahren Glieder Christi in ihrem verherrlichten Haupt einen Ausdruck zu geben. Die evangelische Allianz, so viel sie auch zu wünschen übrig lassen mag, und so zurückhaltend auch manche lieben Brüder ihr noch gegenüberstehen mögen, hat den Beweis geliefert, dass es möglich ist, trotz der Schranken, die infolge von verschiedenen Überzeugungen in kirchlicher Beziehung bestehen, sich nicht nur zum Schein, sondern von Herzen die Bruderhand über die Zäune hinweg zu reichen und gemeinsam sich von dem Herrn segnen zu lassen. Die gesegneten Versammlungen der Westdeutschen Allianz, sowie die halbjährigen Konferenzen in Neukirchen bei Moers, liefern davon den Beweis, und haben schon ihre Geschichte hinter sich. Und wenn es auch gewiss nicht mit solchen Versammlungen abgetan ist, sondern wenn es sich vielmehr darum handelt, den Geist brüderlicher Achtung und Rücksicht auch im tagtäglichen Leben, da, wo man steht, zu betätigen, so ist es doch auch eine Tatsache, dass der heilige Geist dieses Mittel, ich meine das Sich-Sehen und das miteinander und durcheinander Gesegnet-Werden, vergl. 1. Joh. 4,20., dazu benutzt, den Geist wahrer Bruderliebe und Gemeinschaft auch unter Christen verschiedener kirchlicher Richtung zu stärken und zu beleben. - So haben wir denn auch den herzlichen Wunsch und bitten den Herrn darum, dass er uns in den kurzen Ausführungen, die nun folgen sollen, vor jedem Wort bewahre, das seiner Liebe und Wahrheit zuwiderlaufen möchte.

Der Schritt von einer Kirche, der man von Jugend auf angehört und durch die man in vielen, wenn auch nicht in allen Fällen, bestimmte Segnungen empfangen hat, sich zu trennen, ist ein ernster und verantwortungsvoller, und wir stehen nicht an, es offen auszusprechen, dass, wenn jemand einen solchen Schritt in leichtfertiger Weise, etwa aus Neuerungssucht oder andern unlauteren Beweggründen tut, er sich geradezu versündigen kann und versündigt. Auch ist es wohl nicht zu leugnen, dass in manchen Fällen, wo jemand die Kirchengemeinschaft, der er bisher angehörte, verlässt, diese Klippe nicht vermieden wird. Aber anders steht es, wenn die in Rede stehende Angelegenheit eine Gewissens- und Glaubensfrage geworden ist. Dieser Gesichtspunkt ist von dem verehrten Verfasser des Artikels gar nicht in Betracht gezogen worden. Und doch ist er der durchschlagende. Der Entstehungsgrund beispielsweise der Schottischen und Waadtländischen freien Kirche ist kein anderer gewesen, und wenn auch im Einzelnen bestimmte Unterschiede zwischen den genannten freien Kirchen und verwandten Kirchenbildungen in Deutschland obwalten, so wagen wir doch einen ähnlichen Entstehungsgrund für die eine und andere freie Kirche auch in Deutschland in Anspruch zu nehmen. So haben die Baptisten, wie bekannt, namentlich am Anfang ihres Auftretens in Deutschland, mannigfache Bedrückungen und Verfolgungen ertragen, und haben den Beweis geliefert, dass sie um ihrer Glaubensüberzeugung willen zu leiden bereit waren. Überhaupt ist es ein Irrtum, wenn man voraussetzt, es sei so leicht und bequem, einer separierten Gemeinde anzugehören. Zu der Opposition der Welt, die jeder wahre Christ zu tragen hat, tritt in diesem Fall noch die Opposition seitens vieler geachteter und lieber Brüder, denen man in manchen anderen Beziehungen vielleicht willig den Vorrang einräumen kann, während man in der in Rede stehenden Frage um des Gewissens willen sich von ihnen trennen muss. Zudem gibt es in einem solchen Gemeindeleben eine Menge von Erfahrungen, Übungen und Kämpfen, in denen man nur durch den Glauben überwinden kann, unter denen man freilich auch den reichen Trost der heiligen Schrift, wie er für diesen Zweck auch besonders in den apostolischen Briefen niedergelegt ist, in einer früher nicht geahnten Weise schätzen lernt.

Wenn wir die Gewissens- und Glaubens-Stellung in der vorliegenden Frage als Recht und Pflicht betonen, so tun wir es aus guten Gründen. Gerade diese Stellung wird einerseits vor dem Richtgeist bewahrt und andrerseits vor der Praxis einer falschen ungeistlichen Propaganda. Ich kann auf Grund des Wortes Gottes von innen heraus gedrängt werden, einen Weg zu gehen und vor dem Herrn gewiss sein, dass ich ihn gehen soll, während mein Bruder neben mir nicht dieselbe Nötigung empfindet. Sollen wir uns deswegen fremd werden, muss dadurch notwendig die Liebe unter uns erkalten? So gewiss nicht, als Wahrheit und Liebe nicht miteinander in Widerspruch stehen können.

Aber der verehrte Verfasser spricht den Freikirchlichen eigentlich das Recht ab, den Weg zu gehen, den sie eingeschlagen haben, indem er gegen den Schluss des Artikels vor einem eigenmächtigen Eingreifen in den Entwicklungsgang des Reiches Gottes warnt und in den vorhergehenden Ausführungen durch Schriftgründe ihre kirchliche Stellung als unhaltbar und unberechtigt hinzustellen versucht. Und doch glauben auch wir, im Gehorsam gegen das Wort Gottes zu handeln.

Wir könnten uns auf die Tatsache berufen, dass in England die Dissenters wohl nahezu, der Anzahl nach, den Mitgliedern der Staatskirche gleich stehen, und dass es in Amerika überhaupt keine Staatskirche gibt. Niemand aber wird in Abrede stellen, dass beide Länder mit Deutschland, was Opferwilligkeit und christliche Tätigkeit anbelangt, einen Vergleich aushalten können. Wir könnten fragen, warum man dieselben Grundsätze, die man für die genannten Länder beziehungsweise gelten lässt, für unsere Verhältnisse nicht gelten lassen will? Hat nicht z. B. der Name des Baptistenpredigers Spurgeon in Deutschland einen guten Klang, und gibt es nicht eine Menge Prediger und Gemeindeglieder in Deutschland, die seine Predigten mit Segen und Erbauung lesen, ohne ihm aus seiner kirchlichen Stellung im Ernst einen Vorwurf zu machen?. Und doch wird Spurgeons kirchliche Stellung ebenso gut von den Ausführungen des betreffenden Artikels getroffen, als die unsrige. Gewiss sind auch wir der Überzeugung, dass jedes Volk seine Eigenart hat, und dass man nicht ohne Prüfung englische und amerikanische Besonderheiten nach Deutschland verpflanzen soll. Aber das dürfte doch auf die in Rede stehende Frage wohl kaum anzuwenden sein.

Folgen wir nun dem verehrten Verfasser auf den Boden der heiligen Schrift, so finden wir in seinen Ausführungen eine merkwürdige Verwechslung der beiden Begriffe Reich Gottes und Gemeinde oder Kirche. Und doch sind diese Begriffe durchaus auseinander zu halten, wenn man Klarheit in die betreffende Frage bringen will. Ja diese Unterscheidung ist auch in praktischer Beziehung außerordentlich wichtig. Gerade das Reich Gottes ist der gesegnete Einigungspunkt unter den verschieden gerichteten Christen, so dass man sagen kann: Nur der, dem das Reich Gottes über der besonderen Kirche steht, der er angehört, kann von Herzen Allianz machen auch mit Solchen, die seine kirchlichen Anschauungen nicht teilen. Das Reich Gottes kann irgendwo sein, wo es noch gar keine Gemeinde gibt. Wenn der Apostel Paulus irgendwo das Evangelium predigt, so ist da das Reich Gottes, aber erst da, wo er die Jünger von den Anderen absondert, wie beispielsweise Apostelg. 19,9, entsteht die Gemeinde mit ihren besonderen Ordnungen. Was nun die Auslegung des Gleichnisses in Matth. 13 vom Unkraut unter dem Weizen anlangt, so scheint es uns aus zwei Gründen vor allem unmöglich zu sein, dasselbe so zu erklären, wie es in den betreffenden Artikel geschieht. Zunächst ist der gemeinsame Boden, auf dem das Unkraut und der Weizen steht, die Welt und nicht die Kirche. Das Ausjäten des Unkrauts bedeutet also einen Gerichtsakt, der dem Unkraut die Bedingungen der weiteren Entwickelung entzieht, während die Geduld Gottes bis zu der festgelegten Zeit mit dem Gericht wartet.

In einem Vortrag des seligen Professor Dr. theol. Th. Christlieb in Bonn, betitelt: „Reich Gottes, Gemeinde und Kirche nach biblischem Begriff.“ (Mülheim a. d. Ruhr. 1882.) heißt es Seite 25 wörtlich:

„Wohl weisen schon die Gleichnisse Matth. 13 auf eine im Laufe der Entwicklung kommende Mischung in der äußeren Mitgliedschaft der Kirche, auf Kinder des Reichs und Kinder der Bosheit. Aber als der Acker dieses Gemisches wird dort vom Herrn die Welt genannt, nicht seine Gemeinde, und der Zustand dieser Mischung nur als ein zugelassenes, nicht unverschuldetes Übel (Vers 25) bezeichnet. Jene Gleichnisse sind geschichtliche Beschreibungen des Himmelreichs, wie es innerhalb des Weltgebiets sich darstellen werde, nicht wie es nach des Herrn Willen sein inneres Wesen gestalten solle. Es ist da nicht die Rede von der Konstituierung der Gemeinde, dass Weizen und Unkraut dazu gehören sollen, sondern nur, dass es so kommen werde. Nach der Schrift bilden die Gemeinde Christi im realen Sinn nur die Reichsmitglieder, denen die geistigen Realitäten des Reiches Gottes, Sündenvergebung und Geistesbegabung, wirklich zukommen, d. h. die wahrhaft Gläubigen, Bekehrten. Unbekehrte gehören nach ihr noch zur Welt. Der nicht im Herrn bleibende ist schon weggeworfen. (Joh. 15,6 nicht: „wird“.) Durch Unwissenheit, Nachlässigkeit, durch die Macht der Umstände in einer Welt voll Ärgernisse können Unbekehrte, Gottlose sich in den Gemeinden finden, wie ja schon in den apostolischen Gemeinden. Aber dann sind sie nur faktisch Mitglieder, nicht rechtlich, d. h. nach göttlichem Recht. Mit Wissen und Willen sollen sie nicht aufgenommen werden (1. Kor. 5,9-11; 2. Kor. 6,14 ff.). Solange sie sich der Heilspädagogik des Gemeindelebens unterwerfen, können sie auf Hoffnung kommender Besserung, als Missionsfeld zeitweise getragen werden, aber ohne Befugnis im Sinn des Unglaubens und der Weltförmigkeit zu agieren (Beck). Sobald sie aber als Heuchler oder Ungläubige oder Unsittliche offenbar, oder als Unkraut verbreitende aktiv werden, ist der Gemeinde geboten, die Unverbesserlichen und Ärgernis Stiftenden aus ihrer Mitte (nicht aber aus dem Acker der Welt) zu entfernen, damit der Sauerteig nicht den ganzen Teig versäuere. Daher die Prinzipien der Kirchenzucht und ihre Ausübung in der apostolischen Zeit (Matth. 18,15-17; Apostel-Gesch. 15,3-10; 1. Kor. 5,1-13; 2. Kor. 6,14-18; 1. Tim. 5,24; 2. Tim. 2,16 ff.).

Wie weit ist man davon abgekommen, wenn man später die unechte Masse bloßer Namenschristen sogar in den Begriff der Kirche mit aufgenommen hat! Um Raum zu schaffen für jene innerhalb der Kirche, unterschied man - und zwar zum Teil schon seit der Reformationszeit - zwischen Kirche im engeren (aus wahren Gläubigen bestehend) und im weiteren, auch die bloßen Namenchristen einschließenden, gemischten Sinn. Während also nach der Schrift die bloßen Herr! Herr! Sager, weil unbekehrt, noch zur Welt gehören, und keinen Teil an Christo haben, gehören sie nach jener Auffassung zur Kirche, wenn auch zur Kirche im weiteren Sinn. Wie gefährlich, weil die biblische Grundanschauung trübend, und wie innerlich lähmend hat dies Streben, der geschichtlich herausgebildeten Wirklichkeit den Kirchenbegriff zu akkommodieren, wirken müssen. Da begreift es sich, dass dann auch die Kirchenzucht immer laxer betrieben wurde, ja dass es da und dort geschehen konnte, dass jeder subjektiven Lehrmeinung und zuletzt dem barsten Unglauben das gleiche Recht, sich in der Kirche geltend zu machen und auszubreiten, zuerkannt wurde, wie dem Glauben und dem festgesetzten Bekenntnis usw.“ Soweit Professor Christlieb.

Das Wort des Herrn Matth. 13,30 war auch für die Jünger nicht überflüssig, die nach Luk. 9,54 Feuer vom Himmel fallen lassen wollten über die Samariter, die ihren Meister nicht aufgenommen hatten. Und nicht anders macht es Petrus, als er zur Verteidigung seines Herrn das Schwert zieht. Die römische Kirche hat aber tatsächlich gegen dieses Wort des Herrn gesündigt, indem sie die Ketzer mit Feuer und Schwert verfolgt hat. Somit ist in diesem Gleichnis die Gemeindefrage gar nicht behandelt. Sodann beweist man aber auch zu viel, wenn man das Gleichnis in dem Sinn auslegt, wie es in dem Artikel geschieht. Der Herr ist dann mit sich selbst in Widerspruch getreten, indem er Matth. 18,15-18 der Gemeinde das Recht gibt und ihr die Pflicht auferlegt, ein Mitglied, das gesündigt hat und das die Gemeinde nicht hört, von derselben zu trennen. Der Apostel Paulus hat dann nicht minder das ausdrückliche Gebot des Herrn übertreten, indem er den Korinthern 1. Kor. 5,13 gebietet: Tut von Euch selbst hinaus, der da böse ist, und in demselben 5. Kap. sein ernstes Vorgehen durch das Wort begründet: Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig. Ja, alle die zahlreichen Stellen in den apostolischen Briefen, die von Kirchenzucht handeln, und nicht minder die Anweisungen in der Kirchenformularen, sowie in den Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, sind dann als Verirrungen anzusehen, vor denen man sich zu hüten hat1).

Und doch will gewiss der Verfasser das nicht sagen. Im Gegenteil, er beklagt es, dass es an der ernsten Zucht in der evangelischen Kirche fehle. Aber das führt uns auf die Erörterung der Frage, ob denn überhaupt die Übung der Zucht im biblischen Sinn in dem Schoß der evangelischen Kirche möglich ist. Diese Frage müssen wir entschieden verneinen. Eben weil der Unterschied zwischen Welt und Kirche nicht mehr vorhanden ist, und weil jeder, der geboren wird, ohne sein Zutun, zuerst ein unmündiges und später durch die Konfirmation ein mündiges Glied der Kirche wird, hat die Kirche den Boden verloren, auf dem die Zucht ausgeübt werden kann. Auch dem treuesten und ernstesten Diener des Wortes ist es unmöglich, die Anordnungen des Wortes Gottes in dieser Beziehung auch nur annähernd auszuführen, weil der Unterschied von Drinnen und Draußen tatsächlich nicht mehr existiert. Das ist auch einer der Hauptgründe gewesen, der die Stifter der freien ev. Gemeinde seiner Zeit bewogen hat, im Blick auf den Herrn, sich zu einer Gemeinde zusammenzuschließen, die auf biblischer Grundlage und nach der Anordnungen der heiligen Schrift sich auferbauen wollte. Es hat ihnen dabei von Anfang an durchaus Ferne gelegen, den Anspruch zu machen, eine reine oder heilige Gemeinde darzustellen. Sie haben vielmehr sehr wohl gewusst, dass jede auf biblischer Grundlage ruhende Gemeinde in dem Gleichnis vom Weinstock und den Reben und in dem Gleichnis von den 10 Jungfrauen ihr treues Abbild hat, wo neben den fruchtbaren Reben die unfruchtbaren Reben, und neben den klugen Jungfrauen die törichten Jungfrauen in einer und derselben äußeren Gemeinschaft zusammenleben. Auch liegt es auf der Hand, dass die apostolischen Gemeinden nicht anders anzusehen sind. Somit wäre es billig, den Vorwurf, man wolle eine heilige Gemeinde darstellen, nicht immer wieder ins Feld zu führen, weil derselbe einfach nicht berechtigt ist. Wir nehmen unsere Mitglieder auf ihr Bekenntnis hin auf, legen aber die Verantwortlichkeit für dieses ihr Bekenntnis ganz auf ihr Gewissen, und überlassen dem Herrn, der die Herzen prüft, die Entscheidung, ob das abgelegte Bekenntnis der Wahrheit entspricht, oder nicht. Dabei muss natürlich der Wandel dem Bekenntnis des Mundes entsprechen. Dass aber nicht nur der einzelne Christ berufen ist, der Heiligung nachzujagen, obwohl er niemals hienieden die Sündlosigkeit erlangen wird, sondern dass auch der christlichen Gemeinde dieses Ziel vorgesteckt ist, beweisen die apostolischen Briefe und besonders auch die 7 Sendschreiben der Apokalypse. Der ephesinischen Gemeinde wird es ausdrücklich als Lob angerechnet nach Apg. 2,2, dass sie die Bösen nicht tragen kann. In 2. Kor. 11,2 lesen wir sodann die Worte des Apostels in Bezug auf die korinthische Gemeinde: Denn ich eifere um Euch mit göttlichem Eifer. Denn ich habe Euch verlobt einem Mann, dass ich eine reine Jungfrau Christo zubrächte. Liegt nicht in einem solchen Worte des Apostels der Beweis, dass er, trotz der Verunreinigungen und Gebrechen in der Gemeinde, an ihren Charakter, als einer Gemeinde Gottes, vergl. 2. Kor. 1,1, nicht irre geworden ist? Wir führen das mit deswegen an, um darzutun, dass eine christliche Gemeinde unserer Tage, die, wenn auch in großer Schwachheit, die biblischen Grundlagen des Gemeindelebens herzustellen sucht, darum noch nicht zu verzagen und ihren Weg als einen falschen anzusehen braucht, wenn sie verwandte Erfahrungen macht, wie sie schon in der ersten Zeit der christlichen Gemeinde gemacht wurden. - Dass aber zwischen der biblischen christlichen Gemeinde und den bestehenden großen Massengemeinden ein fundamentaler Unterschied besteht, das darzutun halten wir für überflüssig, weil es für jeden unparteiischen Bibelleser sonnenklar ist, wie es auch von dem Verfasser des Artikels anerkannt wird.

Wir möchten uns auch ein Wort über die freikirchlichen Bewegungen erlauben, die namentlich mit den größeren politischen Freiheiten, die uns das Jahr 1848 gebracht hat, in Deutschland hervorgetreten sind. Können dieselben dann nicht auch unter einem andern Gesichtspunkt angesehen werden, als, wie es so oft geschieht, unter dem von unberechtigten Neuerungen oder verfehlten Versuchen, eine reine Gemeinde vor der Zeit darzustellen?

Wir glauben, dass allen diesen Bewegungen mehr oder weniger klar die Überzeugung zu Grunde liegt, dass Gottes Volk zusammengehört, und dass es in dem Maß, als es sich zusammenschließt, auch eine ganz andere Macht der Welt und dem Reich der Finsternis gegenüber wird entfalten können.

Liegt der Beweis für die Richtigkeit dieses Gedankens nicht in der apostolischen Zeit und namentlich auch in den ersten drei Jahrhunderten der christlichen Kirche vor? Wie herrlich ist doch das 1. Konzil in Jerusalem Apg. 15, wo Judenchristen und Heidenchristen sich die Bruderhand reichen, und wie ist diese große Allianzversammlung von neuen Segnungen begleitet, indem nicht lange nachher zuerst das Evangelium unserem Erdteil durch den Apostel Paulus gebracht wird! Lebt dieser Gedanke und dieser Wunsch nicht auch in den Herzen unserer Brüder in der Landeskirche? Ja, geben dieselben diesem Gedanken nicht praktisch dadurch Folge, dass sie sich in der Organisation aller Vereinsbestrebungen, äußerer und innerer Mission, nur mit Solchen vereinigen, die mit ihnen auf demselben Glaubensgrund stehen und wirklich dieselben Ziele verfolgen? Nun denselben Grundsatz, den sie in Bezug auf die Vereinsbestrebungen befolgen, befolgt die freie Kirche auch in Bezug auf die Gemeinde. Sie glaubt allein dadurch sich ungehemmt bewegen zu können, innerhalb und außerhalb der Gemeinde, dass sie nur Solchen Rechte in ihrer Mitte einräumt, die auf demselben Glaubensgrund stehen, und deswegen auch dieselben Ziele verfolgen können. - Soll man nicht annehmen dürfen, dass der Herr und sein Geist auch die Hand mit im Spiel habe, bei diesen Bewegungen? Woher kommt es denn beispielsweise, dass es in unseren Gegenden und namentlich auch in unserm Wuppertal eine ganze Anzahl von Abendmahlsgemeinschaften innerhalb der Kirche gibt, deren Mitglieder sich grundsätzlich von der Kommunion in der Kirche fernhalten, wenn sie auch das äußere Band mit der bestehenden Kirche nicht gelöst haben? Kurz, wir glauben, dass die Frage nach der schriftgemäßen Gestaltung der christlichen Gemeinde, wie sie seit den letzten Jahrzehnten so vielfach in den christlichen Kreisen erörtert worden ist, unter Gottes Vorsehung auf die Tagesordnung gekommen ist.

Wir verschließen dabei unser Auge nicht den vielen Gebrechen und Verunreinigungen, die sich an diese Bewegung angeschlossen haben. Wir bekennen es bereitwillig, dass oft viel gesündigt worden ist durch Richten und Aburteilen, dass man hin und wieder die herrliche evangelische Freiheit getrennt hat von der Gebundenheit an Gottes heiligen Willen, dass wir in unseren Kreisen oft viel lernen können in Bezug auf Pietät und Bescheidenheit von manchem unserer Brüder in der Landeskirche. Die Freiheit auf allen Gebieten schließt eben ihre bestimmten Gefahren in sich, und wer die Freiheit will, muss mit diesen Gefahren rechnen. Aber andererseits dürfen wir es doch auch aussprechen, dass es durchweg nicht so gewesen ist, dass man in den freikirchlichen Kreisen einem beschaulichen Leben sich hingegeben, und die ernsten Aufgaben, die den Kindern Gottes in Bezug auf die sie umgebende Welt gestellt sind, versäumt hätte. Wir haben doch mitgeholfen das Reich Gottes bauen, und manche Frucht ist auch der bestehenden Kirche dadurch zugefallen. Die freie evangelische Gemeinde in Elberfeld und Barmen hat beispielsweise seit ihrem Bestehen eine Stadtmission gehabt. Seit 1862 erhielt diese Stadtmission eine bestimmtere Gestaltung und war, so viel wir wissen, eine der ersten, wenn nicht die erste in Deutschland. Dieselbe hat von Anfang an das aufrichtige Begehren gehabt, nicht für die eigene Gemeinde, sondern für den Herrn zu arbeiten, wie sie denn auch durch Hinzuziehen von Mitgliedern der bestehenden Kirche zu ihrem Komitee auf den Allianzboden von Anfang an getreten ist. Mancher ist dadurch, das dürfen wir vor dem Herrn sagen, auch wieder den Predigten der Landeskirche zugeführt worden; denn durchaus nicht der größte Teil der durch diese Arbeit angeregten Personen haben sich der Gemeinde angeschlossen. Sodann sind viele Glieder der freien evangelischen Gemeinde enge mit dem Werk des evangelischen Brudervereins verwachsen, der nun bald 40 Jahre ein gesegnetes und erfolgreiches Evangelisationswerk in Rheinland und Westfalen, neben der evangelischen Gesellschaft für Deutschland, getrieben hat. Und dann hat die Gemeinde in ihren Leitern und auch in manchen ihrer Mitglieder ihre bestimmte Teilnahme und ihr Interesse an allem dem betätigt, was innerhalb der Kirche für das Reich Gottes geschieht.

Wenn wir diese verschiedenen Dinge erwähnen, so glauben wir vor dem Herrn es sagen zu dürfen, dass wir es nicht tun, um uns zu rühmen; im Gegenteil wissen wir es nur zu gut, wie viel, wie unendlich viel uns fehlt, und wie viel mehr wir den Herrn hätten verherrlichen können und sollen, als wir es getan haben, sondern deswegen, um den Ausführungen des geehrter Herrn Verfassers eine gewisse Ergänzung hinzuzufügen, weil derselbe meint, wir könnten unser Pfund viel nützlicher anwenden, wenn wir uns nicht getrennt hätten. - Dabei erkennen wir es bereitwillig an, dass es verschiedene Aufgaben im Reich Gottes gibt, die von den noch innerhalb der größeren Kirchen stehenden Christen besser und erfolgreicher gelöst werden können, als von uns, und freuen uns von Herzen über der Segen, den der Herr auf solche Arbeit legt. Wir gehören deswegen nicht zu denen, die mit einer gewissen Genugtuung es verzeichnen, wenn hier und da es sich herausstellt, dass der Einfluss von indifferenten und halbherzigen, aber einflussreichen Gliedern der Kirche so manche gesegneten Bestrebungen lähmt, im Gegenteil wir freuen uns aufrichtig darüber, wenn innerhalb der Kirche bald hier, bald dort ein frischer, lebendiger Zeuge in die Arbeit gestellt wird. Gehört doch der lebendige Teil der Kirche mit ihrem Zeugnis mit zu den erhaltenden Mächten, die dem Vordringen des Antichristentums einen Damm entgegensetzen. Überhaupt erkennen wir die große Bedeutung, die die Kirche als Missionsanstalt hat, vollkommen an, nehmen aber auch ebenso für uns das Recht in Anspruch, in der Frage nach den Ordnungen des christlichen Gemeindelebens uns von den klaren Aussprüchen des Wortes Gottes leiten zu lassen. Sodann glauben wir auch, dass die Aufgaben, die der Herr seinen Kindern anweist, verschiedene sind, und dass ein jeder an dem Platz, wo der Herr ihn hingestellt hat, und mit der Gabe, die er ihm verliehen hat, dienen soll; glauben auch in aller Bescheidenheit, dass die freie und unabhängige Stellung, die wir einnehmen, uns manche Türen öffnet, die unsern Brüdern in der Landeskirche nicht eben so offen stehen. Müssen doch tatsächlich manche dringende Notstände innerhalb der Kirche deswegen unberücksichtigt bleiben, weil amtliche Rücksichten ein nahezu unübersteigliches Hindernis bilden. Z. B. kann ein kirchlicher Verein in einer Gemeinde, wo notorischer Tod bei Hirten und Herde herrscht, in den wenigsten Fällen arbeiten, weil die betreffenden im Namen ihrer anerkannten Rechte gegen einen solchen Eingriff mit Erfolg protestieren können. Da haben es ein freier Verein und eine freie Kirche offenbar viel leichter, weil sie diese Art Rücksichten, Gott sei Dank, nicht zu nehmen brauchen.

Was nun die verschiedenen, gegen das Ende des betreffenden Artikels geäußerten Bedenken des geehrten Herrn Verfassers anbetrifft, so sind einige derselben schon in den bisherigen Ausführungen berührt worden. Indessen fügen wir noch Folgendes hinzu. Wenn der Verfasser behauptet, dass es am Tage liege, dass der eigentliche Zweck der Separation verfehlt werde, weil es auf die Dauer nicht gelinge, eine reine Gemeinde herzustellen, so haben wir diesen Punkt teilweise schon erörtert, und das landläufige Missverständnis in betreff der „reinen Gemeinde“ zu beseitigen versucht. Im übrigen möchten wir zunächst einfach konstatieren, dass die freie evangelische Gemeinde in Elberfeld und Barmen doch nahezu 35 Jahre durch Gottes Gnade ihr Leben gefristet hat und sie, wenn es auch an manchen schweren und traurigen Erfahrungen während dieses Zeitraums nicht gefehlt hat, doch auch viele Beweise von dem Segen und Gnadenbeistand des Herrn verzeichnen darf. Und dann ist doch auch der Artikel des geehrten Herrn Verfassers ein Beweis dafür, dass die Sache der freien Kirche nicht so ganz unbedeutend ist, weil er es für angezeigt gehalten hat, diesen Warnungsruf ergehen zu lassen. Was nun die Zukunft der freien Kirche anbelangt, so hat sie, menschlich angesehen, durchaus keine Bürgschaften ihres Bestehens. Sie hat keine staatliche Anerkennung (mit Ausnahme der Baptisten), sie hat nur wenige bemittelte Mitglieder, sie hat verhältnismäßig wenig Nachwuchs, mit einem Wort keine gesicherte Zukunft. Sie muss eben des Glaubens leben und ist von dem Herrn und seiner Gnade unbedingt abhängig. Deswegen kann sie auch in einzelnen ihrer Erscheinungen untergehen, wenn der Geist des Glaubens und der Liebe aus ihr weicht. Die Gemeinen in der Apokalypse sind verschwunden, und doch wird niemand behaupten wollen, dass sie nicht ihren von Gott ihnen anvertrauten Beruf für die Zeit ihres Bestehens gehabt hätten. Sie sind untergegangen, weil sie nicht treu geblieben sind, aber die Wahrheit, die sie auch als Gemeinde vertraten, ist mit ihnen nicht untergegangen. So wird eine ähnliche Gemeinde unserer Tage auch untergehen, wenn sie ihrer göttlichen Bestimmung nicht treu bleibt und besonders, wenn sie aufhört, der sie umgebenden Welt mit dem Evangelium zu dienen. Und das bedauern wir nicht. Es liegt aber auch ein Vorzug darin, wenn man nicht nur als einzelner Christ, sondern auch als Gemeinde von der Gnade Gottes leben muss. - Wir sind weit entfernt, die Gefahren zu verkennen, die der geehrte Herr Verfasser durchaus zutreffend, als mit der Stellung der Separierten verbunden, erwähnt. Gewiss können Überhebung, liebloses Aburteilen und ein gesetzliches Wesen sich einschleichen, wenn man nicht auf der Hut ist; obwohl diese Gefahren nicht auf die Kreise der Separierten beschränkt sind. Wir halten es deswegen auch für so wichtig, eine lebendige Fühlung mit dem ganzen Leib Christi zu unterhalten, so weit es irgend unter den gegebenen Verhältnissen möglich ist. Aber andererseits liegt auch ein Segen darin, wenn man durch die Stellung der Gemeinde selbst immer wieder darauf hingewiesen wird, wie man ohne die fortgehende Einwirkung des heiligen Geistes durchaus nicht imstande ist, auch nur einigermaßen den Anforderungen eines solchen Gemeindelebens gerecht zu werden. Dabei wollen wir nicht behaupten, dass die Gefahren des Formalismus und Mechanismus durch eine schriftgemäße Verfassung der Gemeinden ausgeschlossen seien, aber sie machen sich vielleicht leichter fühlbar, als in Verhältnissen, wo der Einzelne mehr in der Menge zurücktritt.

Was sodann die Aufwendung von Kraft, Zeit und Geld anbetrifft, die der Verfasser lieber anderen Bestrebungen des Reiches Gottes zugewandt sähe, so glauben wir darauf schon dadurch geantwortet zu haben, dass wir nachgewiesen haben, wie wir doch auch mitten in einer Reichsgottesarbeit stehen. Außerdem beteiligen wir uns aber auch, wie wir es wohl aussprechen dürfen, gerne durch unsere Gaben und unser Interesse an den Missionsarbeiten innerhalb der bestehenden Kirche, soweit wir dazu imstande sind.

Es erübrigt noch ein Wort darüber zu sagen, dass nach der Ansicht des Verfassers im Familienleben die Folgen einer Separation beim Heranwachsen der Kinder oft schwer empfunden werden. Es ist nicht zu verkennen, dass der durch die Tradition und Sitte gebahnte Weg in der Kirche ein ungleich leichterer für die Kinder ist. Es versteht sich für sie von selbst, dass sie in den kirchlichen Konfirmandenunterricht gehen und sodann durch die Konfirmation in die Kirche aufgenommen werden. Ob aber dieser Weg auch der richtige und schriftgemäße ist, ist eine andere Frage. Wir sind der festen Überzeugung, dass es auch für ein Kind ein Segen ist, wenn es von Jugend auf unter dem Eindruck steht, dass man nicht durch irgend einen äußeren Akt in einem bestimmten Alter ein berechtigtes Glied der christlichen Kirche werden kann, sondern dass dazu das Wunderwerk Gottes an dem Herzen gehört, das die heilige Schrift Wiedergeburt nennt. Wir sind weit entfernt behaupten zu wollen, dass nicht gläubige Prediger und Glieder der Landeskirche ihren Kindern dasselbe ans Herz legen. Und doch liegt in der Aufnahme der Kinder als mündige Glieder der Kirche in einem bestimmten Alter, ohne dass diese Bedingungen auch dem Anfang nach in der Regel erfüllt sind, eine unwillkürliche, wenn auch ungewollte Abschwächung dieser Wahrheit. „Wir sind getauft, konfirmiert und gehen zum heiligen Abendmahl und sind gerade so gut Christen, wie Ihr, die Ihr besser, als andere sein wollt.“ Das sind doch Äußerungen, die oft einem Bezeugen der Notwendigkeit der persönlichen Bekehrung entgegengehalten werden, und die wenigstens einen gewissen Vorwand von den in der Kirche bestehenden Ordnungen hernehmen können. Wir halten es dagegen für einen Segen, wenn unsere Kinder, die ja auch den christlichen Unterweisungsunterricht genießen, aber nicht konfirmiert werden, unter den Eindruck stehen, dass ihnen noch das fehlt, was nötig ist, um ein berechtigtes Glied einer christlichen Gemeinde zu werden. Das Christentum ist eben nicht Sache der Sitte und Gewohnheit, sondern Sache der persönlichen Gesinnung und Entscheidung. Wenn Eltern aus wirklicher Glaubensüberzeugung die freikirchliche Stellung einnehmen, so werden sie auch mit Vertrauen dem Herrn die Zukunft ihrer Kinder ans Herz legen können. Es wird ihnen vor allem darum gehen, dass ihre Kinder ein Eigentum des Herrn werden, die Frage dagegen, welcher Gemeinde sie sich später anschließen, wird durchaus in zweiter Linie für sie stehen. Je mehr sie glauben, dass der Herr selbst auch eine solche Überzeugung im Herzen wirken muss, desto weniger werden sie einen Druck auf ihre Kinder in der Beziehung ausüben wollen, sondern sie, wenn sie in die reiferen Jahre gekommen sind, selbst wählen lassen, welcher Gemeinde sie sich anschließen wollen. Wir halten das für einen viel normaleren Weg, als den des vielfach gedankenlosen Anschlusses an die Kirche in einem bestimmten Alter. Lebt der rechte Geist im Haus, so werden die Kinder selbstverständlich bis zu einem gewissen Alter dahin gehen, wo ihre Eltern das Wort Gottes hören, vielleicht auch in reiferen Jahren aus Pietät, selbst wenn weniger das tiefere Bedürfnis sie dazu treibt, in dieser Sitte fortfahren. Gründen sie dann einen eigenen Hausstand, so tritt natürlich die Frage in bestimmterer Weise an sie heran, an welche Gemeinde sie sich anschließen wollen, und sind sie dann, nach unserer Überzeugung, viel besser in der Lage, darüber einen Entschluss zu fassen, als im Alter von 14 Jahren. Wir haben aber, Gott sei Dank, auch andere Erfahrungen zu verzeichnen. Manche Kinder von Gemeindegliedern sind zum Teil bei den Lebzeiten ihrer Eltern, zum Teil nach dem Heimgang derselben der Gemeinde aus freiem Entschluss näher getreten, nachdem sie den Herrn kennen und lieben gelernt hatten. Dass auch leider verschiedene Kinder von Mitgliedern unabhängiger Gemeinden sich ganz von dem Herrn und seinem Wort abwenden, das ist eine schmerzliche Erfahrung, die wir mit vielen gläubigen Eltern in der Landeskirche teilen und die wohl schwerlich der Separation zur Last gelegt werden kann.

Doch wir wollen abbrechen, weil wir glauben genug gesagt zu haben, um darüber Aufklärung zu geben, weswegen wir unsere Stellung einnehmen. Es ist uns nicht leid, dass sich uns diese Gelegenheit ungesucht geboten hat, ein offenes Wort in dieser Sache zu reden. Wir wünschen von Herzen, dass es nicht zur Verschärfung des Gegensatzes unter den einander gegenüberstehenden kirchlichen Stellungen gereichen, sondern vielmehr einen bescheidenen Beitrag zur Klarstellung der Wahrheit liefern möge, dass auch in der Frage nach der Gemeinde die Gewissens- und Glaubensstellung ihre göttliche Berechtigung hat. Dabei raten wir von Herzen einem jeden, in dieser Angelegenheit sich nicht durch die Umstände, doch weniger durch Stimmungen oder persönliche Verhältnisse, bestimmen zu lassen, sondern nur dann zu handeln, wenn er in seinem Gewissen durch Gottes Wort gebunden ist. Dann allein kann der Segen des Herrn einem so bedeutungsvollen Schritt folgen.

Wenn wir die verschiedenen, zum Teil selbst hin und wieder, dem Anschein nach wenigstens, einander entgegenstehenden Arbeiten auf dem Gebiet des Reiches Gottes betrachten, so erinnert uns das unwillkürlich an die Vorarbeiten eines Baus, die dem Uneingeweihten oft wenig verständlich erscheinen, während der leitende Baumeister seinen Plan klar vor Augen hat und zu seiner Zeit den Bau vollendet. Dürfen wir das Bild nicht anwenden? Unseren beschränkten Blick erscheint manches, was auf dem Gebiet des Reiches Gottes geschieht, nicht in den Reichsplan Gottes zu passen, und doch weiß der allein weise Gott Alles so zu leiten, dass dereinst sein ewiger Heilsplan herrlich vollendet vor unsern Augen dastehen wird. Dann werden alle seine Erlösten ihn gemeinsam loben, preisen und anbeten und Ihm allein die Ehre geben. Bis dahin wollen wir uns, wenn wir uns nicht in allen Punkten einigen können, lieben, tragen und Geduld mit einander haben. Dann wird der Segen des Herrn nicht fehlen.

1)
Vergl. namentlich die Frage 82 des Heidelberger Katechismus: Sollen aber zu diesem Abendmahl auch zugelassen werden, die sich mit ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erzeigen?
Nein: Denn es wird also der Bund Gottes geschmäht, und sein Zorn über die ganze Gemeine gereizt. Derselben die christliche Kirche schuldig ist, nach der Ordnung Christi und seiner Apostel, solche bis zur Besserung ihres Lebens, durch das Amt der Schlüssel auszuschließen.
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