Murray, Andrew - Wachset in der Gnade - 28. Durch Gnade Glauben.
Apostelgesch. 18,27.
Denen, die gläubig waren geworden durch die Gnade.
Philipp. 1,29.
Euch ist gegeben, dass ihr an ihn glaubt.
Wenn das Wort Gottes es so deutlich sagt, welch ein Überfluss an Gnade zu finden ist, dann hat gar mancher noch das Bedenken: Da der Überfluss an Gnade ist wohl zu jeder Zeit da, aber doch nur für die, welche auch zu jeder Zeit glauben können und das kann ich nicht. Was hilft es mir, dass der Glaube Berge versetzen kann, wenn ich den Glauben nicht habe? Der Unglaube ist der erste und schwerste Berg, welcher versetzt werden muss. Und wie wird der versetzt? Alle Herrlichkeit und aller Reichtum der Gnade helfen mir ja nichts, wenn ich nicht zu derselben gelangen kann.
Welch eine herrliche Antwort gibt nun das Wort der Gnade auf dieses Bedenken! Nämlich die, dass auch der Glaube das Werk der Gnade ist, dass die Gnade selbst dafür sorgen will, dass die Seele, welche sich ihr anvertraut hat, in Glauben zunehme. „Es wird auch aus Gnade gegeben, zu glauben,“ „aus Gnaden waren sie gläubig geworden.“
Was für eine Last wird nun von dem Herzen manches Bekümmerten genommen! Der Unglaube ist nun nicht mehr ein Berg, den wir aus eigener Kraft versetzen sollen. Nein, wir können unsere Sorgen wegwerfen und uns kindlich freuen, dass die Gnade, wenn anders es wirklich unser Wunsch ist, uns ganz und gar derselben anzuvertrauen, sich uns selbst so bekannt machen wird, dass es für uns mühsam, ja unmöglich wird, ihr je mit Misstrauen zu begegnen.
Ja, aus Gnaden wird es euch gegeben, dass ihr glaubt. Es stände in der Tat mit der Herrlichkeit der Gnade, mit ihrer Erwählung nach dem ewigen Ratschluss Gottes und mit der göttlichen Gewissheit der Seligkeit, welche sie geben will, gar schwach, wenn alles von dem Glauben, als einem Werk des Menschen, abhängen sollte. Nein, gleichwie die ganze Seligkeit aus Gnaden ist, so ist auch der Glaube aus Gnade und durch Gnade. Wenn sich die Gnade in der Person des Herrn Jesus einem Menschen naht, weckt und wirkt sie den Glauben durch das Licht ihrer Erscheinung. Der Glaube an das, und das Vertrauen auf das, was die Gnade tun will, die Erwartung ihres Segens ist stets das Vorzeichen, dass die Gnade in Tätigkeit ist, die erste Kundgebung ihres Nahens, um in einer Seele einzuziehen.
Auf welche Weise sie den Glauben bewirft, wissen wir. Der Glaube kommt aus dem Wort Gottes. Die seligmachende Gnade ist erschienen allen Menschen und unterrichtet uns. Dadurch dass sie uns in dem Wort ihre Segnungen vorhält, erregt sie zuerst den Wunsch, das Bedürfnis und die Empfänglichkeit. Der Wunsch nach Gnade ist ein Zeichen, dass die Gnade bereits einen Eindruck auf die Seele gemacht hat. Dieser Wunsch wird dadurch, dass er die Verheißungen der Gnade beachtet, immer stärker, bis er in Vertrauen und Erwartung über geht. Durch die Gnade, welche in dem Wort der Gnade wirksam ist, glauben wir und lernen wir stets mehr glauben.
Für das Gnadenleben können wir hier sehr wichtige Dinge lernen. Eine der wichtigsten Lehren ist die, dass wir Gott für den Glauben als für ein Werk Seiner Gnade danken. O lieber Christ! Weil dein Glaube noch so schwach und hinfällig ist, beschaust du ihn als dein Werk. Tue das doch nicht! Er ist ja Gottes Werk.
Und ruht auch der Schatz in einem irdenen Gefäß, und scheint auch der Glaube so schwach und zweifelsüchtig zu sein, dass er durchaus nicht nach einem Werk Gottes aussieht, er ist doch Sein Werk. Durch Gnade bist du zum Glauben gekommen. Danke Gott dafür! Je mehr du Ihm dafür dankst, desto eher wirst du einsehen lernen, dass Er auch für die Vermehrung deines Glaubens sorgen wird. Allen Kummer über die Schwäche deines Glaubens wirst du dann wegwerfen, denn dann wirst du verstehen, dass die Gnade auch dies versehen wird.
Noch eine Lehre, findet sich hier. Gar viele seufzen im Hinblick auf den Überfluss an Gnade. Was nutzt mir all der Reichtum? Ich habe den Schlüssel nicht, um zu diesem Schatz gelangen zu können. Mir fehlt die Kraft, die Gnade anzunehmen und festzuhalten. Den starken Glauben, welcher alles unternehmen kann, den anhaltenden Glauben, welcher sich den ganzen Tag an Jesus hält, welcher in jedem Augenblick sein Vertrauen bewahrt, diesen Glauben habe ich nicht, eines solchen Glaubens bin ich nicht fähig.
O lieber Christ! Denke und rede doch nicht so! Erkenne doch endlich, dass der Glaube selbst ein Werk der Gnade ist! Er ist ein Werk, welches sie in dir mit Macht vollbringen will. Bis zu dem heutigen Tag hast du ihr Hindernisse bereitet dadurch, dass du selbst dafür sorgen wolltest. Mit Seufzen hast du vor dieser Aufgabe gestanden, als vor einem schweren Werk. O lerne es doch nun von der Gnade erwarten, dass durch sie dein Glaube bewahrt und vermehrt werden wird! Wende deine Augen der Gnade zu, ihren Reichtümern, ihren Verheißungen, ihrem Unterricht! Beschäftige dich mit ihr! Und von der Gnade, mit welcher du dich beschäftigst, wird dir, ohne dass du es merkst, gegeben, dass du glaubst. So oft du von neuen Segnungen oder Verheißungen der Gnade hörst, freue dich dessen sehr, dass dir der Glaube zur Annahme derselben ganz gewiss geschenkt werden wird.
Vergiss nur dies Eine nicht! Wende nur den Glauben an, den du schon hast! Nimm dir die Zeit, dich geradezu im Glauben zu üben! So oft du in dem Wort der Gnade liest, so oft du vor den Thron der Gnade trittst, so oft du an Gnade denkst, so oft unterwirf dich auch ihrer Einwirkung, welche dich zum Glauben an Gott führen will! Alles, was du von ihr hörst und siehst, ist ja dazu bestimmt, dich zum Glauben zu bringen! Dann wirst du mit Paulus bezeugen können: Die Gnade unseres Herrn, samt dem Glauben und der Liebe, die in Christo Jesu ist, ist desto reicher gewesen.
„Gott kann machen, dass allerlei Gnade unter euch reichlich sei, dass ihr in allen Dingen volle Genüge habt und reich seid zu allerlei guten Werken.“