Murray, Andrew - Wachset in der Gnade - 5. Die seligmachende Gnade.
Tit. 2, 11-14.
**Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen, und züchtigt uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt, und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilandes, Jesu Christi, der sich selbst für uns gegeben hat, auf dass uns erlöste von aller Ungerechtigkeit, und reinigte ihn selbst ein Volk zum Eigentum, das fleißig wäre zu guten Werken. In diesem Worte ist von der Erziehung die Rede, welche die seligmachende Gnade ihren Schülern gibt. Die Gnade nimmt den gottlosen Sünder zwar so an, wie sie ihn findet, aber sie lässt ihn nicht so, wie er ist. Sie gibt ihm eine himmlische Erziehung, denn sie ist von dem Himmel herabgestiegen, um das sind für den Vater im Vaterhaus zu bereiten. Beachtet nun alle, die ihr Gnade empfangen habt und nach mehr Gnade dürstet, welche Punkte es sind, über die sie euch belehren will. Unser Text fast alles in folgenden vier Punkten zusammen: Lebe nicht für die Sünde und Welt, lebe vielmehr dem Willen Gottes gemäß, lebe in der Erwartung der Wiederkunft Jesu und lebe in dem Glauben, dass Er dich Sich selbst zum Eigentum erlöst hat.
Erster Punkt. Wir sollen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste verleugnen. O lieber Christ, verleugne jede Sünde! Dulde keine einzige Sünde - auch nicht die kleinste! Christus ist ja erschienen, dass, gleichwie früher die Sünde geherrscht, von nun an die Gnade das Zepter führe. Darum bringe jede Sünde zur Gnade! Sie wird die Sünde überwinden und töten. Sie ist ja seligmachende Gnade. Sie macht selig, von Sünde los. Was aber von der Sünde gilt, gilt ebenso von den weltlichen Lüsten. O lieber Christ! Verleugne mit der Gottlosigkeit auch alle weltlichen Lüste! Willst du aber ernstlich wissen, was weltliche Lüste sind, die Gnade wird es dir kund tun. Sie wird die himmlische Gesinnung in dir hervorrufen, sie wird dich innerlich erneuen und dir durch die Liebe des Vaters ein feines Gefühl dafür geben, was von dem Geist Gottes stammt, und was aus dem Geist dieser Welt hervorgeht. Matth. 4,1-11; Röm. 12,2; Eph. 5,8,10,17; 1. Joh. 2,15,16. Ein Christ, welcher sich gänzlich der Erziehung der Gnade überlässt, kann vieles sehen und schmecken, wovon ein anderer nichts weiß.
Die zweite Aufgabe ist die, dass wir züchtig, gerecht und gottselig leben sollen in dieser Welt. Darum lebe züchtig und mäßig, lieber Christ! Trachte nicht danach, so viel zu besitzen und zu genießen, als dir nur irgendwie möglich ist! Frage dich nicht stets: Was ist mir erlaubt? Selbst das Erlaubte kann dir sehr gefährlich werden. Lebe vielmehr züchtig und mäßig, ruft dir die Gnade zu, und zwar nicht nur leiblich im Essen, im Trinken und in der Kleidung; nein, lebe auch züchtig und mäßig im Besitz und Gebrauch alles dessen, was Gott dir gibt, selbst im Gebrauch geistiger Gaben, in dem Genuss, welchen Freundschaft mit sich bringt und Glück zu bieten vermag. Röm. 12,3; 2. Kor. 10,13-14; Matth. 10,37-39; 16,24; Luk. 21,34; 1. Kor. 7,29-31; 1. Tim. 6,6-9. Wer auf der Reise an seinem Weg zu viele Blumen pflücken will, kommt nicht recht vorwärts. Ein schwer beladener Soldat ist nicht zum Kampf geschickt. 1. Kor. 9,25; 2. Tim. 2,4.
Die Gnade aber lehrt, dass ein Herz, welches von ihr voll geworden ist, alles fahren lassen kann, und dass dieses Herz, wenn es ihr kindlich folgt, auch lernt, worauf es verzichten muss.
Und weiterhin, lieber Christ, lebe gerecht! Trachte nach Gerechtigkeit in dem Umgang mit deinem Nächsten! Dein Wort sei lauter und rein wie Gold; deine Losung: „Lieber sterben, als einen andern widerrechtlich benachteiligen!“ deine Richtschnur das königliche Gesetz der Gnade: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst. Handle so, wie Gott selbst handelt! Bei Ihm ist keine Ungerechtigkeit. Die Gerechtigkeit aber ist ein Erkennungszeichen der Kinder Gottes. 1. Joh. 3,7,10.
Zum dritten, lieber Christ, lebe gottselig! Bei dieser Mahnung hat der Herr die Gesinnung im Auge, welche du Gott gegenüber haben musst. Und diese Gesinnung kannst du bei der Gnade lernen. Je mehr Gnade du in dich aufnimmst, desto mehr zarte, ehrerbietige Gottesfurcht strömt dir zu, welche als eine Gabe aus der Höhe der köstlichste Schmuck des Begnadigten ist; das Zeichen davon, dass der Unendliche in dem Innersten seines Kindes eingekehrt und dass demselben diese Einkehr des Unendlichen zum Bewusstsein gekommen ist.
Die dritte Aufgabe ist die, dass wir auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilandes Jesu Christi warten sollen. Darum lebe in der Hoffnung, lieber Christ, dem Herrn Jesu noch zu begegnen! Jede Schule hat ein Endexamen. Ist dasselbe bestanden, so ist die Zeit des Unterrichts vorbei. Auf dieses ermutigende Ziel weist darum jeder Lehrer gern hin. Nicht anders die Gnade. Die seligmachende Gnade verweist auch auf ein vor uns liegendes Ziel, auf den Heiland, auf die selige Hoffnung, Ihn zu sehen und bei Ihm zu sein. Die Gnade ist bereits erschienen. Die Herrlichkeit aber wird erst noch erscheinen. Gnade und Herrlichkeit sind beide in Jesu allein. Ein Unterschied aber besteht. So lange wir unter der Gnade stehen, sehen wir alles wie durch einen Spiegel in einem dunklen Wort, sobald aber die Herrlichkeit erscheint, sehen wir Ihn von Angesicht zu Angesicht und sind wir Ihm gleich. Darum sagt auch die Gnade: Erwarte den Herrn Jesus!
Die vierte Aufgabe behandelt das Thema, dass Jesus Christus Sich selbst für uns dahin gegeben, auf dass Er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte Ihm selbst ein Volk zum Eigentum, das fleißig wäre zu guten Werken. Darum lebe, lieber Christ, in dem Glauben an den, der sich für dich dahingegeben hat. Gal. 2,20; 2. Kor. 5,15. In Ihm hast du, worauf dein Vertrauen sich gründet, was dir die Gewissheit gibt, erlöst zu sein, und was dir die Kraft zur Heiligung verleiht. Er ist der Brunnen, aus dem deine Liebe quillt, die Richtschnur deines ganzen Lebens. Das ist und bleibt der Hauptpunkt in dem Unterricht der Gnade: Er gab Sich für dich hin, um dich für Sich zu besitzen, Er erlöste dich und andere von aller Ungerechtigkeit, damit ihr ein Ihm gehörendes Heiliges Volk würdet.
Was sind das für herrliche und wichtige Aufgaben! Lasst uns freudig darauf rechnen, dass die Gnade uns durch ihren seligmachenden Unterricht zu einem gründlichen Verständnis dieser himmlischen Wahrheiten führen wird! Glücklich ist der Christ, der sich von Herzen von der Gnade unterrichten lässt! Sie unterrichtet uns nicht das durch, dass sie uns sagt, was wir sein sollen - das tat ja das Gesetz, ohne dass wir es gelernt hätten. Nein, die Gnade lehrt uns wirklich, zu sein, was wir sein sollen, denn sie wirkt selbst in dem willigen Schüler, was sie verlangt. Sie öffnet die Lebensschätze himmlischer Kräfte, welche in Jesu liegen, und teilt durch ihren Unterricht aus dem Heiligtum mit, was ihr anvertraut ward. O wie reich bist du, himmlische Gnade! Wie glücklich ist der Mann, den du unterrichtest! Wer sollte sich dir nicht anvertrauen wollen? Muss doch der Einfältigste Mut schöpfen, wenn er weiß, dass seine Ausbildung in deiner Hand liegt.
Gott kann machen, dass allerlei Gnade unter euch reichlich sei, dass ihr in allen Dingen volle Genüge habt und reich seid zu allerlei guten Werken.