Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Vierte Lektion.

Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Vierte Lektion.

Unser Vater!

Die vollkommene Vorschrift.

Dann sollt ihr also beten: Unser Vater, der Du bist in den Himmeln.“ Matth. 6,9.

Ein Lehrer gebraucht gern Vorschriften; er sagt dem Kind nicht nur, wie die Sache getan werden soll, sondern zeigt ihm, wie sie ausgeführt werden kann. So gibt uns der HErr Jesus eine Vorschrift, an der wir beten lernen können, und in dieser Vorschrift finden wir alle Erfordernisse des wahren Gebets auf wunderbare Weise vereinigt. ER will, dass wir uns darin üben und uns je länger je mehr von dem Geist desselben durchdringen lassen, damit unser Gebet möglichst dieser Vorschrift entspreche.

Unser Vater, der in den Himmeln ist! Um das Wunderbare dieses Anfangs zu fassen, müssen wir uns erinnern, dass keines der Gläubigen des alten Testaments, so nahe sie auch mit Gott verkehrten, den Vaternamen1) brauchte. Jesus, als eingeborner Sohn, lehrt uns den Gebrauch des Vaternamens. ER hat für uns das Recht und die Macht erworben, Kinder Gottes genannt werden zu dürfen. Und ER will uns zum Verständnis bringen, dass die Kraft unseres Gebets von dem Maße abhängt, in welchem die Vaterschaft Gottes unser Herz erfüllt. Was der HErr schon bei Gelegenheit des Kämmerleins den Lehrlingen der Gebetsschule gesagt hat, dass Alles davon abhängt, ob wir uns bewusst sind, dass der Vater gegenwärtig ist, das wiederholt ER hier aufs Neue. Das ist das ABC der Gebetsschule: „Bittet euren Vater!“ Die Freudigkeit des Gebetslebens gründet sich auf die Liebe und die Erbarmung des Vaters, auf Seine unendliche Geduld, auf Seine Willigkeit, zu hören und zu helfen. Angelehnt an das warm schlagende Vaterherz lernen wir kindlich beten. Die Erkenntnis von Gottes Vaterliebe ist die erste und einfachste Lektion der Gebetsschule, aber auch die letzte und höchste. Wenn wir in der persönlichen Beziehung zu Gott richtig stehen, dann können wir auch richtig beten. Nimm dir Zeit und gib dir Mühe, damit dein Herz und Leben ganz von den Worten überdeckt wird: „Unser Vater, der Du bist in den Himmeln.“ Dann bist du in der Tat durch den Vorhang in das Heiligtum eingedrungen.

Dein Name werde geheiligt.“ Kaum sind wir zum eigentlichen Gebet mit dieser ersten Bitte gekommen, so trifft uns etwas. Das nämlich, dass, während wir allezeit mit unseren Bedürfnissen beginnen, und meinen, erst dann, wenn wir viel verlangt und viel bekommen haben, können wir zu den Bitten übergehen, die Gottes und unserer Nebenmenschen Sache betreffen, lehrt uns der HErr hier zuerst um das bitten, was den Vater angeht. Zuerst: Dein Name, Dein Reich, Dein Wille, dann gib uns, vergib uns, führe uns, erlöse uns. Diese Lektion ist gewichtiger, als wir denken. Im Gebet muss der Vater erst Alles sein. Je eher ich dazu gelange, mich selbst aufzuopfern und zu vergessen in dem Begehren, dass ER geehrt und verherrlicht werde, desto reicher wird der Segen sein, den ich auch für mich selbst bekomme. Niemand verliert etwas von dem, was er für Gott opfert.

Das Gebet ist zweierlei Art: Bitte und Fürbitte. Gewöhnlich ist die Fürbitte der kleinste Teil unsres Gebets. Das soll nicht so sein. Das kleine Kind verlangt von euch, was es nötig hat, aber so bald es selbst empfangen hat, lernt es zur Mutter sagen: „Gib mir auch etwas fürs Brüderchen oder Schwesterchen.“ Aber der erwachsenen Tochter liegt es ob, an die jüngeren Geschwister zuerst zu denken, und dem erwachsenen Sohn ist es ein Anliegen, des Vaters Geschäft zu betreiben und seine Interessen wohl zu Herzen zu nehmen, wenn der Vater abwesend ist. Jesus will uns anweisen, zuerst und zumeist an das zu denken, was den Namen, das Reich und den Willen des Vaters in der Welt und unter den Menschen ehren und fördern kann; der Vater muss uns Alles in Allem werden; Ihm zu dienen, Ihn zu ehren, Ihn zu lieben ist bei einer gesunden Entwickelung des Kindes Glückseligkeit.

Dein Name werde geheiligt.“ Welcher Name? Vor Allem dieser Neue, den der Sohn uns lehrt, der Name: „Vater.“ Die Heiligkeit Gottes im alten Testament offenbart, soll im Vaternamen keine Einbuße erleiden. Und wie wird dieser Name geheiligt? Durch Gott Selbst. „Ich werde Meinen Namen heiligen, den ihr entheiligt habt!“ Wir begehren und bitten, dass Gott Selbst in allen seinen Kindern, in uns, vor der ganzen Welt die Heiligkeit, die verborgene Herrlichkeit von diesem neuen Namen offenbare. Der Geist des Vaters ist der Heilige Geist, durch Ihn allein können wir in den Gebrauch dieses Namens eingeleitet werden, also dass derselbe wahrhaftig geheiligt werde. O lasst uns inbrünstig beten: „Unser Vater, dein Name werde geheiligt.“

Dein Reich komme.“ Der Vater ist König und hat ein Königreich. Der Sohn eines Königs hat kein größeres Anliegen, als die Ehre seines Vaters und die Ehre des Reiches. Die Kinder des himmlischen Vaters sind hienieden in dem Gebiete eines Feindes, und deshalb ist das Königreich der Himmel noch nicht vollkommen in die Erscheinung getreten. Was ist natürlicher, dass das vornehmste Verlangen derer, die den Vaternamen zu heiligen gelernt haben, das Kommen des Reiches Gottes ist. Die Verherrlichung des Vaters und die Vollendung seiner Kinder und das Heil der Welt hängt ja von dem Kommen desselben ab. Wie müssen wir nicht darum bitten! Lasst es uns zur Hauptsache werden, das Kommen des Reiches Gottes durch unsere Gebete zu fördern.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden!“ Wir denken bei diesen Worten zu viel an das Leiden des Willens Gottes; im Himmel wird der Wille Gottes auch getan. In dieser Bitte verlangt das Kind Gottes, dass der Wille Gottes auf Erden getan werde, wie im Himmel. Weil Gottes Wille Seine himmlische Herrlichkeit ist, so ist Gehorsam des Kindes Gottes himmlische Seligkeit. Das Tun des Willens Gottes ist der Weg ins Königreich. Die Übergabe und das Verlangen nach himmlischem Gehorsam auf Erden ist der Geist des kindlichen Gebets.

Gib uns heute unser täglich Brot.“ Wenn das Kind Gottes sich selbst dem Vater hingegeben und Seinem Namen, Seinem Reiche und Seinem Willen zur Verfügung gestellt hat, dann mag es auch mit voller Freiheit um sein tägliches Brot bitten. Ein Herr sorgt für die Speise seines Knechts, der Feldherr für seine Soldaten, der Vater für sein Kind; sollte unser himmlischer Vater nicht für seine betenden Kinder sorgen? Nein, sie mögen freimütig sagen: Vater, ich lebe für Deine Ehre und für Dein Werk; ich weiß, Du sorgst für mich. Das Gottgeweihtsein gibt volle Freimütigkeit zum Gebet auch in irdischen Dingen.

Und vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unseren Schuldigern.“ Wie das Brot das vornehmste Bedürfnis für den Leib, also ist Vergebung der Sünden das erste Erfordernis für die Seele. Die Verheißung ist für das Eine so bestimmt gegeben, als für das Andere. Dass wir uns jedoch nicht zufrieden geben dürfen mit dem wiederholten Bitten um Vergebung, ist selbstverständlich. Die Sünde allein, über die man in Wahrheit Leid trägt, wird vergeben. Diese wesentliche, tatkräftige Vergebung kommt aus dem Lebensverkehr mit dem vergebenden Vater, der uns sagen lehrt: „gleich wie wir vergeben unseren Schuldigern.“ Gottes vergebende Liebe gegen uns und die unsrige gegen Andere bestimmen einander. Von der Einen hängt die Andre ab. In meinem Gebet zu dem Vater muss ich sagen können, dass nichts Verkehrtes zwischen mir und meinem Nächsten ist.

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Unser irdisches Bestehen, die Vergebung unserer Sünden, und die Bewahrung und Heiligung unsres Lebens, das sind die drei großen persönlichen Bedürfnisse, die wir vor den Vater zu bringen haben. Besonders ist das Letzte nicht zu vergessen. Die Bitte um Brot und um Vergebung muss gepaart sein mit dem Begehren, in keiner Versuchung der Sünde und dem Bösen Gehör zu geben, und geparkt mit der Übergabe des Herzens, um in Allem gehorsam und heilig nach des Vaters Willen und Weisung zu leben.

Kinder Gottes! Also lehrt uns unser HErr Jesus zu unserem Vater beten, der in den Himmeln ist. O lasst unser erstes Anliegen das sein, was Seinen Namen, Sein Reich und Seinen Willen betrifft, dann wird Seine versorgende, vergebende, bewahrende Liebe die sichere und selige Erfahrung unserer Seele werden. Dann wird es zwischen uns und unserem Vater zu einem recht kindlichen Verhältnis kommen, wir Alles für den Vater, ER Alles für uns sein. Wir sollen verstehen, dass es zwischen Vater und Kind ein Eins-sein gibt, in dem das Du und das wir zusammenschmilzt, und dass das Herz, das sein Gebet mit dem gottgeheiligten „Dein“ Name, „Dein“ Reich, „Dein“ Wille beginnt, den Mut bekommt, auch das „uns“ gläubig und fröhlich auszusprechen. Und solches gläubige Bitten um das, was wir für uns nötig haben, soll allezeit im Vertrauen und in der Anbetung zu Dem zurückkehren, Der nicht allein der Anfang, sondern auch das Ende ist: „denn Dein ist das Reich, und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.“ Sohn des Vaters, lehre Du uns das „Unser Vater“ beten!

HErr, lehre uns beten.

O Du, der Du der eingeborne Sohn des Vaters bist, lehre uns das „Unser Vater“ beten. Du hast uns diese Himmels-Worte gesagt, und dafür danken wir Dir. Ja, wir danken Dir für die Millionen, die dadurch den Vater haben kennen gelernt und näher zu Ihm gekommen sind. Wir danken Dir für das, was diese Worte zu tausend Malen für uns gewesen sind. HErr, Du willst uns tiefer einleiten in die Kraft derselben; tue es, wir flehen darum, um Deines Namens willen. Dein Name ist: Sohn des Vaters. O, wir wollen nicht allein die Worte und deren Erklärung haben, sondern, HErr, deren Lebenskraft in der Wahrheit. O HErr, gib uns aus der Tiefe Deines Herzens den Sohnesgeist, durch welchen wir rufen: „Abba, Vater!“

HErr, Du hast gesagt: „Niemand kennt den Vater, denn der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.“ HErr Jesus, offenbare uns den Vater. O, lass Seine unendliche Vaterliebe, mit der ER Dich geliebt hat, in uns sein, nach der Kraft Deiner hohenpriesterlichen Fürbitte, dann werden wir das „Unser Vater“ recht beten können. Dann, HErr, wird unser Herz fröhlich Deine Unterweisung empfangen, und wir werden unter dem Eindruck Seiner Herrlichkeit ausrufen: Vater, Dein Name, Dein Reich, Dein Wille! Dann kann unser Herz unsere Sorgen, unsere Sünden und unsere Versuchungen freimütig vor den Vater bringen, und im Glauben gewiss sein, dass wir in Seiner Liebe. die Erhörung haben.

O hochgelobter HErr Jesus! Einiger Sohn des Vaters, der Du uns das Kindesrecht und die Vaterliebe teilen lassen willst, lehre, o lehre uns zu unserem Vater beten. Amen.

1)
In der Prophetie kommt der Vatername im alten Bund vor: „Bist du doch unser Vater.“ Anm. d. Übers.
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autoren/m/murray/murray-die_schule_des_gebets/murray_-_die_schule_des_gebets_-_4.txt · Zuletzt geändert: von aj
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