Müller, Heinrich - Von Gottes und der Welt Tractamenten
Nicht zu süß, auch nicht zu sauer.
Damit halt ichs. Allzu süß bringt Ekel, allzu sauer benimmt die Anmuth, beides ist dem Appetit zuwider. Die Welt weiß hierin kein Maß zu halten, tractirt ihre Liebhaber entweder zu süß oder zu sauer. Dem einen giebt sie alles, dem andern nichts. Der eine muß sie vom Ehrenthron, der andere aus dem Staub anbeten. Wenn sie betrübt, ist kein Trost dabei; hingegen wenn sie einmal erfreut, muß aller Kummer zum Haus hinaus; nimmer sieht man die Weltkinder lachen und weinen zugleich. Gott hält einen besseren Tisch, weiß süß und sauer fein zu temperiren. Die saure Trübsal versüßt er mit Trost, daß eine Herzstärkung daraus werden, wie aus einer überzuckerten Citrone. Gleich wie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christum. 2 Cor. 1, 5. Die süße Himmelslust versäuert er mit Furcht. Ich freue mich mit Zittern, Ps. 2, 11., denn ich weiß, daß vom dritten Himmel des Satans Engel nicht ferne wohnt 2 Cor. 12, 2. 7. Kinder Gottes können zugleich weinen und lachen. Denn sie sind als die Verführer, und doch wahrhaftig; als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und die doch leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht getödet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viel reich machen; als die nichts inne haben, und doch alles haben. 2 Cor. 6, 8-10. Ich will lieber bei Gott als bei der Welt zu Tisch gehn. Denn zu sauer mag ichs nicht, zu süß dients mir nicht. Gott richtets so zu, daß es mir allweg nützt, obs gleich nicht allweg schmeckt. Der Welt muß ich den Tisch zu theuer bezahlen: in den Apfel gebissen, das Paradies verloren. Gott nimmts mit einem: Dank Gott! vorlieb. Ein Kluger hält das seine zu Rath.