Müller, Heinrich - Von eigner Rache.

Müller, Heinrich - Von eigner Rache.

Laß Gott, was Gottes ist.

Du willst dich selber rächen; handelst thöricht. Die Rache ist eine Art des Gerichts. Wie kannst du dein eigner Richter sein? Eigenliebe blendet. Gott hat sich erboten, die Mühe auf sich zu nehmen. Oder verstehst du die Kunst besser als Gott? Greif Gott nicht ins Amt, und setze dich nicht auf seinen Thron. Er leidets nicht. Drei Dinge hat sich Gott vorbehalten. Die Herzenskündigung; es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, wer kanns ergründen? Ich der Herr kann das Herz und die Nieren prüfen. Jer. 17, 9. 10. Die Ehre aller Dinge; ich, der Herr, ist mein Name, und will meine Ehre keinem andern geben, noch meinen Ruhm den Götzen. Jes. 42, 8. Und dann die Rache; die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr. Röm. 12, 19. Laß Gott, was Gottes ist. Ach, warum eilest du so zur Rache? Hat dein Nächster dich beleidigt? Wie oft hast du Gott beleidigt? Wenn sich Gott alsbald hätte zur Rache rüsten wollen, hättest du schon längst im höllischen Feuer brennen müssen. Weißt du nicht, was Christus sagt: Mit dem Maß, damit ihr messet, soll euch wieder gemessen werden. Luc. 6, 38. Gott zahlt dir mit deiner Münze. Rächest du dich am Nächsten, so rächet er sich an dir. Weil sich Eva versündigt hatte an der Frucht des Baumes, mußte sie gestraft werden an der Frucht des Leibes. Wie kann dich dein Nächster beleidigt haben? Niemand wird beleidigt, denn nur von seinem eignen Herzen. Gesetzt, dein Nächster habe dich beleidigt, willst du dich noch mehr beleidigen? Dein Nächster hat dich erzürnet, willst du dich noch mehr erzürnen? Dein Nächster hat dir Schaden gethan an deinem Gut, du thust dir durch Eifer Schaden an deinem Blut; dein Nächster hat verletzt deinen Leib, du verletzest durch eigne Rache deine Seele dazu. Du willst Böses mit Bösem vergelten. Wem bist du gleich? Dem, der Koth mit Koth will abwaschen, dem, der seine Wunden mit eines Andern Wunden heilen will. Warum suchst du dein Heil in deines Nächsten Unheil? Heißt das nicht Trauben suchen an dem Dornstrauch? Dein Nächster hat dich beleidigt, du willst ihn wieder beleidigen. Wer empfindet das größte Leid von der Rache, du, oder dein Nächster? Rache trifft gemeiniglich beide, den, der sie übet, und den, der sie leidet, doch jenen mehr als diesen. Die Biene, wenn sie im Zorn eines Andern Fleisch vergiftet, verlieret sie drüber ihren Angel; du schadest deinem Beleidiger und verlierst drüber oft dein Leben, oft deine Seligkeit dazu. Zorn und Nachgierigkeit ist gleich einem Ungewitter, das sich selbst verzehrt. Vergeben ist besser als rächen, denn vergeben ist ein Zeichen einer Großmüthigkeit, rächen aber ein Zeichen einer Kleinmüthigkeit, Gott vergibt dir, vergieb du dem Nächsten. Vergebet, so wird euch vergeben. Durch Wohlthun kannst du dich am Feinde zum besten rächen. Hungert deinen Feind, so speise ihn, dürstet ihn, so tränke ihn. Durch Wohlthun wirst du das feindselige Herz gewinnen, das kalte Herz anzünden. Aus deinem Liebesfeuer wird ein Flämmlein inbrünstiger Gegenliebe in seinem Herzen anglimmen. Läßt sich der Beleidiger nicht finden, so ertrage das Unrecht mit sanftmüthigem stillem Geist auf Gott, befiehl ihm die Rache, und erwarte die Zeit der Vergeltung mit Geduld; bleibt Gott mit seinem Gericht lang aus, werde nicht ungeduldig, sondern harre, bis dein Beleidiger das Maß seiner Sünden erfüllt hat, und wisse, daß Gott den Verzug mit der Härtigkeit ersetze. Ich will die Beleidigung am Nächsten so rächen, daß Gott nicht Ursach habe, meine Rache an mir wieder zu rächen, das ist, ich will von Herzen vergeben. Das hilf mir, mein Gott! Amen.

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