Müller, Heinrich - Von der rechten Bußzeit.

Müller, Heinrich - Von der rechten Bußzeit.

Meine Zeit heißt allezeit.

Selig ist, der es erkennt. Meine Zeit ist die Bußzeit, da ich mein Herz blöße und Gott offenbare, wer ich bin. Allezeit sündige ich auch in den allerbesten Werken; allezeit muß ich büßen. Steht mir doch die Gnadenthür noch allezeit offen. Die Welt hat nur Zeit alle viertel Jahr einmal, da bricht man ein Stündlein ab, geht zum Beichtstuhl und wird fromm, darnach frisch fort gesündigt auf einen neuen Kerbstock^ Ach blinde Welt, du büßest nicht zu rechter Zeit! Deine Zeit ist die Bußzeit, dein aber ist nichts von der Zeit, als der gegenwärtige Blick. Was künftig ist, gehört Gott zu und steht allein in seinen Händen. Das viertel Jahr, das du hingelegt hast, ist dein gewesen; das noch kommen soll, ist Gottes; wer weiß, ob du es werdest erleben? Was denkst du an morgen? Vielleicht wird heute von dir Rechenschaft gefordert. Wie viel brennen schon in der Hölle, die auch den Vorsatz künftiger Besserung gehabt? Läßt du die Sünde erst in die Gewohnheit kommen, so machst du dir hernach die Buße selbst schwer. Wenn du in einen Brunnen wärst gefallen und dir würde heute die Hand geboten, dich herauszuziehen, wolltest du die Hilfe verachten und bis morgen drin bleiben? Was nützt das Salz, wenns Fleisch faul ist? Wozu dient das Pflaster, wenn die Wunde schon alt ist? Junge Bäumlein lassen sich umpflanzen, zarte Fünklein lassen sich tilgen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen? Matth. 7, 16. Wenn deine Natur durch sündige Gewohnheit schon in einen Dornenbusch verwandelt, wirst du schwerlich einen Weinstock draus machen. Mit deinem Hausgeräth eilst du, daß du es säuberst, wenns befleckt ist, und mit deiner Seele sitzest du stille. Ists nicht Schande? Ich will Buße thun, wo ich geh und steh. Wie lange soll Gott auf mich warten? Mein Beichtvater ist Gott, der hört mich gern alle Augenblicke, ich komm ihm nimmer zu oft, nimmer zu spät.

Mein Beichtstuhl ist das Herz, das sind ich Tag und Nacht offen; meine Beicht ist kurz: Gott sei mir Sünder gnädig. Kann ich sie nicht hersagen, so seufze ich, kann ich sie nicht herseufzen, so wein ich sie her und der Herr hört mein Weinen. Ach Herz, bei jedem Blick der Zeit steh still und denke: dieser Blick ist mein, ich muß büßen. Der künftige Blick steht nicht in meinen Händen. Ach Jesu, laß mich das bedenken! So fahr ich wohl.

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