Müller, Heinrich - Von dem Zorn der Liebe.

Müller, Heinrich - Von dem Zorn der Liebe.

Harr, du arge Ruthe.

So spricht die Liebe, wenn sie ausgezürnet hat. Hat ein Vater sein Kind gestäupt, lockt ers wieder an sich, gibt ihm die besten Worte, zürnet mit der Ruthe, schilt und tritt sie mit Füßen, als habe sie es gethan, nicht er, deutet seine Strafen aufs Beste, wie ers so gut gemeint habe und sei nicht Zorn, sondern eitel Liebe gewesen, gibt ihm einen Schilling oder Apfel zum Liebeszeichen, daß das blöde Kindlein der Ruthe vergesse und sich wieder kindlich zu ihm stelle. Gleich so machts Gott, wenn er seine Kinder gezüchtigt hat. Zum Zacharias spricht der Engel, der mit ihm redet: Predige und sprich: so spricht der Herr Zebaoth: Ich habe sehr geeifert über Jerusalem und Zion. Aber ich bin sehr zornig über die stolzen Heiden, denn ich war nur ein wenig zornig, sie aber helfen zum Verderben. Darum so spricht der Herr: Ich will mich wieder zu Jerusalem kehren mit Barmherzigkeit und mein Haus soll drinnen gebauet werden. Es soll meinen Städten wieder wohl gehen und der Herr wird Zion wieder trösten und wird Jerusalem wieder erwählen. Zach, 1, 14. 15. 16. 17. Wie entschuldigt hie Gott seine Züchtigung, wie legt ers alles den Heiden bei, als der Ruthe seines Zornes, wie schilt er sie und wie zürnt er gleichsam mit ihm selbst, wie lockt er die blöden Herzen mit süßen Verheißungen an sich und wischt ihnen damit die Thränen ab von ihren Augen! Gottes Zorn ist kein Feindeszorn, sondern ein freundlicher Vaterzorn, wie die mit einander zürnen, die sich lieb haben, welcher Zorn nur dazu dient, daß die Liebe immer hitziger und neuer werde, wie der Heide Terentius spricht: Der Zorn der Liebenden die Erneuerung der Liebe. Wo die Liebe zürnet, sagt man, thut sie keinen Schaden. Hingegen, wo Haß und Neid zürnet, da verdirbt er Alles. Der Liebezorn will das Böse (welches er haßt) vom Guten (welches er liebt) sondern, auf daß das Geliebte erhalten werde, wie ein Vater mit der Ruthe sein Kind erhalten, die Sünde aber abthun will. Der Neidzorn aber fährt plump darein und will beides das Gute mit dem Bösen, die Person mit der Sünde zu nicht machen. Ach, es ist eine schlechte Liebe, die nimmer zürnet; sich meinet sie, nicht dich, dein Verderben, Nicht dein Heil. Wolltest du wohl glauben, daß der Vater das Kind lieb habe, mit welchem er seiner Untugend halber nimmer zürnet? Wahrhaftig, der ist dein Freund nicht, der dich deiner Verbrechen halber nimmer straft. Nenn es keinen Haß, wenn dein Freund wider deine Sünde zürnt. Es ist eitel Liebe. Der Haß zürnt mit bleichem, giftigem, die Liebe mit rothem, brünstigem Angesicht; der Haß hört nicht auf zu zürnen, obgleich die Ursache zu zürnen aufhört; wer liebt, hört auf zu zürnen, wenn das Böse, so ihm zuwider war, abgethan ist, da zürnt er gleichsam mit ihm selbst, seines gefaßten Zornes halber, er straft sich selber seiner Strafe halber; da heißts: harr, du arge Ruthe! damit der Nächste in Gegenliebe entzündet, erkenne, es sei gut gemeint gewesen und sein Vertrauen zu ihm erneuere. Mein Freund, ich will dich so lieben, daß ich auch dein Heil liebe. Drum verdenk mir nicht, so ich zürne wider das, was dir an deinem Heil hinderlich ist. Es geschieht zu deinem Besten. Liebst du mich von Herzen, so gehe hin und thue desgleichen.

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