Müller, Heinrich - Vom Geschlechtsadel.

Müller, Heinrich - Vom Geschlechtsadel.

Fremde Federn.

Damit prangst du. Bist du ein Thor? Viel besser ist, selbst edel, als von Edlen geboren sein; viel besser ists, selbst Schätze haben, als von Andern Schätze betteln. Was ist ein edles Geblüt ohne edles Gemüth und Thaten? Wenn die Juden rühmen: Abraham ist unser Vater! spricht Christus zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so thätet ihr Abrahams Werke. Joh. 8, 39. Die Werke beweisen den Mann. Die Geburt adelt nicht, sondern die Thaten. David war ein Hirtenknabe, aber seine Heldentaten machten ihn edel. Eine Wurzel ists, die Rosen und Dornen trägt; von einer Mutter wird oft ein edles und unedles Kind geboren. Hat nicht ein Leib Cain und Abel, Jacob und Esau getragen? Doch waren sie nicht gleich edel an Sitten. Oft giebt dir ein unfruchtbar Erdreich Gold und Silber, dagegen ein fruchtbar Dornen und Disteln; oft entsprießt ein unedles Kind aus edlem Geblüt, oft ein edles Tugendbild aus unedlem Geschlecht. Prange nicht mit dem Titel des Edelgebornen, Wohledelgebornen, Hochedelgebornen; Geburt giebt keinen Adel. Der Adel, der dir von deinen Eltern angeerbt wird, heißt Sünde und Sterblichkeit; öffne deiner Vorfahren Grab, so wirst du deinen Geschlechtsadel vor Augen sehn. Die Verwesung heiß ich meinen Vater, spricht Hiob, und die Würmer meine Mutter und Schwester. Hiob 17, 14. Da hast du deinen Adel. Ein Staub bist du, ein Stank wird aus dir, sowohl als aus dem Bauern. Du Wurm, willst du dich deines Adels rühmen? Wenn dich dein Geschlechtsadel vor allen menschlichen, sowohl natür- als sündlichen Zufällen bewahren könnte, wäre es billig hoch zu achten; aber das thut er nicht. Du sündigst sowohl als der Bauer und oft mehr. Auch geht Noth und Tod nicht vor deiner Thür vorbei. Mich jammert dein, wenn ich betrachte die Worte Pauli: Nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen, sondern das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt und das da nichts ist, daß er zu Schanden mache, was etwas ist. 1. Cor. 1, 26. 27. Wer nicht ein Sclave ist seiner Affecte, der ist recht edel. Ein lästerlich Leben verdunkelt den Adel des Geschlechts wie die Wolken den Glanz der Sonne. Niemand läßt sich einbilden, daß ein schwarzer Rabe ein weißer Schwan sei, und ich glaube dirs auch nicht zu, daß du edel seist, wenn ich keine edlen Sitten an dir sehe und keine edle Thaten von dir höre; so wenig ein Sclave edel ist, so wenig ist die Seele edel, die der Sünde dient. Eines edlen Gemüths Kennzeichen sind diese: Es wird leicht bewogen. Wer ist edler als Gott? Es vergiebt gern: Der Bienen Königin ist ohne Stachel. Es ist mildgebig und theilt sich allen mit; die Sonne, als die edelste Creatur, leuchtet allen; das beste, edelste Gold läßt sich am weitesten ziehen. Es erhebt sich nicht im Glück, und fällt nicht im Unglück, sondern behält gleichen Muth in allem Zustand; es verachtet, was irdisch ist, läßt sich nicht dann nur am Himmel genügen; es liebt Tugend und Ehrbarkeit. Nachdem Tugendadel trachte, willst du edel sein. Der Geschlechtsadel ist nur der Deinen, der Tugendadel ist dein eigen; diesen Adel kann dir niemand geben, niemand nehmen, als du selber. Der höchste Adel ist aus Gott geboren. Dieser Adel ist allen Christen gemein. Du bist Gottes Kind, ich auch. Erheb dich nicht über mich, ich erhebe mich nicht über dich. Wir sind beide gleich hoch geadelt.

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