Müller, Heinrich - Allersicherster und allzeit offen stehender Schatzkasten.

Müller, Heinrich - Allersicherster und allzeit offen stehender Schatzkasten.

Das hier mitgetheilte Schriftchen ist ein Abdruck aus Dr. Heinr. Müller's Himmlischem Liebeskuß, Thl. II. Kap. 13, und als solcher schon im Jahr 1738 besonders herausgegeben. Wir glauben durch diesen neuen Abdruck nicht nur einen der besten Aufsätze dieses mit Recht hoch gehaltenen und geliebten Gottesmannes wieder in Erinnerung zu bringen, sondern eben dadurch der innern Mission in jedem Theile und an jedem Theilnehmer einen Dienst zu thun, dem Gottes Segen nicht entstehen wird.

Meine Kindlein, spricht Johannes, liebet nicht mit Worten, sondern mit der That. 1. Joh. 3, 18. Die christliche Liebe ist barmherzig und gutthätig. Gott ist die Liebe. Gott ist aber in seinem Wesen nichts als lauter Güte. Was gut ist, theilet sich mit. Wie weit läßt sich das beste Gold unter dem Hammer ausdehnen? Wie weit breitet ein gut Gewürz seine Kraft und Geruch aus? Der Himmel breitet sich über alles als eine Decke, denn er ist das edelste Geschöpf. Wie weit erstrecket sich der Sonnen Glanz? Je beßer Herz, je mehr es seine Güttigkeit mittheilet, und je näher es Gott, dem ewigen Gut, ist. Barmherzigkeit ist eine göttliche Tugend. Seid barmherzig, sagt Christus, wie euer Vater barmherzig ist. Luc. 6, 36. Barmherzig sein ist eine rechte adeliche göttliche Art. Solche Herzen sind Gottes Schatzkammer, daraus mancher ernähret wird. In eines gütigen Menschen Herzen liegt manches Armen Schatz verborgen, da münzet Gott manchem Armen seinen Pfenning, wie Petrus ein Stück Geldes fand in dem Munde des Fisches. Matth. 17, 27. Welcher Meister hatte dies Geld gemünzet? Solche reiche güldene Fische waren die Weisen aus Morgenland, in derer Herzen und Händen hat Gott dem Christkindlein sein Gold gepräget. Selig ist das Herz, das Gottes Brünnlein ist, das hat Waßers die Fülle, ob es gleich täglich auf die Gaßen herausfließen läßet. Selig ist das Herz, das Gottes Speiskammer wird, es wird sein, wie ein gesegneter Garten, dem es nimmer an Früchten mangelt.

2. So ist die Gutthätigkeit eine natürliche Folge des Glaubens, wie die Frucht des Baums. Und wie keine Noth ist, dem Baum zu gebieten, daß er Früchte trage, so darf man den Gläubigen kein Gesetz der Liebe geben; sein eigen Herz nöthigt und zwingt ihn dazu. Der Glaube ist durch die Liebe thätig. Ein Christ stehet zwischen dem Himmel und der Erden. Die Glaubenshand reicht in den Himmel und empfängt da, die Liebeshand reicht auf Erden und theilet mit allerlei Segen. Der Glaube wird vom Himmel gespeiset, getränket, bekleidet und getröstet; die Liebe speiset, tränket, kleidet und tröstet, was dürftig ist auf Erden. Der Glaube hanget an Gott, da empfindet der Mensch Gottes Güte, aus solchem Empfindnis wird sein Herz weich und barmherzig, daß es jedermann auch gern also thun wollte, wie er fühlet, daß ihm Gott gethan hat. Darum bricht er aus mit Werken, und dienet seinem Nächsten mit Gut, Ehr, Leib und Leben, wendet alles an ihn, wie ihm Gott gethan hat in Christo. Darum siehet er auch nicht nach gesunden, hohen, starken, reichen, edlen, heiligen Leuten, die sein nicht bedürfen, sondern nach kranken, armen, schwachen, verachteten, sündigen Menschen, denen er nutz sein kann, und sein weiches Herz an ihnen üben, und ihnen thun, wie ihm Gott gethan hat. Hingegen der Unglaube trennet sich von Gott, daher erkennet er Gottes Güte nicht. Aus solcher Finsternis wird sein Herz so hart und unbarmherzig, daß er keinem Menschen Lust hat zu dienen, sondern vielmehr zu schaden. Wie er nichts guts an Gott fühlet, so fühlet er auch keine Lust, guts zu thun seinem Nächsten. Darum siehet er nicht nach kranken, armen, verachteten Menschen, denen er nutz sein und wohlthun könnte; sondern nach hohen, reichen, mächtigen, davon er selbst Nutz, Gut, Lust und Ehre haben möge. Je größer Glaube, je größer Barmherzigkeit.. Aus einem großen Brunnen entspringet ein großer Fluß. Die Barmherzigkeit ist ein Aus- oder Ueberfluß des Glaubens.

3. Der Grund dieser Tugend wird gelegt im Herzen durchs Mitleiden. Aus dem Grund fordert der Apostel herzliches Erbarmen von den Colossern am 3. Capitel: So ziehet nun an, als die Auserwählten Gottes, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen. V. 12. Denn es ist nicht genug, daß wir barmherzig sind mit äußerlicher That, sondern aus Herzensgrund. Gleichwie Vater und Mutter aus Herzensgrunde, allen Kräften und Sinnen bewegt werden, wenn sie des Kindes Noth sehen, so muß Muth und Herz überschwänglich sein in den Werken der Barmherzigkeit, also, daß es sich bewese und ängstige über dem Elend des Nächsten. Darum spricht auch Paulus Röm. 12, 13., daß wir uns sollen theilhaftig machen der Nothdurft der Heiligen. Und Johannes: daß wir unser Herz vor dem Nächsten nicht sollen zuschließen. 1. Joh. 3, 17. Siehest du einen in Noth, sollst du zwar die Hand aufschließen und ihn theilhaftig machen deiner Gabe; aber zuvor dein Herz aufschließen und dich theilhaftig machen seines Jammers. Gibst du ihm deine Gaben nur, so gibst du etwas, das außer dir ist und vergehet; gibst du ihm dein Herz, so gibst du dein Innerstes, das bleibet. Mancher hat das Vermögen nicht, dem Nächsten viel zu geben, zeucht aber sein Elend in sich und weinet mit dem Weinenden. Ein herzlich Leidthränlein ist vor Gott giltiger als ein ganzer Kasten voll Goldes. Weil Christen im Geist alle Eine Seele sind, so fleußt aller Leiden als in Eine Seele zusammen, daher fühlt einer des andern Schmerzen, das bringt die Vereinigung mit sich. Denn wir sind alle also an einander gebunden, wie in einem Leibe ein Glied mit dem andern. Wie du nun an deinem Leibe siehest und fühlest: „wo Ein Glied leidet, (nach 1. Cor. 12, 26.) so leiden alle Glieder mit, und so Ein Glied wird herrlich gehalten, so freuen sich alle Glieder.“ Siehe, wie der ganze Leib thut, wenn ihm etwa ein Fuß getreten, oder eine Zehe oder Finger geklemmet wird, wie die Augen sauer sehen, die Nase sich rümpfet, das Maul schreiet und alle Glieder bereit sind, da zu retten und zu helfen, und keines das andere verlaßen kann, daß es heißt, nicht einen Fuß oder Finger, sondern den ganzen Menschen getreten und geklemmet; wiederum, wo einem Glied wohl geschieht, das thut den andern allen sanft und wird der ganze Leib davon fröhlich: also soll es in der Christenheit auf sein, weil sie in Einem Leibe aus vielen Gliedern gesammlet, so sollen sie auch Einen Sinn und Herz haben, denn solche Einigkeit bringt natürlich mit sich, daß sich einer des andern, beide Gute und Böse, als des Seinen annehme. Christen laßen ihnen der Brüder Leiden so zu Herzen gehen, als litten sie es selbst und denken: siehe, diese leiden um meines Glaubens willen, und müßen dem Teufel herhalten da ich noch Frieden habe. Hie gebühret mir nicht, in Freudensprüngen zu gehen und sicher zu sein. Denn was meinen lieben Brüdern widerfähret, das gilt mir selbst und geschieht eben um deswillen, das ich habe, darum muß ich mich auch ihres Leidens annehmen als meines Leidens. Wie auch die Epistel an die Ebr. 13, 3. vermahnet: Gedenket der Gebundenen, als die Mitgebundenen, das ist, als wäret ihr in denselben Banden und Noth derer, die Trübsal leiden, als die ihr auch desselben Leibes Glieder seid. Christus hat unser aller Jammer an seinem heiligen Herzen gefühlet. Und weil wir in Christo zusammenstoßen, fühlen wir einer des andern Jammer. Wer solch Fühlen nicht hat, der ist wie ein erstorbenes Glied am Leibe, das keine Empfindlichkeit mehr hat. Christus hat uns aus einem Mund beten heißen: Unser täglich Brot gib uns heute. Einer soll des andern Noth so fühlen als seine eigene und mit in sein Gebet einschließen. NB. Gehet dir deines Nächsten Elend nicht zu Herzen, so hast du auch Christi Geist nicht, denn derselbige wirket in allen Gläubigen einerlei Sinn, Leid und Freude. Bewegt dich das Elend deines Nächsten nicht, so bewegt dein Elend Gott nicht, denn Gott will dich mit gleicher Münze bezahlen. NB. Wie wenige bekümmern sich heut um den Schaden Josephs; hören wir von unsern bedrängten Glaubensgenoßen, so seufzen wir nicht einmal darüber, Gott sei es geklagt, da wir doch Tag und Nacht für sie mit unserm Gebet kämpfen sollten.

4. Das erbarmende Herz bricht heraus mit einer hilfreichenden Hand. Sind die Herzen vereiniget, so flechten sie auch die Hände bald in einander. Ein barmherzig Herz dienet dem Nächsten mit Mund, Händen und Füßen. Einer diene dem andern mit der Gabe, die er empfangen hat. 1. Petr. 4, 10. Der Glaube macht uns zu Herren, die Liebe zu Knechten. Gott hat uns nicht zu Herren über seine Gaben gesetzet, Er bleibet selber HErr, wir sind nur Haushalter, und er will andere durch uns versorgen. Wer dem Nächsten nicht dienet mit seiner Gabe, der maßet sich eine fremde Herrschaft an. Warum willst du als dein Eigenthum behalten, was Gott und die Natur gemein machet? Die Barmherzigkeit freuet sich, wenn sie Gelegenheit bekommt, einem armen Dürftigen mit ihrer Gabe zu dienen: sie hält den armen Lazarum für ein theures Kleinod, und ist's auch.. Die Welt siehet lieber auf den Purpur des reichen Mannes, als auf die Wunden des armen Lazari. Sie gehet so vor einem edlen Schatz vorüber, des wird sie hernach ewig eine Reue fühlen. Welcher König würde wohl nicht seinen Purpur und Kron für die Armuth und Schwären Lazari geben, wenn's ihm in der Hölle begegnen könnte? Und welcher Mensch würde wohl alsdenn einen Dreck geben für den ganzen Schatz des Reichen? Meinest du nicht, wenn der reiche Mann den Schatz erkannt hätte, der vor seiner Thüre lag, daß er wäre heraus gelaufen, hätte ihm seine Schwären gewischet und geküßet, und ihm mit allem seinem Purpur und Reichthum gedienet? Nun gäbe er gern Haus und Hof, dem er zuvor nicht einen Bißen Brot geben wollte, und ließe sich gern mit deßen Finger die Zunge kühlen, den er zuvor nicht anzurühren begehrte. Arme Leute sind führwahr ein großer Schatz. Wenn dir ein Armer begegnet, so halte es nur für eine sonderbare Gnade Gottes; denn ob du gleich einen Stank vor Augen siehest, so ist doch inwendig dein HErr JEsus verborgen, der hat dir mit seinem Leben gedienet, und du wolltest ihm in seinem Hunger kein Stücklein Brots, in seiner Blöße kein zerrißen Kleid geben? Er eignet sich zu, was seinen Brüdern gethan wird. Ich bin hungrig gewesen, ihr habt mich gespeiset rc. Was ihr der Geringsten einem gethan, das habt ihr mir gethan. Matth. 25, 35-40. Denn sie sind mit ihm vereiniget, sind Glieder seines Leibes. Wer den Fuß ehret, der ehret auch das Haupt. Wer den Fuß beleidiget, der beleidiget auch das Haupt. Christus siehet zuweilen, daß wir unsers Reichthums zu unserm ewigen Schaden mißbrauchen werden, dann ruft er uns in den Dürftigen zu: Gib mir's, liebes Kind, dir will's nicht dienen.

5. Also haben wir von unserm Almosen einen zwiefachen Nutzen: wir selbst entgehen der Gefahr, und Christus wird dazu noch unser Schuldener. Sprichst du: woher weiß ich, daß Christus in dem Dürftigen ist? vielleicht ist er gottlos. So darfst du dich hierum nicht groß bekümmern. Was du im Namen JEsu Christi und um Christi willen gibst, das hast du Christo gegeben. Er siehet das Herz an.

6. Es muß aber die Uebung der Barmherzigkeit geschehen, erstlich mit Lust und Willen. Uebet jemand Barmherzigkeit, spricht Paulus Röm. 12, 8, so thue er's mit Lust. Der Wille ist das Fett in jedem Opfer. Ein barmherziger Mensch suchet und nöthiget die Dürftigen zu seiner Gabe. Am berührten Ort ermahnet Paulus, daß wir die Gastfreiheit verfolgen sollen. V. 13. Wenn die Armen vor uns fliehen, sollen wir sie verfolgen; wenn die Elenden wollen vorübergehen, sollen wir sie nöthigen wie Loth die Engel, und die Jünger, die nach Emmaus gingen, den HErrn JEsum; wir sollen sie um Gottes willen bitten und so in's Haus ziehen. Denn wir bringen einen solchen Segen in's Haus, der beßer ist als die ganze Welt. Darum sollen wir ihm nachlaufen und sprechen: Ach, lieber Bruder! warum willst du vorüber gehen und mein Haus ungesegnet laßen? Ich laße dich nicht, du segnest mich denn. Wir sollen williger sein zu geben, als die Armen zu bitten, sollen ihnen zuvor kommen, ehe sie noch bitten, auf daß wir Gottes Natur an uns haben. Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb, schreibt Paulus 2. Cor. 9, 7. Wie mögen wir unsern betrübten Bruder mit unserer Gabe erfreuen, wenn wir selbst mit Unlust und Traurigkeit geben? Ein Ackersmann säet mit Freuden in Hoffnung der Aernte. Ein Pfenning mit Lust ist beßer, als tausend Gulden mit Unlust. Jene Wittwe gab nur zween Schärfe, aber mit fröhlichem Herzen, das macht ihre Gabe groß. Luc. 21, 2.3.4. Mancher gibt aus Traurigkeit oder Noth, als gezwungen, zappelt, zittert, macht sich schwer und langsam zu geben, sucht bald hie bald dort Ursach, daß er's je nicht gebe, oder also gebe, daß man sein nicht froh werde. So ist ein christliches Herz nicht, es gibt, ehe man's anfordert und reizet sich selbst. Darf man doch vor einen guten Brunnen nicht treten und ihm sein Waßer abbitten oder abweinen, er stehet allen offen und gibt sein Waßer von sich selbst, denn die innere Quelle leitet immer mehr zu. So lange inwendig die Liebesquelle nicht versieget, ist ein Christ von außen wie ein Brunn, der allen sein Waßer gibt.

7. Ach! wie große und viele Güter gibt uns Gott, daran wir nicht einmal gedenken, vielweniger darum bitten! Und wir verkaufen oft einen Heller oder ein Stücklein Brots um so viel Thränen oder Worte. Wer mit Lust gibt, der gibt auch bald. Sprich nicht zu deinem Freunde: gehe hin und komm wieder, morgen will ich dir geben, so du es doch wohl hast. Spr. Sal. 3, 28. Willst du doch alsbald von Gott erhöret sein, wenn du nur bittest, und Gott erhört dich oft, wenn er nur von ferne sieht, daß du beten werdest. Wer weiß, ob du morgen das Vermögen hast zu geben? Mag doch wohl ein Baum in einer Nacht verderben. Wer weiß, ob du morgen den Willen hast zu geben! Gott entzeucht oft die Gnade denen, die nicht folgen wollen, wenn er bewegt und rühret. Dein eigen Fleisch ist auch geschäftig, wirft viele Hindernisse in den Weg. Wer weiß, ob du morgen leben werdest? Sind wir doch keinen Augenblick vor dem Tode sicher. Wer weiß, ob sich morgen eine Gelegenheit ereignen wird? Als ihr nun Zeit habt, spricht Paulus Gal. 6, 10. Kein Ackersmann versäumt die Gelegenheit zu säen. Und an die Col. 3, 12. schreibt er: Ziehet an ein herzliches Erbarmen. Wie wir unser Kleid, so wollen wir auch die Liebe wohlzuthun allezeit bei uns tragen. Wer bald gibt, der gibt zweimal. Die langsame Gabe ist eine theure Gabe; ja sie wird nicht gegeben, sondern erkauft und erzwungen. Der Verzug ist ein Zeichen eines unwilligen Herzen. Wer mit Lust gibt, der ist allezeit geneigt zu geben. Wie Gottes Barmherzigkeit alle Morgen neu ist, so soll sich auch deine Barmherzigkeit mit des Nächsten Noth erneuern. Wird doch keine Creatur müde, dir zu dienen. Die Liebe wird nicht müde. 1. Cor. 13, 8.

8. Ja, sprichst du, mein Nächster ist undankbar, das macht mich müde. Es ist wohl wahr, daß die Wohlthaten Ketten sind, die das Gemüth ziehen und verbinden. Aber dennoch soll man auch nicht wohlthätig sein um Danks willen. Die Tugend ist selbst ihr Lohn. Freigebig sein um Danks willen, heißt seine Güter verkaufen und nicht vergeben. Gottes Natur ist Güte. Diesen Brunnen mag keine Undankbarkeit verstopfen. Darum läßt er seine Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte. Matth. 5, 45. Mancher spricht: Durch stetes Geben werden meine Güter verringert, wenn man das Meer in viele Brünnlein ausleitet, so zerrinnet es endlich. Ach nein! je reicher Ausfluß, je reicher Zufluß. Wer sich des armen erbarmet, der leihets dem HErrn, der bezahlet mit reichen Zinsen. Sprüch. Sal. 19, 17. Salomon spricht: Laß dein Brot über's Waßer fahren, so wirst du es wieder finden über lange Zeit. Pred. Sal. 11, 1. Ein Schiff fährt oft leer oder mit geringen Waaren dahin über's Waßer, und kommt über's Jahr wieder mit kostbaren Schätzen. Almosen geben ist ein großer Gewinn. Wer reichlich säet, wird reichlich ärnten. 2. Cor. 9, 6. Den Segen empfinden oft die Nachkommen. Er ist allezeit barmherzig, und leihet gern, und sein Same wird gesegnet sein. Ps. 37, 26. Die Barmherzigkeit ist wie ein Same, der in viele Früchte wächset, und wie ein Baum, der sich über ein ganzes Haus ausbreitet; ihre Frucht breitet sich oft über ein ganzes Geschlecht. Ist gleich, als wenn man Samen ausstreuet, und läßt sich ansehen, als wär's verloren; wie sich aber die Frucht des Samens in der Erde wieder findet, also findet sich der Segen gutthätiger Leute an ihren Kindern wieder. Auch wird durch das, was ein Frommer im HErrn ausstreuet, sein übriges geheiliget und gesegnet, daß es genug sei und keinen Mangel habe. Laß aber sein, daß deine Güter durch Almosengeben verringert werden, so wird doch deine Gnad und Heil vermehret. Je mehr Bluts man aus den Adern zapfet, je größer ist die Gesundheit.

9. Mancher spricht: Ich muß für meine Kinder sorgen, woher wollten die nachher Brot nehmen, wenn ich alles zur Wüsten mache? O du thörichter Mensch! laß Gott für deine Kinder sorgen, du aber bete. Läßest du deinen Kindern einen gnädigen Gott, so hast du sie reichlich versorgt. Fängst du an zu sorgen, so hört Gott auf zu sorgen. Er bedarf deiner Mitsorge nicht und will den Ruhm allein haben. Wer sorget für die jungen Raben? NB. Wie manches Kind ist durch die überflüßige Sorge seiner Aeltern verderbet? Wie manches arme älternlose Waislein hat Gott zurecht gebracht? Jene Wittwe hatte auch Kinder, und gab doch dem Eliä, dadurch sorgte sie am meisten für ihre Kinder, denn durch den Propheten ward das Ihrige gesegnet, sonst hätten die arme Kinder endlich verschmachten müßen. 1. Kön. 17, 9. 16. Almosen geben das armet nicht. Nichts behalten wir von dem Unsrigen, als was wir den Dürftigen geben; das andere alles wird verloren. Der Armen Gebet sorget für die Kinder und füllet das Haus mit Segen.

10. Mancher spricht: Warum ernährte Gott seine Armen selber nicht? Aber Er will, daß du auch deiner Brüder Gott sein sollst und an seine Stelle stehen. Er thut's, aber durch dich, daß du die Ehre davon tragest. Denn an jenem Tage werden die Armen einer nach dem andern aufstehen und rühmen: Dieser hat mich gespeiset, dieser getränket, dieser gekleidet, da es doch alles von dem Seinigen genommen ist. Dazu, wenn er seine Armen selber versorgen wollte, dürfte er dir den Beutel so voll nicht stecken. Deinen Ueberfluß hast du nicht um deinet willen, sondern den Mangel des Nächsten zu ersetzen. Darum wenn dein Nächster bedarf, und du gibst ihn nicht, so du es hast, so hältst du ihm das Seinige mit Unrecht auf, sintemal du ihm schuldig bist zu geben; dazu hast du es von Gott empfangen.

11. Mancher spricht: Man siehet und die Erfahrung gibt's, daß die viel geben, mit vieler Trübsal und Armuth belegt werden. Ja, lieber Mensch, das ist die Zinse davon. Wolltest du eine beßere begehren? Siehe, die Armen bitten für dich, daß es dir wohl gehen soll. Nun gehets einem Christen nimmer beßer als unter dem Kreuz. O! wie wohl thut manchem das liebe Kreuz, er würde sonst um seiner Seelen Seligkeit kommen. Ach! wüßte mancher, was für Glückseligkeit im Kreuz verborgen liege, und könnt's mit Almosen an sich kaufen, er würde gern all das Seinige darum verlieren. Zudem, so ist solch Kreuz nur ein freundlich Mutterspiel Gottes, wie an Hiob zu sehen ist: dem nahm Gott all sein Gut, und gab's ihm hernach mit Haufen wieder. Hiob 42, 10-17. Gott spielt nur mit uns. Wir arme Kinder verstehen oft das Spiel nicht, und fangen an zu weinen.

12. Darnach muß die Barmherzigkeit nicht kärlich, sondern reichlich geübet werden. 2. Cor. 9, 6. Seid barmherzig, spricht Christus Luc. 6, 36., wie euer Vater barmherzig ist. Derselbe aber stückelt und tröpfelt nicht, sondern wirft und schüttet uns seine Güter mit Haufen zu. Ein Vater gibt mildiglich bis sein Kind satt und vernügt ist. Also spricht Hiob: Ich war ein Vater der Armen rc. 29, 16. David rühmet den Barmherzigen Ps. 112, 9., daß er ausstreue und den Armen gebe; vergleicht ihn einem Säemann: der wirft nicht Ein Körnlein in die Erden, sondern wirft's mit voller Hand von sich, denn er will eine ganze Aernte wieder haben. Wer reichlich säet, wird reichlich ärnten. NB. Mancher wendet viel Gelds auf Pracht, Staat und Wollust; aber dem dürftigen JEsu wirft er kaum ein Bißlein trocknes Brot, kaum einen Heller, (kaum einen alten abgetragenen Lappen) zu. Wie dich dein Gott gesegnet hat, und deine Hand vermag, so gib auch. Hast du viel, so gib reichlich, hast du wenig, so gib das wenige mit getreuem Herzen. Tob. 4, 9. Ein mitleidend Herz ist die beste Almose. Jene Wittwe gab nur zween Schärflein, aber daran hieng ein groß Pfund der Liebe, das machte sie wichtig. Wenn ein Bettler dem andern gibt, so freuen sich die Engel im Himmel. Darum darf niemand klagen, er habe wenig zu geben. Hast du nichts mehr, so kannst du doch trösten und beten. Gott siehet nicht an, was gegeben, ob's groß oder klein, viel oder gering sei, sondern wie es gegeben wird, mit was Gemüth und Liebe. Mancher hat nichts zu geben, gibt doch kräftig mit seinem Wunsch und Willen. Der Wittwe zween Schärflein sind vor Gott große Goldklumpen; denn was sie nicht gegeben hat mit der Hand, das hat sie doch gegeben mit dem Herzen. So viel ich gern geben wollte, so viel wird mir im Himmel angeschrieben zur Belohnung. Ein Seufzerlein kommt dem Armen oft mehr zu Nutzen, als eine große Gabe. Thränen sind auch Almosen. Darum ermahnet Paulus Röm. 12, 15.: Weinet mit den Weinenden. Ein Trunk kalten Waßers wird auch belohnet werden. Matth. 10, 42.

13. Auch muß die Barmherzigkeit einfältig geübt werden. Gibt jemand, so gebe er einfältiglich. Röm. 12, 8. Die Einfalt sucht nicht das ihrige. Mancher gibt und hofft damit zu gewinnen; er gibt einen Thaler, und hofft hundert wieder. Das heißt nicht geben, sondern sein Geld auf Wucher thun. Die reine Liebe hofft keinen Lohn, auch nicht von Gott. Der Gotteslohn, den die Armen wünschen, wird ja nicht ausbleiben; aber darauf sollst du nicht sehen, und deshalb mehr oder weniger geben. Mancher sucht in der Freigebigkeit nur seinen Ruhm, will gern, daß die Armen seine Posaune sein sollen, und seine Almosen ausblasen allenthalben, daß er gepriesen werde, wie jener Pharisäer. Ein solcher meint nicht Gott und seinen Nächsten, sondern sich selbst, dadurch wird alles zu nichte. Die Einfalt gibt im Verborgenen, und läßt die linke Hand nicht wißen, was die rechte gethan hat. Sie maßet sich des Guten nicht an, das sie gethan hat, es ist, als wäre es nicht gethan. Wenn unsere linke Hand Augen hätte, sollten wir vor ihr verbergen, was die rechte thut.

14. Die Schrift erfordert, daß wir die Almosen dem Armen in den Schoß legen sollen, das ist, wir sollen sie zudecken, und den Armen bitten, daß er's niemand offenbare. Verwahren wir den Schatz nicht wohl, so wird er leicht verloren; was wir hier aufdecken, das bleibt dort zugedeckt; was wir hier zudecken, wird dort aufgedecket. Des Richters Stimme wird die Posaune sein, die unsere Almosen wird ausblasen: Ich bin hungerig gewesen, und ihr habt mich gespeiset rc. Matth. 25, 35. 36. Sprichst du: Wie wird denn erfüllet die Regel Christi Matth. 5, 16.: Laßet euer Licht leuchten vor den Menschen, auf daß sie eure gute Werke sehen, und Gott preisen? so wiße, daß ein anders sei, gesehen werden, ein anders aber, wollen gesehen sein. Es ist gut, daß du andern vorleuchtest zur Erbauung, ficht dich aber deine Ehrsucht an, so bleibe im verborgenen. Die Einfalt siehet nicht auf die Würdigkeit, sondern Nothdurft des Bruders. Paulus will, daß wir sollen arbeiten, auf daß wir haben zu geben, nicht dem Würdigen, sondern dem Dürftigen. Und Christus gebeut Luc. 6, 30: Wer dich bittet, dem gib. Die Liebe denkt nichts arges und hält keinen unwürdig. Gott belohnet die Almosen nicht nach der Würdigkeit deßen, der sie empfängt, sondern nach dem Gemüth deßen, der sie gibt. Gott überschüttet uns ja alle mit seinen Gütern, und wir sind's nicht werth; Judas wars auch nicht werth, daß ihn Christus küßte.

15. Endlich muß die Barmherzigkeit geübet sein gegen jedermann, doch vornehmlich gegen die Glaubensgenoßen. Eine solche Ordnung macht Paulus Gal. 6, 10. Die gemeine Liebe gehet auf alle, die Bruderliebe nur auf Christen. Christen sind unsere Mitglieder am Leibe Christi. Ein Glied fühlet des andern Schmerzen: weinen die Augen, so sind die Hände alsbald her, und trocknen sie. Christen kennen sich unter einander, denn sie haben alle Christum angezogen. Kommt ein dürftiger Bruder zu ihnen, so sprechen sie: den kenne ich wohl an seinem Kleide, der ist mein HErr JEsus, eilen ihm entgegen und dienen ihm. Auch wohnet Ein Geist in allen Gläubigen, der verbindet ihre Herzen und zündet ein heimliches Flämmlein an, daß der eine dem andern in Gott hold und günstig wird. Auf dieselben weiset uns auch Paulus Röm. 12, 13: Nehmet euch der Heiligen Nothdurft an. Christi Heilige gerathen oft in äußere Noth oder Armuth, daß sie bei andern Hilfe und Trost suchen müßen. Kommen sie auch vor unsere Thür, so müßen wir uns ihrer Noth als unserer eigenen annehmen. Darum nennet sie Paulus Heilige, daß er uns desto mehr reize und entzünde, den Christen gutes zu thun, weil wir sonst geneigt sind, den Heiligen zu dienen, und achtens groß, was wir an die Heiligen legen. Die rechten Heiligen aber sind die, die in Nothdurft stecken, sie scheinen nichts weniger als Heilige, sind arme, verlaßene, hungerige, nackete, gefangene Leute, die Jedermanns Hilfe bedürfen, und sich selbst weder rathen noch helfen mögen. Solche Heilige will Christus am jüngsten Tage hervorziehen und sagen: Was ihr dem Geringsten unter diesen gethan habt, das habt ihr mir gethan. Matth. 25, 40.

16. Nun prüfet euch, liebe Christen! wie weit ihr auf diesem Weg gekommen seid. Ach, wie seltsam ist die Barmherzigkeit unter den Christen worden! Jedermann schindet und schabt, stiehlt und raubt, zinset und wuchert nur; vom Geben ist allenthalben ein tiefes Stillschweigen. Ach, wie viel Seufzer und Thränen der Armen laden wir auf uns! Daraus wird Gott endlich lauter höllische Ruten binden. Sollten wir Gott nicht danken für seinen Segen, und denselben an unsere dürftigen Brüder legen? Steckten wir in ihrer Haut, was würden wir uns nicht wünschen? Wie viel, wie viel sind an den Orten, so durch den Krieg verderbet sind, die gern Almosen gäben, wenn sie unsers Vermögens wären? Du unbarmherziger Hund, was ihnen widerfahren, kann dir auch widerfahren. Ueber die Unbarmherzigen wird ein unbarmherziges Gericht ergehen. Jac. 2, 13. Wie du mit deinem Nächsten umgehst, so will Gott wiederum mit dir umgehen. Willst du hier JEsum in seiner Niedrigkeit nicht kennen, Er wird dich dort in seiner Herrlichkeit wieder nicht kennen. 'Gehest du hier vor den Armen vorüber, so wird er dir dort im Wege liegen, daß du muß wieder vor der Himmelsthür vorüber gehen. Ach, laß dich doch das Höllenbild des reichen Mannes schrecken!

17. Wer weise ist, der läßet ihm rathen. Findest du nicht, lieber Christ, das dich zur Barmherzigkeit bewegen könnte, so schaue nur auf dich selbst. In deinem Herzen bestehet diese Schrift mit lebendigen Buchstaben: Was du willst, daß dir andere thun sollen, das thue ihnen auch. Matth. 7, 12. Was dein Nächster ist, das kannst du auch werden. Denn alle Menschen sind der Eitelkeit unterworfen, sind ein Ball, mit welchem das Glück oft ein wunderlich verkehrt Spiel treibt. Schaue auf den Nächsten. Ist er nicht Gottes Kind, durch Christi Blut so theuer erkauft, Gottes Tempel und Wohnung? Solltest du nicht diesem Kind wohlthun, in diesem Tempel dein Opfer bringen? Was thust du wohl großes, wenn du dem ein Almosen gibst, für welchen Christus sein Blut vergoßen und sich selbst gegeben hat? Mag dich dies nicht bewegen, so siehe auf Gottes Wohlgefallen. Gott hat Gefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer. Matth. 9, 13. Keine Tugend gefällt Gott beßer, keine Tugend wird am jüngsten Tage vor aller Welt mehr gerühmt werden als die Barmherzigkeit. Denn Gott ist ein Vater der Natur: wer sich der elenden Natur annimmt, der nimmt sich Gottes an. Darum hat Gott im Gesetz geboten, daß man von den Aeckern und Weinbergen die Frucht nicht soll allzu genau ablesen, sondern den Armen und Fremdlingen auch ein Träublein hangen laßen, daß man alle drei Jahr den Zehenten absondern und den Armen, Wittwen und Waisen geben sollte. Mit welch süßen Worten lockt uns die Schrift zur Barmherzigkeit? Salomon spricht: Wer sich des Armen erbarmet, der leihets dem Herrn. Sprüch. Sal. 19, 17. Es ist ja alles sein, was wir sind und haben; dennoch will Gott die Almosen annehmen, als ein geliehenes Gut, und mit reicher Zinse bezahlen. Was geliehen wird, das behält man nicht. Gott wird's zu seiner Zeit wieder geben. Wie könnten wir unsere Schätze beßer verwahren? Vielleicht hätte sie mittlerzeit ein Dieb gestohlen, oder ein Unglück genommen. Sirach spricht: Er behält die Wohlthaten wie einen Siegelring, und die guten Werke wie einen Augapfel, C. 17, 18. Seines Siegelrings vergißt niemand, denn er trägt ihn am Finger. Und was hat man lieber, was verwahret man sorgfältiger, als seinen Augapfel? das geringste Seufzerlein, das ich den Armen gebe, gilt vor Gott mehr als ein ganzes großes Kaiserthum. Wer wollte seinen Augapfel um ein Kaiserthum geben? Christus selber ermahnet Matth. 6, 19. 20.: Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie Motten und der Rost freßen, und da die Diebe nachgraben und stehlen. Sammlet euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost freßen, und da die Diebe nicht nachgraben und stehlen.

18. Wir wollten gern alle hier reich sein. Wenn wir nun hier gleich groß Gut zusammen bringen, auf's beste verriegeln und verschließen, so sind wir's doch keinen Augenblick versichert. Untreu bricht Schloß und Riegel. Vielleicht kommt morgen ein Dieb und stiehlt es. Leihen wir's andern oder gebens auf Wucher, müßen wir's oft mit Scham und Gram verlieren. Zuweilen hanget auch der Fluch Gottes daran, wenn's mit Unrecht erworben oder beseßen wird, der frißt es weg, wie der Rost das Eisen, die Motte das Kleid, daß es oft nicht auf den dritten Erben reichet. Der sicherste Weg ist, daß wir's den Armen geben, die tragens in den Himmel, da wird's beigelegt, daß es Zinse trage und Frucht bringe. Willst du deine Güter gen Himmel schicken, so darfst du keinen Engel zum Boten suchen, keinen Babelthurm bauen, keine Jacobsleiter träumen, sondern nur den Armen geben; ihre Seufzer bringens gen Himmel, an jenem Tage wirst du alles wieder finden; da wird Christus vor aller Welt rühmen, was du Ihm in seinen Gliedern gethan hast, damit der Baum an den Früchten, der Glaube an der Liebe offenbar werde. Mögen dich die süßen Worte nicht bewegen, so siehe auf den Nutzen. Deine Freigebigkeit nützet dir mehr, als den Dürftigen. Wem nützet der Same mehr, dem Erdreich oder dem Säemann? Bringt nicht das Erdreich dem Säemann die Aernte? Selig sind die Barmherzigen (spricht der HErr), denn sie werden Barmherzigkeit erlangen, Matth. 5, 7. Was der Säemann ausstreuet, das wächst ihm wieder. Eine jede Tugend ist ihr selbst eigener Lohn und trägt ihren Lohn in sich, wie der Same die Frucht. Der Gott, der aller Herzen in seiner Hand hat, füget's so, daß dem Barmherzigen Barmherzigkeit begegnet. Jonathan that Barmherzigkeit an David, David vergalt's an seinen Kindern. Gott selber erbarmet sich der Barmherzigen, denn sie haben viel Fürbitter im Himmel. Barmherzigkeit wird mit Barmherzigkeit belohnet. Wie deine Ausgabe ist, so ist auch deine Einnahme. Maß um Maß, Gleiches mit Gleichem.

19. Ist es dir ein Ernst, Barmherzigkeit zu üben gegen die Armen, so gedenke auf folgende Mittel. Erstlich mache dir ein Armenbüchlein oder Täfelein, da zeichne die Namen der wahren Dürftigen hinein, daß du kein Glied Christi vorbei gehest, daß du auch nicht gebest den Müßiggängern, die den wahren Armen das Brot aus dem Mund stehlen und da ärnten, da sie nichts ausgestreuet haben, den faulen Hummeln und Dreckwürmern, die den Honig verzehren, den die Bienen gelegt haben. Leere Gefäße soll man füllen, und nicht die vollen. Magere Schäflein soll man weiden, und nicht die feisten müßigen Hengste, denen ist's beßer, daß man ihnen den Haberkorb etwas hoch hänge. Darnach lege von allem Segen, den dir Gott bescheeret, oder von deinen täglichen, monatlichen, jährlichen Einkünften etwas gewißes ab, als nachdem etwa deine Nahrung ist, den 10. oder 20. Theil, das theile zu bestimmter Zeit unter den Armen aus. So richte auch zuweilen den Armen ein Gastmahl an, daß sie in ihrem Elend nicht allein nothdürftige Sättigung, sondern auch dabei eine Erquickung haben und ihr Herz laben. Was der Heiland bei Luc. 14, 13. 142 spricht, ist bekannt: Wenn du ein Mahl machest, so lade die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden, so bist du selig; denn sie haben's dir nicht zu vergelten, es wird dir aber vergolten werden in der Auferstehung der Gerechten.

20. Einen aber erwähle dir vor allen, der seinen Aufenthalt in deinem Hause habe. Ach! wie gesegnet muß das Haus sein, da JEsus allemal mit über Tische sitzet. Er nimmt mit geringen Tractamenten gern vorlieb, und gibt doch ein reiches Tischgeld. Schäme dich nicht, denselben bei deinem Tische zu speisen, mit welchem du hernach im Himmel an einer Tafel sitzen sollst. Wenn du eine volle Schüßel läßest auf deinen Tisch tagen, so laß immer eine ledige dabei setzen, und lege dem Armen sein Stücklein drein. So ist dein Brot recht gesegnet, wenn dem Armen sein Bißen mit abgebrochen wird. Gedenke, daß dir auf deinem Tisch nichts mangelt, das hast du der Armen Seufzen und Gebet zuzuschreiben.

21. Wir wollen schließen mit dem 112. Psalm, V. 5 - 10.

Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leihet, Und richtet seine Sachen aus, daß er niemand unrecht thue:
Denn er wird ewiglich bleiben, des Gerechten wird nimmermehr vergeßen.
Wenn eine Plage kommen will, so fürchtet er sich nicht, Sein Herz hofft unverzagt auf den HErrn.
Sein Herz ist getrost und fürchtet sich nicht, Bis er seine Lust an seinen Feinden siehet.
Er streuet aus und gibt den Armen, Seine Gerechtigkeit bleibet ewiglich, sein Horn wird erhöhet mit Ehren.
Der Gottlose wird's sehen und wird ihn verdrießen, Seine Zähne wird er zusammen beißen und vergehen:
Denn was die Gottlosen gern wollten, das ist verloren.

Selig sind, die aus Erbarmen
Sich annehmen fremder Noth,
Sind mitleidig mit den Armen,
Bitten treulich für sie Gott;
Die behilflich sind mit Rath,
Auch, wo möglich, mit der That,
Werden wieder Hilf empfangen
Und Barmherzigkeit erlangen.

Ansbach, Druck der Carl Junge'schen Officin. 1865

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