Müller, Heinrich - Trost durch Gottes Wort

Müller, Heinrich - Trost durch Gottes Wort

Das ist mein Trost in meinem Elende, denn dein Wort erquicket mich. Ps. 119, 50.

In einem alten Todtenbuche steht: „Schuhmacher Johannes Klein war ein großer Liebhaber des Worts Gottes und verschied mit den Worten: Ich sehe den Himmel offen!“ Beides gehört zusammen, Gottes Wort lieb haben und den Himmel offen sehen. Der Glaube sieht nicht allein im Sterben, sondern auch schon im Leben den Himmel offen, deßgleichen nicht allein im Glück, sondern auch im Leiden, nicht allein in gesunden, sondern auch in? kranken Tagen; ja, mehr als nur den Himmel zeigt uns das Wort Gottes offen, es zeigt uns auch das offene Herz unseres Heilandes, voll Erbarmen und, Liebe, stets bereit, uns Trost, Erquickung, Kraft und Hülfe zuzuströmen. So du Solches von Jesu begehrst, so gehe in deiner Krankheit fleißig und andächtig mit seinem Worte um. Je nachdem deine Krankheit ist, wirst du freilich nicht Vieles nach einander in der Bibel lesen können, aber du sollst auch nicht meinen, als sey langes und vieles Lesen nöthig, um damit Gott einen Dienst zu thun und seine Gnade zu verdienen. Nein, wenn du in gesunden Tagen zum Brunnen gehst und schöpfest, wer dient da dem andern, du dem Brunnen oder der Brunnen dir?' Also mußt du das Lesen in der Bibel ansehen. Diese ist der Brunnen des Heils, und nicht Gott, sondern dir, deiner Seele erweisest du einen Dienst, wenn du in ihr liesest und daraus das Wasser schöpfest, das in das ewige Leben fließt. Dieses Wasser ist aber also beschaffen, daß schon wenige Tropfen, oft sogar ein einziger Tropfen, Stärkung und Erquickung gewähren, wie nichts Anderes- Es kommt nur darauf an, daß du das Wort mit Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit lesest; dann wirst du auch beten, daß der Heilige Geist es an deiner Seele segne, und betest du also, so bleibt der Segen gewiß nicht aus. Das Evangelium ist die Arznei für unsere Seelen, und so halte es damit, wie mit der Arznei für deinen Leib. Von dieser nimmst du. je nachdem deine Umstände sind, jetzt mehr, jetzt weniger; wiederum weißt du als ein Christenmensch wohl, daß die Arznei für sich allein nicht hilft, der Segen von Gott muß dazu kommen, darum betest du um diesen Segen bei dem Einnehmen derselben; dergleichen nimm, je nachdem es dein innerer Mensch bedarf und vermag, jetzt mehr, jetzt weniger von dem Wort Gottes in dich und thue das immer mit dem herzlichen Seufzen, Gott wolle es dir segnen. Besonders wähle dir an jedem Morgen einen der großen Machtsprüche der Bibel für den ganzen Tag, oder am Abende für die vielleicht lange Nacht, und wiederhole ihn dir zum öftern und betrachte ihn im Innern. Kannst du, so besprich ihn auch mit Andern. Macht ein solcher Spruch einen besondern Eindruck auf dein Gemüth, so nimm ihn zum zweiten-, dritten-, zum zehntenmal und noch öfter zu deinem Tagesspruch. Auch sonst ist nicht nöthig, daß du oft mit den Sprüchen wechselst. Ein Pfarrer kam in einem Spital zu einem Kranken, der bat ihn um ein tröstliches Wort. Der Geistliche sagte ihm den Spruch: Kann auch ein Weib ihres Kindes vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie schon desselbigen vergäße, so will doch ich dein nicht vergessen, spricht der Herr, dein Erbarmer; siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet. Jesaj. 49, 15. Als er den Spruch gesprochen hatte, sagte der Kranke: „Bitte, noch einmal!“ und als er ihn wiederholt Hatte, bat er aufs Neue: „Noch einmal!“ Da der Geistliche den Tag darauf kam, bat er wieder, ihm diesen Spruch vorzusprechen. Und als der Pfarrer in demselben Zimmer zu einem andern Kranken trat, bat dieser, ihm den Spruch gleichfalls vorzusagen. Daran lerne, was du dir selbst auch thun sollst.

Ein alter Mann lag in einer Nacht schlaflos zu Bette und seufzte über sein Elend und legte sich von einer Seite auf die andere und fand keine Ruhe. Da kam ihm der Spruch in den Sinn: Lobe den Herrn, meine Seele! und vergiß nicht, was er dir Gutes gethan hat, der dir alle deine Sünden vergiebt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöset und dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit. Ps. 103. Er sagte, er wisse nicht, wie er auf den Spruch gekommen sey; es war aber der Heilige Geist, der ihn daraufführte; Menschen hätten für den schlaflosen, kranken und seufzenden Mann wohl einen andern gewählt, aber siehe, der Spruch machte seinem Seufzen ein Ende; er gedachte des Guten, das er vom Herrn empfangen hatte in seinem Leben, der Gnade- daß er einen .Heiland habe, und der Barmherzigkeit, die er ewiglich genießen solle, und sein Klagen gieng in Danken und Lobpreisen über. Darin fand er für Seele und Leib Ruhe. Von da an sagte er sich alltäglich immer und immer wieder diesen Spruch vor und fand darin stets Friede und Kraft- in Geduld auszuharren, bis er endlich erlöst wurde für das Reich, wo Alle, die am Throne des Lammes stehen, Lob und Dank bringen Dem, der sie krönet mit Gnade und Barmherzigkeit.

Für dich können es andere Sprüche seyn, in welche der Heilige Geist ähnlichen Segen für deine Seele legt. Die Schrift hat für Alle, was für einen Jeden gerade heilsam ist. Freilich ist auch mancher Tropfen von dem lebendigen Wasser, das in der Bibel quillt, oft heiß und brennend für unser Herz, aber, wenn du dieses erfährst, so laß ihn nur brennen und schmerzen; hat er seine Kraft geübt, so kommt darnach um so gewisser der lindernde, heilende Balsam aus dem Worte dir zu. Laß den Geist durch sein Wort an dir wirken und du wirst am Ende mit David rühmen: Die Rechte des Herrn sind süßer, denn Honig und Honigseim. Ps. 19.

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