Müller, Heinrich - Leben wir, so leben wir des Herrn

Müller, Heinrich - Leben wir, so leben wir des Herrn

Unser Keiner lebet ihm selber und Keiner stirbt ihm selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn; darum wir leben oder wir sterben, so sind wir des Herrn, denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden und wieder lebendig geworden, daß er über Todte und Lebendige Herr sey. Röm. 14, 7-9.

An dieses Wort des Apostels hielt sich Luther besonders in Krankheit und anderer Gefahr des Lebens. Er sprach eines Tags zu seinen Freunden: „Ich habe unsern Herr Gott gebeten, daß er mir ein seliges Stündlein geben woll, und er wirds auch thun, das weiß ich gewiß. Ich werde noch an meinem letzten End mit Christo, meinem Herrn, reden, und wenns noch so kurz sollte werden.“ Da sagte M. Rörer: „Ich hab' Sorg, ich werd' einmal plötzlich dahin gehen, stillschweigend, daß ich kein Wort reden kann.“ Darauf erwiederte Luther: „Wir leben oder wir sterben, so sind wir des Herrn. Wenn Ihr gleich die Treppe hinabfielet oder würdet sitzen und schreiben und stürbet plötzlich, es schadet nichts. Wenn ich schon von der Leiter fiele und bliebe todt liegen, so bin ich des Herrn. Der Gerechte ist in der Hand des Herrn, er sterbe, wie er wolle, auch da er gleich mit dem Tod übereilet würde.“ Diese Zuversicht des Glaubens bewies er mit der That bei seinen manchfachen Gefahren und öftern, zum Theil schweren Krankheiten.

Luther brauchte in seinen Krankheiten Arzt und Arznei, aber, sagte er: „Es muß eine höhere Arznei da seyn, der Glaube und das Gebet, daß man geistliche Arznei aus Gottes Wort suche. Dazu ist der 31. Psalm gut, da David sagt: Meine Zeit stehet in deinen Händen. Das ist: Meine Gesundheit, mein Glück, Leben, Unfall, Krankheit, Traurigkeit, Sterben, das stehet Alles in deiner Hand. Seys drum, daß gottesfürchtige Herzen dem Teufel, Krankheiten und Tyrannen unterworfen seyen und von ihnen geplagt werden, es ist doch von Gott und geschieht uns Solches zum Besten, daß wir Gott lernen vertrauen in unserer Schwachheit, Thorheit und Sünde. Laßt uns gleich eine Zeit lang unter Lottes Zorn seyn, doch bricht seine Barmherzigkeit wieder Herfür, überwindet und behält den Sieg. Also mache ers mit mir nach seinem Willen! Lieber Gott, kann es nicht anders seyn, als daß ich groß und schwer geplaget werde, so gieb mir große Geduld und starken Glauben!“

In einer Krankheit, da der Arzt ihm den Puls fühlte und eine Verschlimmerung fand, blieb Luther ganz ruhig und sprach: „Ich bin hier und liege und stehe in Gottes Willen. Demselbigen hab ich mich übergeben. Weiß ich doch gewiß, daß ich nicht werde sterben, denn Er ist die Auferstehung und das Leben, und wer da lebet und gläubet an ihn, der wird nimmermehr sterben; ob er gleich stürbe, so wird er doch leben, darum befehle ich es seinem Willen und lasse ihn walten.“

„Unser Herr Gott,“ sagte er ein andermal, „wird wohl sehen und wissen, wo meine Seele bleiben soll. Der so sorgfältig für sie gewesen ist, daß er sein eigen Leben gelassen hat, daß er meines errette, der fromme Hirte und treue Bischof unserer Seelen, so an ihn gläuben, der wird nicht am ersten bei mir anheben und lernen, wie er die Seelen, die ihm vertrauen, versorgen, Pflegen und verwahren soll. Er hat sie in seiner Hand, daraus sie Niemand reißen kann, und wollt ich sie ungern in meine Hand und Versorgung gelegt haben, da wäre sie leichtlich weggerissen und verloren. Ich lasse mir genügen, daß ich weiß, daß in meines Vaters Hause viele Wohnungen sind, wie Christus sagt. Weil wir wissen, daß Christus unser Herr ist, warum fürchten wir uns denn für dem Tod? Lasset uns nur in Gottes Namen dahin sterben; uns geschieht nicht übel damit. Es ist nur um ein Stündlein Schlafs. Im Schlaf verzeucht sich alle Müdigkeit und wird einer wieder lustig, am Morgen frisch und gesund aufzustehen. Also werden wir aus den Gräbern am jüngsten Tage auch auferstehen, gleich als hätten wir nur eine Nacht geschlafen, werden frisch und stark seyn, die Augen nur wischen und aller Plage los seyn.“

Wie die Sorge für seine Seele und seinen Leib, so warf er auch die Sorge für Weib und Kinder auf den Herrn. Schon im Jahr 1527 lag er also darnieder, daß man sein Ende fürchtete. Er erhielt später durch die Großmuth seines Churfürsten ein Haus und ein kleines Gut für seine Familie, damals aber hätte er ihnen nichts hinterlassen können, als Haß und Lästerung von der Welt. „Es ist mir lieb,“ sprach er, „daß sie nicht auf Geld und Gut sollen trauen können, sondern allein auf unsern lieben Herrn und Gott, der wird sie wohl führen.“ In dieser Zuversicht tröstete er sein bekümmertes Weib und betete: „Mein allerliebster Gott, ich danke dir von Herzen, daß du gewollt hast, daß ich auf Erden soll arm und ein Bettler seyn, kann derohalben weder Haus, noch Aecker, noch Geld, noch Gut meinem Weib und Söhnlein nach mir lassen. Wie du sie mir gegeben Hast, so bescheide ich sie dir wieder. Du reicher, treuer Gott, ernähre sie, erhalte sie, lehre sie, wie du mich bisher ernähret, erhalten und gelehret hast, du Vater der Waisen und Richter der Wittwen!“

Als die Muhme, die bei ihm im Hause war, sein Söhnlein zu dem Bette brachte, lächelte das Kind den kranken Vater an; dieser aber ergriff das Händlein des Kindes und sprach: „Geh hin und sey fromm. Geld will ich dir nicht lassen, aber einen reichen Gott will ich dir lassen; der wird dich nicht lassen. Sey nur fromm!“

Seine Hausfrau und viele fromme Seelen vereinigten sich im Gebet um das Leben des theuren Mannes und auserwählten Rüstzeugs, und der Herr erhörte ihr Gebet, also, daß sie ihn damals, schon nach acht Tagen durften wieder gesund sehen. Er aber bewährte auch später in gesunden und kranken Tagen den Glauben an das Wort: Wir leben oder wir sterben, so sind wir des Herrn.

Gebet.

Ich weiß wohl, was für Gedanken ich über euch habe, nämlich Gedanken des Friedens und nicht des Leids, daß ich euch gebe das Ende, deß ihr wartet. Und ihr werdet mich anrufen und ich will euch erhören. Jerem. 29, 11. 12.

Herr, allmächtiger, getreuer und barmherziger Gott, der du deinen lieben Sohn, Jesum Christum, für uns das Kreuz erdulden ließest und durch solches sein Kreuz all unser Kreuz und Leiden gesegnet und geheiligt hast; ich bitte dich durch desselben Kreuz, Leiden und Tod, du wollest mir zu erkennen geben das väterliche Herz, das du gegen mich trägest in meinem Kreuz, Trübsal und Anfechtung, und wollest durch deinen heiligen Geist mich bewahren, daß ich nicht zu Nichte mache den Rath deiner Gnade, den du über mich hast. Hilf, daß ich in kindlicher Zuversicht und starkem Vertrauen auf dich Alles in Geduld vertrage, und wenn ich mit Christo hie zeitlich wohl gelitten, mit ihm auch endlich zur ewigen Freude und Herrlichkeit eingehen möge. Amen. (Luther.)

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