Moody, Dwight Lyman - Jesus, der Sünderfreund

Moody, Dwight Lyman - Jesus, der Sünderfreund

Luk. 19,1

„Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Dies ist für mich einer der köstlichsten Verse in der ganzen Bibel. In diesen kurzen Worten wird uns verkündigt, weshalb Jesus, der Sohn Gottes, in die Welt gekommen ist. Er kam zu einem bestimmten Zweck, er kam, um ein Werk zu vollbringen, und in diesem kurzen Wort wird uns die ganze Geschichte bekannt gemacht. Er kam nicht, um die Welt zu verdammen, sondern um die Verlorenen selig zu machen.

Vor mehreren Jahren kam der Prinz von Wales nach Amerika. Das Volk interessierte sich sehr für den Besuch des englischen Thronfolgers. Die Zeitungen besprachen den erwarteten Besuch und ergingen sich in allerlei Vermutungen über die Ursache und den Zweck desselben. Wollte er die republikanischen Regierungsformen studieren? Kam er im Interesse seiner Gesundheit? Oder hatte sein Besuch irgend einen politischen Grund? Nun, der Prinz kam und ging, und es hat niemand den Zweck seines Besuches je kennengelernt.

Wie ganz anders ist es aber mit dem himmlischen Königssohn. Als er vom Himmel her zu uns in unser armes Erdental kam, teilte er uns klar und bestimmt die Ursache seines Kommens mit. Gott sandte ihn und er kam um den Willen seines Vaters zu erfüllen. Dieser Wille sollte uns nicht verborgen bleiben und siehe, er war zusammengefaßt in die trostreichen Worte: zu suchen und selig zu machen, das verloren ist.

Wenn Gott zu irgend einer Zeit einen Boten aussandte, dann brachte er auch stets die Botschaft zur Ausführung. Gott sandte Moses nach Ägypten, um drei Millionen Sklaven aus der Gewaltherrschaft Pharaos zu erlösen. Hatte diese Sendung Erfolg? Anfangs schien es nicht so. Pharao fragte frech: „Wer ist der Gott, dessen Stimme ich hören müßte?“ Wenn wir auf diese gottlose Antwort lauschen und sehen, wie der Tyrann dem Knecht Gottes verbot, noch ferner vor sein Angesicht zu kommen, dann will es uns scheinen, als sollten sich der Botschaft unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen stellen. Aber bald zeigt es sich anders. Gott streckte seine mächtige Hand aus und zwang den Gewalthaber, die Kinder Israel ziehen zu lassen. Gott sandte Elias zur Zeit Ahabs mit einer schweren Botschaft. Er sollte den Himmel verschließen drei Jahre und sechs Monate lang. Ob der Unglaube die Botschaft belächelte oder vor ihr zitterte, sie mußte buchstäblich erfüllet werden. Gott weiß seinem Willen Nachdruck zu verleihen und seine Versprechungen wie seine Drohungen wohl zu erfüllen und auszuführen.

Hier sendet nun Gott den Sohn seiner Liebe, der von Ewigkeit her in seinem Schoße war. Meinest du, daß dessen Sendung ihren Zweck verfehlen könnte? Gott sei Lob und Dank, er ist nicht vergeblich gekommen, er kann selig machen immerdar alle, die durch ihn zu Gott kommen. Kein Leser dieser Zeilen ist s unselig, so verloren, den er nicht retten könnte. Gepriesen sei sei herrlicher Name!

Ich finde es für mich selbst immer sehr nützlich, eine Bibelstelle oder eine biblische Geschichte in ihrem Zusammenhang zu betrachten. Wenn wir uns einmal umschauen, was unserem Textabschnitt vorausgeht, dann finden wir am Schluß des 18. Kapitels Jesum vor den Toren der Stadt Jericho. Dort saß am Wegesrand ein armer, blinder Bettler. Vielleicht wurde er schon viele Jahre durch eines seiner Kinder oder gar durch ein kleinen Hündchen (wie solches ja auch geschieht) täglich hinausgeführt, um dort am Wege seinen Platz einzunehmen. Dort hatte er jahrelang gesessen und seine ganze Beschäftigung bestand darinnen, Vorübergehende um milde Gaben anzusprechen.

Als er nun eines Tages wieder so da saß und horchte, ob nicht der Schritt eines Wanderers gehört wurde, nahte sich der Stätte ein Reisender von Jerusalem. Als der den armen Blinden sah, ging er zu ihm und sagte: „Bartimäus, ich habe eine gute Neuigkeit für dich!“ „Was denn?“ fragte der Blinde. „Es gibt einen Mann in unserem Land, der dir dein Augenlicht geben kann.“

„Ach nein, das wird wohl ein Irrtum sein; ich habe keine Hoffnung, jemals zu sehen, da ich blind geboren bin. In der anderen Welt mag so etwas möglich sein, aber in dieser Welt werde ich wohl immer ein armer, blinder Bettler bleiben müssen, der froh sein kann, wenn ihm die sehenden Menschen einige Groschen schenken.“

„Doch, doch,“ fuhr der Mann aus Jerusalem fort, „es ist gewißlich wahr; in meiner Nachbarschaft war auch ein Blindgeborener, dem er die Augen aufgetan hat, und sehen kann der Mann heute besser wie mancher, dem nie ein Auge wehgetan.“

Nun kam zum ersten Mal ein wenig Hoffnung in das Herz des armen Blinden, und er fragte gespannt: „Wie hatte das denn seinen Hergang?“

„O, das ging sehr einfach zu. Der Arzt machte einen Kot, legte ihm den auf die Augen, sandte ihn zum Teich Siloah, daß er sich dort waschen möge, und siehe da, der Mann wurde sehend, Und ich sage dir, sehen kann er, wie der Beste.“

„Aber was kostet denn die Kur?“ „Kosten? Gar nichts! Der große Arzt schreibt keine Rechnung, der heilt die Kranken alle umsonst. Wenn man ihm seine Not klagen will, dann bedarf es dazu keiner besonderen Vorbereitungen. Bei ihm sind die Reichen nicht bevorzugt, sondern er nimmt sich besonders der Armen an; einen Fürsprecher hat niemand bei ihm nötig.“

„Ach, wie heißt doch dieser gute Mann?“ fragte Bartimäus erwartungsvoll.

„Jesus von Nazareth! Und wenn er je des Weges kommen sollte, dann laß ihn nicht vorbei, ohne ihm deine Not bekannt gemacht zu haben.“

„Darauf kannst du sicher rechnen; wenn dieser Jesus jemals hier durchziehen sollte, dann werde ich mein Anliegen vortragen.“

Und siehe, nicht lange nach jener Unterredung saß Bartimäus wieder an seinem Platz, als sein geübtes Ohr die Fußtritte einer von ferne herankommenden Menge zu unterscheiden vermag. Erst murmelt er leise und undeutlich, aber allmählich wird der Schall stärker und stärker, und nun hält es Bartimäus nicht mehr aus, er ruft und schreit: „Was ist los? Warum sind so viele Leute auf dem Wege? Wer kommt daher gezogen?“ Anfangs beachtete niemand den blinden Bettler, aber endlich gab ihm jemand zur Antwort: „Jesus von Nazareth gehet vorüber!“

Kaum hat er diesen Namen nennen hören, so raffte er sich auf und schrie aus Leibeskräften: „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Ich weiß nicht, ob es Petrus war oder ein anderer Jünger, aber jemand suchte den Schreier zu beruhigen. Er dachte wohl, der Meister will jetzt eilend nach Jerusalem, um sich dort die Königskrone aufzusetzen, wie kann er sich da mit jedem Bettler a Wege aufhalten? Ach! Sie erkannten den Sohn Gottes noch nicht in seiner Retter- und Sünderliebe; sie wußten noch nicht, daß er lieber auf das Schreien eines Verlorenen achten wollte, als auf die Lobpreisungen der himmlischen Heerscharen, sie wußten noch nicht, daß das Schreien eines Elenden für Herz und Ohr des Sünderfreundes die süßeste Musik sei.

Aber Bartimäus ließ sich nicht abschrecken, sondern er schrie noch viel lauter: „Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich meiner.“ Und Jesus hieß ihn zu sich bringen und fragte nach seinem Begehren. Welch ein Augenblick! Der Blinde soll einen Wunsch, eine Bitte aussprechen. Was wird er bitten? Kann denn dies noch eine Frage sein? Höre denn seine Antwort: „Herr, daß ich sehen möge!“

„Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen“; so lautet die Antwort des Sünderfreundes. Und siehe da, alsobald ward er sehend und pries Gott. Und alles Volk, das solches sah, lobte Gott.

Wie gerne wäre ich dabei gewesen, um Zeuge dieser wunderbaren Geschichte sein zu können. Das Erste, was Bartimäus auf Erden sah, war sein Erretter, sein Heiland! Was Wunder, daß er in Lobpreisung Gottes ausbricht, der ihm einen solchen Heiland geschenkt hatte. O, wie er wohl so recht von Herzen mit gesungen haben mag: „Hosianna dem Sohne Davids!“

Der Mann hatte eine Ursache zum Singen. Kennst du auch eine solche Ursache, mein Freund? Bist du auch bei Jesu von Nazareth gewesen? Wenn nicht, o, dann gehe noch heute zu ihm. Er ist bereit, dir zu helfen, wie er dem Bartimäus half.

Gerettet sein gibt Rettersinn Gestattet mir, da ich meiner Einbildungskraft noch ein wenig Spielraum gebe und versuche zu schildern, was Bartimäus, nun er sehend war, unternahm. Wir hörten, wie er im Verein mit dem Volke Gottes Gott lobte und pries. Wir können uns vorstellen, daß er aus vollem Herzen den Ruhm seines herrlichen Erlösers besang. Doch, ich stelle mir vor, damit konnte es bei ihm noch nicht sein Bewenden haben. Er konnte sein Glück nicht für sich behalten. Seine Angehörigen mußten bekannt werden mit dem Wunder der Gnade, welches an ihm geschehen war. So sehen wir ihn denn eilenden Schrittes hinauslaufen, um von dem Kommen des großen Nazareners den Seinen Mitteilung zu machen. Alles ist neu um ihn her, und er kann sich jetzt schlechter zurechtfinden, als da er noch blind war. Früher hörte er nur, nun aber konnte er anschauen und da waren ihm denn selbstverständlich Straßen und Menschen und was ihn umgab völlig neu. Ich denke mir, daß ihn, den allbekannten Bettler, die Leute auf den Straßen anhielten und ihn verwundert fragten nach der Ursache seiner Freude und wie er zu seinem Augenlicht gekommen sei. Wieder und immer wieder mußte er erzählen, welche Wunder der Heiland an ihm getan hatte. Ich denke mir, daß unter anderen auch der Oberzöllner Zachäus auf ihn aufmerksam wurde. Vielleicht war er schon einige Schritte an ihm vorbeigegangen, ehe er ihn erkannte und sich an ihn wandte mit den Worten: „Bartimäus, bist du das?“

„Ja, mein Herr!“

„Ich meinte dich wohl zu erkennen, doch ich traute meinen Augen nicht. Wie kommt es denn, daß du allein gehst? Kannst du denn eigentlich jetzt sehen? Wie bist du denn sehend geworden?“

„Ja, das ist eine wunderbare Geschichte. Soeben komme ich von Jesu von Nazareth, ich traf ihn draußen vor der Stadt, und da hat er meine Augen aufgetan.“

„Jesus von Nazareth! Ist der hier in der Nähe?“

„Ja, er kommt eben in die Stadt, dort unten zum Westtor muß er herein kommen.“

„Den muß ich sehen,“ sprach der Oberzöllner und eilte davon. Bald traf er denn auch mit der Menge zusammen, die sich um Jesu von Nazareth gesammelt hatte. Doch wie sehr er sich auch anstrengen mochte, es gelang ihm nicht, nur mit einem Blick den Heiland zu sehen. Doch der Mann wußte Rat. Schnell eilte er den Weg entlang, bis zum nächsten Maulbeerbaum, und kletterte so schnell es gehen wollte hinauf, setzte sich auf einen Ast und erwartete nunmehr sehnlichst dem Heiland ins Angesicht schauen zu können. Und siehe da, er sollte den Wunsch seiner Sehnsucht erfüllt sehen. Jesus nahte dem Baum, blickte aufwärts und ward des Mannes in den Zweigen gewahr. Gleich ruft er ihn mit Namen: „Zachäus, steige eilend hernieder, denn ich muß heute in dein Haus einkehren!“

Zachäus mag wohl erschrocken sein, daß ihn der Sohn Gottes mit Namen rief. Vielleicht dachte er: „Woher kennt mich der Jesus denn? Ich bin ihm so noch gar nicht vorgestellt.“ Ja, mein Freund, Jesus kennt jeden Sünder. Er kannte den Zachäus, er kennt auch dich. Du kannst dich nicht vor ihm verbergen. ER weiß, wo du wohnst und was du tust. Alle deine Werke sind ihm wohl bekannt.

Manche glauben nicht an plötzliche Bekehrungen. Sie mögen dann einmal darüber nachdenken, wann Zachäus bekehrt worden ist. Er war gewiß noch unbekehrt, als er auf den Baum stieg, und ich halte dafür, daß er bekehrt herunterstieg. Es handelte sich bei diesem Manne um eine schnelle Entscheidung: Jesus stand unter dem Baume und gebot ihm: „Steige eilends hernieder! Dies ist mein letzter Besuch, ich werde niemals wieder diese Straße ziehen!“ Und Zachäus kam eilends und nahm ihn auf in sein Haus mit Freuden. Dies ist der Weg für Jedermann zur Seligkeit. Manche mögen lange Zeit nötig haben, ehe sie sich entschließen, aber endlich muß jeder dazu kommen, den Herrn mit Freuden aufzunehmen. Christus bringt Freude mit, wo er hinkommt. Traurigkeit und Trostlosigkeit muß weichen, wenn er erscheint. Er ist das Licht, welches jedes Dunkel überwindet. Freude und Friede bringt er mit.

Vielleicht fragt jemand: „Woher weißt du denn, das Zachäus bekehrt war? Nun, ich denke, an den Früchten erkennet man den Baum. Wenn ein reicher Mann die Hälfte seiner Güter den Armen gibt und die Leute aufsucht, welche er früher betrogen hat, um ihnen das geraubte Gut vierfältig zu erstatten, dann kann man wohl annehmen, daß etwas Neues in ihm geschaffen ist. Doch das Beste von allem ist doch das Zeugnis des Heilandes: „Heute ist diesem Hause Heil widerfahren!“ Jesus erkannte die Bekehrung des Zachäus an. Hat er auch die deinige anerkannt?

Quelle: Moody, Dwight Lyman - Lebensbrot

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