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Molenaar, Isaak - Weihnachten

Inhaltsverzeichnis

Molenaar, Isaak - Weihnachten

Das Weihnachtsfest soll das große Freudenfest der Menschheit sein. Da heißt es ja: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.“

Ist es das schon? Ach wie viele Menschen sind auf Erden, die noch nichts wissen von dem Heiland und der Freude, die er bringt, die also gar kein Weihnachtsfest feiern kennen!

Aber wie viele feiern es, ohne die große Freude zu empfinden, bloß als ein äußeres Fest, an dem ihr Herz kaum einen andern Antheil nimmt, als an jedem andern häuslichen oder bürgerlichen.

Woher diese niederschlagende Erscheinung, besonders in unsern Tagen, wo doch Alles mehr wie je nach Freude und Genuß hascht, als wäre das die Bestimmung des Machen? Es kommt daher, weil sie ihn nicht als ihren Heiland kennen und also nicht wissen, welche Freude er bringen kann - es kommt mit einem Worte von dem allgemeinen herrschenden Unglauben, denn diese Freude ist eine Glaubensfreude. Wollen wir sie also genießen, so müssen wir schon vorher an ihn glauben, müssen es wissen, daß er auch unser Heiland, auch für uns gekommen ist; wir müssen also vorher schon empfänglich und vorbereitet sein. Darum ging auch Johannes vor dem Herrn her, um die Herzen zu erwecken und auf ihn vorzubereiten. Darum geht auch bei uns ein Advent vor jedem Weihnachtsfeste voraus. Das ist unser Johannes, der auch uns erwecken, und immer aufs neue vorbereiten und immer mehr empfänglich machen soll. Das ist auch eigentlich das Amt des Predigers überhaupt, wie auch die Evangelisten und Apostel im Grunde nichts anderes thaten, als die Menschen zu Christo hinführen und ihm nahebringen; wie Johannes vor seiner leiblichen, so sie vor seiner geistlichen Zukunft. Möchte es denn auch uns heute gegeben werden, ein Wort der Erweckung und Vorbereitung zu reden, damit das Fest, das uns nun so nahe ist, nicht an uns vorübergehe, ohne daß wir an seiner Freude Theil haben. Betet mit mir:

Herr, so lange ist nun schon dein Evangelium in der Welt gewesen, so lange ist die Stimme der himmlischen Freudenbotschaft von deiner Gnade und unsrer Seligkeit erschallt auf dieser Erde, so oft haben wir sie schon vernommen, ja so oft schon deine Zukunft, die Feste deiner Liebe gefeiert und noch haben Viele unter uns nie die rechte Freude darüber empfunden; so viele Herzen unserer Brüder sind schon erweckt und aufgestanden von ihrem Todesschlaf und genießen deine Seligkeit, und wandeln in deinem Lichte und können es sogar leuchten lassen vor den Leuten, und wir liegen noch im Schlafe und sitzen in Finsterniß und Schatten des Todes. O Herr, möchte bald auch unser Tag erscheinen, auch unsere Sonne aufgehen! Herr, segne dein Wort an uns heute! laß uns deine Stimme hören! Bete für uns: Unser Vater rc.

Text: Epheser 5, 15.
Wache auf, der du schläfest, und stehe auf von den Tobten, so wird dich Christus erleuchten.

Das ist die rufende, weckende Stimme des Herrn; sie verheißt einem Jeden, der sie hört, das Licht seiner Gnade.

Laßt uns zuerst sehen, was sie von uns fordert, zweitens, was sie uns verheißt.

I.

Wir sollen aufwachen von dem Schlaf, und aufstehen von den Todten; das ist die Forderung, die sie an uns thut, die Bedingung, die sie macht, wenn uns Christus erleuchten soll, wenn wir an seiner Gnade Theil haben wollen. Und diese Bedingung ist doch wohl billig und natürlich, denn wie kann einem Schlafenden die Sonne leuchten, oder was hilft dem Todten alle Pracht und Herrlichkeit, die über seinem Grabe steht? Eben so wenig Theil hat der geistlich Schlafende und Todte an der geistlichen Lebenssonne und all ihrer Herrlichkeit.

Aber wem gilt dieser Zuruf? Wer ist in einem so tiefen Schlaf, aus dem er zuvor erwachen; wer ist der geistlich Todte, der wie aus dem Grabe aufstehen muß, ehe ihn Christus erleuchten kann? Ist es vielleicht nur der Eine oder der Andere Stumpfe, Blöde, Beschränkte, Ungebildete, Ungelehrte und Unaufgeklärte, dessen geistige Thätigkeit noch nicht angeregt, dessen inneres Leben noch nicht geweckt ist, der gleichsam ein Pflanzenleben führt; oder ist es der grobe Sünder, der in fleischliche Lüste versunken, in Lastern wie erstorben, als ein Thier dahinlebt, ohne Gefühl seiner Menschenwürde, ohne Erkenntniß seiner höheren Natur und Bestimmung? Oder sind nur die heidnischen Völker gemeint, die von dem Licht der heilsamen Gnade, die allen Menschen erschienen ist, noch nicht erleuchtet sind, die von Christo nie etwas vernommen haben, und darum noch wie im Schlaf und Tod daliegen, in der Nacht des Irrthums, in dem Grabe der Unwissenheit und des Aberglaubens? Auch diese, meine Zuhörer; aber diese nicht allein, und nicht einmal diese vorzüglich - nein, vorzüglich und ganz eigentlich sind diejenigen gemeint, die mitten in der Christenheit noch nicht zum lebendigen Glauben an den Heiland erwacht sind. Denn dieses ist das Erwachen und Auferstehen, das hier gemeint ist.

Also nicht der Eine und Andere ist es, der so schläft und so auferstehen muß; sondern wir alle sind es, sind es gewesen oder sind es noch. Ja, Geliebte, von Natur sind wir alle, sind alle Menschen, ohne Unterschied, solche Schlafende und Todte - wir alle müssen aus diesem Schlaf erwachen, von diesem Tod auferstehen, wenn Christus uns erleuchten soll, wenn wir an seinem Heil, seiner Seligkeit Antheil haben wollen. Wir alle sind Sünder, aber das wissen wir nicht, das glauben wir doch nicht, bis wir erwachen und auferstehen, und eben das ist der Beweis, der unwidersprechliche Beweis, daß es so ist, denn der Schlafende, der Todte weiß ja nichts von sich; das Selbstbewußtsein ist es eben, was ihm fehlt. Wohl mag diese Lehre uns fremd und schwer vorkommen, wohl mag sie Vielen hart, ja unerträglich und empörend in die Ohren klingen, besonders in unsern Tagen, wo man so viel von einem Erwachen, von einer Auferstehung der Menschheit spricht und hört, wo es allgemein heißt: „die Völker sind zum Selbstbewußtsein erwacht, und stehen endlich aus dem langen Todesschlafe der Dumpfheit und Unmündigkeit, worin sie versunken waren, auf; sie haben ihre Kraft gefühlt, ihre Bestimmung erkannt und wollen sich nicht länger leiten und gängeln lassen, sondern sich selbst regieren, und fordern ihre natürlichen Menschenrechte, ihre Freiheit zurück.“ Und wirklich, man kann es nicht läugnen, es ist eine solche Erweckung da, es ist ein Geist ausgegangen, der über die Erde hinzieht, und eine Stimme wird überall vernommen, die da ruft: „Wacht auf, ihr Schlafenden; steht auf, ihr Todten, helft euch selbst, so wird Gott euch helfen!“

Aber ist das der Geist des Herrn? Ist das die Stimme Gottes? „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen,“ spricht der Herr. Nun, was für Früchte bringt diese Erweckung? Seht um euch her und schaudert: - Aufruhr, Empörung, Krieg, Zwietracht, Haß und Spaltung, Abfall von Gott und seinem Gesalbten, und darum von seinem Wort, das da lehrt: „Jedermann sei unterthan der Obrigkeit.“

Kennt ihr ihn, diesen Geist? Es ist der, von dem der Apostel sagt: „Gott wird ihnen kräftige Irrthümer senden, daß sie der Lüge glauben, dafür, daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, daß sie selig würden.“ Es ist der Geist des Widerchrists, der ein Lügner ist und war von Anfang. Darum verstellt er sich auch jetzt in einen Engel des Lichts, der den Menschen eine falsche Freiheit, eine betrügerische Erweckung vorspiegelt. Aber nur die erkennen ihn recht und nennen ihn bei seinem wahren Namen, die die Stimme des Herrn erkannt haben, und sich von seinem Geist haben erwecken lassen aus ihrem Sündenschlaf, die sein großes Wort verstehen: „Wer die Sünde thut, der ist der Sünde Knecht. So euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei.“

Soll ich es euch beweisen, daß wir alle von Natur Schlafende und Todte sind, und nur der Herr uns durch fein Wort und feinen Geist erwecken kann? Laßt mich darauf hindeuten! - Der Schlafende hat kein Bewußtsein seiner selbst und seines Zustandes, weder der Gefahr, worin er schwebt, noch des Glückes, das ihm bevorsteht; er ist in der Welt seiner Träume befangen und weiß nicht, was außer ihm, in der Wirklichkeit, vorgeht; und während er da liegt, können Freunde oder Feinde ihm nahen, kann das Wichtigste vorgehen - und er weiß es nicht, und kann nichts dazu thun. Ebenso ist es mit dem natürlichen Menschen. Er kennt sich selbst nicht; er hat kein Leben aus Gott und weiß es nicht; weiß nicht, daß in seinem Herzen der Keim zu allem Bösen ruht, der nur durch äußere Anreizung und Versuchung geweckt zu werden braucht, um zu Allem fähig zu fein; weiß nicht, daß er zu allem wahrhaft Guten untüchtig und unwillig, ohne wahre Liebe in sich selbst befangen, den Lüsten dienend, fleischlich gesinnt, ein Feind Gottes ist. Er ist von Gott geschieden durch die Sünden - und weiß es nicht; er mangelt des Ruhmes an Gott - und weiß es nicht; er hält sich für ein Kind Gottes - und hat doch keine göttliche Natur; er nennt Gott seinen Vater - und hat keine Gemeinschaft mit ihm, keinen Gehorsam gegen ihn, kein Vertrauen zu ihm. So ist er ohne Glaube, ohne Hoffnung. Sein Zustand ist „verzweifelt böse“ und gefährlich - und er weiß es nicht; weiß nicht, daß er verloren und dem Gericht anheim gefallen ist; das Reich Gottes sieht er nicht; der Gnade meint er nicht zu bedürfen; von den Dingen, die des Geistes Gottes sind, vernimmt er nichts, sie sind ihm eine Thorheit und er kann sie nicht verstehen; das Kreuz des Herrn ist ihm ein Aergerniß; die Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi, der das Ebenbild Gottes ist, ist ihm verborgen; sein Wort versteht er nicht, und es geht ihm nicht zu Herzen. Und bei dem Allen ist er ruhig, er träumt sich gut und glücklich; träumt von einem ewigen Leben und von künftiger Seligkeit; träumt sich einen Gott nach seiner eigenen Wahnvorstellung, seiner Vernunft, die er für wahr und wesentlich hält, und glaubt ihm mit seinen äußerlichen todten Werken zu gefallen, und hält sich seiner Liebe werth und gewiß, mit einem Wort - er spricht: „Ich bin reich und habe gar satt, und bedarf nichts, und weiß nicht, daß er ist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß. Das ist der natürliche Mensch. Erkennt ihr darin euer Bild? Gewiß nicht, oder ihr müßtet schon erwacht sein, und dann hätte Christus euch schon erleuchtet. Aber wie soll denn der Mensch aus diesem Schlaf erwachen? Durch die Stimme des Herrn; aber die hört er nicht, und wenn er sie hört, glaubt er ihr nicht; sie dringt nicht ein in sein Inneres, und wenn er ihr glaubt, so kann er sich nicht aufrichten, er hat keine Kraft - er ist wie ein Todter.

Aber wohl uns, Geliebte, das Wort des Herrn ist nicht wie ein Menschenwort, sondern es ist lebendig und kräftig, es gibt, was es fordert; es schafft, was es befiehlt. Es gibt dem Schlafenden das Bewußtsein, dem Todten das Leben. Wenn feine Stimme erschallt: „Wache auf, der du schläfest, und stehe auf von den Todten;“ so geht ein Geist des Lebens von ihm aus. Wie er einst zu Lazarus rief: „Komm heraus!“ und der Verstorbene kam heraus; so erwacht der schlafende Sünder, so kehrt der geistlich Todte ins Leben zurück.

II.

„So wird er dich erleuchten;“ das ist die große Verheißung, die dem Erwachten und Auferstandenen gegeben wird.

Erleuchtung, o mit dem einen Wort ist Alles gesagt, wenn wir es nur verstehen. Diese große Veränderung, die in ihm vorgeht, ist eine neue Schöpfung, es ist ein Licht, das in feinem Herzen aufgeht, und von da sein ganzes Wesen erhellt, durchleuchtet, umwandelt und neugebiert aus Gott. Er fühlt, daß es ein wahres, kräftiges, lebendiges und lebendig machendes, schöpferisches Licht ist, das von sich selbst Zeugniß gibt, und das Herz unaussprechlich gewiß und selig, klar und ruhig macht. Es ist das Zeugniß des Geistes Gottes, wodurch er von sich selbst zeuget mit unmittelbarer Gewißheit, es ist die „Salbung“, die alle Dinge lehrt. „Wer da glaubet an den Sohn, der hat solches Zeugniß bei ihm,“ in sich, denn Christus selbst ist dieses Licht, kein äußeres, sondern ein inneres. „Wir wissen,“ sagt Johannes, „daß der Sohn Gottes gekommen ist, und hat uns einen Sinn gegeben, daß wir erkennen den Wahrhaftigen, und sind in dem Wahrhaftigen - in seinem Sohne Jesu Christo. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“

So sehen sie ihn, und in ihm Alles, sich in ihm, und ihn in Gott. Er ist ihr Licht, ihr Friede, ihre Versöhnung, ihre Gnade, ihre Gemeinschaft mit Gott. Ihre Sünde hat er getragen; an ihrer Statt ist er gestorben; für ihre Schuld ist er gekreuzigt; sein Tod ist ihr Tod; seine Auferstehung ihre Auferstehung; sein Leben ihr Leben. Er selbst lebt in ihnen, sie sind aus ihm geboren, Kinder in dem Sohne; geliebt in dem Geliebten; angenommen, begnadigt, erwählt, berufen und versiegelt zum ewigen Leben; er selbst ist ihre Auferstehung und ihr Leben, ihr Weg und ihre Wahrheit. „Sie leben, doch nun nicht sie, sondern Christus lebt in ihnen. Denn was sie jetzt leben im Fleisch, das leben sie in dem Glauben des Sohnes Gottes, der sie geliebet hat, und sich selbst für sie dahin gegeben.“

Seht, Geliebte, so erleuchtet Jesus Christus. Ist das nun nicht etwas ganz Anderes, als jene Aufklärung und Erhellung, von der die Welt redet? Ja sie ist eine wahre Erweckung, sie gibt wahres Selbstbewußtsein, wahre Kraft und wahres Leben; es ist eine Auferstehung, ein Uebergang von dem Tode zum Leben.

Nur wer sie erfahren hat, der kann sich Gottes, seines Heilandes freuen; der kann das Fest seiner Geburt mitfeiern, als das große Freudenfest der Menschheit. O daß wir alle, alle es so feiern könnten! Darum, Geliebte, darum, damit wir diese Freude haben sollen, ergeht die Stimme an uns alle, ohne Unterschied: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten.“ Amen.

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