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Molenaar, Isaak - Matth. 4,17

Molenaar, Isaak - Matth. 4,17

Am künftigen Sonntage fangen wir schon die Betrachtung des Leidens Jesu an; heute ist also der letzte, den wir der Betrachtung Seines Lebens widmen können. Darum wollen wir diese Stunde dazu anwenden, daß wir mit einander erwägen, was der Hauptzweck und das eigentliche Werk Seines Lebens war. Wir wollen fragen: was hat der Herr eigentlich gewollt und gethan, während Er auf Erden wohnte und in Knechtsgestalt unter den Menschen umherwandelte?

Diese Frage ist doch wohl wichtig, nicht wahr, Geliebte? denn wenn auch das Leiden und der Tod des Herrn der wichtigste, der Haupttheil Seines Erlösungs- und Versöhnungswerkes war, so gehört doch sein heiliges Leben, Sein demüthiger Wandel, Sein stilles Lehren und Predigen, Seine göttlichen Thaten auch zu diesem großen Werke, ja ohne dasselbe würde Sein Leben und Sterben uns nicht einmal ganz verständlich sein, es ist ja nur die Vollendung jenes Werkes und macht also ein Ganzes damit aus.

Wohlan, so wollen wir zuvor den Herrn um Seinen Segen bitten.

Lieber, himmlischer Vater! gib uns doch auch jetzt deinen guten, heiligen Geist, daß Er uns deinen Sohn verkläre als unsern Herrn und Heiland, daß uns Alles wichtig sei, was Er für uns gethan hat, daß wir Alles verstehen und recht erkennen, was zu unserer Seligkeit gehört und was wir thun sollen, daß wir sein werden. Lehre uns, welch ein Reid du in Ihm gestiftet und gegründet hast, und wie wir in dasselbe eingehen können. Vater, der du nicht willst, daß wir verloren gehen, obgleich wir es wohl verdienten; wie überschwenglich ist deine Gnade, der du Alles in uns wirkest, daß wir schaffen können, daß wir selig werden, das Wollen und das Vollbringen; segne auch diese Stunde, sei unter uns in dem Sohne und lehre uns beten: Unser Vater rc. Amen.

Text: Matth. 4,17.
Von der Zeit an fing Jesus an zu predigen, und zu sagen: Thut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.

Hier hören wir es sogleich, was der Herr gethan, womit Er Sich während Seines Erdenlebens beschäftigt hat: Er hat gepredigt, Er hat das Lehramt verwaltet, wie Johannes vor Ihm, wie nach Ihm der Apostel. Auch sehen wir, was der Inhalt Seiner Predigt war: Er hat die Menschen ermahnt, Buße zu thun; und warum dies? Weil das Himmelreich herbeigekommen sei. Also ganz wie Jene; denn das war ja auch natürlich der Inhalt ihrer Predigt, wie wir es von Johannes schon gesehen haben und auch von den Aposteln wissen. So müssen wir Ihn also heute betrachten, nämlich als Prediger und das sind die drei Theile unserer Betrachtung. Erstlich: Er Selbst in diesem Amte, zweitens: was er lehrte und drittens: wozu Er aufforderte. Herr gib uns dazu deine Gnade!

I.

Zuvörderst, Geliebte, muß uns das schon an und für sich selbst sehr merkwürdig sein, daß Jesus Christus Selbst das Predigtamt bekleidet hat. Wir sehen auch darin wieder Seine große, erstaunliche, anbetungswürdige Demuth. Oder war es nicht eine tiefe Herablassung, eine wahre Verläugnung und Selbsterniedrigung, daß Er, der Sohn Gottes, der Herr vom Himmel, sich dazu bergab, dieses Amt zu verwalten, oder laßt mich lieber sagen, diesen Dienst zu verrichten und drei Jahre lang auf Erden und zwar in einem so kleinen unbekannten Lande, und dazu noch meistens in dem unansehnlichsten, ja, von den Uebrigen verachteten Theile desselben, in Galiläa, umherging, die Menschen zu lehren, zu ermahnen, ja zu bitten, daß sie doch Buße thun und sich bekehren möchten, damit sie doch Theil haben möchten an der Seligkeit des Himmelreichs?

Für alle Anderen war es freilich keine Erniedrigung, sondern vielmehr eine Erhebung und eine große Ehre, dieses Amt zu bekleiden. Denn worin besteht dasselbe? In nichts Geringerem, als in der Ankündigung des himmlischen Reiches. Prediger sind eigentlich nichts Anderes, als Verkündiger des Himmelreichs auf Erden. Sie sollen die Menschen belehren, daß es in der That ein solches Reich gebe, worin es bestehe, wie man dazu gelange und sie dann herzlich dringen, bitten und ermahnen, darnach zu trachten. Sie sind also Diener dieses Reiches, die heiligen Diener, Boten und Gesandte Gottes, die Herolde, die Er sendet, daß sie in Seinem Namen reden von Ihm, von Seiner Gnade und Erbarmung, von Seinen heiligen und seligen, alle unsere Begriffe und Vorstellungen unendlich weit übersteigenden Liebesabsichten und ewigem Gnadenrath zeugen sollen. Aber wer war Er? Kein Anderer, als der Sohn Gottes Selbst, und also kein Anderer, kein Geringerer, als der Herr, das Haupt, der König dieses Himmelreichs, mit dem es gekommen, in dem es erschienen und erfüllt war, der Inbegriff desselben, der Inhaber und Austheiler aller Seiner Güter und Gaben, der Besitzer und Geber aller Seligkeit und Herrlichkeit, die es gewährt. Folglich waren alle Prediger Seine Boten und Gesandte, Seine Diener, Zeugen, die von Ihm zeugen, auf Ihn hinweisen, zu Ihm führen, Ihn verkündigen, Ihn predigen. Das waren die Propheten des alten Bundes, die vor Ihm kamen, und von Ihm redeten, als von dem, der da kommen sollte, darum heißen sie auch immer Seine Knechte; das war Johannes der Täufer, der unmittelbar vor Ihm kam und gleichsam mit dem Finger auf Ihr hinwies und sprach: Seht da ist Er, da ist das Gotteslamm, das der Welt Sünde trägt, da ist das Himmelreich, darum heißt Johannes auch der Größte unter allen Propheten, ja unter allen, die von Weibern geboren sind, wie sein eigner Vater Zacharias von ihm spricht: „Du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen, denn du wirst vor dem Herrn hergehen, daß du Seinen Weg bereitest;“ das waren aber auch die Apostel, die Gesandten, die der Welt bezeugen und ansagen mußten, daß er gekommen und in Ihm das Heil, die heilsame Gnade Gottes erschienen sei allen Menschen. So stellte Er Selbst sie an, als Er sein Wort vollendet hatte und gen Himmel fuhr: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker“ und sie Selbst nennen sich nicht anders: „So sind wir nun Botschafter an Christo Statt! denn Gott ermahnet durch uns; so bitten wir nun an Christo Statt: lasset Euch versöhnen mit Gott.“ Und endlich was sind alle folgende Prediger und Lehrer des Evangeliums? Nichts mehr, aber auch nichts weniger, als Seine Diener und Boten an die Menschen, denn sie müssen mit Paulo sagen: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, daß Er sei der Herr, wir aber Eure Knechte um Jesu willen“ und eben darin besteht ihre höchste Ehre, deren sie sich, je mehr sie sie erkennen, um so weniger werth achten, ja die sie durch diese ihre Größe und Würde so tief beugen, so demüthig und gering in sich selbst machen muß, damit Er allein groß und herrlich sei.

Und wenn er nun Selbst dieses Amt auf sich nahm und so ganz menschlich verwaltete, was war das, meine Zuhörer? Können wir es anders nennen, als die allertiefste Demuth und Selbstentäußerung? Freilich ehrte und erhob er dadurch das Amt selbst auf das Allerhöchste, so daß Jeder wohl davon zurücktreten und ausrufen müßte: Wer ist dazu geschickt? - wenn er ihn nicht dazu geschickt machen, ja es in ihm ausrichten wollte; aber Sich selbst erniedrigte Er doch eben dadurch so tief, daß Er nicht nur Sein eigner Diener, ein Knecht Gottes, sondern ein Diener und Knecht der Menschen wurde, denn darin besteht ja eigentlich das Wesen dieses Amtes, nicht ein Herr, sondern ein Diener aller Menschen zu sein und sich unter Alle zu beugen und zu demüthigen um Seinetwillen, um nur Etliche für Ihn zu gewinnen. Und darin bestand denn auch vornehmlich die Knechtsgestalt, die Er annahm und auf Erden trug. Darum nannte Er Sich hauptsächlich des Menschen Sohn und sagte: Er sei nicht gekommen, daß Er ihm dienen lasse, sondern daß Er diene und gebe Sein Leben zur Bezahlung für viele; denn dieses Sein Leiden und Sterben für uns war nichts Anderes, als das vollkommenste Dienen; nämlich die natürliche und nothwendige Folge, aber auch die Vollendung und Verklärung Seines Lehramtes. Als Lehrer, als Prophet hätten sie Ihn geduldet, ja geehrt, aber daß dieser Menschensohn, der Sohn Gottes, der Herr Selbst sein sollte, dafür mußte Er sterben, als ein Gotteslästerer, und daß der Gottes Sohn als Sohn starb für die Menschen, das ist ihre Erlösung - denn nun konnte Er als erhöhter Menschen Sohn sie alle zu sich ziehen.

Aber, Geliebte, wenn uns das schon so merkwürdig sein, das schon unser ganzes Herz zu Ihm hinziehen muß, daß Jesus Christus, der Sohn Gottes Selbst ein Lehrer der Menschen werden und das Predigtamt unter ihnen bekleiden wollte, obgleich Er wohl wußte, daß es Ihn Sein Leben kosten würde, ja Er es mit diesem Entschluß und in dieser Absicht übernahm; wie viel wichtiger muß es uns noch werden, wie viel tiefer in Demuth vor Ihm niederbeugen, in Wehmuth zerschmelzen und in Glauben und Liebe an Ihn binden, wenn wir weiter sehen, wie Er dieses Sein heiliges Amt verwaltet hat, oder wie und Was Er gepredigt hat. Unser Text faßt es in die beiden Worte: „Thut Buße, - denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Wir müssen sie beide erwägen. Das Erste sagt uns, wozu Er die Menschen ermahnte, das Zweite enthält den Grund, wodurch Er sie dazu bewegen wollte.

II.

„Thut Buße“ - erkennet und bekennet Eure Sünde, und bekehret Euch! das ist freilich der beständige Zuruf aller Prediger im ganzen Reiche Gottes, die Aufforderung und Ermahnung aller Propheten und Apostel des Herrn und eben darum auch die Seine, denn sie redeten ja nur in Seinem Namen, ja Er Selbst redete durch sie. Aber, Geliebte, welch einen verschiedenen Eindruck muß es auf uns machen, welch ein anderes Gefühl in uns erwecken, wenn wir es aus Seinem eigenen Munde hören? Er ist der Herr, Er ist der Heilige, Er ist der Sohn des Vaters, der Abglanz Seiner Herrlichkeit und das Ebenbild Seines Wesens - das Licht der Welt, wer Ihn sieht, der sieht den Vater, Er und der Vater sind Eins. Was muß also in Seinen Augen die Sünde, dieser Abfall von Gott, diese Feindschaft Gottes sein! Wie muß sie Sein Herz empören, Sein ganzes Wesen erschüttern und zurückstoßen. Muß sie Ihm nicht auch erscheinen, muß Er sie nicht fühlen, als Feindschaft, als Haß gegen Ihn. Ja fühlt Er sie nicht in der That so und spricht: sie hassen beide, Mich und Meinen Vater.„ Aber indem Er dieß auf das klarste erkennt, auf das lebendigste fühlt, wie ist er gegen die Sünder gesinnt? Er liebt sie, liebt sie mehr wie Sich selbst, liebt sie bis zum Tode, ja Seine Liebe zu den Sündern bringt Ihn in den Tod.

Während Sein ganzes Wesen die Sünde verabscheut, zieht zugleich Sein ganzes Wesen Ihn zu den Sündern hin. Was wir nicht trennen können, die Sünde und den Sünder, weil wir selbst Sünder sind, das stand für ihn himmelweit von einander, weil Sein Wesen Heiligkeit und Liebe - Wahrheit und Gnade war. Was wir nicht vereinigen können, Haß gegen die Sünde und Liebe zu dem Sünder, weil wir dann uns selbst hassen müssen, das war in Ihm auf das innigste, wunderbarste, göttlichste und menschlichste vereint, ja diese Vereinigung machte Sein eigenstes, einziges, Gottmenschliches Wesen aus, das machte Ihn zum Mittler und Versöhner der Welt. Dieser heilige Haß und diese unausdrückliche Liebe, dieses ewige Erbarmen zog Ihn vom Himmel herab, aus dem Schooß des Vaters heraus in die Menschheit, in unser Fleisch und Blut, in unser Elend, in unsere Verdammniß hinein, an das Kreuz, in das Grab hinab, aber auch siegend und allmächtig wieder hinauf, als unser Haupt, unsern Herrn und König, unsern Bürgen und Vertreter, unsern Retter, Heiland und Erlöser. So vereinigte Er die Menschheit mit der Gottheit, so heiligte Er Sich Selbst für uns, denn „Gott war in Ihm und versöhnete die Welt mit Sich selber. Dieß ist das kündlich große Geheimniß der Gottseligkeit, Gott geoffenbaret im Fleisch.“

Diese Vereinigung des außer Ihm ewig Getrennten, diese Fülle der Gottheit in der Menschheit ist nun auch das Himmelreich; und darum konnte nur Er, Er wie kein Anderer, sagen: „Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“

III.

Das Himmelreich oder Reich Gottes ist eigentlich dem Reich des Teufels entgegengesetzt, denn dieser ist es, der die Menschen von Gott getrennt hat und sie ewig von Ihm abhalten und trennen will; darum tritt Er auf in der Weisheit, um diese von ihm zu trennen und wieder mit Gott zu vereinen, und so seine Worte, sein Reich zu zerstören. Diese beiden Reiche führen einen ewig unversöhnlichen Krieg und dieser Krieg und Sieg des Gottesreiches über das Reich des Teufels, des Lichts über die Finsterniß ist die ganze Geschichte des Gottesreichs auf Erden, ja das innerste Wesen der ganzen Geschichte der Menschheit, die wir eben so wenig, als jene, ja als uns selbst, unser eignes Herz und Leben verstehen können ohne diesen Kampf und Gegensatz.

Thut Buße, das ist der Todesstich in das Herz des Feindes, der Siegesruf des Himmelreichs in die Tiefe der Hölle. - Nichts ist unserm Erb- und Todfeind, dem Widersacher unseres Herrn, so verhaßt, nichts fürchtet er mehr, als diesen Ruf; denn er weiß, wer ihn vernimmt und ihm folgt, wer Buße thut, der ist für ihn verloren. Die Buße, meine Geliebten, das ist der Ausgang aus dem Reich des Teufels in das Himmelreich. Nicht die Sünde verdammt dich, sondern die Unbußfertigkeit. Nicht daß du gesündigt hast, daß du ein Sünder bist, sondern daß du es bleiben, dich nicht von der Sünde trennen, nicht dir selbst Unrecht und Gott Recht geben willst, gegen dich selbst, das ist deine Unseligkeit.

Das Reich Gottes ist ein Reich der Gnade und der Versöhnung, und eben darum ein Reich der Seligkeit, ein Himmelreich. Aber es gibt eben darum auch keinen anderen Eingang, keine andere Thür zu demselben, als die Buße - denn durch die Buße gehst du aus von dir, trennst deine Sünde von dir selbst und vereinigst dich mit Jesu, deinem Heiland, der sie auf Sich genommen und bei Gott versöhnt und getilgt hat. Darum hat Er sich so mit den Sündern vereinigt, daß er die Sünde von ihnen trennen konnte; darum bist du im Himmelreich, so bald du an Ihn glaubst, so bald du in Ihm bist. Und so sehr du ihn liebst, so sehr hassest du nun die Sünde, aber die Sünde in dir, und kannst endlich, wie Er, die Sünder lieben, auch wenn sie gegen dich gesündigt haben, denn du lernest mit Ihm, deinem Herrn und Haupt, und durch Seinen Geist für sie beten und sprechen: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun.“ Amen.

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