Molenaar, Isaak - Predigt über Lukas 14,26

Molenaar, Isaak - Predigt über Lukas 14,26

(Gehalten nach Trinitatis.)

Am vorigen Sonntag betrachteten wir den ersten Märtyrer oder Blutzeugen unter den Aposteln, nämlich Jakobus, den Bruder des Johannes. Dies gab uns Veranlassung zu der Frage: wie wir in einer solchen Probe unseres Glaubens bestehen würden.

Wir fanden die Antwort: daß dieses von unserer Liebe zu Jesu abhinge, denn dann wären wir schon mit Ihm gestorben und auferstanden, Er sei unser Leben und Sterben Gewinn. Liebten wir Ihn über Alles, so würde uns kein Opfer zu groß sein, Er werde uns Kraft geben, Alles zu dulden und keine Probe, die Er uns auferlege, würde uns zu schwer sein, wie wir an dem Beispiel der Apostel und vieler anderer Gläubigen sehen. Eine solche Liebe nun fordert der Herr darum von allen den Seinen und muß sie fordern, wenn sie die Seinen sein wollen, und Er kann sie fordern, weil Er sie auch geben will. Aber Er thut dieses oft auf eine solche Art und in solchen Ausdrücken, die für unser natürliches Gefühl hart und anstößig sind, und daher leicht mißverstanden werden können. Daher wird der Prediger des Evangeliums, so bald er dieses Mißverständniß zu befürchten Anlaß hat, solche Ausdrücke und Worte gerne so viel möglich zu erläutern suchen, sowohl darum, weil es ihm über Alles am Herzen liegen muß, das Evangelium rein und lauter zu verkündigen - als auch, so viel an ihm ist, zu sorgen, daß es von seinen Zuhörern ganz verstanden und richtig aufgefaßt werde, weil er nur dann mit Grund hoffen darf, daß seine Predigt gesegnet sein und Früchte des Lebens bringen werde. Wir wollen daher heute ein solches Wort des Herrn naher erwägen, Ihn aber dazu, wie immer, um Seinen Segen bitten.

Herr, der Du uns geliebet hast bis in den Tod und uns noch liebest, nun Du lebest von Ewigkeit zu Ewigkeit und uns mit Deinem Blute gewaschen von unsern Sünden und uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott und Deinem Vater, Dir sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit, v lehre uns Deine Liebe erkennen, die alle Erkenntniß übertrifft, gib, daß wir in derselben gegründet werden mögen, damit wir Dich wieder lieben können mit der Liebe, womit Du uns geliebet und die Liebe, womit der Vater Dich liebet, sei in uns und Du in uns. Segne denn auch dazu das an sich so schwache Wort der Predigt und erhöre uns, o Vater, in dem Sohne, der für uns bittet und in dessen Namen wir sagen: Unser Vater rc. Amen.

Text: Lukas 15, 26.
So Jemand zu mir kommt, und hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eignes Leben; der kann nicht mein Jünger sein.

Seht, Geliebte, ist das nicht in der That ein hartes, abstoßendes Wort, das wohl der Erklärung bedarf? Aber auch, wenn wir es verstehen, bleibt es schwer und bedenklich, es legt uns eine schwere Probe aus, aber die eben darum auch um so wichtiger ist und geeignet, uns zu fördern in der Erkenntniß und Gnade des Herrn.

I.

Vor Allem müssen wir hier vorab bemerken, daß eine auffallende und sogar anstößige Sprache dem Heiland eigen ist, eben darum, weil Sein Sinn unserm natürlichen Sinn gerade entgegengesetzt ist. Darum, sagt er selbst, kennet ihr meine Sprache nicht. Er will dadurch treffen und wecken, und darum können, ja müssen wir, so oft uns Etwas anstößig in Seinen Worten vorkommt, immer voraussetzen, daß es nicht an Ihm, sondern an uns liege, und wir Ihn noch nicht verstehen; aber eben darum auch durch fleißiges, demüthiges, andächtiges und vor Allem betendes Lesen Seines Wortes immer mehr in Seinen Sinn einzudringen suchen. Besonders ist das Evangelium Johannis dazu geeignet, diesen Unterschied, ja den Gegensatz recht fühlbar zu machen, aber auch, wenn es uns nur um die Wahrheit zu thun ist, wenn wir Ihn, der die Wahrheit ist, nur gerne verstehen lernen wollen, den Sinn dafür zu öffnen. Darum ruft Er so oft aus: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“ Doch wir brauchen nur dieses Kapitel, in dem unsere Textesworte vorkommen, durchzulesen: so werden wir diesen Widerspruch und Gegensatz gegen die gewöhnliche Sinnesart deutlich genug finden, aber auch, wenn wir Ihm und nicht uns selbst Recht geben wollen, wie hinter diesem Harten und Anstößigen im Grunde doch nur immer Gnade, Liebe und herzliches Erbarmen verborgen ist. So ist es denn auch mit unsern Textesworten selbst. Es heißt: „Es ging viel Volks mit ihm. Und er wandte sich und sprach zu ihnen.“ Schon hierin liegt jener hohe, heilige Ernst. Wäre es, wie sie meinten, Ihm darum zu thun gewesen, einen großen Anhang zu haben, um irgend eine äußere Absicht, sei es auch nur Ansehen und Ehre, und dadurch Einfluß zu gewinnen auf die Menge: so mußte das Ihm lieb sein und Er ihnen etwas Anziehendes und Schmeichelhaftes sagen. Statt dessen ist es, als wenn Er sie von sich entfernen will. „So Jemand Mir nachfolgen, sich zu mir halten und Theil an meinem Reiche haben will, und nicht hasset seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eignes Leben, der kann nicht mein Jünger sein.“ Als wollte Er sagen: Bedenket wohl, was ihr thut, bei Mir kommt es auf lauter Selbstverläugnung an, wie Ich, so müssen auch Meine Jünger ihr Fleisch kreuzigen, was ihnen das Nächste und Liebste ist, hingeben und aufopfern können. Es gilt Leben um Leben, Liebe um Liebe, das Irdische um das Himmlische, darum preiset euch wohl, ob es euch auch ein ganzer Ernst ist mit eurer Seligkeit und fanget keinen Bau an, ohne die Kosten zu berechnen, lasset euch auf keinen Kampf ein, wo ihr des Sieges nicht gewiß sein könnt; denn das will Er mit den folgenden Gleichnissen sagen. Aber was meint Er mit jenem Hassen? Denn das ist doch unmöglich, daß Er, der die Liebe ist und nur Liebe lehrt, uns zum eigentlichen Haß auffordern sollte, und zwar gegen die, die Gott Selbst uns zum Lieben gegeben! Er Selbst erklärt es schon da, durch, daß Er hinzufügt: „also auch ein Jeglicher unter Euch, der nicht absagt Allem, was er hat - insofern es nämlich seiner Bekehrung im Wege steht, ihn von Mir und von Gott abhalten will - kann nicht Mein Jünger sein, denn das ist die enge Pforte, durch die wir Alle hindurch müssen. Aber vollkommen deutlich sagt er es Matth. 10,37-39. „Wer Vater oder Mutter mehr liebet denn Mich, der ist Mein nicht werth. Und wer Sohn oder Tochter mehr liebet, denn Mich, der ist Mein nicht werth. Und wer sein Leben findet, der wird es verlieren - wer aus Liebe zu dem irdischen Leben, Kreuz, Leiden und Tod scheut, der kann das himmlische Leben nicht erringen - Und wer sein Leben verliert, nicht schont - um Meinetwillen, der wird es finden.“ Eben so sagt Er in demselben Sinn: „Niemand kann zween Herren dienen, entweder wird er den einen hassen und den andern lieben, oder - und dies ist zugleich die Erklärung - er wird dem einen anhangen und den andern verachten;“ er muß zwischen beiden wählen und Einen aufgeben. „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon,“ der Welt und dem Weltgeist.

II.

Zum Verständniß der Worte und des Ausdrucks wird das Gesagte, wie wir hoffen dürfen, hinreichen. Nun aber liegt es uns ob, den Gedanken selbst und die Meinung des Herrn noch etwas näher zu entwickeln und auf uns selbst, auf unser Herz und Leben anzuwenden.

Es gilt hier einen Kampf, einen Streit zwischen unserer natürlichen Liebe und Anhänglichkeit und unserer Liebe zu dem Herrn und Heiland. Aber wie, fraget Ihr, stehen denn diese beiden einander entgegen? Schließt die Eine die Andere aus? Kann sie, sollen sie nicht vielmehr vereinigt, die eine durch die andere veredelt, geläutert und geheiligt werden? Allerdings, Geliebte, und eben das ist es, was der Herr im Grunde sagen will, und wir nun noch beweisen müssen.

Es gibt nämlich wirklich eine unheilige, sündliche Liebe und Anhänglichkeit an die Unsern, die allerdings dem Reich Gottes, der Liebe zu Ihm und Seinem Sohne im Wege steht, und folglich allerdings aufgeopfert und verläugnet werden muß, wenn wir wahre Jünger und Nachfolger Jesu sein und Seiner Gerechtigkeit und Seligkeit theilhaftig werden wollen. Das meinen wir nicht, wenn unsere Nächsten und natürlich mit uns Verbundenen, Feinde der Wahrheit und Widersacher des Evangeliums sein sollten, wenn sie uns von dem Guten, der Bekehrung, dem Glauben abhalten und also unserer Seligkeit im Wege stehen wollten, denn das bedarf keines Beweises, daß wir ihnen dann entsagen, wenigstens uns nicht von ihnen verführen lassen sollen - und daß ein solcher Fall möglich ist, kann Niemand läugnen. Auch dann müßten wir noch keineswegs sie persönlich, sondern nur ihren Sinn, ihre Absicht hassen, aber sie dennoch lieben, sie wo möglich zu überzeugen suchen und für sie beten und wer weiß, was wir in einem solchen Falle, wofür uns übrigens Gott bewahren wolle! durch Sanftmuth, Ernst und wahre christliche Liebe vermögen, um auch ihre Seelen zu retten. Nein, es ist die Rede von jener übertriebenen, fleischlichen und sündlichen Anhänglichkeit, die uns Allen von Natur eigen und im Grunde nichts anders ist, als Eigenliebe. Diele Anhänglichkeit sollen wir verläugnen und in der That hassen, denn sie ist wirklich etwas ganz Sündliches. Wenn du, Vater oder Mutter z. B., in deinen eigenen Kindern nichts Böses, Unrechtes sehen, nicht dulden kannst, daß Andere es an ihnen bemerken und strafen, oder um ihnen nicht wehe zu thun, sie selbst nicht strafen und züchtigen wolltest, wo es Noch thut, ja, wenn du mehr auf ihr äußeres Lebensglück, ihr Fortkommen in der Welt, ihren Genuß und ihr Ansehen, als auf ihr wahres ewiges Wohl sehen, mehr für ihren Leib, als für ihre Seele sorgen wolltest. Und thun wir das nicht oft, mehr als wir denken und wissen. Oder, wenn du, Sohn oder Tochter oder Bruder, aus Rücksicht für die Deinen, aus Furcht, daß sie es übel nehmen oder gar dich darum verachten und verspotten möchten, dich gegen deine eigne Ueberzeugung nach ihnen fügen, um keinen Anstoß zu geben, wo du reden müßtest, schweigen, oder Etwas thun würdest, was dir dein Gewissen, das Wort Gottes verbietet, oder Etwas lassen, was dir dein Herz, das Wort Gottes selbst bietet. Kurz, mein Freund, denn wessen eigene Erfahrung gibt ihm nicht hier Beispiele und Belege genug an die Hand? - so oft du mehr nach Menschen als nach Gott fragst, mehr Menschen als Gott gehorchst, darum weil diese Menschen dir lieb sind und deinem Herzen nahe stehen: so liebst du sie ja mehr als Gott und Christus und dieses ist im Grunde nichts, als Eigenliebe, die nichts leiden, nichts opfern und tragen, kein Kreuz auf sich nehmen will. So wollte Petrus, als der Herr von Seinem Leiden und Sterben sprach, Ihn davon abhalten; aber was antwortete ihm dieser: „Hebe dich weg von mir, Satan, du bist mir ärgerlich, ein Versucher, denn du bedenkst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“

III.

So sollen wir uns durch Nichts, auch nicht durch die Liebe zu unsern Geliebten selbst abhalten lassen, unser ganzes Herz dem Heiland zu geben. Wir sollen Ihn wirklich über Alles und also mehr als uns selbst lieben, und alles Andere nur in Ihm und um Seinetwillen,' wir sollen nicht nur durch Nichts uns von Ihm abziehen und abhalten lassen, sondern vielmehr Alles, am ersten und meisten aber die Unsern, mit denen uns Gott nicht sowohl für die Welt und die Zeit, sondern für den Himmel und die Ewigkeit verbunden hat, zu Ihm hin führen/ durch unsere heilige, ernste, wahrhaftige, ewige Liebe zu ihren Seelen, sie von der Welt und sich selbst ab und zu Ihm und Seinem Reich und Seiner Seligkeit zu bringen suchen. Wie aber vermögen wir das? Nur dann, Geliebte, wenn wir selbst erst die Seinen werden, uns Ihm ganz und auf ewig hingeben, und das ist nicht anders möglich, als durch rechtschaffene Buße und Bekehrung, durch entschiedenen, lebendigen Glauben an Ihn. Denn wenn wir in Ihm unser Leben, unsere eigene, ewige Seligkeit gefunden haben, dann werden wir Ihn über Alles lieben und nicht ruhen und rasten, bis wir auch die Unsern zu dieser Bekehrung, zu dieser Buße und zu diesem Glauben bringen, und wenn das unser ganzer Ernst ist, so werden wir nicht nachlassen. Ihn zu bitten und zu flehen, und Er wird uns helfen und beistehen und Seine eigene Liebe in uns ausgießen, damit wir die Unsern lieben können mit der Liebe, womit Er uns geliebet hat. Amen.

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